Bücherregal lädt …
Don't Let Me Go
400 Seiten

Als Riley Jackson zum ersten Mal begegnet, wird er ohnmächtig und träumt von einem Leben in Pompeji, in dem er und Jackson ein Paar waren. Das verunsichert ihn sehr, und Jackson scheint zunächst auch nicht besonders sympathisch zu sein, weil er ignorante Kommentare zu Riley, seinen Freunden und queeren Menschen im Allgemeinen macht. Gleichzeitig stellt er sich aber auch als überraschend feinfühlig und sympathisch heraus, was Riley nur noch mehr verwirrt. Die beiden werden Freunde – und empfinden bald auch mehr füreinander. Doch beide werden von Träumen von früheren Leben geplagt, die immer mit ihrem Tod enden …

Ich mochte das Konzept der Geschichte sehr, weil ich eine Schwäche für Zeitreise-Geschichten im Allgemeinen und frühere Leben im Speziellen habe, darunter auch die Idee ewiger Liebe. Was kann ich sagen, ich bin eben eine Romantikerin! Doch so stark die Freundschaft und Romanze zwischen Riley und Jackson auch umgesetzt war, sie war definitiv keine „Liebe größer als das Universum“. Das hat es schwer gemacht, mit der zweiten Hälfte der Handlung mitzufiebern, weil Rileys und Jacksons Liebe zwar definitiv vorhanden war, jedoch ihre kurze Zeit miteinander und ihr junges Alter es dann doch ein wenig … lächerlich erscheinen ließen, von ewiger Liebe bzw. über Liebe über den Tod hinaus zu sprechen. Ich konnte diesen Teil der Handlung deshalb nicht ganz ernst nehmen, so sehr ich es mir auch gewünscht hätte.

Betonen möchte ich allerdings, dass zumindest ihre Bindung in der ersten Hälfte tatsächlich fantastisch umgesetzt war. Wie sie sich zuerst miteinander anfreunden und ihre Gefühle füreinander sich dann vertiefen, war großartig – es war im Grunde eine Slow Burn Friends-to-Lovers-Geschichte, die mir ausgesprochen gut gefallen hat. Man hat ihre Chemie hervorragend gespürt, auch wenn ich fand, dass ihre Romanze sich ein wenig zu schnell entwickelte, nachdem Jackson sich seiner Gefühle bewusst wurde. Gerade, weil der Aufbau recht langsam war, war ich überrascht, wie schnell sich die Ereignisse überschlugen, sobald Jackson wusste, was er für Riley empfindet. Ihre Romanze war immer noch süß, wenn auch nicht so stark wie vermarktet.

Auch die Protagonisten an sich waren einnehmend, mit eigenen Problemen und Zweifeln und einer eigenen Charakterentwicklung. Riley setzt sich wunderbar für seine Freund:innen ein und Jackson für seine eigene Entwicklung. Ihre Freunde und Familie waren ebenfalls großartig; Rileys beste Freunde Audrey, Tala und Duy haben ihn stets unterstützt, sein Vater war ebenfalls auf seiner Seite, und Jacksons Tante war außerordentlich sympathisch. Natürlich kommen auch Charaktere vor, die bei weitem nicht so offen sind wie die, auf die es ankommt (z.B. Jacksons Eltern), aber die anderen spielen eine wichtigere Rolle und bekommen genügend Screentime, um einen Eindruck zu hinterlassen. Ich glaube, mein persönlicher Lieblingscharakter war Duy, aber sie alle wuchsen mir schnell ans Herz.

Erfrischend war es zudem, dass es zwar ein wenig Ex-Drama gibt, dieses aber elegant gelöst wurde und letztendlich nur einen kleinen Teil der Handlung einnimmt. Allgemein ist die Balance von Handlungselementen sehr gut gelungen; fast alles nimmt genau so viel Zeit ein, wie es braucht. Dazu gehören auch die Beschreibungen von Rileys und Jacksons früheren Leben, die ich besonders fesselnd fand und die glücklicherweise den Fokus auf die Qualität statt auf die Quantität legten.

Gegen Ende kamen leider trotzdem ein paar Schwächen dazu. Das Konzept früherer Leben wurde etwas weiter getrieben, als ich es mir gewünscht hätte, aber gleichzeitig nicht so weit wie angedeutet – ein seltsamer Schwebezustand, der der Glaubwürdigkeit der Geschichte geschadet hat. Zudem hätte ich mir am Ende gerne eine andere Lösung gewünscht, weil einige der Geschehnisse sehr vermeidbar schienen, während andere, die erwähnt wurden, nicht umgesetzt wurden. Und wie gesagt ist die Liebe zwischen Riley und Jackson so stark romantisiert worden, dass sie und das Drama, das um sie herum entsteht, nicht mehr realistisch, sondern übertrieben wirkte.

Insgesamt also eine Romanze mit Stärken und Schwächen, deren Zielgruppe definitiv Jugendliche sind, die aber trotzdem sehr gut zu lesen war. Denn das war ebenfalls eine Stärke des Romans, die ich sehr zu schätzen wusste: Der Schreibstil war sehr angenehm, niemals zu locker, sondern geschmackvoll. Zwar mag ich auch durchaus lockere Schreibstile, wusste es aber zu schätzen, hier eine Ausnahme zu sehen. Letztendlich mochte ich die Geschichte trotz ihrer Schwächen sehr, denn nicht nur glichen die Stärken sie gut aus, sondern boten eine einnehmende Geschichte, die mich sehr gut unterhalten hat!

