Als Gregor Samsa sich eines Tages urplötzlich in ein Ungeziefer verwandelt, verwandelt sich auf einen Schlag alles, was er bisher als gegeben annahm. Obwohl er die Menschen um sich herum nach wie vor verstehen kann, sind seine eigenen Sätze für die anderen unverständlich. Trotzdem versuchen sie, sich um Gregor zu kümmern, der als Ungeziefer neue Bedürfnisse hat. Doch aufgrund seines drastisch veränderten Aussehens stellt sich bald die Frage, wie lange das so weitergehen kann …
„Die Verwandlung“ ist natürlich ein absoluter Klassiker und gehört zu jenen, die ich schon seit langem lesen wollte. Umso froher war ich darüber, dass die Lektüre genauso faszinierend und erschreckend war, wie ich es mir erhofft hatte. Kafkas Schreibstil ist überraschend gut zu lesen und er schafft es hervorragend, Gregors Gefühle innerhalb der achtzig Seiten so intensiv zu beschreiben, dass man leicht mit ihm mitfühlen kann.
Tatsächlich war ich auf positive Weise überrascht, wie gut Kafka Gregors Situation beschrieb. Obwohl wir natürlich nicht wissen können, wie sich jemand fühlt, der in ein Ungeziefer verwandelt wurde, beschrieb Kafka es auf eine Weise, die meiner Meinung nach sehr realistisch war.
Insgesamt also ein Roman, der nicht umsonst ein Klassiker ist und auf dramatische Weise zeigt, wie sehr unser Aussehen und Verhalten die Meinung anderer Menschen beeinflusst.
- Der Pakt der Frauen
- Julia Kröhn
- Heyne
- Belletristik
- Geschichte
- Familiengeschichte
- Kochbücher
- Zwangsarbeiterinnen
- Zweiter Weltkrieg
Katharina ist die einzige dozierende Frau der Universität Wien. Als solche muss sie sich täglich mit dem misogynen Verhalten der Männer herumschlagen, weshalb sie umso entschlossener ist, ihren Wert zu beweisen. Als Thema für ihre Lehrveranstaltung sucht sie sich von Frauen geschriebene Kochbücher aus, was zunächst ein schwieriges Unterfangen zu sein scheint – bis ihr ein Antiquariat unzählige Kochbücher schickt, unter denen sich ein sehr ungewöhnliches befindet: Nämlich eines, das nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht wurde und polnische, tschechische, ungarische, russische und ukrainische Rezepte in deutscher Sprache enthält. Und als Autorin ist der Mädchenname von Katharinas Mutter angegeben …
„Der Pakt der Frauen“ erzählt einerseits die Geschichte von Katharina, die ihrer direkten Familiengeschichte nachgeht, und die ihrer Mutter Jule, die mit der harten Realität von Zwangsarbeiterinnen konfrontiert wird und ihnen helfen möchte. Hierbei fand ich speziell Jules Geschichte besonders interessant, weil sie sowohl das grausame Leben von damals als auch ein bisschen Hoffnung zeigt. Tatsächlich fieberte ich ihren Kapiteln so sehr entgegen, dass ich dafür die Ereignisse in Katharinas Kapiteln nicht immer zu schätzen wusste, obwohl diese durchaus auch interessant waren – wenn auch meiner Meinung nach trotzdem nicht so packend wie Jules Erlebnisse. Das werte ich durchaus als Kritik, weil ich mir gerne gewünscht hätte, dass beide Perspektiven mich gleichermaßen gepackt hätten.
Besonders faszinierend an der Geschichte finde ich, dass sie auf wahren Ereignissen basiert, speziell der Familiengeschichte der Autorin. Natürlich hat sie die Vergangenheit ihrer Familie nicht 1:1 auf den Roman übertragen, doch zusammengenommen mit ihrer Recherche erschuf sie eine Geschichte, die den Übergang zwischen Realem und Erfundenem auf positive Weise fließend macht.
Der Schreibstil war zugegeben nicht ganz so meins, weshalb das Buch für mich auch nicht immer flüssig zu lesen war, doch ich kann mir gut vorstellen, dass ältere Altersgruppen mehr mit ihm anfangen können.
Für mich war der Roman zwar kein absolutes Highlight, aber eine interessante, wissenswerte Lektüre – und für andere Leserinnen und Leser hoffentlich auch!
