Bücherregal lädt …
Lázár
336 Seiten

Lajos von Lázár wird als blasses Kind mit blonden Haaren und wasserblauen Augen geboren. Sein Vater Sándor ahnt nur unbewusst, dass dieses Kind nicht sein Sohn ist, während seine Mutter Mária in Depressionen versinkt. Lajos‘ Schwester Ilona erlebt ein Trauma im Wald, Onkel Imre gilt als geisteskrank und später hat auch Lajos‘ Sohn Pista Probleme damit, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Die Familie, die einst als adlig galt, verliert im Lauf der Jahrzehnte an Glanz – denn während den Geschehnissen des zwanzigsten Jahrhunderts suchen sie vor allem eins: Freiheit …

Ich hatte mich durchaus auf diesen literarischen Roman gefreut und am Anfang war er auch äußerst vielversprechend, doch zu meinem Bedauern blieb es nicht dabei.

Das erste Drittel war wirklich gut: Ich mochte den wunderschönen Schreibstil, der eine faszinierende Atmosphäre schuf und den Glanz der Lázárs fantastisch einfing; die teils sehr langen Sätze verwirrten mich zunächst, doch gewöhnte ich mich bald an sie und nahm sie als Teil des Stils an. Hier hat Nelio Biedermann die Gefühle der Familienmitglieder mühelos eingefangen, ich fieberte überraschend stark mit ihnen mit und wollte wissen, wie es mit der Familie weitergeht.

Doch ab dem Tod des Vaters, der auch das Ende des Familienglanzes einleitet, fiel die Geschichte für mich stark ab. Obwohl natürlich gerade in der Nazizeit einige Dinge passieren, fühlte es sich größtenteils so an, als würde die Geschichte vor sich hinplätschern; sie las sich sehr langwierig und nur Pistas kurze Romanze mit Matilda konnte mich einnehmen. Zudem wurde ab diesem Zeitpunkt noch deutlicher, wie viele Sexszenen es gibt.

Sie tauchen bereits im ersten Drittel auf und obwohl sie meistens recht kurz sind, hat mich ihre pure Anzahl überrascht. Im ersten Drittel störten sie mich noch nicht, weil es genug andere Szenen gab, die mich packten, doch danach fand ich sie nur noch unnötig. Ich glaube, ich habe noch nie einen Roman mit so vielen Sexszenen gelesen (die auch Vergewaltigung mit einschließen), was mir persönlich nicht gefallen hat. So kurz sie größtenteils auch waren – sie haben mich viel zu oft von der eigentlichen Handlung abgelenkt.

Natürlich muss ich erwähnen, dass ich nicht unbedingt die Zielgruppe des Romans bin und er dafür umso mehr etwas für andere Leser:innen sein könnte, aber mich selbst hat er nur im ersten Drittel begeistert – und danach leider enttäuscht.

Der Laden in der Mondlichtgasse
192 Seiten

Kana fühlt sich von ihrem Freund vernachlässigt, der seine Zeit mit Lernen verbringt. Kogumas pummeliger Körper macht ihm auf der Arbeit zu schaffen. Yui zögert, ihren besten Freundinnen zu sagen, dass ihr Verhalten sie stört. Risa hat Angst, dass ihre Pechsträhne ein kommendes Trompetenvorspiel ruinieren könnte. Chika ist sich der Liebe ihres Mannes nicht mehr sicher, nachdem dieser weniger Zeit mit ihr und ihrem gemeinsamen Baby verbringt. Und Kogetsu, ein Fuchsgeist, sehnt sich danach, die Gefühle all dieser Menschen zu verstehen. Er gibt ihnen eine Süßigkeit mit, die ihnen helfen soll – und ihm selbst zeigt, was es bedeutet, ein Mensch zu sein …

Ich liebe das Handlungsprinzip, bei dem ein Charakter mehreren anderen Charakteren hilft, während er selbst nach etwas sucht – und dieser Roman setzt dieses Prinzip absolut großartig um. Lustigerweise dachte ich bei so einigen Geschichten, dass sie der perfekte Einstieg für eine Horrorerzählung wären (zum Beispiel als Kogetsu Kana unheilverkündend davor warnt, nie mehr als ein Stück Konpeito am Tag zu essen), doch glücklicherweise handelt es sich um das Gegenteil: Jede der Menschengeschichten ist perfekt zum Wohlfühlen gedacht, hat mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert und ein angenehmes Lesegefühl beschert. Nur die letzte Geschichte, die sich mit Kogetsu befasst, war ein wenig ernster und schaffte es nicht ganz, mir Kogetsu nahe zu bringen, aber dafür mochte ich seinen Freund Akifumi umso mehr.

Das Beste an den fünf Menschengeschichten waren die wunderbaren Lösungen für ihre Probleme. Bei jeder Geschichte gibt es eine kleine Überraschung, die den Kontext der Geschichte ein wenig ändert und für eine absolut wunderschöne Botschaft sorgt. Ich war jedes Mal wieder positiv davon überrascht, in welche Richtung sich die Geschichten entwickelten, denn selbst, wenn man ahnt, dass eine Wendung kommt, war diese nicht zwingend vorhersehbar. Hier ein wirklich großes Lob an die Autorin, die in wenigen Seiten Geschichten erschuf, die mindestens so schmackhaft waren wie die Süßigkeiten, die Kogetsu anbietet!

Meine liebsten Geschichten gehörten Kana, Koguma und Risa, weil die dortigen Twists ihre Geschichten perfekt abgerundet haben und für das breiteste Lächeln auf meinem Gesicht sorgten. Ich kann wirklich nicht genug betonen, wie gut es tat, diese Kurzgeschichten zu lesen – selbst die letzte mit Kogetsu, die mir ein bisschen weniger gefiel, brillierte durch die gezeigte Freundschaft, die mindestens so herzerwärmend war wie die Lösungen, die die anderen für sich fanden.

Ich schätze, meine einzige Kritik besteht daraus, dass die Geschichten nicht stärker zusammenhingen. Es wird zwar regelmäßig eine Süßigkeit erwähnt, die ein voriger Charakter wählte, und Kogetsu kommt natürlich ebenfalls in jeder einzelnen Geschichte vor, aber mir hätte es sogar noch besser gefallen, wenn die Charaktere untereinander zumindest grob miteinander bekannt gewesen wären. Es ist natürlich nicht schlimm, dass alle Geschichten für sich standen, aber ich finde, eine leicht engere Verbindung hätte für weitere großartige Wendungen gesorgt.

Insgesamt also der perfekte Roman, wenn man sich gut fühlen will!