Hallo, du Schöne
520 Seiten

Die vier Padavano-Schwestern sind seit jeher ein Herz und eine Seele. Julia, die Älteste, ist die, die immer alles unter Kontrolle hat. Sylvie liebt Bücher und geheime Küsse zwischen den Regalen. Und die Zwillinge Emeline und Cecilia haben ebenfalls ihre eigene Sprache. Bis zwei Ereignisse dafür sorgen, dass das Band der Schwestern zu zerreißen droht: Zunächst verliebt sich Julia in den Basketballspieler William, von dem sie aber bald nicht sicher ist, ob er wirklich der Richtige ist. William versinkt nämlich in Selbstzweifel über sein Leben, was so gar nicht zu Julias Lebensstil passt. Mit dem Tod des Vaters droht zudem die ganze Familie auseinanderzubrechen. Erst nach einem weiteren dramatischen Ereignis schaffen es Julia und Sylvie, das Leben zu finden, das sie glücklich macht – doch zum Preis ihrer Schwesternschaft …

In diesem schönen Roman geht es überraschenderweise nicht um alle vier Schwestern, wie ich zunächst erwartete, sondern vor allem um Julia, Sylvie und William. Zwar haben auch Emeline und Cecilia ihre eigenen Handlungsstränge, allerdings sind diese um einiges kleiner und nicht zwingend für die Haupthandlung relevant. Doch glücklicherweise war die Geschichte der drei Charaktere, um die es geht, so einnehmend, dass mir das nichts ausmachte – zumal ich durchaus finde, dass Emeline und Cecilia ihr eigenes Buch verdient hätten.

Gerade Williams Handlungsstrang hat mich sehr gefesselt, weil er sich mit einigen ernsten Themen beschäftigte, speziell Depressionen und wie sehr sie einen über das ganze Leben beeinflussen. Das fand ich hervorragend umgesetzt, weil seine Gedanken so gut eingefangen wurden und ich sehr mit ihm und seinen Problemen mitfieberte.

Auch Julia hat mich sehr begeistert. Da ich selbst ein zielgerichteter Mensch bin, konnte ich mich sehr gut in sie hineinversetzen, aber auch unabhängig davon war es so zufriedenstellend, mit anzusehen, wie sie sich selbst ein Leben aufbaute und später mit den Entscheidungen, die sie traf, konfrontiert wurde. Insgesamt war auch ihr Handlungsstrang großartig und ich mochte die Richtung, in die sie sich entwickelte.

Nur Sylvie habe ich als Schwäche empfunden. Sie hat durchaus wichtige Szenen und gerade gegen Ende wurde ihre Handlung sehr interessant, aber als Charakter konnte sie mich nicht ganz überzeugen. Gerade, weil sowohl Julia als auch William so interessant waren und ihre Probleme einen Großteil der Handlung einnehmen, fiel es Sylvie schwer, sich zwischen ihnen hervorzutun. Hier finde ich, dass ihr später Handlungsstrang sehr davon profitiert hätte, um einiges früher in die Geschichte eingewoben zu sein.

Was mir dafür sehr gefallen hat, war die Tatsache, dass wir etwa fünfzig Jahre der Familie recht ausführlich miterleben. Nur gegen Ende wurde es ein wenig hektisch und es wirkte fast so, als sollte es danach einfach weitergehen, aber im Nachhinein war ich dann doch zufrieden mit dem Ausgang der Geschichte.

Was mir besonders positiv hervorgestochen ist, ist der Umgang mit den Romanzen. Denn eigentlich kommt diesbezüglich etwas vor, das ich normalerweise nicht gerne lese, aber hier war es so gut und so elegant umgesetzt, dass ich positiv überrascht davon war, wie sehr ich sie mochte.

Insgesamt also eine wunderbare, emotionale Familiengeschichte, die ich allen empfehlen kann, die eine besonders gute lesen wollen!

His Face Is The Sun
608 Seiten

Im Reich Khetara werden die Spannungen immer größer. Der alte Pharao siecht an einer Krankheit dahin, und seine siebzehnjährigen Drillinge haben ebenfalls ihre eigenen Probleme; wie Sita, die von einer Romanze mit einer Leibwache träumt, obwohl sie weiß, dass das unmöglich ist. Außerhalb des Palastes sind die Probleme schon größer: Die junge Neff träumt regelmäßig von einer Vision, was schließlich dazu führt, dass sie bei zu einer Priesterin ausgebildet wird und dabei Kenna, den jüngsten Drilling, kennenlernt. Rai, die regelmäßig an Straßenkämpfen teilnimmt, bekommt dagegen eines Tages den Ansporn, sich einer Rebellengruppe anzuschließen, die sich gegen den Pharao stellt. Und Karim, ein Grabräuber, lässt bei einem Einsatz etwas Finsteres frei, was ihn zur Flucht antreibt – auf der Suche nach denjenigen, die ihm sagen können, wie man es aufhalten kann …

Obwohl das Buch „His Face Is The Sun“ heißt, ist derjenige, nach dem das Buch benannt ist – der älteste Drilling Meri – nur eine wichtige Nebenfigur, die in Sitas Sichtweise ab und an vorkommt. Das hat mich sehr überrascht, denn der Prolog, der die Kinder sehr deutlich nach den drei Teilen der Trilogie benennt, suggeriert, dass es in jedem Teil hauptsächlich um den jeweiligen Drilling gehen wird – aber dem ist nicht der Fall. Zwar bringt Meri die Handlung voran und ist für sie unverzichtbar, aber wir lernen ihn kaum kennen, was ich sehr schade fand. Durch Sitas Augen wirkte er recht eindimensional und ich hätte es sehr viel besser gefunden, hätte er entweder eine eigene Sichtweise oder eine enge Verbindung zu den vier Protagonisten gehabt, um seine Tiefe zu zeigen. So, wie es jetzt ist, wundere ich mich eher, warum das Buch nach ihm benannt wurde!

