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NSA - Nationales Sicherheits-Amt
796 Seiten

In einem Nazi-Deutschland, das früh Mittel zur Überwachung entwickelt hat, inklusive Komputer und ausschließlich bargeldlose Zahlung, ist Helene eine Programmiererin im Nationalen Sicherheits-Amt. Hier entwickelt sie neue Programme, um das Sammeln und Interpretieren von Daten zu erleichtern. Doch sie hat ein Geheimnis: Sie ist in den Deserteur Arthur verliebt, dessen Aufenthaltsort mithilfe ihrer Programme ans Licht kommen könnte. Notgedrungen tut sie alles, um ihn zu beschützen und die Daten zu manipulieren. Zugleich folgen wir Eugen Lettke, der sich auf die Suche nach mehreren Frauen macht und dabei Helenes Hilfe in Anspruch nimmt, weil seine Taten genauso wenig ans Licht gelangen dürfen wie ihre …

Dieser Roman hat es in sich, denn das deprimierende Horrorszenario, das er darstellt, ist erschreckend realistisch. Es macht einem auf unangenehme Weise bewusst, wie leicht es ist, anhand nur weniger Daten alles über eine Person herauszufinden – und wie unmöglich es in der Nazizeit gewesen wäre, sich unter diesen Umständen gegen den Staat aufzulehnen. Die Art und Weise, wie die verschiedenen Methoden zur Überwachung dargestellt wurden, hat mir sehr gut gefallen, weil hier wirklich an alle möglichen Verbindungen gedacht wird.

Der Roman besteht aus zwei Handlungssträngen, die sich schließlich treffen: Zum einen ist da Helenes Leben zusammen mit den vielen Veränderungen und Herausforderungen, denen sie sich stellen muss: Der Verlust einer jüdischen Freundin und eines Familienmitglieds, das Erlernen des Programmierens und ihre Nutzung in der NSA, die Beziehung zu ihrer großen Liebe Arthur und ihre Bemühungen, seine Existenz zu verschleiern, die notgedrungene Zusammenarbeit mit Lettke und das Offenbaren feindlicher Pläne, gefolgt von noch mehr Problemen, die sie niederzuringen drohen. In diesen Handlungsstrang war ich sehr investiert, weil es leicht war, sich in Helene hineinzuversetzen und zu verfolgen, wie sie versucht, die verschiedenen Probleme in ihrem Leben zu lösen. Die Tatsache, dass es hier auch eine große Varietät an Problemen gab, hat die Handlung stets frisch gehalten und ihre Kapitel und Szenen flogen geradezu an mir vorbei. Nur das Ende entsprach nicht meinem Geschmack, weil ich es vergleichsweise unrealistisch fand und deshalb ein realistischeres Ende bevorzugt hätte.

Zum anderen haben wir Lettke, der nach einem Abend als Jugendlicher, in dem er gedemütigt wird, es sich zum Lebensziel macht, die Mädchen von damals zu finden und sich an ihnen zu rächen, sprich: Sie zu vergewaltigen. Tatsächlich besteht fast drei Viertel seines Handlungsstrangs daraus, dass er nach Frauen sucht, die er vergewaltigen kann, unabhängig von ihrer Beziehung zu ihm, sondern einfach, weil es ihn erregt. Und ich muss sagen, dass mir seine Kapitel und Szenen überhaupt nicht gefallen haben und ich es tatsächlich besser gefunden hätte, sie komplett wegzulassen; aber nicht unbedingt deshalb, weil Lettke aufgrund seiner Taten so abstoßend und ekelerregend war, sondern vor allem, weil seine Taten erst nach drei Viertel der Handlung überhaupt plotrelevant waren. Alles, was in dieser Zeitspanne passierte, las sich wie unnötiger, sich immer wiederholender Filler, der um der Grausamkeit wegen grausam und sonst nicht von Belang war. Ja, auch hier lernen wir Möglichkeiten der Überwachung kennen, aber da diese eher das Framing für Lettkes Handlungen sind und nicht im Fokus stehen, hätte ich sie lieber in Helenes Geschichte gelesen. Zudem wäre das Pacing der Geschichte und der ganze Kontext hinter Lettkes Charakter meiner Meinung nach besser gewesen, wenn wir für den Großteil der Handlung nicht gewusst hätten, was er tut. Eine Ausnahme bildet das letzte Viertel, das Lettke endlich etwas Anderes zu tun gibt und sich sehr spannend las, mit dem Bonus eines passenden, aber nicht vorhersehbaren Schlusses.