- The Family Guest
- Nelle Lamarr
- HarperCollins
- Thriller
- Spannung
- Geheimnisse
- Familie
- Identitätsdiebstahl
- Betrug
- Twists
Als die Austauschschülerin Tanya bei den Merritts einzieht, ist nicht jeder glücklich darüber. Vor zwei Jahren ist die älteste Tochter des Hauses, Anabel, verstorben und die Familie ist noch nicht über den Verlust hinweg. Die Mutter Natalie ist von der höflichen und hilfsbereiten Tanya begeistert, weil sie sie an die verstorbene Anabel erinnert. Doch ihre anderen Kinder, Paige und Will, verstehen sich überhaupt nicht mit ihr. Vor allem Paige ist empört über Tanyas Verhalten und möchte nichts lieber, als sie loszuwerden, während Tanya dabei ist, ihr alles wegzunehmen, was ihr wichtig ist. Als Paige Nachforschungen zu ihr anstellt und nichts über sie findet, ist sie erst recht entschlossen, herauszufinden, was es mit der seltsamen Austauschschülerin auf sich hat …
Dieser spannende Thriller zieht einen hervorragend durch die ganze Geschichte, was einerseits dem neugierig machenden Erzählstil und andererseits den kurzen Kapiteln zu verdanken ist. Man will stets wissen, wie es weitergeht, welche Geheimnisse Natalie hütet und welche Tanya vor den Merritts verbirgt. Auf diese Weise fiel es mir leicht, den Thriller regelrecht in mich einzusaugen.
Die beiden Hauptcharaktere sind Natalie und Paige, und ich konnte mich in beide hervorragend hineinversetzen; vor allem Paige, die unter Tanyas Handlungen leidet, war eine sympathische Figur, deren hasserfüllte Gedanken ich definitiv nachvollziehen konnte. Mein Lieblingscharakter war allerdings ihr jüngerer Bruder Will – mit zwölf Jahren ist er bereits ein Technikgenie, der zusammen mit Paige ein hervorragendes Holmes&Watson-Team bildet. Er war sympathisch, hilfreich, intelligent und im Allgemeinen ein hervorragender Charakter!
Dafür fand ich, dass Tanya sehr viel mehr Tiefe gebraucht hätte, als der Thriller ihr gegeben hat. Sie hat psychische Störungen, was einen Teil ihrer Handlungen sicher erklärt, insgesamt jedoch so wirkte, als wäre sie böse um des Bösen willen. Das fand ich sehr schade, weil ich mir hier gerne einen Twist gewünscht hätte, um sie sympathischer zu machen. Nicht jeder Charakter, der psychische Probleme hat, sollte negativ dargestellt werden.
Damit zusammenhängend gab es nicht allzu viele überraschende Twists. Es gab durchaus Enthüllungen, die ich nicht erwartete, aber eher in einem überraschenden und nicht in einem komplett schockierenden Sinne. Das ist jedoch nicht unbedingt eine Kritik, da es auch ein paar falsche Fährten gibt, sondern schlicht eine Feststellung; mir hat es trotzdem sehr viel Spaß gemacht, den Thriller zu lesen und seine Mysterien zu ergründen.
Insgesamt also eine sehr spannende Lektüre, die ihre Antagonistin mit mehr Tiefe und Sympathie hätte darstellen können, ansonsten aber ein wunderbares Leseerlebnis bietet!
- Seven Days
- Steve Cavanagh
- Goldmann
- Eddie Flynn
- Thriller
- Spannung
- Todesstrafe
- Rassismus
- Gericht
- Ermittlungen
- Geheimnisse
Eddies Flynn neuester Fall bringt ihn nach Alabama, wo der afroamerikanische Junge Andy Dubois beschuldigt wird, das weiße Mädchen Skylar Edwards umgebracht zu haben. Der zuständige Staatsanwalt Randal Korn ist berühmt-berüchtigt dafür, Angeklagte in die Todeszelle zu bringen und hat das auch mit Andy vor. Um gegen ihn vorzugehen, muss Eddie alle Register ziehen. Doch wie soll er eine Verteidigung für Andy aufbauen, wenn alle Zeugen, die ihn unterstützen könnten, vorher erpresst oder ausgeschaltet wurden?
Ich bin ein großer Fan der Eddie-Flynn-Reihe und auch "Seven Days" zeigt das Talent Steve Cavanaghs, einen packenden Thriller zu schreiben, der einen in Atem hält. Dieses Mal bekommen wir neben Eddies auch viele andere Sichtweisen zu sehen, die nicht nur die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ereignissen und Charakteren gut zeigen, sondern uns Leserinnen und Lesern teuflisch gut vermitteln, wie gewaltig die Aufgabe ist, die sich Eddie dieses Mal aufgehalst hat. Mehr als einmal hatte ich Panik, weil ich mich fragte, wie zur Hölle Eddie sich aus gewissen Situationen manövrieren soll – da hat Steve Cavanagh wirklich hervorragende Arbeit geleistet!
