Ein gutes Buch, das mit seinen 800 Seiten etwas zu lang ist und ein Ende hat, das nicht so recht zum restlichen Inhalt passt.
Das Buch geht der Frage nach, was wäre, wenn es im Dritten Reich bereits Computer, das Internet und Mobiltelefone gegeben hätte? Und die damit erzeugten Daten der Regierung vollumfänglich zur Verfügung stünden? Hauptfiguren sind dabei eine Programmiererin und ein Abteilungsleiter des sogenannten Nationalen-Sicherheits-Amts. Während die Programmiererin mitunter etwas naiv, aber extrem gut ist, in dem was sie tut, ist der männliche Hauptcharakter stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Beide Figuren werden dabei sehr ausführlich, beginnend in ihrer Kindheit, vorgestellt. Das macht die beiden zwar sehr greifbar für den Leser, sorgt aber eben auch für viele Seiten. Im Hauptteil des Buches gibt es gefühlt wiederkehrende Handlungsstränge, die inhaltlich zwar unterschiedlich sind, die die Handlung aber nicht im Wesentlichen vorangetrieben haben. Das erzeugt ebenfalls einen Eindruck von Länge. Zum Ende hin entwickelt sich das Buch plötzlich ganz anders, was auch irgendwie nicht so recht viel mit dem eigentlichen Thema zu tun hat und gipfelt dann in einem für mich etwas abstrusen Finale. Das hat zum Ende hin dem an sich guten Buch einen gewissen Dämpfer verpasst.
Meiner Meinung nach muss man kein Nerd sein, um Spaß an dem Buch zu haben. Jedoch hilft eine gewisse technische Affinität für ein besseres Verständnis. Wenn man über das Ende etwas hinwegsehen kann, ist es ein gutes Buch, dass ich eingeschränkt empfehlen kann.
Großartig geschrieben, starke Charlotte. Viele Wendungen und Sub-Stories, die gut zusammenpassen.
Solider Thriller (?) slash Roman. Moderne Technologie wurde auf das Deutschland der 30er und 40er Jahre übertragen. Die Konzepte haben gut gepasst und waren teilweise gut erklärt. Selbst wenn es nie zur Sprache kam, war viel von den Beispielen etwas, was wir "Data Science" nennen würden. Sprachlich teilweise etwas sperrig, aber auch ulkig: Programmieren wurde zum Beispiel zum "Programme stricken".
Das Hörbuch war super gelesen.
Was wäre gewesen, wenn die nazis schon über Computer, mobile telefone, internettechnologie verfügt und Unmengen an Daten hätten sammeln können? Gute Idee - die Umsetzung hat mir nicht so gefallen; die Story schleppt sich phasenweise eher dahin.
Ausgehend von einer interessanten Hypothese, dass die heutige Computertechnik schon im Dritten Reich zu Verfügung stand, entwickelt dieses Buch eine der düstersten Dystopien die ich seit 1984 und the cycle gelesen habe. Besonders erschreckend ist es, wenn man sich vorstellt, dass wir von dieser Realität egal ob durch Rechte, Linke oder Großkonzern-Seite iniziert, nur noch wenige Schritte entfernt sind. Eine klare Leseempfehlung.
In einem Nazi-Deutschland, das früh Mittel zur Überwachung entwickelt hat, inklusive Komputer und ausschließlich bargeldlose Zahlung, ist Helene eine Programmiererin im Nationalen Sicherheits-Amt. Hier entwickelt sie neue Programme, um das Sammeln und Interpretieren von Daten zu erleichtern. Doch sie hat ein Geheimnis: Sie ist in den Deserteur Arthur verliebt, dessen Aufenthaltsort mithilfe ihrer Programme ans Licht kommen könnte. Notgedrungen tut sie alles, um ihn zu beschützen und die Daten zu manipulieren. Zugleich folgen wir Eugen Lettke, der sich auf die Suche nach mehreren Frauen macht und dabei Helenes Hilfe in Anspruch nimmt, weil seine Taten genauso wenig ans Licht gelangen dürfen wie ihre …
Dieser Roman hat es in sich, denn das deprimierende Horrorszenario, das er darstellt, ist erschreckend realistisch. Es macht einem auf unangenehme Weise bewusst, wie leicht es ist, anhand nur weniger Daten alles über eine Person herauszufinden – und wie unmöglich es in der Nazizeit gewesen wäre, sich unter diesen Umständen gegen den Staat aufzulehnen. Die Art und Weise, wie die verschiedenen Methoden zur Überwachung dargestellt wurden, hat mir sehr gut gefallen, weil hier wirklich an alle möglichen Verbindungen gedacht wird.
