- Going Zero
- Anthony McCarten
- Diogenes
- Belletristik
- Verfolgungsjagd
- Überwachung
- Spannung
- Privatsphäre
- Thriller
- Highlight
Kaitlyn Day gehört zu den Zeroes: Zehn Menschen, die auserwählt wurden, um an einem Geheimprojekt teilzunehmen, das ihnen drei Millionen Dollar einbringt. Die Aufgabe: Sie müssen für dreißig Tage schaffen, unauffindbar zu bleiben, um die Grenzen eines Überwachungssystems zu testen. Für Cy Baxters Team, das für das Projekt verantwortlich ist und einen zehnjährigen Deal mit der CIA aushandeln will, hängt alles davon ab, alle zehn Zeroes zu finden. Doch Kaitlyn Day entzieht sich ihrem System. Denn sie hat ein ganz persönliches Ziel, für das sie alles tun würde – und so beginnt eine erbarmungslose Suche und Verfolgungsjagd für beide Seiten …
Dieser Roman bietet nicht nur ein spannendes Leseerlebnis, sondern beschäftigt sich auch mit der Frage, wie viel Überwachung und Privatsphäre notwendig ist. Diese Themen wurden natürlich schon in anderen Romanen diskutiert, doch die Art und Weise, wie Anthony McCarten sie mit der Verfolgungsjagd verbindet, hat meiner Meinung nach für eine perfekte Mischung aus Lesevergnügen und einer Diskussion ernster Themen geführt. Ich wollte am liebsten gar nicht mehr aufhören, zu lesen, weil ich so mit Kaitlyn und den anderen Zeroes mitgefiebert habe, wurde aber auch zum Nachdenken angeregt, weil wir nicht nur ihre Sichtweise mitbekommen, sondern auch die Cy Baxters und seines Teams. Letztendlich war ich natürlich auf der Seite der Zeroes, war aber trotzdem dankbar, dass beide Sichtweisen angesprochen wurden.
Apropos Zeroes: Die anderen neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer fand ich mindestens so interessant wie Kaitlyn selbst! Sie bekommen alle in der Regel nur ein Kapitel, das zeigt, wie genau sie untergetaucht sind und auf welche Weise sie erwischt wurden, aber sie wurden alle so interessant beschrieben, dass ich mir am liebsten gewünscht hätte, noch mehr von ihnen zu lesen. Zeitweise fand ich sie sogar interessanter als Kaitlyns Kapitel, auch wenn es letztendlich natürlich sie war, deren Motivationen und Handlungen mein größtes Interesse weckten.
Von daher hat Anthony McCarten hier uns einen hervorragenden Thriller geliefert, der einen nicht nur in Atem hält, sondern auch wichtige Fragen im Bezug auf unser Online-Verhalten stellt. Eine absolute Empfehlung von meiner Seite!
In einem Nazi-Deutschland, das früh Mittel zur Überwachung entwickelt hat, inklusive Komputer und ausschließlich bargeldlose Zahlung, ist Helene eine Programmiererin im Nationalen Sicherheits-Amt. Hier entwickelt sie neue Programme, um das Sammeln und Interpretieren von Daten zu erleichtern. Doch sie hat ein Geheimnis: Sie ist in den Deserteur Arthur verliebt, dessen Aufenthaltsort mithilfe ihrer Programme ans Licht kommen könnte. Notgedrungen tut sie alles, um ihn zu beschützen und die Daten zu manipulieren. Zugleich folgen wir Eugen Lettke, der sich auf die Suche nach mehreren Frauen macht und dabei Helenes Hilfe in Anspruch nimmt, weil seine Taten genauso wenig ans Licht gelangen dürfen wie ihre …
Dieser Roman hat es in sich, denn das deprimierende Horrorszenario, das er darstellt, ist erschreckend realistisch. Es macht einem auf unangenehme Weise bewusst, wie leicht es ist, anhand nur weniger Daten alles über eine Person herauszufinden – und wie unmöglich es in der Nazizeit gewesen wäre, sich unter diesen Umständen gegen den Staat aufzulehnen. Die Art und Weise, wie die verschiedenen Methoden zur Überwachung dargestellt wurden, hat mir sehr gut gefallen, weil hier wirklich an alle möglichen Verbindungen gedacht wird.