Besonders gut gefielen mir die Verbindungen der verschiedenen Handlungsstränge, die am Ende unter anderem in einer epischen Gerichtsverhandlung wipfeln, die es in sich hat. Die Gerichtsszenen gefielen mir ohnehin immer am meisten, weshalb ich froh war, auch hier ein grandioses Finale zu erleben.
In der eigentlich Handlung gab es durchaus Szenen, die zuerst als Längen anmuteten, weil ihre Relevanz zunächst nicht klar war. Aber spätestens am Ende klären sich die letzten Fragen, sodass letztendlich ein spannendes Leseerlebnis entstand, das mich sehr mitgerissen hat.
Wer schon vorige Eddie-Flynn-Romane gelesen hat, wird mit "Seven Days" einen weiteren Thriller erleben, der einen begeistert!
- Der Lehrling des
- Wunscherfüllers
- Rachel Chivers Khoo
- Rachel Sanson
- Knesebeck
- Kinderbuch
- Wünsche
- Abenteuer
- Familie
- Wohlfühlroman
Als Felix nach der Schule traurig allein nach Hause geht, weil seine Schwester Rebecca vergessen hat, ihn abzuholen, beschließt er, einen Cent in den Wunschbrunnen von Whittlestone zu werfen. Er hofft, dass sein Wunsch, Rebecca würde ihn wieder mögen, erfüllt wird. Zu seiner Überraschung erwischt er am Wunschbrunnen einen kleinen Mann, der mit einer Angel die Münzen aus dem Wunschbrunnen fischt. Es handelt sich dabei um Rupus Beewinkle, den Wunscherfüller von Whittlestone – und er braucht dringend einen Lehrling! Denn Whittlestones Wünsche werden nach und nach vom Wunschklauer gestohlen, weshalb Felix und Rupus ihn aufhalten müssen, bevor es zu spät ist ...
Diese charmante Geschichte gehört zu jenen, die nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene gut zu lesen sind. Zusammen mit Felix und Rupus erleben wir ein Abenteuer, dessen Fokus die Macht der Wünsche und der Hoffnung ist – die aber auch den Wert der Familie betont und deshalb noch schöner zu lesen ist. Besonders Felix' und Rebeccas Beziehung ist mir sehr ans Herz gewachsen, aber auch Rupus war ein angenehmer Charakter.
Das Tempo der Geschichte fand ich genau richtig – das Buch ist lang genug, um wichtige Ereignisse nicht zu übereilen, aber trotzdem kurz genug, dass es sich flott liest. Noch dazu gibt es ein paar Überraschungen, die einen zusätzlich auf Trab halten. Hier hilft es auch, dass die Schrift angenehm groß und die Zeichnungen großartig sind!
Was die Botschaften angeht, sind diese verständlicherweise nicht allzu subtil eingebaut, doch das hat mich persönlich nicht gestört. Ich habe es einfach zu sehr genossen, Felix' kleines Abenteuer zu verfolgen :)
Insgesamt ist dieses Buch also nicht nur für Kinder von 8-10 Jahren zu empfehlen, sondern auch für die Erwachsenen, die gerne gute Kinderbücher lesen!
- Der Wal und das
- Ende der Welt
- John Ironmonger
- Fischer
- Belletristik
- Leben
- Epidemie
- Krise
- Menschlichkeit
- Hoffnung
- Wohlfühlbuch
St. Piran ist ein kleines Dorf mit dreihundertsieben Einwohnern, in dem alle ihren Alltag leben. Bis Joe Haak an die Küste gespült wird, dessen Leben von einem Wal gerettet wurde. Er revanchiert sich kurz darauf, indem er mithilfe der anderen Bewohner das Leben des Wals rettet, woraufhin sich eine Geschichte entspannt, die das ganze Dorf aufrüttelt. Denn Joe Haak, Analyst, hat mithilfe seines Programms den Kollaps der Weltwirtschaft vorausgesehen – und ist entschlossen, St. Pirans Bewohner bestmöglich auf den Moment vorzubereiten ...
Es ist wirklich erstaunlich, dass diese Geschichte bereits 2015 geschrieben wurde, weil sie so vieles, das während der Corona-Pandemie passiert ist, erstaunlich akkurat vorhergesagt hat. Ich war mehr als einmal überrascht, wie sehr John Ironmongers Vorstellungen mit der Wirklichkeit übereingestimmt haben! Allein deshalb war die Lektüre unglaublich faszinierend und sehr empfehlenswert.
Was die eigentliche Geschichte angeht, war ich überrascht davon, wie sehr ich mit Joes Vergangenheit mitfieberte (in Kontrast zu der St.-Piran-Gegenwart). Zwar gab es auch in der Gegenwart einige packende Szenen (wie die Rettung des Wals, Joes Quarantäne und das Weihnachtsfest), aber insgesamt fand ich die vergangenen Szenen um einiges interessanter als die gegenwärtigen.