Water Moon
416 Seiten

Hana und ihr Vater leiten ein Pfandhaus, in dem sie die bereuten Entscheidungen ihrer Besucher gegen Seelenfrieden eintauschen. Doch an dem Tag, an dem Hana das Pfandhaus übernehmen soll, verschwindet ihr Vater und eine der Entscheidungen – und bald schon findet sie heraus, dass er nach ihrer scheinbar verstorbenen Mutter sucht. Zusammen mit Keishin, einem jungen Doktor der Physik, beginnen sie eine magische Reise, um ihren verschwundenen Vater zu finden – wobei alles, was Keishin bisher über die Welt zu wissen glaubte, auf den Kopf gestellt wird …

Entscheidungen, die man eintauschen kann, Zeit, die sich falten lässt, Erinnerungen, die als Perlen aus der Haut geschnitten werden, ein Dorf, das die Sterne für die Nacht vorbereitet: Dieser Roman lebt aus seinen Ideen. Es gibt so unglaublich viele kreative davon, die ich bisher noch nie in einem Roman las, dass ich geradezu Ehrfurcht vor der Kreativität der Autorin verspürte. Über den ganzen Roman hinweg besuchen Hana und Keishin verschiedene Orte, die alle auf ihre eigene Weise funktionieren und die Magie eines Ghibli-Films haben. Sie waren mit Abstand die größte Stärke des Romans, der leider auch nicht ganz so gut umgesetzte Aspekte hatte.

Zum einen ist da der Schreibstil, der sich recht langsam liest und der Geschichte einen ruhigen Erzählstil gibt, selbst an spannenden Stellen. Zum anderen sind es die Hauptcharaktere selbst: Sie waren ganz in Ordnung, aber nicht herausragend. Gegen Ende gibt es ein paar Twists, die die Charaktere in einem komplett anderen Licht darstellen. Die Twists allgemein waren absolut genial und eine weitere Stärke des Romans, aber während sie Keishin tatsächlich bei seiner Charakterisierung halfen, schadeten sie Hana, die durch sie um einiges unsympathischer wurde. Ihre Romanze selbst fand ich auch nicht allzu glaubwürdig; ich spürte zwischen ihnen keine Chemie, kein Knistern, kein Vertrauen, und könnte mir gut vorstellen, dass sie sich nach dem Ende sehr bald wieder voneinander trennen.

Das Ende selbst war bittersüß und das Finale ein wenig zu lange gestreckt, sodass ich am Ende nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis war. Die Gefahr, der Hana und Keishin sich stellten, schien viel zu groß, um sie realistisch zu besiegen, und die Botschaft am Ende war mir zu uneindeutig.

Die Geschichte habe ich vor allem wegen ihrer Ideen genossen, von denen ich es zudem mochte, dass sie nicht weiter ausgebaut wurden, sondern ein kleiner Teil des Romans blieben. Vermutlich könnte man fast aus jeder dieser Ideen einen eigenen Roman schreiben, aber mir gefiel es, sie als Teil einer großen, magischen Welt zu sehen. Die anderen Aspekte überzeugten mich nicht ganz so sehr, aber allein wegen der Ideen (und der Twists) lohnt sich eine Leseempfehlung für alle, die über die Schwächen hinwegsehen können.

Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry
256 Seiten

A.J. Fikry ist Buchhändler, dessen Leben nach dem Tod seiner Frau ordentlich umgekrempelt wird: Die neue Vertreterin Amelia Loman bringt wieder Freude in sein Leben, ihm wird eine wertvolle Poe-Ausgabe gestohlen und in seiner Buchhandlung findet sich auf einmal ein zweijähriges Mädchen, das dort ausgesetzt wurde. Nach einigem Überlegen adoptiert A.J. die kleine Maya, kommt Amelia langsam näher und findet endlich ein Leben, das ihn glücklich macht – trotz aller Höhen und Tiefen …

Am Anfang hat der Roman den Eindruck erweckt, ein schöner Roman zum Wohlfühlen zu sein, mit ein bisschen Humor, einer wunderbaren Vater/Tochter-Beziehung und einer netten Romanze. Umso überraschter war ich, dass ich am Ende fast zu Tränen gerührt war! Einerseits hätte ich mir gerne ein anderes Ende gewünscht, andererseits fand ich es perfekt so, wie es war. Jedoch bestätigt es auch, dass der Roman definitiv nicht (nur) zum Wohlfühlen ist, sondern eher allgemein für alle, die eine sowohl schöne als auch herzzerreißende Lektüre suchen.

Die einzelnen Aspekte waren sehr schön umgesetzt. Ich mochte vor allem die Vater/Tochter-Beziehung zwischen A.J. und Maya, die einfach wunderbar war, aber auch die Art und Weise, wie die Handlung sich entwickelt – wie wir die Ereignisse in der Buchhandlung über mehrere Jahre hinweg erleben, Mayas Großwerden und A.J.s und Amelias Romanze, A.J.s Freundschaft mit dem Polizisten Lambiase und eben auch das sehr emotionale Ende. Gerade bei diesem kann ich mir vorstellen, dass es nicht jedem gefällt, weil es dann doch einen starken Kontrast zum Rest des sonst leichten Buches bildet.

Insgesamt also ein schöner Roman mit einem sympathischen Protagonisten und einer guten Geschichte – zum Lachen, zum Weinen und für alles dazwischen!

Dr. No
288 Seiten

Wala Kitu ist Mathematiker und Experte für Nichts. Das weckt das Interesse des Milliardärs John Sill, der ein James-Bond-Schurke werden und Fort Knox bestehlen möchte, weil dort Nichts versteckt sein soll. Daraufhin wird Wala Kitu in einen Komplott hineingezogen, der absolut wahnsinnig und komisch ist – aber auch sehr, sehr gefährlich …

Nachdem ich „James“ von Percival Everett gelesen habe und beeindruckt davon war, war ich interessiert daran, wie „Dr. No“ im Vergleich sein würde – und es ist definitiv sehr, sehr anders. Nicht zwingend schlecht anders, aber doch so schräg, dass es wahrscheinlich nicht jedem gefallen wird. Das liegt daran, dass es sich um eine Satire handelt – zugleich sehr komisch und sehr ernst, mit einer wirren Handlung, aber dafür mit guter Gesellschaftskritik und ein paar wirklich witzigen Szenen.