Die eigentlichen Protagonisten und ihre Handlungsstränge sind dafür einnehmend. Am Anfang mochte ich Sita nicht, weil sie sich nur um Liebe und unwichtige Probleme scherte, die im Gegensatz zu den Problemen der anderen nichtig schienen; aber ihre Charakterentwicklung hat mir am besten gefallen und am Ende wurde sie sogar zu meinem Liebling. Die Art und Weise, wie sie zu ihren Fehlern steht und daraus lernt, war sehr zufriedenstellend zu lesen.

Rai ist allein dadurch sympathisch, dass sie sich für andere einsetzt, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten, selbst wenn diese zu ihrem eigenen Nachteil sind. Neff war allgemein freundlich und unschuldig und ihre Freundschaft zu Kenna mochte ich von allen Charakterbeziehungen am meisten; Karim währenddessen war als Charakter zwar in Ordnung, aber sein Handlungsstrang war für längere Zeit eher ziellos, was die anderen Protagonistinnen interessanter für mich gemacht hat.

Allerdings fand ich es sehr schade, dass es kaum Verbindungen zwischen den Handlungssträngen gab; ab und zu tauchen die Charaktere zwar bei anderen Sichtcharakteren auf, verschwinden in der Regel dann aber auch wieder, sodass der Fokus sehr stark auf den einzelnen Protagonisten liegt. Dadurch entwickelte sich die Handlung in der ersten Hälfte recht langsam, weil zunächst vier Ausgangssituationen ausführlich beschrieben wurden, bevor die Charaktere ihre eigentliche Handlung starten. Gerade, weil die Kapitel recht lang sind und es so dauern kann, bis man andere Charaktere wiedersieht, hätte es der Handlung sehr geholfen, wären die einzelnen Stränge enger miteinander verwoben gewesen. Aus diesem Grund gefiel mir die zweite Hälfte der Handlung mehr; nicht nur haben wir hier sogar ein paar Verbindungen, sondern vor allem die nötige Spannung, die in der ersten Hälfte ein wenig gefehlt hat.

Wichtig finde ich es zu erwähnen, dass in dem Buch recht viel Tod und Grausamkeit vorkommt. Offiziell wird es ab vierzehn Jahren empfohlen, doch ich persönlich würde das Alter aufgrund gewisser grausamer Szenen eher auf ab sechzehn setzen; ich war auf jeden Fall stellenweise recht schockiert von gewissen Handlungsentwicklungen!

Trotz erwähnter Schwächen hat mir das Buch gut gefallen und es eignet sich vor allem für diejenigen, die gerne verschiedene Sichtweisen und Handlungssträngen in ihren Fantasyromanen lesen. Zudem spielen Romanzen letztendlich nur eine sehr kleine Rolle, weshalb es sich auch für diejenigen eignen, die tatsächlich Fantasy lesen wollen und keine Fantasyromanze. Das Worldbuilding war auf jeden Fall gut umgesetzt und ich bin gespannt, wie es im zweiten Teil weitergeht!

Geheimnisse aus der Geschichte
336 Seiten

Die Geschichte steckt voller Geheimnisse, ungelöster Fragen, mysteriöser Todesfälle und noch vielem mehr. Manche dieser Fragen wurden bereits beantwortet, andere könnten irgendwann beantwortet werden, doch viele werden vermutlich für immer offen bleiben. Seit 2014 erörtert die Süddeutsche Zeitung in ihrer Kolumne diese Fragen, von denen viele Beiträge in diesem Buch zusammengetragen wurden. Manche Themen wird man sicher schon kennen, andere nicht, doch insgesamt ist wohl für jeden etwas dabei!

Diese Lektüre ist wirklich sehr kurzweilig, bestehend aus lauter kurzen Kapiteln, die die jeweiligen Themen grob umreißen, dafür aber auch eine ganze Palette an ihnen bieten. Menschen verschiedener Bekanntheitsgrade wie die Mona Lisa, Kaspar Hauser, Louise Le Prince oder der alte Ledermann haben natürlich ihre eigenen Mysterien, aber auch Gegenstände wie die Bundeslade und antike Dodekaeder, als auch Orte wie der „Skeleton Lake“ und die Route 666 werden thematisiert. Wie gesagt, für so ziemlich jeden ist etwas dabei und so ziemlich jeder wird hier wohl etwas Neues finden. Obwohl mir die bekannten Themen natürlich gefielen, mochte ich gerade die Beiträge zu unbekannteren Personen, Gegenständen und Orten besonders gerne.