Das könnte auch daran liegen, dass es bei den gegenwärtigen Ereignissen ab und an Längen in der Handlung gab; nicht so sehr, dass sie mich vom Weiterlesen abgehalten hätten, aber genug, dass ich ein wenig mehr mit den vergangenen Geschehnissen mitfieberte.
Insgesamt habe ich das Buch als Wohlfühlroman empfunden, weil er zeigt, dass es auch in schlimmen Zeiten Hoffnung gibt. In diesem Sinne kann ich trotz der erwähnten Kritik eine Empfehlung aussprechen!
Guy Montag ist Feuerwehrmann: Er setzt Bücher in Brand. In seiner Gesellschaft sind sie streng verboten und er hilft dabei, sie zu beseitigen. Bis er auf Clarisse trifft. Das Mädchen, das Dinge infrage stellt. Das Mädchen, das ihn selbst dazu bringt, seine Situation zu hinterfragen. Schließlich wagt Montag es – und liest zum ersten Mal in einem Buch. Die Konsequenzen für ihn selbst sind dabei weitaus größer, als er es sich jemals hätte vorstellen können …
„Fahrenheit 451“ ist ein absoluter Klassiker und nach dem Lesen weiß ich auch, warum. Für mich war es dabei nicht einmal die Handlung, die mich am meisten packte, sondern die Fragen, die Montag sich nach und nach stellte. Sie haben mich ebenfalls zum Nachdenken angeregt, weil überraschend viele davon auch für unsere gegenwärtige Zeit relevant sind. Allein deshalb hat sich das Lesen gelohnt, auch wenn es so einige Szenen gab, die ich nicht ganz verstand.
Das ist auch meine einzige Kritik an dem Buch – dass nicht immer klar war, was gerade vonstatten ging. Zumindest teilweise schien das beabsichtigt zu sein, um die skurrile Gesellschaft des Romans zu betonen, hat aber dennoch mein Verständnis der Geschichte stellenweise beeinträchtigt.
Doch da ich letztendlich so fasziniert von Ray Bradburys erschaffener Welt und den wachsenden Zweifeln seines Protagonisten war, bin ich trotzdem sehr froh, diesen Roman gelesen zu haben!
- Der Zopf
- Laetitia Colombani
- Fischer
- Belletristik
- Lebensgeschichten
- Starke Frauen
- Drama
- Diskriminierung
- Hoffnung
- Highlight
Smita, Giulia und Sarah leben drei sehr unterschiedliche Leben. In Indien gilt Smita als Unberührbare als Abschaum der Gesellschaft, weshalb sie umso entschlossener ist, ihrer Tochter eine bessere Zukunft zu ermöglichen. In Sizilien arbeit Giulia in einer Fabrik, die Perücken herstellt, bis ein Unfall ihres Vaters ihr bewusst macht, dass die Fabrik kurz vor dem Ruin steht. Und in Kanada hat Sarah einen sehr erfolgreichen Job als Anwältin, bis eine Diagnose ihr Leben komplett auf den Kopf stellt. Die drei Frauen wissen nichts voneinander, doch dennoch sind ihre Schicksale eng miteinander verbunden ...
"Der Zopf" gehört zu den Büchern, von denen ich sehr viel gehört, aber nie selbst gelesen habe – bis jetzt. Denn nach dieser wundervollen Lektüre ist mir jetzt endlich klar, warum dieses Buch so beliebt ist: Weil es schafft, trotz der recht schweren Thematiken eine absolut wunderschöne Geschichte zu erzählen. Ich bin regelrecht in Smitas, Giulias und Sarahs Leben versunken, so eindringlich beschreibt Laetitia Colombani ihr Schicksal.
Am meisten habe ich mit Smita mitgefiebert, weil ihre Lebenssituation besonders furchtbar war, sie aber nie aufgegeben hat. Aber auch Sarah, deren Geschichte zeigte, wie leicht man aufgrund einer Krankheit ausgeschlossen werden kann, war absolut herzzerreißend und hat am Ende doch Hoffnung geweckt. Nur bei Giulia habe ich mich manchmal schwer getan, mit ihr mitzuleiden, weil ihre Zeit des Leids vergleichsweise kurz und größtenteils durch eine schöne Romanze gedämpft ist.
Die Geschichte insgesamt jedoch war nach wie vor wunderschön zu lesen und ich kann sie allen empfehlen, die einen kurzen, mitreißenden Roman suchen!