Humor ist natürlich sehr subjektiv; mir gefiel er größtenteils, aber auch ich fand Dinge, die mir dann doch zu oft genutzt wurden, um komisch zu sein. Darunter fallen speziell die Traumgespräche zwischen Wala Kitu und seinem Hund Trigo, sowie der übermäßige Gebrauch von „Nichts“-Wortwitzen. Der Rest des Humors gefiel mir besser, auch wenn Satire allgemein nicht mein Genre ist (und es auch Szenen gab, die mich irritieren).

Was ich dafür nicht gut fand, war die sehr wirre Handlung. Ich bin mir nicht sicher, worum es letztendlich ging – alles war so konfus, so chaotisch, dass es mir schwer fiel, überhaupt einen Sinn darin zu finden. Vielleicht war das auch der Sinn – dass es keinen gibt –, aber mir hat es nicht gefallen, weil dadurch der Fokus des Buches der satirische Humor wurde und sonst nichts. (Wortspiel nicht beabsichtigt.)

Insgesamt also ein schräges Leseerlebnis, das Satire-Fans vermutlich noch mehr wertschätzen werden.

In uns der Ozean
384 Seiten

Rachel Carson ist leidenschaftliche Biologin, die den Menschen zeigen will, wie wertvoll und wunderschön das Meer im Speziellen und die Natur im Allgemeinen ist. Als Frau im zwanzigsten Jahrhundert fällt es ihr nicht leicht, sich gegen die Männer in der Domäne durchzusetzen, doch sie kämpft unermüdlich für ihre Leidenschaft. Als ein Pestizid namens DDT auf den Markt kommt, das als Wundermittel gegen Insekten angepriesen wird, wird Rachel hellhörig – denn sie fürchtet, dass DDT der Natur langfristig schadet und damit nicht nur den Tieren, sondern auch den Menschen …

Dieser Roman basiert auf dem wahren Leben von Rachel Carson, die sich im zwanzigsten Jahrhundert für den Naturschutz einsetzte und damit die ganze Welt nachhaltig geprägt hat. Die Art und Weise, wie Theresia Graw ihren Charakter und ihr Leben beschrieben hat, war schlicht meisterhaft. Wie wohl jede Person erlebte Rachel in ihrem Leben viele Höhen und Tiefen, doch glücklicherweise fokussiert sich Theresia Graw nicht nur auf die Tiefen, sondern schafft es, eine wunderbare Balance aufrechtzuerhalten, die sowohl die guten als auch die schlechten Zeiten angemessen beschreibt. Die Tiefen werden nicht unnötig dramatisiert und die Höhen haben mehrmals ein Lächeln auf mein Gesicht gezaubert. Tatsächlich fühlte ich mich während des Lesens schlicht wohl; es ist eine sehr angenehme Lektüre über das Leben einer tatsächlich existierenden Frau, die gleichzeitig sehr inspirierend ist.

Apropos: Ich mochte die Darstellung von Rachel Carson sehr. Ihre Begeisterung, ihr Staunen, ihre Entschlossenheit, ihr Kampfgeist – es war sehr leicht, mit ihr mitzufiebern und das Ende war, obwohl es eigentlich „nur“ eine Debatte war, so spannend, dass ich mich gar nicht davon losreißen konnte. Ich mochte Rachel wirklich sehr und war froh, das Theresia Graw sie so sympathisch, entschlossen und leidenschaftlich dargestellt hat. Von den Nebencharakteren haben sich vor allem ihre Liebsten Mary und Dorothy hervorgehoben, aber ich mochte auch die Rollen, die ihr Freund Dan und ihr Neffe/Ziehsohn Roger in der Handlung einnahmen.

Der Schreibstil war wunderschön zu lesen und hat Rachels Liebe für das Meer und die Natur hervorragend auf uns Leser:innen übertragen. Tatsächlich bin ich nach dieser Lektüre als jemand, der sich sonst nicht groß mit diesem Thema beschäftigt hat, sehr interessiert daran, Rachel Carsons Sachbücher (speziell „Der stumme Frühling“) zu lesen! Das ist mitnichten etwas, das jedem Autor und jeder Autorin gelingt, deshalb hier noch mal ein großes Lob an Theresia Graw, das Interesse an der Natur, das Rachel damals in der Bevölkerung weckte, so erfolgreich in ihrem Roman gesät zu haben!

Nach der Lektüre habe ich selbst noch mal zu Rachel Carson recherchiert (ebenfalls etwas, zu dem mich nicht jeder Roman inspiriert) und war fasziniert davon, wie viel sie wirklich für den Umweltschutz beitrug. Die Tatsache, dass ich in diesem Roman zum ersten Mal von ihrer Existenz erfuhr, finde ich schockierend – denn sie gehört definitiv zu den Personen, die zum Allgemeinwissen gehören sollten.

Selbst, wenn man kein großes Interesse an der Biologie oder Natur hat, kann ich diesen Roman aus vollem Herzen empfehlen. Er ist nicht nur eine wunderschöne Lektüre, sondern auch ein sehr packender und lehrreicher Roman!

Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104
544 Seiten

Hardy und Margret sind inzwischen Urgroßeltern, doch nie haben sie mit ihrer Familie über ihre gemeinsame Vergangenheit gesprochen. Im Jahr 1945 wurde der damals dreijährige Hardy gefunden und in ein Kinderheim gebracht, wo er aufgrund der Tatsache, dass er scheinbar nicht sprechen konnte, als schwachsinnig abgestempelt wurde. Dort hat er Margret kennenlernt, die ihm durch diese schwere Zeit geholfen hat. Doch dann verlieren sie sich aus den Augen und erleben beide ihre eigenen Traumas, die auch in nachfolgenden Generationen noch widerhallen werden …

Nach „Stay away from Gretchen“ ist es Susanne Abel tatsächlich wieder gelungen, eine emotionale und ergreifende Geschichte zu schreiben, die mich genauso sehr berührte. Die Art und Weise, wie sie Hardys und Margrets Leben und vor allem ihre Traumas (sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart) erzählt, war absolut meisterhaft und hat mich richtig mit beiden mitfühlen lassen. Die Tatsache, dass beide Schicksale auf wahren Ereignissen basieren, machte sie noch trauriger, wobei ich jedoch froh bin, dass sie thematisiert wurden. Es fällt mir schwer, mit Worten zu beschreiben, wie viel Eindruck sie auf mich machten, bis zu dem Punkt, an dem ich die Charaktere als reale Menschen empfand – und auf gewisse Weise sind sie es wohl auch. Hier ein sehr großes Lob an Susanne Abel an ihre Erzählkunst!