Zusammengefasst liebte ich Helenes Geschichte also sehr, während mir Lettkes Geschichte überhaupt nicht zusagte. Glücklicherweise steht Helene eher im Fokus, sodass ich den Roman insgesamt betrachtet (und vor allem auf die Schrecken der Überwachung bezogen) sehr empfehlenswert fand. Wobei ich trotzdem eine Kritik habe beziehungsweise etwas, das mir fehlte: Programmierfehler. Computer (oder, in diesem Fall, Komputer) mögen nicht so fehleranfällig wie Menschen sein, aber Fehler machen sie trotzdem. Die Tatsache, dass alle Maßnahmen, die der Staat in die Wege leitete, reibungslos funktionierten und es niemals irgendwelche Programmierfehler gab, kam mir unrealistisch vor. Es ist durchaus realistisch, dass die vorgestellten Komputer so gut funktionieren, dass sie eine nahezu perfekte Überwachung ermöglichen, aber dass niemals auch nur ein unvorhergesehener Fehler unterläuft, kam mir wie fehlendes Plotpotenzial vor. Hier hätte ich es interessanter gefunden, diese einzubauen, um die Handlung noch realistischer und gleichzeitig spannender zu gestalten.

Trotz der erwähnten Kritik hat mir dieser Roman sehr gut gefallen. Tatsächlich ist der einzige Grund, aus dem mir die kritischen Punkte so deutlich ins Auge fielen, die Tatsache, dass Helenes Handlungsstrang so positiv hervorgestochen ist. Das ist sogar noch zu schwach ausgedrückt – er ist wirklich positiv hervorgestochen, hat mich durch den ganzen Roman getragen und stets Lust auf mehr gemacht. Aus diesem Grund ist der Roman für alle Fans spekulativer Geschichte, die realistisch geschrieben ist, eine klare Empfehlung – selbst, wenn man wie ich Lettkes Handlungsstrang nicht viel abgewinnen kann.

Starling House
480 Seiten

Opal schafft es gerade so, sich und ihren Bruder Jasper mit Diebstählen und ihrer Arbeit über Wasser zu halten, doch das ändert sich, als sie sich eines Tages nach Starling House verirrt. Ihre erste Begegnung mit dem letzten Erben des Hauses, Arthur, verläuft bestenfalls kritisch, doch als sie ein paar Tage danach zurückkehrt, bietet er ihr überraschend einen Job als Haushaltshilfe an. Opal nimmt an, weil die Bezahlung genug ist, um ihrem Bruder ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Doch die Gravelys, die die Stadt kontrollieren, haben es auf Starling House abgesehen und erpressen Opal, ihnen Informationen über das Haus zu geben. Hin- und hergerissen zwischen ihrem Verlangen, ihren Bruder zu schützen und Arthur nicht zu verraten, ahnt Opal, dass sie bald eine schwere Entscheidung treffen muss …

Dieser atmosphärische Roman beeindruckt vor allem durch seinen bildlichen, wunderschönen Schreibstil und seine Charaktere, ist dafür aber nicht zwingend spannend, sondern eher mysteriös.

Opal, Arthur und Jasper sind die wichtigsten Charaktere und alle waren vielschichtig und einnehmend. Auch einige der Nebencharaktere bekamen überraschende Momente, die mir sehr gefielen, wenn sie auch bei weitem nicht so wichtig sind wie die Hauptcharaktere und die zentrale Antagonistin. Das machte mir jedoch nichts aus, weil mir die zentralen Figuren so sehr gefielen und wir einen tiefen Einblick in ihre Gedanken und Gefühle bekamen.

Dazu hat der Schreibstil stark beigetragen. Alix E. Harrow benutzt Formulierungen und Sätze, die ein starkes Bild hinterlassen und die ich so noch nie gelesen habe. Es ist ein wundervoller, beeindruckender Schreibstil, der zudem die mysteriöse Atmosphäre des Romans betont und einfach schön zu lesen ist. Tatsächlich tue ich mich schwer, zu entscheiden, ob ich den Schreibstil oder die Hauptcharaktere besser fand, weil beide Aspekte so eng miteinander verwoben sind.