Etwas, woran ich mich zunächst gewöhnen musste, ist, dass dieses Sachbuch in der Regel keine Antworten auf seine Fragen gibt. Es führt verschiedene Theorien aus, aber nur selten gibt es eine eindeutige Erklärung; die allermeisten Kapitel enden mit einem offenen „man weiß es nicht“, was mich zunächst frustrierte, weil ich hoffte, zumindest ein paar neue Erkenntnisse zu gewinnen, die ich hier nicht bekam. Aus diesem Grund ist dieses Sachbuch als Sammlung verschiedener Geheimnisse großartig zu lesen – aber nicht als Sammlung von Antworten auf diese Geheimnisse. Im Nachhinein hätte ich wohl auch keine erwarten sollen, weshalb die Lektüre für mich zufriedenstellender wurde, sobald ich akzeptierte, dass es keine Antworten liefern wird. Manchmal wird sogar die Möglichkeit übernatürlicher Kräfte angesprochen, doch glücklicherweise nur selten und im Kontext von anderen Menschen, die daran glaubten.

Hier kommen wir auch zum größten Manko des Sachbuchs: Es hat kein Quellenverzeichnis. Manchmal werden Quellen in den Texten selbst erwähnt, aber für den Großteil müssen wir Leser:innen darauf vertrauen, dass die Autor:innen der SZ-Kolumnen die Themen gut recherchiert und korrekt wiedergegeben haben. Dadurch, dass die Lektüre selbst so kurzweilig ist, fällt das zwar überraschend leicht, aber dennoch hätte ich mir gewünscht, zu wissen, woher genau die Mitarbeiter ihre Informationen haben.

Wer wie ich Sachbücher mag, die verschiedene Themen zusammentragen, wird sich daran vermutlich nicht allzu sehr stören, weil die Lektüre immer noch interessant war, doch sollte man beim Lesen beachten, dass der Fokus auf den offenen Fragen liegt – und nicht auf den Antworten.

Daughter of No Worlds (War of Lost Hearts 1)
640 Seiten

Tisaanah hat es endlich geschafft: Nach acht Jahren als Sklavin hat sie tausend Goldmünzen verdient, um sich ihre Freiheit zu erkaufen. Allerdings läuft das Gespräch mit ihrem Meister anders als erwartet, und sie muss ihre Heimat Threll überstürzt verlassen. Entschlossen, zurückzukehren und ihre Freunde zu befreien, sucht sie die zwei Orden der Insel Ara auf, um dort Magie zu lernen. Ihr Lehrer wird der distanzierte Max, der sich zunächst weigert, ihr etwas beizubringen – bis sie sich nach und nach näher kennenlernen …

Ich habe bereits die „Crowns of Nyaxia“-Bücher der Autorin gelesen und freute mich deshalb auf den Start einer neuen Reihe – und glücklicherweise zurecht! Tisaanah und Max hatten beide eine einnehmende Hintergrundgeschichte, sympathische Persönlichkeiten und vor allem eine fantastisch ausgebaute Romanze. Die Art und Weise, wie sie sich kennenlernten, sich langsam füreinander erwärmten, eine Freundschaft erschufen und schließlich romantische Gefühle füreinander entwickelten, war sehr realistisch aufgebaut. Es war eine langsame, sich natürlich entwickelnde Beziehung, die den Großteil der Geschichte einnahm und mich sehr fesselte. Hier ein großes Lob an die Autorin, sowohl den Charaktere als auch deren Romanze genug Zeit geschenkt zu haben, um wahrhaftig zu erblühen.

Eine weitere hervorragende Entwicklung, die mich überraschend packte, war Tisaanahs Erlernen von Aranisch. Am Anfang beherrscht sie hauptsächlich ihre Muttersprache Thereni und spricht Aranisch nur rudimentär, doch im Verlauf der ersten Hälfte wird ihre Kenntnis der Sprache immer besser. Carrisa Broadbent baut sehr viele realistische Situationen ein, die ich bisher so gut wie nie in Fantasyromanen las: Tisaanah, die am Anfang falsche Grammatik einsetzt, Wörter weglässt und Synonyme für Wörter finden muss, die sie nicht kennt, auch ein wenig später über manche Wörter stolpert, aber immer mehr und mehr lernt, bis sie schließlich flüssig in Aranisch ist. Ich glaube, dass ich noch nie eine Fantasygeschichte gelesen habe, die das Erlernen einer anderen Sprache so glaubwürdig darstellt wie diese. Es ist ein verhältnismäßig kleiner Punkt, doch seine Umsetzung hat mich sehr beeindruckt.

Apropos: Etwas, was ich ebenfalls so gut wie nie lese, ist eine ausführliche Verhandlung zwischen den Protagonisten und Antagonisten. Normalerweise glauben die Protagonistinnen viel zu oft dem Wort der Antagonistinnen, helfen ihnen und stellen dann schockiert fest, dass sie angelogen wurden – doch Tisaanah lässt das nicht zu. In meiner absoluten Lieblingsszene verhandelt sie die Bedingungen für ihre Zusammenarbeit ausführlich, merzt potentielle Schlupflöcher aus, lässt einen bindenden Vertrag aufsetzen, verlangt dabei zunächst die Hilfe der Antagonisten, bevor sie ihre eigene anbietet und war dabei die ganze Zeit so souverän, entschlossen und insgesamt episch, dass ich regelrecht gejubelt habe. Endlich mal eine Protagonistin, die sich nicht leichtfertig auf etwas einlässt, sondern genau weiß, was sie will und wie sie es bekommt, ohne sich hereinlegen zu lassen!