Gut fand ich es auch, dass beide ungefähr gleichwertig behandelt wurden. Hardy hat durch die Art und Weise, wie sich die Handlung entwickelt, einen leicht stärkeren Fokus, aber das bedeutet keineswegs, dass Margret ignoriert wird; im Gegenteil erleben wir viele Seiten ausschließlich aus ihrer Sicht, die ihr Trauma berührend behandeln, aber auch die Wichtigkeit, die sie für Hardy und den Rest der Familie hatte. Ich glaube, meine einzige Kritik ist, dass ihre Geschichte keinen so perfekten Abschluss bekommt wie Hardys; am Ende von Hardys Geschichte lösen sich viele offene Fäden auf, während Margret dieses Privileg leider nicht bekommt. Auf gewisse Weise mochte ich diese Tragik durchaus, doch ein Teil von mir wünschte sich, dass wir auch zu ihr einen geschlossenen Abschluss bekommen hätten.

Was mir dafür wieder fantastisch gefiel, war die Art und Weise, wie ihre Urenkelin Emily in die Geschichte eingebracht wurde. Wir erleben ihre Entwicklung über mehrere Jahre hinweg, von einem Kind zu einer Jugendlichen, erleben ihre Gefühle und Gedanken hautnah, sodass sie sich trotz ihrer geringeren Screentime zu einem Charakter entwickelte, mit dem ich sehr mitfühlte. Gerade, dass ihre Probleme mit Margret und Hardys kontrastiert wurden und ich trotzdem mit ihr mitfieberte, zeigt fantastisch, wie viel Sorgfalt Susanne Abel in ihre Hauptcharaktere gelegt hat.

Ihre Mutter Julia und ihre Großmutter Sabine bekommen zumindest in diesem Band keine eigene Geschichte, aber das war meiner Meinung nach die richtige Entscheidung, weil so der Fokus nicht unnötig von Hardy und Margret genommen wurde und ihre Geschichte in der Vergangenheit an einem zufriedenstellenden Punkt endete. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass im möglichen zweiten Band auch Julia und Sabine ihre Geschichte erzählen dürfen.

Insgesamt also ein absolut gelungener historischer Roman, der einen starken Eindruck hinterlässt und die Geschichte der damaligen Kinder emotional erzählt!

Morgen kommt ein neuer Himmel
368 Seiten

Nach dem Tod ihrer Mutter rechnet Brett am wenigsten damit, dass sie ihr Erbe erst bekommt, wenn sie zehn Lebensziele, die sie als Jugendliche aufschrieb, erfüllt – darunter sind Dinge wie „sich in den Richtigen verlieben“, „ein Kind bekommen“ und „ein Pferd kaufen“: Ziele, die für die vierunddreißigjährige Brett bereits unerreichbar erscheinen oder schlicht lächerlich sind. Und das Schlimmste dabei: Sie hat nur ein Jahr Zeit, diese Ziele zu erfüllen, wenn sie das letzte Erbe ihrer Mutter erhalten will …

Das Prinzip der Handlung fand ich sehr interessant und die Umsetzung war bei manchen der Ziele ebenfalls sehr gut umgesetzt, doch letztendlich ist es die Romanze, die es mir schwer machte, den Roman zu genießen. Ich mag es schlichtweg nicht, wenn der oder die Protagonistin zwischen mehreren Kandidaten hin- und hergerissen ist und deshalb unnötiges Liebesdrama entsteht, das mich zudem an der Richtigkeit ihrer Endwahl zweifeln lässt. Damit zusammenhängend mag ich es nicht, wenn mich ein Roman bezüglich des richtigen Love Interests zunächst in die Irre führt, indem es mich für den ersten Kandidaten mitfiebern lässt, nur, um dann doch einen anderen als den richtigen zu offenbaren. (Ich habe danach das Filmende recherchiert, was mir um einiges besser gefällt.)

Alles, was nichts mit den Romanzen zu tun hatte, war dafür fantastisch umgesetzt, speziell Bretts Beziehung zu ihrem Vater und die Art und Weise, wie ihr Wunsch nach einem Kind umgesetzt wurde. Hier war ich sehr investiert in die Handlung und mochte es, dass die Dinge nie leicht waren, sich aber letztendlich zum Guten entwickeln.

Wobei ich diesbezüglich ja sagen muss, dass es sehr leicht zu glauben ist, dass Bretts Mutter das Leben ihrer Tochter ruinieren wollte. Realistisch betrachtet ist es so gut wie unmöglich, die Ziele, die sie von Brett verlangt, innerhalb eines Jahres zu erfüllen – oder es auf eine Art und Weise zu tun, die Brett unglücklicher zurücklässt. Ohne sehr viel Glück und Zufall, das Bretts Mutter unmöglich hätte vorhersehen können, wäre es Brett niemals gelungen, alle Ziele zu erfüllen. Aus diesem Grund mochte ich ihre Mutter nicht besonders, weil ihre aktiven Handlungen Bretts Leben verschlechterten und die Verbesserungen nichts mit ihrer Mutter zu tun hatten. Doch ja, ich war sehr investiert in das Leben, aus dem Brett entkam und dem, was sie für sich aufbaute – so sehr, dass es mein Hauptgrund war, das Buch zu Ende zu lesen.

Zusammengefasst also ein Buch, bei dem ich die Romanzen zwar nicht mochte, aber dafür alles andere.

Wellness
704 Seiten

Am Anfang beobachten Jack und Elizabeth sich nur durch ihr jeweiliges Fenster, ohne Kontakt aufzunehmen. Es scheint, als würden sie sich stets verpassen, sogar gar nicht füreinander geeignet zu sein – Jack ist ein mittelloser Fotograf, Elizabeth eine aus einem reichen Haus stammende Psychologiestudentin. Doch trotzdem werden sie ein Paar, heiraten, bekommen einen Sohn – und stellen irgendwann fest, dass ihre Ehe feststeckt. Sie wissen nicht, warum, oder wie sie ihre Ehe retten könnten. Denn zunächst müssen sie ihre eigenen Probleme bewältigen, die gewaltiger und tiefer sind, als ihr Partner je ahnen könnte …

Die Kurzbeschreibung beschreibt leider nicht mal ansatzweise, worum es in diesem Roman geht, denn er beleuchtet so viele Themen, dass es schwer ist, ihn akkurat zusammenzufassen. Natürlich sind Liebe und Ehe wichtige Themen, aber daneben spielen noch Familiengeschichten, Trauma, der Placebo-Effekt, Lebensverbesserungen und Perfektionismus, der Horror der Kindererziehung, Kunst, Verschwörungstheorien, Denkfehler, nicht-monogame Liebesbeziehungen, Selbstbetrug und noch so viel mehr eine Rolle. Ich war aufrichtig beeindruckt davon, wie viel Nathan Hill in diesen Roman gepackt hat – und noch dazu auf eine Weise, die alle Themen hervorragend miteinander verbindet, sodass sie niemals wie zu viel wirken, sondern wie eine natürliche Erweiterung der bisherigen Themen.