Der Roman besteht aus zwei Handlungssträngen, die sich schließlich treffen: Zum einen ist da Helenes Leben zusammen mit den vielen Veränderungen und Herausforderungen, denen sie sich stellen muss: Der Verlust einer jüdischen Freundin und eines Familienmitglieds, das Erlernen des Programmierens und ihre Nutzung in der NSA, die Beziehung zu ihrer großen Liebe Arthur und ihre Bemühungen, seine Existenz zu verschleiern, die notgedrungene Zusammenarbeit mit Lettke und das Offenbaren feindlicher Pläne, gefolgt von noch mehr Problemen, die sie niederzuringen drohen. In diesen Handlungsstrang war ich sehr investiert, weil es leicht war, sich in Helene hineinzuversetzen und zu verfolgen, wie sie versucht, die verschiedenen Probleme in ihrem Leben zu lösen. Die Tatsache, dass es hier auch eine große Varietät an Problemen gab, hat die Handlung stets frisch gehalten und ihre Kapitel und Szenen flogen geradezu an mir vorbei. Nur das Ende entsprach nicht meinem Geschmack, weil ich es vergleichsweise unrealistisch fand und deshalb ein realistischeres Ende bevorzugt hätte.
Zum anderen haben wir Lettke, der nach einem Abend als Jugendlicher, in dem er gedemütigt wird, es sich zum Lebensziel macht, die Mädchen von damals zu finden und sich an ihnen zu rächen, sprich: Sie zu vergewaltigen. Tatsächlich besteht fast drei Viertel seines Handlungsstrangs daraus, dass er nach Frauen sucht, die er vergewaltigen kann, unabhängig von ihrer Beziehung zu ihm, sondern einfach, weil es ihn erregt. Und ich muss sagen, dass mir seine Kapitel und Szenen überhaupt nicht gefallen haben und ich es tatsächlich besser gefunden hätte, sie komplett wegzulassen; aber nicht unbedingt deshalb, weil Lettke aufgrund seiner Taten so abstoßend und ekelerregend war, sondern vor allem, weil seine Taten erst nach drei Viertel der Handlung überhaupt plotrelevant waren. Alles, was in dieser Zeitspanne passierte, las sich wie unnötiger, sich immer wiederholender Filler, der um der Grausamkeit wegen grausam und sonst nicht von Belang war. Ja, auch hier lernen wir Möglichkeiten der Überwachung kennen, aber da diese eher das Framing für Lettkes Handlungen sind und nicht im Fokus stehen, hätte ich sie lieber in Helenes Geschichte gelesen. Zudem wäre das Pacing der Geschichte und der ganze Kontext hinter Lettkes Charakter meiner Meinung nach besser gewesen, wenn wir für den Großteil der Handlung nicht gewusst hätten, was er tut. Eine Ausnahme bildet das letzte Viertel, das Lettke endlich etwas Anderes zu tun gibt und sich sehr spannend las, mit dem Bonus eines passenden, aber nicht vorhersehbaren Schlusses.
Zusammengefasst liebte ich Helenes Geschichte also sehr, während mir Lettkes Geschichte überhaupt nicht zusagte. Glücklicherweise steht Helene eher im Fokus, sodass ich den Roman insgesamt betrachtet (und vor allem auf die Schrecken der Überwachung bezogen) sehr empfehlenswert fand. Wobei ich trotzdem eine Kritik habe beziehungsweise etwas, das mir fehlte: Programmierfehler. Computer (oder, in diesem Fall, Komputer) mögen nicht so fehleranfällig wie Menschen sein, aber Fehler machen sie trotzdem. Die Tatsache, dass alle Maßnahmen, die der Staat in die Wege leitete, reibungslos funktionierten und es niemals irgendwelche Programmierfehler gab, kam mir unrealistisch vor. Es ist durchaus realistisch, dass die vorgestellten Komputer so gut funktionieren, dass sie eine nahezu perfekte Überwachung ermöglichen, aber dass niemals auch nur ein unvorhergesehener Fehler unterläuft, kam mir wie fehlendes Plotpotenzial vor. Hier hätte ich es interessanter gefunden, diese einzubauen, um die Handlung noch realistischer und gleichzeitig spannender zu gestalten.
Trotz der erwähnten Kritik hat mir dieser Roman sehr gut gefallen. Tatsächlich ist der einzige Grund, aus dem mir die kritischen Punkte so deutlich ins Auge fielen, die Tatsache, dass Helenes Handlungsstrang so positiv hervorgestochen ist. Das ist sogar noch zu schwach ausgedrückt – er ist wirklich positiv hervorgestochen, hat mich durch den ganzen Roman getragen und stets Lust auf mehr gemacht. Aus diesem Grund ist der Roman für alle Fans spekulativer Geschichte, die realistisch geschrieben ist, eine klare Empfehlung – selbst, wenn man wie ich Lettkes Handlungsstrang nicht viel abgewinnen kann.