Doch neben all dem starken Lob habe ich durchaus ein wenig Kritik. Die wohl größte betrifft die Handlung; in der ersten Hälfte passiert nicht allzu viel, weil der Fokus auf Tisaanahs und Max‘ wachsender Beziehung liegt, sodass die Geschichte erst ab der zweiten Hälfte in Schwung kommt. Dadurch, dass ich so investiert in ihre Beziehung war, machte mir das nicht allzu viel aus, doch es fiel mir trotzdem auf, weshalb ich es für diejenigen erwähnen wollte, die eher eine spannende Handlung als spannende Charakterbeziehungen bevorzugen.

Andere Charaktere kommen leider nicht ganz so stark hervor; der interessanteste Charakter war mit Abstand Nura, weil sie die einzige war, die sich nicht deutlich auf die eine oder andere Seite stellte, sondern zwischen ihnen stand, was sie zu einer komplexen, fesselnden Figur machte. Hier wünschte ich, anderen Charakteren wäre eine ähnliche Aufmerksamkeit geschenkt worden; speziell hätte ich mir gewünscht, dass Tisaanahs bester Freund Serel, der hauptsächlich am Anfang eine Rolle spielt, viel, viel mehr Screentime bekommen hätte, weil er so viel Potential hatte, das nicht genutzt wurde. Es war schwierig, mit Tisaanahs Verlangen, ihm zu helfen, mitzufiebern, weil wir selbst ihn nur in den ersten paar Kapiteln kennenlernten. Da fand ich Max‘ besten Freund Sammerin schon besser umgesetzt; er kam regelmäßig vor und zeigte zugegeben nicht viel Charaktertiefe, aber dafür eine umso sympathischere Seite.

Insgesamt also keine perfekte, aber immer noch gut zu lesende Geschichte mit fantastischen Hauptcharakteren, die mich schon neugierig auf den nächsten Band macht!

Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry
256 Seiten

A.J. Fikry ist Buchhändler, dessen Leben nach dem Tod seiner Frau ordentlich umgekrempelt wird: Die neue Vertreterin Amelia Loman bringt wieder Freude in sein Leben, ihm wird eine wertvolle Poe-Ausgabe gestohlen und in seiner Buchhandlung findet sich auf einmal ein zweijähriges Mädchen, das dort ausgesetzt wurde. Nach einigem Überlegen adoptiert A.J. die kleine Maya, kommt Amelia langsam näher und findet endlich ein Leben, das ihn glücklich macht – trotz aller Höhen und Tiefen …

Am Anfang hat der Roman den Eindruck erweckt, ein schöner Roman zum Wohlfühlen zu sein, mit ein bisschen Humor, einer wunderbaren Vater/Tochter-Beziehung und einer netten Romanze. Umso überraschter war ich, dass ich am Ende fast zu Tränen gerührt war! Einerseits hätte ich mir gerne ein anderes Ende gewünscht, andererseits fand ich es perfekt so, wie es war. Jedoch bestätigt es auch, dass der Roman definitiv nicht (nur) zum Wohlfühlen ist, sondern eher allgemein für alle, die eine sowohl schöne als auch herzzerreißende Lektüre suchen.

Die einzelnen Aspekte waren sehr schön umgesetzt. Ich mochte vor allem die Vater/Tochter-Beziehung zwischen A.J. und Maya, die einfach wunderbar war, aber auch die Art und Weise, wie die Handlung sich entwickelt – wie wir die Ereignisse in der Buchhandlung über mehrere Jahre hinweg erleben, Mayas Großwerden und A.J.s und Amelias Romanze, A.J.s Freundschaft mit dem Polizisten Lambiase und eben auch das sehr emotionale Ende. Gerade bei diesem kann ich mir vorstellen, dass es nicht jedem gefällt, weil es dann doch einen starken Kontrast zum Rest des sonst leichten Buches bildet.

Insgesamt also ein schöner Roman mit einem sympathischen Protagonisten und einer guten Geschichte – zum Lachen, zum Weinen und für alles dazwischen!

Das Jahr voller Bücher und Wunder
496 Seiten

Seit ihr Ehemann Joe gestorben ist, hat Tilly die Leidenschaft fürs Lesen verloren. Als sie am Anfang des Jahres einen Anruf vom Buchhändler Alfie bekommt, ist sie deshalb umso überraschter, als er ihr offenbart, dass Joe ihr ein Jahr voller Bücher vorbereitet hat – für jeden Monat eines. Zunächst möchte Tilly am liebsten nichts damit zu tun haben, zu sehr schmerzt der Verlust noch, doch als sie schließlich Joes erstes Buch liest, entdeckt sie tatsächlich die Liebe fürs Lesen wieder. Monat für Monat besucht sie Alfie, holt sich ihr Buch und kehrt immer mehr ins Leben zurück. Und vielleicht kann sie auch die Liebe wieder für sich entdecken …

Ich habe bereits eine ausführliche Leseprobe des Buchs gelesen, das die ersten sechs Monate enthielt und bin froh, dass auch das gesamte Buch eine wirklich schöne Lektüre war. Es ist wirklich unglaublich leicht, in die Geschichte einzutauchen, in Tillys Selbstfindung und in ihre wachsende Romanze mit Alfie. Natürlich machte es auch viel Spaß, die Diskussionen über Bücher zu verfolgen, aber tatsächlich liegt der Fokus nicht auf den Büchern selbst, sondern auf deren Wirkung. Die Bücher, die Tilly während des Jahres liest, werden in der Regel nicht ausführlich behandelt, sondern die Dinge, zu denen sie Tilly inspirierten, speziell Reisen in verschiedene Länder und das Ausprobieren neuer Hobbys.