Aber nicht nur das: Das Foreshadowing bezüglich Elizabeths und Jacks Vergangenheiten war meisterhaft umgesetzt. Während des ganzen Romans werden mehrmals schlichte Fakten erwähnt, die ich als Leserin als gegeben annahm, ohne sie weiter zu hinterfragen; ich sah in ihnen schlicht zusätzliche Informationen zu den Hauptcharakteren und in der Regel nicht mehr. Aber dann hat Nathan Hill diese Fakten in einen anderen Kontext gesetzt, sehr viel weiter vertieft und Verbindungen zu anderen, scheinbar nicht zusammenhängenden Informationen geschaffen. Und obwohl er es schaffte, das während des ganzen Romans zu tun und mich immer wieder zu überraschen, rechnete ich trotzdem nie damit, wenn es wieder geschah. Die gesamte Geschichte von Jack und Elizabeth zu erleben, war eine Erfahrung, die mich nachhaltig beeindruckte!

Das machte es leicht, mit beiden Charakteren gleichwertig mitzufiebern, während sie ihre Probleme in verschiedenen Lebensphasen konfrontieren. Ich hatte zunächst befürchtet, dass ich mich nur für einen der beiden interessieren würde, aber letztendlich konnte ich mich mühelos in beide Charaktere hineinversetzen. Wirklich ein großes Lob an Nathan Hill dafür, wie er die Geschichte der beiden beschrieb!

Sogar einige Nebencharaktere bekommen überraschend Tiefe, doch der Fokus liegt definitiv auf Jack und Elizabeth selbst. Das ist vermutlich meine einzige Kritik: Es gibt Handlungsstränge bezüglich der Nebencharaktere, die nicht komplett aufgelöst werden (bzw. bei denen ich mir mehr gewünscht hätte) und auch kurzzeitige Obsessionen, die Elizabeth und Jack haben, die letztendlich keine Rolle für die eigentliche Handlung spielen. Im Vergleich zu der fantastisch konstruierten Handlung ist das aber eine vergleichsweise kleine Kritik, denn ich hatte selten einen Roman, von dem ich so beeindruckt war wie von diesem. Eine Rundum-Empfehlung für alle, die großartig konstruierte Geschichten lieben!

Wedding People
478 Seiten

Eigentlich hatte Phoebe vor, sich im Hotel Cornwall Inn umzubringen, doch hat sie nicht damit gerechnet, dass zugleich Hochzeitsvorbereitungen dort stattfinden und die Braut, Lila, gar nicht davon angetan ist, durch Phoebes Pläne ihre kommende Hochzeit ruiniert zu bekommen. Tatsächlich überlegt Phoebe es sich anders und als wolle ihr das Schicksal mitteilen, dass sie damit die richtige Entscheidung getroffen hat, begegnet sie kurz danach einem charmanten Mann, zu dem sie sich sofort hingezogen fühlt. Das Problem dabei: Es handelt sich um Gary, Lilas Bräutigam …

Dieser humorvolle Sommerroman bietet uns Leser:innen genau das, was man erwartet: Eine unterhaltsame Lektüre für zwischendurch, nicht mehr und nicht weniger. Obwohl der Anfang des Romans eine ernsthafte Lebenssituation behandelt, ist er insgesamt sehr locker zu lesen und hat so einige witzige Szenen und Dialoge, die mich zum Schmunzeln gebracht haben.

Die Spannung war dafür nicht immer gegeben und es gab durchaus Szenen, in denen ich mich ein wenig langweilte. Während Phoebes Vergangenheit mich am Anfang noch interessierte, weil ich erfahren wollte, warum sie sich umbringen wollte, waren die Vergangenheitsschnipsel, die wir danach bekamen, nicht allzu interessant. Auch in der Gegenwart gab es manchmal Abschweifungen von der eigentlichen Handlung, auf die ich hätte verzichten können, vor allem, weil sehr bald klar ist, worauf die Geschichte hinausläuft.

Was dafür wirklich gut gelungen war, war die Romanze. Die Chemie zwischen Phoebe und Gary ist großartig und man spürt geradezu die Funken zwischen ihnen; ihre Szenen waren mühelos mein Highlight, weil sie immer wieder zeigten, wie gut sie zueinander passen. Hier war es auch gut, dass recht schnell klar wird, dass Lila Gary nicht wirklich heiraten will, sodass unnötiges Drama vermieden wird.

Lila selbst war ein überraschender Charakter. Aufgrund der Kurzbeschreibung erwartete ich, dass wir ihre Freundschaft mit Phoebe erleben werden, aber tatsächlich verbringt Phoebe mehr zufriedenstellende Zeit mit Gary und dessen Tochter Juice, während ihre Zeit mit Lila in der Regel durch Streitereien gekennzeichnet ist. Tatsächlich würde ich sie letztendlich gar nicht als Freundinnen bezeichnen, weil Lila keine ernsthaften Bemühungen machte, eine für Phoebe zu werden; lieber sucht sie nach Kleinigkeiten, anhand derer sie sich aufregen konnte. Aus diesem Grund war Lila auch nicht unbedingt mein Lieblingscharakter, aber immer noch eine faszinierende Person.

Die anderen Charaktere kommen nicht allzu stark hervor und fühlen sich größtenteils wie Schablonen an. Dafür konnte ich sie mir ganz gut merken – es handelt sich um einen überschaubaren Cast. Trotzdem sind die meisten letztendlich nur Mittel zum Zweck, sodass ich mich vor allem um Phoebe, Lila, Gary und Juice scherte.

Obwohl es wie gesagt bald deutlich wird, worauf die Geschichte hinausläuft, fand ich das Ende überraschend gut gelungen und sehr zufriedenstellend. Es war eine perfekte Mischung aus meinen Erwartungen und meinen Hoffnungen.

Letztendlich bin ich vermutlich nicht die Zielgruppe des Romans, der sich eher an verheiratete und geschiedene Frauen richtet, deren Probleme hier stark in den Fokus gerückt werden. Doch hat er mir immer noch viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass es anderen genauso geht!