Doch etwas gab es, das mir beizeiten fehlte: (Konstante) Spannung. Das Mysteriöse und Unheimliche wird hervorragend durch den Schreibstil eingefangen, doch die Handlung war eher ruhig und drängte mich nicht immer zum Weiterlesen. Dadurch, dass das Buch genug andere positive Aspekte hatte, tat ich es natürlich, aber trotzdem hat mir ein bisschen mehr Spannung gefehlt. Das Seltsame hierbei ist, dass es durchaus spannende Situationen gibt, sie sich aber nicht immer spannend anfühlten. Die übernatürlichen Gefahren waren für mich zu vage, um mich vor ihnen zu fürchten, weshalb mich die realen Gefahren, die durch die Erpressung der Gravelys entstanden, mehr überzeugten.

Aus diesem Grund würde ich den Roman Leserinnen und Lesern, die einen bildlichen Schreibstil, einnehmende Hauptcharaktere und eine atmosphärische Lektüre suchen, empfehlen – doch nicht unbedingt denjenigen, die gerne von Spannung getriebene Geschichten bevorzugen. Mir persönlich hat der Roman gut gefallen, doch ist er definitiv etwas für Fans ruhigerer, mysteriöser Geschichten!

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
416 Seiten

Kurz vor der Jahrhundertwende im Jahr 1899 ist der Transsibirieren-Express sowohl ein Wunder als auch eine Gefahr. Obwohl bei der letzten Überfahrt etwas schief gelaufen zu sein scheint, wollen Menschen auch weiterhin diese besondere Fahrt durch das Ödland erleben. Darunter Maria Petrowna, die mit falschem Namen in den Zug steigt und eine Lüge aufzudecken versucht; Zhang Weiwei, die vor sechzehn Jahren im Zug geboren wurde und seine Mysterien ergründen will; und Henry Grey, ein in Ungnade gefallener Naturforscher, der im Ödland seine ganz eigenen Pläne umzusetzen gedenkt. Doch als im Zug und im Ödland immer merkwürdigere Dinge passieren, müssen die drei ihre eigentlichen Pläne beiseite schieben, wenn sie die Fahrt überleben wollen ...

Dieser Roman ist mysteriös, fantasievoll, gruselig und atmosphörisch, überzeugt dafür aber in anderen Kategorien nicht ganz so sehr. Die bildgewaltige Sprache hat ein paar einzigartige Szenen erschaffen, die mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben werden, aber die Handlung an sich wurde mir letztendlich nicht ganz klar.

Das heißt nicht, dass die gesamte Handlung verwirrend für mich war, aber ganz folgen konnte ich ihr auch nicht immer. Zudem scheint es durchaus absichtlich zu sein, dass man nicht immer weiß, was gerade vor sich geht, was es noch schwerer macht, die Handlung zu beurteilen. Am Ende musste ich mich fragen, was ich eigentlich gerade gelesen habe - so wundervoll und entsetzlich und unbeschreiblich waren die Ereignisse, die Sarah Brooks schildert.

Insofern würde ich sagen, dass speziell das Worldbuilding fantastisch gelungen ist und für viele unvergessliche Szenen gesorgt hat. Doch jemand, der lieber eine kohärente Handlung und einen Fokus auf Charakterbeziehungen möchte, wird sich schwer tun, sie hier zu finden. Sie existieren zwar durchaus (speziell die Freundschaft zwischen Weiwei und Elena fand ich sehr gut beschrieben), aber letztendlich lebt der Roman eher von seinen ungewöhnlichen Erlebnissen. Leserinnen und Leser, die ein etwas anderes Leseerlebnis haben wollen, können hier also definitiv damit rechnen – doch Fans "klassischer" Handlungsstränge werden wohl eher verwirrt sein.

Empfehlen würde ich den Roman letztendlich trotzdem, aber mit der Einschränkung, dass er sicher nicht für jeden etwas sein wird!