Das fand ich besonders erfrischend: Zwar nimmt die Romanze mit Alfie selbstverständlich einen wichtigen Teil der Handlung ein, aber beide haben auch ihren individuellen Handlungsstrang. Ich liebte es, die süßen Momente zwischen den beiden zu lesen, aber auch die Art und Weise, wie sie mit ihren persönlichen Problemen umgingen. Gerade bei Tilly spielen auch die Beziehungen zu ihrer Schwester, besten Freundin und Schwiegermutter eine wichtige Rolle, wobei ich sehr froh war, dass es bei allen eine zufriedenstellende Aussprache gab.

Ich glaube, das einzige, was ich zunächst überraschend fand, ist die Tatsache, dass Joe Tilly vergleichsweise viele Sachbücher schenkt. Einerseits fand ich es gut, dass sehr viele verschiedene Genres zur Sprache kamen, von Kinderbüchern bis zu Reiseführern, aber andererseits habe ich etwas mehr Romane vermisst – zumal es zwischen den Monaten immer eine Empfehlungsliste von Alfies Buchhandlung mit verschiedenen Romanen gibt. Letztendlich mochte ich es allerdings, dass Tilly so auf verschiedene Weisen geholfen wurde.

Insgesamt also ein richtig schönes Wohlfühlbuch, das einfach gut tut – über das ganze Jahr hinweg!

Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104
544 Seiten

Hardy und Margret sind inzwischen Urgroßeltern, doch nie haben sie mit ihrer Familie über ihre gemeinsame Vergangenheit gesprochen. Im Jahr 1945 wurde der damals dreijährige Hardy gefunden und in ein Kinderheim gebracht, wo er aufgrund der Tatsache, dass er scheinbar nicht sprechen konnte, als schwachsinnig abgestempelt wurde. Dort hat er Margret kennenlernt, die ihm durch diese schwere Zeit geholfen hat. Doch dann verlieren sie sich aus den Augen und erleben beide ihre eigenen Traumas, die auch in nachfolgenden Generationen noch widerhallen werden …

Nach „Stay away from Gretchen“ ist es Susanne Abel tatsächlich wieder gelungen, eine emotionale und ergreifende Geschichte zu schreiben, die mich genauso sehr berührte. Die Art und Weise, wie sie Hardys und Margrets Leben und vor allem ihre Traumas (sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart) erzählt, war absolut meisterhaft und hat mich richtig mit beiden mitfühlen lassen. Die Tatsache, dass beide Schicksale auf wahren Ereignissen basieren, machte sie noch trauriger, wobei ich jedoch froh bin, dass sie thematisiert wurden. Es fällt mir schwer, mit Worten zu beschreiben, wie viel Eindruck sie auf mich machten, bis zu dem Punkt, an dem ich die Charaktere als reale Menschen empfand – und auf gewisse Weise sind sie es wohl auch. Hier ein sehr großes Lob an Susanne Abel an ihre Erzählkunst!

Gut fand ich es auch, dass beide ungefähr gleichwertig behandelt wurden. Hardy hat durch die Art und Weise, wie sich die Handlung entwickelt, einen leicht stärkeren Fokus, aber das bedeutet keineswegs, dass Margret ignoriert wird; im Gegenteil erleben wir viele Seiten ausschließlich aus ihrer Sicht, die ihr Trauma berührend behandeln, aber auch die Wichtigkeit, die sie für Hardy und den Rest der Familie hatte. Ich glaube, meine einzige Kritik ist, dass ihre Geschichte keinen so perfekten Abschluss bekommt wie Hardys; am Ende von Hardys Geschichte lösen sich viele offene Fäden auf, während Margret dieses Privileg leider nicht bekommt. Auf gewisse Weise mochte ich diese Tragik durchaus, doch ein Teil von mir wünschte sich, dass wir auch zu ihr einen geschlossenen Abschluss bekommen hätten.

Was mir dafür wieder fantastisch gefiel, war die Art und Weise, wie ihre Urenkelin Emily in die Geschichte eingebracht wurde. Wir erleben ihre Entwicklung über mehrere Jahre hinweg, von einem Kind zu einer Jugendlichen, erleben ihre Gefühle und Gedanken hautnah, sodass sie sich trotz ihrer geringeren Screentime zu einem Charakter entwickelte, mit dem ich sehr mitfühlte. Gerade, dass ihre Probleme mit Margret und Hardys kontrastiert wurden und ich trotzdem mit ihr mitfieberte, zeigt fantastisch, wie viel Sorgfalt Susanne Abel in ihre Hauptcharaktere gelegt hat.

Ihre Mutter Julia und ihre Großmutter Sabine bekommen zumindest in diesem Band keine eigene Geschichte, aber das war meiner Meinung nach die richtige Entscheidung, weil so der Fokus nicht unnötig von Hardy und Margret genommen wurde und ihre Geschichte in der Vergangenheit an einem zufriedenstellenden Punkt endete. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass im möglichen zweiten Band auch Julia und Sabine ihre Geschichte erzählen dürfen.

Insgesamt also ein absolut gelungener historischer Roman, der einen starken Eindruck hinterlässt und die Geschichte der damaligen Kinder emotional erzählt!