Jahr um Jahr um Jahr um Jahr
416 Seiten

Eigentlich war Tommy von seinen Eltern nicht geplant – und vom Universum anscheinend auch nicht, denn an seinem ersten Geburtstag haben sie komplett vergessen, wer er ist. Er wird in ein Kinderheim gegeben, und dort wiederholt sich dieses merkwürdige Ereignis an jedem seiner Geburtstage: Jeder, der ihn gekannt hat, vergisst mit einem Mal, wer er ist, und alles, was direkt mit ihm verbunden ist, verschwindet ebenfalls. So muss Tommy jedes Jahr wieder von vorne anfangen und sehnt sich mehr und mehr danach, den Menschen in Erinnerung zu bleiben. Vor allem, als er sich als Jugendlicher in ein Mädchen namens Carey verliebt – und als Erwachsener entschlossen ist, sie wieder zu finden …

Magischer Realismus entwickelt sich immer mehr zu meinem Lieblingsgenre, denn die Ideen, die er umsetzt, sind so schlicht, wie sie faszinierend sind. Das trifft auch auf diesen Roman zu, der seine Grundidee gut umsetzt und sich allgemein unterhaltsam liest.

Besonders haben mir die ersten achtzehn Jahre von Tommy gefallen, die er größtenteils im Kinderheim verbringt und dabei herausfindet, wie der Reset genau funktioniert. Aber auch sein Erwachsenenleben, in dem er sich immer wieder neu in das Leben der Menschen schreibt, die ihn vergessen haben, war einnehmend, auch wenn es dort insgesamt weniger Schwierigkeiten gab. Denn obwohl der Reset weiterhin stattfindet, fällt es Tommy um einiges leichter, den Zustand wiederherzustellen, den es davor gab – wodurch der Reset selbst einen Teil seiner Spannung verlor.

Das ist jedoch nicht unbedingt etwas Schlechtes, denn es hat mir sehr gefallen, Tommys freundschaftliche Beziehung zu Josh, seine familiäre Beziehung zu Miss Michelle und seine romantische Beziehung zu Carey über die Jahre zu verfolgen. Gerade Miss Michelle, die Betreuerin des Kinderheims, war wunderbar, weil sie Tommy jedes Jahr wieder akzeptiert und geliebt hat. Gerne hätte ich noch mehr von ihr gelesen!

Die Romanze mit Carey beginnt überraschend spät und erfolgt überraschend schnell, doch dafür entwickelt sie sich sehr gut weiter und wird bald zu einer Beziehung, mit der ich sehr mitgefiebert habe. Zu meiner Freude kamen auch andere Charaktere wiederholt vor, zu verschiedenen Zeiten in Tommys Leben, was ihre Entwicklung gut zeigte – gerade deshalb auch, weil sie sich nie an Tommy erinnerten. Gerade am Anfang bekommen wir sogar ihre Sichtweisen mit, die die Geschichte zusätzlich bereicherten.

Natürlich sieht man so einige Handlungspunkte kommen, aber das hat meiner Lesefreude keinen Abbruch getan. Zumal war das Ende anders, als ich es erwartete, aber auf sehr gute Weise – die Art und Weise, wie die Geschichte abgeschlossen wird, war erstaunlich zufriedenstellend und gleichzeitig nicht unbedingt etwas, das man erwartet.

Insgesamt also ein angenehmer Roman mit einem gut umgesetzten Idee, der mich sehr gut unterhalten hat!

Atmosphere
416 Seiten

Schon seit Kind hat Joan Goodwin den Traum, Astronautin zu werden, doch in den Achtzigern ist das nicht leicht, selbst nachdem die NASA offiziell Frauen einstellt. Trotzdem findet sie schnell Freude an der Arbeit und in den Kolleg:innen, die sie dabei unterstützen. Währenddessen kümmert sie sich liebevoll um ihre Nichte Frances, ist allerdings auch wütend auf ihre Schwester, weil diese sich nicht um ihre Tochter kümmert. Doch erst, als Joan die Raumfahrtingenieurin Vanessa Ford näher kennenlernt, beginnt Joan infrage zu stellen, wo wirklich ihr Platz im Universum ist …

„Atmosphere“ ist Taylor Jenkins Reids neuester Roman, und zumindest am Anfang derjenige, bei dem es mir am schwersten fiel, in ihn hineinzufinden. Teils liegt das sicherlich an meinem mangelnden Interesse an der Raumfahrt; zwar gelang es Reid und anderen Autor:innen, Romane zu schreiben, deren Themen mich nicht sonderlich interessierten und deren Geschichte mich trotzdem packte, aber in diesem Roman steckt so viel sichtbare Recherche, dass es zunächst schwierig war, neben all den Fachbegriffen einen Weg in die Geschichte zu finden. Ich bewundere Reid sehr für die Arbeit, die sie in diesen Roman gesteckt haben muss, muss aber zugeben, dass sie nicht immer interessant beschrieben war. Tatsächlich fürchte ich, dass nur Raumfahrt-Fans der Geschichte etwas abgewinnen könnten, obwohl sie noch so viel mehr enthält.

Denn nach und nach fand ich schließlich meinen Weg in die Geschichte, was vor allem zwei Charakteren zu verdanken ist: Frances, Joans Nichte, und Vanessa, ihrer Partnerin. Am Anfang war ich aufgrund der vielen Charaktere erst einmal überfordert, doch schnell kristallisierte sich heraus, dass diese beiden Personen die wichtigsten in Joans Leben sind – und das spürt man auch. Sowohl ihre familiäre Beziehung zu Frances als auch ihre romantische zu Vanessa war so liebevoll, so dramatisch und allgemein so gut geschrieben, dass sie mich am Ende wortwörtlich in Tränen ausbrechen ließen. Zwar hat Joan auch Freundschaften mit den anderen Charakteren ihrer Truppe (die zudem durch die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt ist, ein besonders dramatisches Gewicht bekommen), doch Frances und Vanessa haben diesen Roman am meisten bereichert.

Am spannendsten und intensivsten waren für mich die 1984-Szenen, bei denen ich richtig mitfieberte und die die Geschichte durch das Vorwissen, das wir in ihnen gewinnen, noch verbesserten. Ich war am Ende so in Tränen aufgelöst, dass es einen starken Kontrast zum Beginn des Romans bildete, in den ich nur holprig reinfand. Doch ohne die vergangenen Szenen hätten diejenigen, die mich zum Weinen brachten, keinen so starken Effekt gehabt, weshalb ich auch für diese dankbar war.