Sixteen Souls (Souls-Dilogie, Band 1)
416 Seiten

Seit Charlie durch Meningitis seine Beine verloren hat und fast gestorben wäre, kann er die Geister von York sehen. Zwar hat er in einigen von ihnen Freunde gefunden, vermeidet sie jedoch in der Regel, um in keine Todesschleife zu geraten und anderen gegenüber noch merkwürdiger als ohnehin schon zu erscheinen. Bis er Sam trifft. Zunächst hält er ihn für einen Geist, bis Sam Charlie aus einer Todesschleife rettet und sich genau wie Charlie als Seher entpuppt. Zusammen müssen sie die Geister Yorks retten, die nach und nach verschwinden, ohne selbst dabei ihr Leben zu verlieren …

Dieser Jugendroman hat zwar ein paar Schwächen, ist aber gut genug, dass ich Interesse am zweiten Teil habe. Das Beste am Roman waren meiner Meinung nach die Hauptcharaktere: Charlie und Sam. Die beiden waren mir unglaublich sympathisch, waren gleichzeitig glaubwürdige Charaktere und entwickelten sich während des Romans ebenfalls sehr gut. Ihrer Romanze fehlte etwas Tiefe, war aber immer noch süß zu lesen und gefiel mir letztendlich recht gut.

Von den Nebencharakteren hat mir Heather am meisten gefallen, die durch ihre Freundschaft mit Charlie definitiv am meisten Tiefe bekommen hat. Die anderen Nebencharaktere bleiben dafür sehr flach; tatsächlich viel es mir oft schwer, sie mir überhaupt zu merken und ich finde, dass es insgesamt zu viele gab. Hier hoffe ich, dass der zweite Teil fokussierter auf weniger Charaktere sein wird.

Was die Handlung betrifft, war ich positiv überrascht über die guten, überraschenden Twists gegen Ende der Geschichte, die so einige Geschehnisse während der eigentlichen Handlung in einem neuen Licht darstellten. Das Ende an sich wurde leider ein wenig schnell abgewickelt, aber die Erkenntnisse, die es schenkte, haben mir dafür umso besser gefallen.

Insgesamt also eine gute Geschichte, die, so seltsam es auch klingen mag, sowohl sehr süß als auch sehr schaurig ist!

Yellowface
383 Seiten

June Hayward und Athena Liu sind beide Autorinnen, doch während Junes Debütroman gescheitert ist, werden Athenas Werke über alle Maßen gefeiert. Bis sich für June eine einmalige Gelegenheit bietet: Athena stirbt vor ihren Augen. June nutzt die Chance, um Athenas gerade abgeschlossenen Roman zu stehlen, ihn zu überarbeiten und unter dem Namen Juniper Song zu veröffentlichen. Er ist ein voller Erfolg und June erlebt zum ersten Mal, wie es ist, sich als Bestseller-Autorin zu fühlen. Bis ein Twitter-Account namens AthenaLiusGeist sie des Plagiats beschuldigt …

Meine Güte, was für ein Roman! Er ist genial, er ist gemein, und ausgesprochen meta. Die weiße June Hayward ist keine sympathische Protagonistin – und dennoch fiebert man mit ihr mit, während sie das Werk der chinesisch-amerikanischen Autorin Athena Liu stiehlt, es als ihr eigenes ausgibt und dabei nicht merkt, dass sie mit ihren Überzeugungen immer mehr in die Extreme rutscht.

Denn am faszinierendsten ist die Tatsache, dass man Junes Sichtweisen teilweise verstehen kann. Ab wann ist etwas ein Plagiat, ab wann ein eigenes Werk? Was ist mit (starken) Inspirationen, die den eigenen Text beeinflussten? Und warum sollten weiße Autor:innen nur über weiße Personen und chinesisch-amerikanische nur über chinesisch-amerikanische schreiben? Es war so bizarr, zu sehen, wie ich mich dabei ertappte, June Erfolg zu wünschen, nur um im nächsten Moment zu hoffen, dass ihr Fall sehr tief und sehr schmerzhaft sein wird.

Erschwert wird das auch durch die Darstellung von Athena Liu, die fast ebenso fehlerbehaftet wie die Protagonistin war und auf ihre eigene Weise Geschichten stahl, die ihr nicht gehörten – aber dafür auf eine Weise, die sehr viel schwieriger zu beurteilen ist als Junes recht offensichtlicher Plagiarismus. Auch hier stellt sich die Frage, wo das eigene Werk anfängt und das anderer Autor:innen aufhört.