Silvercloak - Unter Feinden
624 Seiten

Saffron ist kurz davor, ihren Abschluss in der Silvercloak-Akademie zu machen, nur noch eine letzte Prüfung trennt sie davor. Doch ausgerechnet bei dieser letzten Prüfung kommt ihr größtes Geheimnis heraus – sie ist immun gegen Magie. Zunächst fürchtet sie, von der Akademie geworfen zu werden, doch stattdessen wird sie für eine Undercover-Mission ausgewählt, bei der sie sich bei den gefürchteten Bloodmoons einschleichen soll, um die Gruppe ein für alle Mal auszumerzen. Doch nicht nur entwickelt sich diese Undercover-Mission sehr viel gefährlicher, als Saff erwartet hat, sie wird noch dazu mit dem Sohn des Kingpins, Levan Celadon, zusammengeworfen – von dem sie in einer Vision gesehen hat, dass sie ihn küssen und danach töten wird …

Wow, was für ein Fantasyroman! Er war düster, stellenweise grausam, SEHR spannend und für alle Fans von Dark Fantasy perfekt geeignet. Ich war so gefesselt von der Geschichte, dass ich sie am liebsten gar nicht aus der Hand legen wollte, so fasziniert war ich von der Handlung, den Charakteren und der Welt.

Das, was die Handlung so unglaublich spannend macht, sind die hohen Einsätze. Für Saff steht sehr viel auf dem Spiel – und obwohl ihre Intelligenz und ihr schnelles Lösungsfinden hervorragend illustriert werden und oft genug zum Einsatz kommen, gibt es auch viele Situationen, aus denen sie keinen Ausweg findet – und dafür bezahlen muss. In diesem Roman sind Charaktere vor dem Tod und schweren Verletzungen nicht gefeit. Manchmal schafft Saffron es, Schadensbegrenzung zu betreiben, aber manchmal eben nicht – und der Preis dafür ist immer hoch. Ich war teils sehr schockiert davon, welche Dinge sie zu tun gezwungen war, entweder aus eigenem Antrieb oder als Befehl. Meine Lieblingsszenen waren hier die mit Lyrian, Levans Vater, weil seine Macht und Grausamkeit so hoch waren, dass ich nie garantieren konnte, dass Saffron sich aus ihnen herauswinden kann.

Womit wir bei den Charakteren wären. Saff war großartig und ihre Entwicklung über den Roman hinweg packte mich mindestens so sehr wie die Handlung. Bei Levan wusste ich lange Zeit nicht, was ich von ihm denken soll, weil er sowohl grausame als auch einfühlsame Seiten zeigte (wobei ich froh war, dass beide Seiten von Saffron zur Kenntnis genommen werden). Selbst am Ende bin ich mir nicht komplett sicher, ob ich ihn nun mag oder nicht, weil er mir insgesamt zu grausam war, ich ihn aber trotzdem verstehen konnte. Was Nebencharaktere angeht, haben sich vor allem Nissa, Tiernan und Auria hervorgehoben – sogar so sehr, dass ich am liebsten einen ganzen Roman über die Anfangsgruppe gelesen hätte, von dem sie und Saff ein Teil sind. Sie haben leider verhältnismäßig wenig Screentime, aber genug, um einen positiven Eindruck zu hinterlassen.

Die Romanze von Saffron und Levan konnte mich dagegen nicht ganz überzeugen. Sie haben durchaus eine gewisse Chemie, die allerdings sehr viel komplexer als eine Romanze ist – ihre Gefühle zueinander waren sehr faszinierend, doch wünschte ich, dass ihre Romanze sich in diesem Band noch nicht entwickelt hätte, weil keiner von beiden sich in einer Lebenssituation befand, in der sie offen für eine (neue) Romanze schienen. Ihre Beziehung war immer noch einnehmend, aber nicht auf eine Weise, bei der ich mir wünschte, sie würden zusammenkommen. Gerade das grandiose Ende lässt mich jedoch wundern, wie sich ihre Beziehung im nächsten Teil wohl entwickeln wird.

Zuletzt möchte ich unbedingt das Worldbuilding ansprechen, weil es einfach fantastisch war. Das Magiesystem, bei dem die Charaktere durch Lust oder durch Schmerz Magie wirken können, war großartig umgesetzt und die Welt selbst hat sich lebendig angefühlt: Nicht nur gibt es Details wie eigene Monate und Wochentage, sondern auch größere Dinge wie fiktive Geschichten und reale Sagen innerhalb der Welt, die sie sehr viel reicher gemacht haben, als sie ohnehin schon war. Die ganze Welt wirkt verbunden und durchdacht und ich kann es nicht erwarten, im nächsten Teil noch mehr von ihr zu sehen.

Insgesamt also eine sehr spannende und empfehlenswerte Fantasygeschichte – ich will nur noch einmal betonen, dass sie stellenweise echt heftig ist und deshalb nicht für alle Fantasyleser:innen geeignet, sondern speziell für Fans von Dark Fantasy. Mir selbst hat sie ausgesprochen gut gefallen und ich freue mich schon auf den zweiten Teil!

The Invisible Life of Addie Larue - Illustrated Edition
545 Seiten

Addie LaRue wünscht sich nichts mehr, als frei zu sein. Doch als sie am Tag ihrer Hochzeit wegrennt und einen Handel mit dem Teufel eingeht, gewährt dieser ihr eine Freiheit, die sie niemals wollte: Jede Person, die ihr begegnet, vergisst sie wieder, sobald sie sie aus den Augen verliert, und Addie selbst ist es nicht mehr möglich, Spuren zu hinterlassen. Bis sie, dreihundert Jahre nach ihrem Fluch, auf den Buchhändler Henry trifft – den einzigen Menschen, der sich an sie erinnert …

Vor wenigen Monaten habe ich Addie LaRue bereits auf Deutsch gelesen, konnte aber nicht widerstehen, bereits jetzt in das englische Original zu tauchen, so fasziniert war ich von der Geschichte. Tatsächlich ist der Rhythmus der Sätze im Englischen sogar noch deutlicher zu spüren, hat mich aber auch die deutsche Übersetzung mehr wertschätzen lassen. V. E. Schwabs Schreibstil ist einfach wunderschön und es ist bestimmt nicht leicht, ihre Melodie in andere Sprachen zu übertragen.