- Yellowface
- Rebecca F. Kuang
- Eichborn
- Belletristik
- Plagiarismus
- Verlagswesen
- Social Media
- Satire
- Horror
- Highlight
June Hayward und Athena Liu sind beide Autorinnen, doch während Junes Debütroman gescheitert ist, werden Athenas Werke über alle Maßen gefeiert. Bis sich für June eine einmalige Gelegenheit bietet: Athena stirbt vor ihren Augen. June nutzt die Chance, um Athenas gerade abgeschlossenen Roman zu stehlen, ihn zu überarbeiten und unter dem Namen Juniper Song zu veröffentlichen. Er ist ein voller Erfolg und June erlebt zum ersten Mal, wie es ist, sich als Bestseller-Autorin zu fühlen. Bis ein Twitter-Account namens AthenaLiusGeist sie des Plagiats beschuldigt …
Meine Güte, was für ein Roman! Er ist genial, er ist gemein, und ausgesprochen meta. Die weiße June Hayward ist keine sympathische Protagonistin – und dennoch fiebert man mit ihr mit, während sie das Werk der chinesisch-amerikanischen Autorin Athena Liu stiehlt, es als ihr eigenes ausgibt und dabei nicht merkt, dass sie mit ihren Überzeugungen immer mehr in die Extreme rutscht.
Denn am faszinierendsten ist die Tatsache, dass man Junes Sichtweisen teilweise verstehen kann. Ab wann ist etwas ein Plagiat, ab wann ein eigenes Werk? Was ist mit (starken) Inspirationen, die den eigenen Text beeinflussten? Und warum sollten weiße Autor:innen nur über weiße Personen und chinesisch-amerikanische nur über chinesisch-amerikanische schreiben? Es war so bizarr, zu sehen, wie ich mich dabei ertappte, June Erfolg zu wünschen, nur um im nächsten Moment zu hoffen, dass ihr Fall sehr tief und sehr schmerzhaft sein wird.
Erschwert wird das auch durch die Darstellung von Athena Liu, die fast ebenso fehlerbehaftet wie die Protagonistin war und auf ihre eigene Weise Geschichten stahl, die ihr nicht gehörten – aber dafür auf eine Weise, die sehr viel schwieriger zu beurteilen ist als Junes recht offensichtlicher Plagiarismus. Auch hier stellt sich die Frage, wo das eigene Werk anfängt und das anderer Autor:innen aufhört.
Zudem kritisiert Rebecca F. Kuang auch das Verlagswesen und die Social Media, was es zusammen mit ihrem flotten Schreibstil einfach gemacht hat, noch tiefer in die Geschichte und die eigenen Gedanken zu versinken. Es war wirklich unglaublich, wie schwer es mir beizeiten fiel, mit dem Lesen aufzuhören, weil ich so sehr in den Strudel der Geschichte eintauchte!
Kritisieren möchte ich allerdings das Ende und die Szenen, die dazu führten. Gegen Ende wechselt der Roman fast schon zum Horror, bevor er recht plötzlich endet. Für mich las sich das im Vergleich zum vorigen Roman eher seltsam und eher unpassend; zwar sind die heraufbeschwörten Bilder sehr mächtig und man fühlt auf unangenehme Weise mit June mit, doch irgendwie passten diese letzten paar Kapitel nicht so wirklich zum Rest. Hier hätte ich mir zumindest ein anderes Ende gewünscht.
Im Anbetracht der Aspekte, die mit gefielen, kann ich aber trotzdem eine sehr große Empfehlung für diesen Augen öffnenden Roman aussprechen!
Frankenstein ist ein absoluter Klassiker, doch gehört er wohl zu den Romanen, von denen die meisten gehört, aber noch nie selbst gelesen haben. Weil ich interessiert daran war, worum es denn jetzt eigentlich in Frankenstein geht. Zu meiner Freude handelt es sich tatsächlich um einen fesselnden Roman, der die Geschichte Frankensteins und seiner erschaffenen Kreatur auf zugleich packende und tragische Weise erzählt.