Zudem kritisiert Rebecca F. Kuang auch das Verlagswesen und die Social Media, was es zusammen mit ihrem flotten Schreibstil einfach gemacht hat, noch tiefer in die Geschichte und die eigenen Gedanken zu versinken. Es war wirklich unglaublich, wie schwer es mir beizeiten fiel, mit dem Lesen aufzuhören, weil ich so sehr in den Strudel der Geschichte eintauchte!

Kritisieren möchte ich allerdings das Ende und die Szenen, die dazu führten. Gegen Ende wechselt der Roman fast schon zum Horror, bevor er recht plötzlich endet. Für mich las sich das im Vergleich zum vorigen Roman eher seltsam und eher unpassend; zwar sind die heraufbeschwörten Bilder sehr mächtig und man fühlt auf unangenehme Weise mit June mit, doch irgendwie passten diese letzten paar Kapitel nicht so wirklich zum Rest. Hier hätte ich mir zumindest ein anderes Ende gewünscht.

Im Anbetracht der Aspekte, die mit gefielen, kann ich aber trotzdem eine sehr große Empfehlung für diesen Augen öffnenden Roman aussprechen!

Frankenstein oder Der moderne Prometheus (illustriert)
262 Seiten

Frankenstein ist ein absoluter Klassiker, doch gehört er wohl zu den Romanen, von denen die meisten gehört, aber noch nie selbst gelesen haben. Weil ich interessiert daran war, worum es denn jetzt eigentlich in Frankenstein geht. Zu meiner Freude handelt es sich tatsächlich um einen fesselnden Roman, der die Geschichte Frankensteins und seiner erschaffenen Kreatur auf zugleich packende und tragische Weise erzählt.

Am Anfang wird Viktor Frankenstein zunächst am Nordpol von einem gewissen Robert Walton aufgelesen, wo er auf der Suche nach seiner Kreatur ist. Walton will wissen, was genau passiert ist und Frankenstein erzählt ihm seine Geschichte: Wie er recht früh ein Interesse für die Wissenschaft entwickelte, die er an der Universität in Ingolstadt weiter vertiefte und schließlich beschloss, Leben zu erschaffen, woraus seine altbekannte Kreatur entstand. Entsetzt darüber, was er tat, rannte er davon, was der Kreatur Zeit gab, zu fliehen. Erst Jahre später, nachdem ein Familienmitglied Frankensteins ermordet wurde, sehen sie sich wieder und Frankensteins Kreatur erzählt ihm, wie es ihm erging …

Die Geschichte war um einiges tragischer, als ich es vermutete; das betrifft nicht nur den Tod einiger meiner liebsten Charaktere, sondern auch das Leben Frankensteins und seiner Kreatur. Beide Charaktere haben Schreckliches, mir aber auch leid getan. Und das fand ich wohl am faszinierendsten: Dass keiner von beiden von Grund auf „böse“ ist, sondern nachvollziehbare Gründe für sein Handeln hat, so grausam dieses auch sein mag. Zwar war ich am Ende eher auf Frankensteins Seite, aber wie gesagt fand ich beide Seiten gleichermaßen faszinierend – und tatsächlich war es die Erzählung der Kreatur, die ich am interessantesten fand!

Vom Schreibstil her ist der Roman überraschend gut zu lesen; man merkt zwar, dass er „altertümlicher“ ist, aber er war trotzdem angenehm genug. Ich mochte auch die Extras, die in der Coppenrath-Ausgabe enthalten sind und dem Roman einen ganz eigenen Charme verleihen.

Insgesamt also ein Klassiker, der sich zu lesen lohnt!

Ein Fluss so rot und schwarz
272 Seiten

Als Huxley aufwacht, hat er keinerlei Erinnerungen daran, wer er ist. Huxley nennt er sich nur, weil der Name auf seinem rechten Arm tätowiert ist. Er befindet sich auf einem Schiff mit sechs anderen Personen - außer, dass einer von ihnen bereits tot ist. Zusammen mit den anderen - Rhys, Pynchon, Plath, Dickinson und Golding - versucht er, herauszufinden, warum sie hier sind und warum sie sich an nichts erinnern können. Eine Stimme am Telefon warnt sie allerdings davor, jede Person zu töten, die sich erinnert - und im Anbetracht der Tatsache, dass sie sich in einem postapokalyptischen London befinden, sind Erinnerungen längst nicht ihre einzige Gefahr ...