Dieser Roman thematisiert die Liebe, das Leben und die Tapferkeit, es nach bestem Gutdünken zu leben, doch wenn es um seine Bewertung geht, tue ich mich schwer. Denn gesamt betrachtet haben mir andere Romane von Reid besser gefallen, weil ich leichter in sie hineinfand und mich mehr in die Protagonistinnen und Geschichte hineinversetzen konnte; doch andererseits hat mich kein Roman von ihr so stark emotional beeinflusst wie dieser. Deshalb würde ich ihm immer noch eine Empfehlung aussprechen – nur mit der Anmerkung, dass der Anfang zwar sehr beschwerlich ist, sich das Ende aber umso mehr lohnt!

Die verschwundene Tochter
368 Seiten

Die Zeitschrift, bei der Blake arbeitet, sucht dringend nach einer Geschichte, die die Leserinnen über mehrere Wochen antreibt. Blake, die vor einer Weile eine mysteriöse Schachtel, die für ihre verstorbene Großmutter gedacht war, bekommen hat, schlägt vor, ihre eigene Familiengeschichte und die Suche nach ihrer Urgroßmutter zu einem Thema zu machen. Eine Aufgabe, die sich zunächst als schwierig gestaltet, weil es keine Hinweise zu geben scheint – bis Blake auf den charmanten Kurator Henri Toussaint verwiesen wird, der ihr bei ihrer Suche weiterhilft. Sie finden heraus, dass ihre Urgroßmutter Evelina Lavigne war, die in den Dreißigern erfolgreich Kleider entwarf – doch aus irgendeinem Grund damit aufhörte, sodass sie nie die Bekanntheit erreichte, die sie anstrebte …

Auch der fünfte Band der „Töchter“-Reihe ist ein locker zu lesender Sommerroman, der zwei Romanzen in einer bietet und uns Leser:innen dabei Paris näher bringt. Wie schon die Romanzen aus vorherigen Bänden ähnelt dabei die Romanze zwischen Blake und Henri eher einer Disney-Romanze, die realistisch gesehen vermutlich nicht halten würde, im Roman aber so süß geschrieben worden ist, dass es als Leser:in trotzdem leicht ist, an sie zu glauben.

Bei Evelina waren ihre Romanzen schon realistischer, weil sie mehr Konflikte boten und, damit zusammenhängend, tragischer waren. Doch das wahre Highlight war Evelina selbst: Ich liebte es, wie sie stets für ihr eigenes Leben kämpfte und die dafür notwendigen Schritte selbständig einleitete. Sie ließ sich nicht von den Männern in ihrem Leben kontrollieren, sondern fand stets Wege zu einer Lösung, selbst, wenn es nicht immer leicht war, sie zu treffen. Sie war schlicht eine großartige Protagonistin, mit der ich leicht mitfiebern konnte. Das einzige, was ich schade fand, war, dass wir nicht SO viel von ihren Kleidern mitbekommen – es wird zwar beschrieben, wie sie sie herstellt und was sie für einen Eindruck machen, aber eine tatsächliche Beschreibung der Kleider bleibt in der Regel aus.

Schön war ebenfalls, dass das Drama in der Geschichte (das natürlich hauptsächlich in der Vergangenheit stattfand) realistisch war – nicht zu überzogen, nicht zu harmlos, sondern genau richtig. Der Rest der Handlung (hauptsächlich die Gegenwart) ist sehr schön, fast schon unrealistisch schön, aber gerade deshalb perfekt für eine lockere Sommerlektüre geeignet. Was mir übrigens sehr gefallen hat, ist, dass Blaze nicht sämtliche Geheimnisse Evelinas herausfindet, sondern dass es Informationen gibt, die nur wir Leser:innen haben. Das war nicht nur ebenfalls realistisch, sondern gab der Geschichte einen zusätzlichen Reiz, weil nur wir die ganze Wahrheit kennen.

Doch eine wichtige Kritik habe ich trotzdem: Allzu viel Neues bietet der Roman nicht. Wenn man die anderen schon gelesen hat, bekommt man hier nicht SO viel, was den Roman (stark) von den anderen hervorhebt. Dadurch, dass das Grundkonzept immer ähnlich ist, gibt es natürlich nur so viel, das man ändern kann (und zugegeben gefiel mir die Idee, Blake zu einer Journalistin zu machen, die ihre Geschichte live berichtet), aber allein, dass wir z.B. nie eine lebende Großmutter hatten, die tatsächlich aktiv an der Suche mitwirkt, oder einen Großvater, der dasselbe tut, wären Ideen, die ich gerne in diesen Romanen lesen würde. Doch natürlich erfüllt der Roman letztendlich immer noch seinen Zweck: Er ist ein schöner, erholsamer Sommerroman, bei dem man sich schlicht gut fühlt!

Die Mondschwester
714 Seiten

Tiggy hat kein großes Interesse daran, ihre Familiengeschichte aufzudecken, sondern möchte lieber im Kinnaird-Anwesen arbeiten, um dort bedrohten Tierarten zu helfen. Doch dann kommt sie mit Chilly in Kontakt, einem alten gitano, der in ihr die Enkelin der berühmten Flamenco-Tänzerin Lucía Albaycín erkennt. Sie eroberte damals Spanien, Argentinien und noch mehr Länder mit ihrem Tanz, und obwohl Tiggy selbst fast keine Gemeinsamkeiten mit ihr hat, hilft ihr Lucías Geschichte, ihre eigene zu finden …

Auch der fünfte Band der Sieben-Schwestern-Reihe ist angenehm geschrieben und erzählt zwei packende Geschichten in einer. Tiggy ist die „esoterische“ der Schwestern und das schlägt sich definitiv in der Handlung nieder – denn obwohl ärztliche Heilmittel zum Glück positiv dargestellt werden, gibt es einen starken Fokus auf alternative Heilmittel und vor allem auf Wahrsagerei, die im Buch stets wahr wird. Mir persönlich war der übernatürliche Aspekt ein wenig zu viel, weil er sich zwar trotzdem flüssig in die Handlung einfügte, jedoch nicht zu dem realistischen Setting passte, in dem die Geschichte spielt.

Tiggy war eine sehr sympathische Protagonistin, doch die wahre Stärke des Romans war Lucía, deren Leben wir ausführlich erleben. Sie war mit Abstand mein Lieblingscharakter, weil sie so vielschichtig und komplex geschrieben war: Sie war stur, entschlossen, leidenschaftlich, wusste sich durchzusetzen, kämpfte für ein eigenes Leben für sich und half ihrer Familie so gut sie konnte – doch sie war auch egoistisch, achtete nicht immer auf ihre Liebsten und ließ sie teilweise sogar im Stich, war niemals zufrieden mit ihrem Erfolg und hatte auch keinen Problem damit, in unangemessenen Lebenssituationen zu rauchen und zu trinken. Mit anderen Worten: Lucía war mindestens so leuchtend und brennend, wie sie tatsächlich dargestellt wird, was einfach großartig zu lesen war. Mir kam sie tatsächlich wie eine reale Person vor, mit Stärken und Schwächen und einer Lebensgeschichte, die mindestens so einnehmend wie ihr Charakter war.