Am Anfang wird Viktor Frankenstein zunächst am Nordpol von einem gewissen Robert Walton aufgelesen, wo er auf der Suche nach seiner Kreatur ist. Walton will wissen, was genau passiert ist und Frankenstein erzählt ihm seine Geschichte: Wie er recht früh ein Interesse für die Wissenschaft entwickelte, die er an der Universität in Ingolstadt weiter vertiefte und schließlich beschloss, Leben zu erschaffen, woraus seine altbekannte Kreatur entstand. Entsetzt darüber, was er tat, rannte er davon, was der Kreatur Zeit gab, zu fliehen. Erst Jahre später, nachdem ein Familienmitglied Frankensteins ermordet wurde, sehen sie sich wieder und Frankensteins Kreatur erzählt ihm, wie es ihm erging …
Die Geschichte war um einiges tragischer, als ich es vermutete; das betrifft nicht nur den Tod einiger meiner liebsten Charaktere, sondern auch das Leben Frankensteins und seiner Kreatur. Beide Charaktere haben Schreckliches, mir aber auch leid getan. Und das fand ich wohl am faszinierendsten: Dass keiner von beiden von Grund auf „böse“ ist, sondern nachvollziehbare Gründe für sein Handeln hat, so grausam dieses auch sein mag. Zwar war ich am Ende eher auf Frankensteins Seite, aber wie gesagt fand ich beide Seiten gleichermaßen faszinierend – und tatsächlich war es die Erzählung der Kreatur, die ich am interessantesten fand!
Vom Schreibstil her ist der Roman überraschend gut zu lesen; man merkt zwar, dass er „altertümlicher“ ist, aber er war trotzdem angenehm genug. Ich mochte auch die Extras, die in der Coppenrath-Ausgabe enthalten sind und dem Roman einen ganz eigenen Charme verleihen.
Insgesamt also ein Klassiker, der sich zu lesen lohnt!
- Geheime Gesellschaft
- Sarah Penner
- HarperCollins
- Belletristik
- Spiritualismus
- Geister
- Betrug
- Spannung
- Krimi
- Mystery
- Geheimnisse
- LGBTQ+
Ende des 19. Jahrhunderts boomt der Spiritualismus in London. Lenna selbst gehört zu den Skeptikerinnen, doch als ihre Schwester Evie ermordet wird, wendet sie sich in ihrer Verzweiflung an das Medium Vaudeline D’Allaire in Paris, in der Hoffnung, den Mord aufzuklären. Doch als die beiden Frauen erfahren, dass am selben Tag von Evies Mord auch der Gründer der London Séance Society, Mr. Volckman, ermordet wurde, vermuten sie, dass ein- und dieselbe Person hinter den Morden stecken könnte. Sie reisen nach London, um Nachforschungen anzustellen. Dort erfahren sie nicht nur die dunklen Geheimnisse der Society, sondern auch, inwiefern Evie mit ihnen in Verbindung stand …
Eins muss vorweg gesagt werden: Ja, dieser Roman ist übernatürlich. Diejenigen, die gegenüber dem Spiritualismus skeptisch eingestellt sind, werden ihm deshalb vermutlich nichts abgewinnen können. Ich selbst lese solche Romane als Fantasy und stelle mir vor, dass die Geschichte in einer alternativen Welt spielt, in der diese übernatürlichen Praktiken tatsächlich möglich sind. Diejenigen, die selbst spirituell sind, an Spiritualismus glauben und/oder eine offene Sichtweise diesbezüglich haben, werden hier begeisterter sein.
Denn die Geschichte selbst und speziell der kriminelle Aspekt sind sehr gut und sehr spannend erzählt. Ich habe es geliebt, zusammen mit Lenna die Geheimnisse der Society zu ergründen und gleichzeitig zu erfahren, wie Evie in der Vergangenheit mit ihnen in Kontakt kam. Zu erfahren, wie alles zusammenhängt, war so zufriedenstellend; sobald man alle Informationen hat, passen alle Puzzleteile wundervoll zusammen, was genau das ist, was ich mir von einem kriminalistischen Roman erhoffe.
Erwähnen möchte ich auch die Romanze zwischen Lenna und Vaudeline, die ich sehr süß fand und die sich gut in die Handlung eingefügt hat.
Es gab nur zwei Aspekte, die ich kritisieren möchte: Einmal eine Kleinigkeit, nämlich die Tatsache, dass Flashbacks nicht stärker als solche gekennzeichnet wurden. Es kann manchmal verwirrend sein, wenn jedes Kapitel mit einem Datum eingeleitet wird, die Haupthandlung des Kapitels aber an einem anderen Datum spielt. Diese Passagen hätte ich deshalb ebenfalls mit einem Datum versehen.
Die größere Kritik ist eine Entscheidung, die Lenna am Ende bezüglich des Drahtziehers trifft. Diese Entscheidung fand ich nicht nur außergewöhnlich grausam, sondern auch gefährlich, weil es zumindest theoretisch möglich wäre, dass der Drahtzieher einen Weg findet, sich an ihr zu rächen. Das passiert natürlich nicht, aber ich fand es trotzdem sehr leichtsinnig von ihr.