Der Roman besteht aus zwei Handlungssträngen, die sich schließlich treffen: Zum einen ist da Helenes Leben zusammen mit den vielen Veränderungen und Herausforderungen, denen sie sich stellen muss: Der Verlust einer jüdischen Freundin und eines Familienmitglieds, das Erlernen des Programmierens und ihre Nutzung in der NSA, die Beziehung zu ihrer großen Liebe Arthur und ihre Bemühungen, seine Existenz zu verschleiern, die notgedrungene Zusammenarbeit mit Lettke und das Offenbaren feindlicher Pläne, gefolgt von noch mehr Problemen, die sie niederzuringen drohen. In diesen Handlungsstrang war ich sehr investiert, weil es leicht war, sich in Helene hineinzuversetzen und zu verfolgen, wie sie versucht, die verschiedenen Probleme in ihrem Leben zu lösen. Die Tatsache, dass es hier auch eine große Varietät an Problemen gab, hat die Handlung stets frisch gehalten und ihre Kapitel und Szenen flogen geradezu an mir vorbei. Nur das Ende entsprach nicht meinem Geschmack, weil ich es vergleichsweise unrealistisch fand und deshalb ein realistischeres Ende bevorzugt hätte.
Zum anderen haben wir Lettke, der nach einem Abend als Jugendlicher, in dem er gedemütigt wird, es sich zum Lebensziel macht, die Mädchen von damals zu finden und sich an ihnen zu rächen, sprich: Sie zu vergewaltigen. Tatsächlich besteht fast drei Viertel seines Handlungsstrangs daraus, dass er nach Frauen sucht, die er vergewaltigen kann, unabhängig von ihrer Beziehung zu ihm, sondern einfach, weil es ihn erregt. Und ich muss sagen, dass mir seine Kapitel und Szenen überhaupt nicht gefallen haben und ich es tatsächlich besser gefunden hätte, sie komplett wegzulassen; aber nicht unbedingt deshalb, weil Lettke aufgrund seiner Taten so abstoßend und ekelerregend war, sondern vor allem, weil seine Taten erst nach drei Viertel der Handlung überhaupt plotrelevant waren. Alles, was in dieser Zeitspanne passierte, las sich wie unnötiger, sich immer wiederholender Filler, der um der Grausamkeit wegen grausam und sonst nicht von Belang war. Ja, auch hier lernen wir Möglichkeiten der Überwachung kennen, aber da diese eher das Framing für Lettkes Handlungen sind und nicht im Fokus stehen, hätte ich sie lieber in Helenes Geschichte gelesen. Zudem wäre das Pacing der Geschichte und der ganze Kontext hinter Lettkes Charakter meiner Meinung nach besser gewesen, wenn wir für den Großteil der Handlung nicht gewusst hätten, was er tut. Eine Ausnahme bildet das letzte Viertel, das Lettke endlich etwas Anderes zu tun gibt und sich sehr spannend las, mit dem Bonus eines passenden, aber nicht vorhersehbaren Schlusses.
Zusammengefasst liebte ich Helenes Geschichte also sehr, während mir Lettkes Geschichte überhaupt nicht zusagte. Glücklicherweise steht Helene eher im Fokus, sodass ich den Roman insgesamt betrachtet (und vor allem auf die Schrecken der Überwachung bezogen) sehr empfehlenswert fand. Wobei ich trotzdem eine Kritik habe beziehungsweise etwas, das mir fehlte: Programmierfehler. Computer (oder, in diesem Fall, Komputer) mögen nicht so fehleranfällig wie Menschen sein, aber Fehler machen sie trotzdem. Die Tatsache, dass alle Maßnahmen, die der Staat in die Wege leitete, reibungslos funktionierten und es niemals irgendwelche Programmierfehler gab, kam mir unrealistisch vor. Es ist durchaus realistisch, dass die vorgestellten Komputer so gut funktionieren, dass sie eine nahezu perfekte Überwachung ermöglichen, aber dass niemals auch nur ein unvorhergesehener Fehler unterläuft, kam mir wie fehlendes Plotpotenzial vor. Hier hätte ich es interessanter gefunden, diese einzubauen, um die Handlung noch realistischer und gleichzeitig spannender zu gestalten.
Trotz der erwähnten Kritik hat mir dieser Roman sehr gut gefallen. Tatsächlich ist der einzige Grund, aus dem mir die kritischen Punkte so deutlich ins Auge fielen, die Tatsache, dass Helenes Handlungsstrang so positiv hervorgestochen ist. Das ist sogar noch zu schwach ausgedrückt – er ist wirklich positiv hervorgestochen, hat mich durch den ganzen Roman getragen und stets Lust auf mehr gemacht. Aus diesem Grund ist der Roman für alle Fans spekulativer Geschichte, die realistisch geschrieben ist, eine klare Empfehlung – selbst, wenn man wie ich Lettkes Handlungsstrang nicht viel abgewinnen kann.