Dieser Roman ist wohl einer der kreativsten Dystopien, die ich bisher gelesen habe. Ohne zu viel verraten zu wollen, ist die Art und Weise, wie sie die Menschen beeinflusst hat, absolut furchterregend - auf gute Weise. Es gab mehrere Szenen und Beschreibungen, die sich in mein Gehirn gebrannt haben, weil ich so etwas davor noch nie gelesen hatte. Insofern werden gerade Leser*innen von Weltuntergangsszenarios hier voll auf ihre Kosten kommen.

Den Rest fand ich dafür "nur" ganz gut. Die wenigen Hauptcharaktere tragen dazu bei, dass alle die Gelegenheit bekommen, einen Teil ihres Charakters zu zeigen, doch als Hauptcharaktere selbst fand ich sie, um ehrlich zu sein, nicht allzu fesselnd. Die Handlung hat, wie oben erwähnt, ein paar Szenen, die sehr erinnerungswürdig waren, doch mit Ausnahme dieser Szenen fühlte ich mich selten von ihr mitgerissen.

Dabei würde ich nicht sagen, dass das an der Kürze des Romans liegt, sondern eher daran, dass ich mich nicht allzu gut in die Charaktere hineinversetzen konnte und eher darauf gewartet habe, bis der nächste dystopische Moment kommt. Die waren einfach so gut, dass sie den Rest in den Schatten gestellt haben.

Wie gesagt: Für Dystopie-Fans eine hervorragende Lektüre, doch für alle anderen eher nicht so gut geeignet.

Ganz gewöhnliche Monster - Dunkle Talente
796 Seiten

Das Cairndale-Institut ist für Kinder mit besonderen Fähigkeiten - Kinder wie Marlowe und Charlie. Marlowe kann mit nur einer Berührung Menschen heilen oder töten, wobei seine Haut dabei blau leuchtet. Und Charlie ist unverwundbar - all seine physischen Verletzungen heilen und töten kann man ihn auch nicht. Alice und Coulton, die für das Cairndale-Institut arbeiten, haben die Aufgabe, beide Jungs sicher dorthin zu bringen. Was sich als gar nicht so leicht herausstellt, denn beide werden von Jacob Marber, einem ehemaligen Cairndale-Schüler, gejagt ...

Zugegeben: Die achthundert Seiten, die dieser Roman einnimmt, sind tatsächlich ein bisschen zu viel. So sehr es mir auch gefiel, die Vergangenheit der Kinder und die Jacob Marbers zu verfolgen, hätte man den Roman trotzdem ein wenig kürzen können, ohne allzu viel Inhalt zu verlieren. Deshalb braucht man auch ein wenig Durchhaltevermögen, um ihn zu beenden.

Doch diejenigen, die Fantasy, Horror und Abenteuer mögen, werden sicher trotzdem Freude an ihm finden. Die Kinder sind mir dadurch, dass wir sie so ausführlich kennenlernten, sehr ans Herz gewachsen. Dasselbe gilt für Alice, die die Kinder um jeden Preis beschützt. Mir gefiel es auch, dass der Roman recht unvorhersehbar war und trotz der Horror-Elemente darauf verzichtet hat, die Kinder zu Monstern bzw. zu Opfern von Monstern zu machen; beides habe ich halb erwartet, weshalb ich froh war, dass die Gewalt sich hier in Grenzen hielt und der Autor sich lieber auf den Bund der Kinder konzentriert hat.

Die Kräfte der Kinder sind größtenteils allbekannte, finden aber kreative Anwendungen (wie z.B. bei Charlie, der in seiner Haut Messer verstecken kann). Hier hat die Kombination mit Horror sehr geholfen, für spannende Situationen zu sorgen. Auch die Atmosphäre war rundherum gelungen.

Dieser Roman ist also perfekt für Leser und Leserinnen, die realistisch eingebaute Fantasy mögen - aber nur, wenn diese sich nicht von langen Büchern abschrecken lassen, was bei mir zumindest teilweise der Fall war.