Zusammengefasst haben wir hier einen spannenden Roman, dem es gelingt, seine Mysterien auf zufriedenstellende Weise aufzuklären – der dafür allerdings nur Leserinnen und Lesern zu empfehlen ist, die dem Spiritualismus gegenüber offen eingestellt sind. Ich selbst habe ihn durchaus gemocht, mir aber trotzdem gewünscht, eine realitätsnähere Geschichte zu erleben. Doch für Fans von allem, was übernatürlich ist, ist dieser Roman dafür das Richtige!
Clara Konrad ist eine Lügnerin. Sie erzählt den Menschen das, was sie hören wollen, was sie in ihrem astrologischen Beruf sehr beliebt macht. Doch dann wird sie von einer ehemaligen Kundin gefunden, die ihr unendlich dankbar ist, weil alles, was Clara über sie vorhersagte, wahr geworden ist. Die Kundin glaubt, dass Clara die Gabe habe, aus ihren Lügen Wahrheiten zu machen – und so testet Clara ihre Fähigkeit aus …
Dieser kurze Roman liest sich sehr angenehm und beschäftigt sich dabei mit einem wichtigen Thema: Wie sehr wir uns selbst von Lügen hinreißen lassen und wie leicht es uns fällt, Lügen zu glauben, die eine Geschichte erzählen. Dass es oft nicht wichtig ist, ob jemand die Wahrheit sagt oder lügt, weil letztendlich nur das zählt, was wir selbst glauben – unabhängig davon, ob das die Wahrheit ist oder nicht. Friedemann Karig erzählt von einer Frau, deren Lügen eine unglaubliche Macht besitzen, ohne dass jemals ganz klar wird, wie wahr ihre Erzählungen wirklich sind. Das hat dem Roman einen ganz eigenen Flair verliehen, weil die Macht der Geschichten, die hier erzählt werden, zeigen, wie effektiv Lügen wirklich sind. Dass sie im Grunde dadurch wahr werden, indem man an sie glaubt.
Deshalb fand ich den Roman unglaublich faszinierend – weil er mich sehr zum Nachdenken angeregt hat. Man wird richtig in die Geschichte hineingesaugt, möchte wissen, wie weit Claras Lügen wirklich gehen werden und kümmert sich nicht darum, dass es, nun ja, Lügen sind. Gerade, den Unterschied zwischen ihren Wahrheiten und Lügen zu entdecken, war eine faszinierende Aufgabe, die mich eine ganze Weile beschäftigt hat, obwohl sie natürlich unmöglich zu lösen ist.
Wer also einen kurzen, fesselnden Roman lesen möchte, der einen dazu antreibt, über die Macht von Lügen nachzudenken, ist hier genau richtig!
- Der späte Ruhm der
- Mrs. Quinn
- Olivia Ford
- dtv
- Belletristik
- Wohlfühlroman
- Backen
- Backshow
- Leben
- Geheimnisse
- Liebe
Jennifer „Jenny“ Quinn ist siebenundsiebzig Jahre alt und seit fast sechzig Jahren glücklich mit ihrem Ehemann Bernard verheiratet. Im Leben setzte sie sich nie sonderlich große Ziele, sondern verbrachte es größtenteils damit, ihrem liebsten Hobby, dem Backen, nachzugehen. Doch eines Tages überkommt sie der Wunsch, noch etwas Großes zu leisten, solange sie es kann, woraufhin sie sich bei der beliebten TV-Sendung „Das Backduell“ bewirbt. Zu ihrer Überraschung wird sie als Kandidatin angenommen und muss sich in mehreren Sendungen gegen die anderen Bäckerinnen und Bäcker beweisen. Währenddessen kommen ihr jedoch Erinnerungen hoch – Erinnerungen, die sie sechzig Jahre lang verdrängt hatte und die jetzt wieder an die Oberfläche treiben …
„Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ ist ein wunderbarer Wohlfühlroman, der sowohl das Backen als auch das Altwerden gebührend feiert. Er liest sich insgesamt eher ruhig und wartet mit keinen großen Überraschungen auf – tatsächlich fand ich ihn recht vorhersehbar –, aber dafür schafft er es, eine Atmosphäre zu verströmen, die das Herz erwärmt. Wenn man etwas Angenehmes ohne allzu großes Drama lesen will, ist man hier genau an der richtigen Adresse.
Die fehlende Spannung kann dabei durchaus als Kritikpunkt gewertet werden, aber seltsamerweise empfand ich sie nie als einen. Es hat mir trotzdem Spaß gemacht, Jennys Weg zu verfolgen, die verschiedenen Gerichte und Geschichten dazu zu erleben und am Ende das Buch mit einem Lächeln zu schließen. Es ist insofern fast wie ein Weihnachtsfilm – ein paar wichtige Botschaften verpackt in eine Handlung, die schlichtweg wunderschön ist.