Neben Lucía bekommen wir auch viel von ihrer Mutter María und ein bisschen etwas von ihrer Tochter Isadora mit, wobei María sich in die Reihe sympathischer Charaktere einreihte und Isadora zu denen, von denen ich gerne noch mehr gelesen hätte. Denn obwohl sie Tiggys Mutter ist, wird ihre Lebensgeschichte größtenteils zusammengefasst, anstatt sie aktiv zu erzählen. Das fand ich schade, weil sie es aufgrund ihrer engen Verbindung zu Tiggy verdient hätte, wenigstens ein Kapitel über ihr Erwachsenenleben zu bekommen. Selbst María bekam mehr Screentime als sie, obwohl sie nicht so relevant für die Geschichte war. Trotzdem waren die Vergangenheitskapitel so einnehmend geschrieben, dass sie die Gegenwartskapitel komplett in den Schatten stellten.

Was mir an denen zunächst nicht gefiel, lässt sich mit einem Charakter zusammenfassen: Zed. Er wird glücklicherweise so grässlich dargestellt, wie er tatsächlich ist, aber die Szenen mit ihm waren mir trotzdem so unangenehm, dass ich Tiggys Geschichte erst dann neugierig weiter las, sobald er keine Rolle mehr in ihr spielte. Ein großes Lob an Lucinda Riley dafür, sein problematisches Verhalten als solches angesprochen zu haben, aber der Preis dafür war eine erste Hälfte, in der ich Tiggys Kapitel am liebsten gar nicht lesen wollte, weil Zed mich so aufregte! Ich schätze, dass das letztendlich ein Kompliment ist, weil er genauso rüberkommen sollte.

Doch neben Zed gibt es noch Cal und Charlie, die zwar um einiges besser waren als er, mir aber nie ganz sympathisch wurden. So machte Cal speziell in der ersten Hälfte viele abfällige Bemerkungen über Tiggy, die ihn für mich unsympathisch machten, obwohl er in der zweiten Hälfte etwas besser wurde; und Charlie, der mit Abstand der beste der drei war, zeigte immer noch ein beschützendes und kontrollierendes Verhalten gegenüber Tiggy, das aufgrund des Kontexts zwar teils verständlich war, mir aber immer noch zu viel war. Tatsächlich hätte ich mir gewünscht, dass Tiggy gar keine Romanze eingeht und stattdessen ihrem Traum folgt, statt am Ende festzustellen, dass er in Wirklichkeit daraus besteht, bei ihrem Love Interest und den Tieren des Anwesens zu bleiben.

Wie man feststellen kann, habe ich also durchaus ein paar wichtige Kritikpunkte an den Roman – doch ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass er meine Freunde am Lesen vermindert hat. Ja, die Zed-Szenen waren tatsächlich unangenehm zu lesen, aber weil der ganze Rest (speziell die Vergangenheitskapitel) so grandios geschrieben waren, hatte ich immer noch meinen Spaß mit dem Roman – und hoffe, dass auch der sechste mir eine packende Geschichte bieten wird!

The Pairing
448 Seiten

Vier Jahre ist es her, seit Theo und Kit sich voneinander getrennt haben. Damals hatten sie eine kulinarische Reise durch drei verschiedene Länder geplant, aber nie umsetzen können. Jetzt will Theo die Reise nachholen – und stellt zu allem Entsetzen fest, dass Kit dieselbe Idee hatte. Drei Wochen werden sie nun in unmittelbarer Nähe verbringen, während immer noch Gedanken und Gefühle in ihnen lauern, die sie nicht auszusprechen wagen. In der Hoffnung, über die Trennung hinwegzukommen, schlagen sie eine Wette vor: Wem es gelingt, während der Reise mit den meisten Menschen zu schlafen, gewinnt. Doch wie sich herausstellt, ist es nicht ganz so einfach, ihre Gefühle füreinander zu vergessen …

Bei Casey McQuiston bekommt man genau das, was man erwartet: Eine queere romantische Komödie mit zwei Hauptcharakteren, die man schnell lieb gewinnt und von denen man sich wünscht, sie mögen wieder zueinander finden. Sowohl Theo als auch Kit waren mir sehr sympathisch, wobei ich vor allem Theos Selbstzweifel und Selbstfindungsphase mochte. Aber auch Kit, der einsah, wie er Theo unwillentlich mit seinen Plänen einsperrte, war ein großartiger Charakter. Die Beziehung der beiden mochte ich sehr; zwar war ich definitiv interessierter an ihren emotionalen Gesprächen als an ihren Körperlichkeiten, doch so oder so war ich sehr investiert daran, dass sie wieder ein Paar werden.

Andere Charaktere bleiben vergleichsweise blass, aber sehr sympathisch; hier möchte ich die Diversität loben, die Casey McQuiston natürlich in all ihren Romanen einbaut und die auch hier wunderbar zu lesen war. Doch fast besser als die Nebencharaktere gefielen mir die Orte, die Casey McQuiston beschrieb und die sie so gut auf Papier setzte, dass ich quasi mit Theo und Kit auf dieser Reise war.

Doch eine wichtige Kritik habe ich an den Roman: Obwohl ich von einer romantischen Komödie vermutlich nicht allzu viel Tiefe verlangen sollte, war sie mir doch ein wenig ZU locker und ein wenig ZU sehr auf Körperlichkeiten konzentriert. Der Sex an sich ist dabei gar nicht das Problem, sondern der Eindruck, als wäre er ein wichtiger Hauptgrund, aus dem Theo und Kit überhaupt zusammen waren. Gerade, weil ihre Chemie miteinander so gut war, war ich überrascht, dass ich mich am Ende fragte, ob sie jetzt wegen dem Charakter der jeweils anderen Person zusammen sind oder wegen den Vorzügen, die ein Zusammensein bietet. Hier war die romantische Komödie nicht ganz erfolgreich darin, mich von ihren romantischen Gefühlen zu überzeugen, weil ich sie stärker spürte, als sie noch nicht wieder zusammen waren.

Insgesamt also eine lockere Lektüre für diejenigen, die gerade eine brauchen, aber leider nicht viel mehr.