Deshalb ist das Buch eine empfehlenswerte Lektüre für all diejenigen, die genau nach so etwas suchen oder es wieder brauchen; mir hat sie auf jeden Fall gut getan!
Die Bayview-Crew hat nach den Ereignissen der letzten zwei Jahre eigentlich gehofft, ihre Leben jetzt friedlich weiterführen zu können, doch so leicht macht ihnen das Justizsystem der Stadt die Sache leider nicht. Jake Riordan, der damals eine tragende Rolle im Fall Simon Kelleher gespielt und Addy fast umgebracht hat, wird auf Kaution freigelassen und macht keinen Hehl daraus, dass er sich an der Bayview-Crew rächen will. Als Phoebe verschwindet und mit dem Wort „Übung“ auf ihrem Arm wiedergefunden wird, fürchtet Addy, sie selbst könne Jakes eigentliches Ziel sein. Phoebe dagegen verdächtigt ihren kleinen Bruder, dessen Rolle sie bisher vor allen verschwiegen hat. Währenddessen droht Jake Nate damit, dass er Bronwyn bald verlieren könnte …
Was diesen Abschluss der „One of us is lying“-Trilogie betrifft, war ich sehr nervös, weil mir der erste Teil ausgesprochen gut gefallen hat, ich den zweiten Teil aber merklich schwächer fand. Insofern war ich nicht sicher, ob ich einen krönenden oder enttäuschenden Abschluss erwarten sollte, aber zu meiner Erleichterung ist es eindeutig ein krönender Abschluss geworden!
Die Hauptrollen spielen hier Phoebe, Addy und Nate. Sie alle haben Geschichten, die noch nicht abgeschlossen sind und in diesem Band zu einer Auflösung finden. Ich fand es unglaublich spannend, ihre Geschichten zu verfolgen, weil Karen McManus es einfach versteht, uns am Ball zu halten und uns sowohl mit Twists, Ablenkungsmanövern als auch Gefahrensituationen zu überraschen. Mein Liebling hier war Phoebe; ihre Zerrissenheit bezüglich dem Geheimnis, das sie hütet, um ihren Bruder zu beschützen und ihrem Wunsch, weitere Katastrophen zu vermeiden, war sehr fesselnd zu lesen!
Natürlich spielen auch die anderen Charaktere weiterhin eine Rolle, sodass letztendlich alle Mitglieder der Bayview-Crew einen wichtigen Moment in diesem Buch bekommen. Das Ende war hierbei besonders episch; nicht nur ist es unglaublich spannend geschrieben, sondern führt alle Handlungslinien auf zufriedenstellende Weise zusammen. Es begeistert mich immer wieder, wie es Karen McManus scheinbar mühelos gelingt, packende Jugendthriller zu schreiben!
Insgesamt handelt es sich um „One of us is back“ um einen würdigen Abschluss der „One of us is lying“-Reihe, der mich von Anfang bis Ende gefesselt hat!
Andy liebt Jen, doch Jen hat die Beziehung zwischen ihnen beendet. Während Andy versucht, über sie hinwegzukommen, eine neue Wohnung zu finden und seine Karriere als Comedian weiterzutreiben, muss er nach und nach lernen, warum Jen mit ihm Schluss gemacht hat – und wie es in Zukunft weitergehen soll.
Dieser Roman hatte einige interessante Ansätze, konnte mich letztendlich aber nicht hundertprozentig überzeugen. Und das liegt größtenteils daran, dass wir Jens Sichtweise erst am Ende in einem zugegeben langen Kapitel zu sehen bekommen. Dieses Kapitel fand ich ungemein faszinierend und hätte mir gerne gewünscht, dass wenigstens die Hälfte des Romans aus ihrer Sicht erzählt worden wäre, um beide gleichwertig darzustellen.
Zwar verstehen wir als Leser:innen gut, warum Jen Andy verlassen hat, doch er selbst braucht dafür ein Weilchen. Die Ereignisse, die er währenddessen erlebt, fand ich dabei teils interessant (vor allem Morris, seinen Mitbewohner, fand ich sehr sympathisch) und habe mich gefreut, dass er auf seiner Suche nach Verständnis viele anderen Arten der Beziehung kennengelernt hat, während er seine eigene hinterfragte.
Doch insgesamt passiert in dem Roman nicht allzu viel; der interessanteste Teil ist wie gesagt am Ende, der sogar vorherige Teile des Romans in einem anderen Licht darstellt, was mir sehr gefiel. Und genau dieser Teil hätte meiner Meinung nach ausgebaut werden sollen, um aus dem Roman ein wahrhaft faszinierendes Erlebnis statt ein Erlebnis mit einem faszinierenden Ende zu machen.