Da ich dieses Mal das Vorwissen zu dem, was passieren wird, hatte, war es viel leichter, all das Foreshadowing zu entdecken, das mir bisher entgangen war. Ich war sehr überrascht, als ich feststellte, wie viel davon es tatsächlich gibt! Henrys Geschichte hat dadurch einen zusätzlichen Anreiz bekommen, weil sie so erfolgreich angedeutet wird, diese Andeutungen aber erst später an Bedeutung gewinnen.

Was Addies Geschichte angeht, war ich nach wie vor gefesselt von ihren Frankreich-Kapiteln, in denen sie noch dabei ist, die Grenzen ihres Fluchs zu erkunden und auf erinnerungswürdige Charaktere wie Remy trifft. Allgemein ist es beeindruckend, wie Charaktere mit wenig Screentime (darunter auch Estele) durch Addies Erzählungen über sie lebendig gemacht werden!

Beim Wiederlesen war es auch leichter, die Schwächen des Romans etwas deutlicher zu sehen (speziell das Potential einen unendlichen Lebens, das nicht voll genutzt wurde), aber letztendlich haben diese Schwächen mich die vielen Stärken des Romans noch deutlicher sehen lassen. Ich liebe einfach Addies und Henrys Geschichte und werde sie hoffentlich noch viele Male lesen!

Bury Our Bones in the Midnight Soil
688 Seiten

Als Frau Anfang des sechzehnten Jahrhunderts weiß María, dass sie nur ein Schicksal erwartet: Die Heirat mit einem Mann, den sie nicht liebt und der sich ebenfalls nicht um sie kümmert. Erst, als sie eine geheimnisvolle, alterslose Witwe trifft, bietet sich ihr eine Lösung – wenn auch keine, die sie erwartet hat. Als Vampirin neugeboren, benennt María sich in Sabine um und entdeckt die Genüsse ihrer neuen Freiheit. Boston, fast fünfhundert Jahre später: Nach einer leidenschaftlichen Nacht mit einem mysteriösen Mädchen namens Lottie fühlt Alice sich merkwürdig. Sie erträgt das Sonnenlicht kaum und dürstet nach Blut. Entschlossen, herauszufinden, was genau passiert ist – und warum – beschließt sie, Lottie zu finden …

Nachdem V. E. Schwab mir mit „Das unsichtbare Leben der Addie LaRue“ eines meiner Lieblingsbücher meines Lebens beschert hat, war ich neugierig, ihren neuesten Einzelband zu lesen. Ich bin kein allzu großer Vampirfan, doch zum Glück zeigte Schwab schnell, dass sie sich an einer erfrischenden Mischung aus klassischen Vampirmythen (Holzpfähle, Hauseinladungen) und eigenen Ideen (Herzschlag während des Trinkens, Friedhöfe als Schwäche) bedient. Zudem liegt der Fokus nicht nur auf dem Vampirdasein – auch, wenn er natürlich eine große Rolle spielt –, sondern auch auf den Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten, die Sabine und Lottie erleben. Tatsächlich nimmt die Vergangenheit der beiden einen Großteil des Romans ein, aber genau das hat mir besonders gut gefallen – ihre Entwicklung zu erleben und die Veränderung der Zeit.

Entgegen den Erwartungen, die die Kurzbeschreibung schürt, erleben wir nicht alle drei Frauen auf einmal, sondern folgen in der ersten Hälfte Sabine und in der zweiten Lottie, wobei Alice während des ganzen Romans eine Rolle spielt (allerdings in der ersten Hälfte mehr Fokus bekommt). Doch sind alle drei Frauen komplexe Charaktere und ich war überrascht davon, wie sehr ich mit ihnen mitfieberte, obwohl oder gerade weil ich ihre Taten nicht immer billigte. Speziell Sabine, in die ich am meisten investiert war, stellte ihre Taten selten infrage, und Lottie und Alice, die es öfter taten, hatten dafür andere Schwächen, die sie positiv hervorhoben.

Allerdings hätte ich mir mehr von Alices Vergangenheit gewünscht. Wir erleben zwar mehrere Rückblicke, in denen Alices Charakter und die komplizierte Beziehung zu ihrer älteren Schwester thematisiert wird, doch Sabines und Lotties Vergangenheit wird sehr viel ausführlicher beschrieben und es gibt auch keinen unerwarteten Twist, der Alices Leben von den anderen abgehoben hätte.

Obwohl es in dem Roman um Vampire geht, fand ich die wenigen Menschencharaktere besonders faszinierend – Alessandro und Giada haben mir trotz ihrer imitierten Screentime das Herz gestohlen und ich hätte nichts dagegen gehabt, noch mehr von ihnen zu lesen.

Ab und an ist das Tempo der Geschichte etwas langsam, aber der wunderschöne Schreibstil mit den kreativ eingesetzten Stilmitteln hat es trotzdem leicht gemacht, sich in ihr zu verlieren. Dafür ging mir das Ende zu schnell und war insgesamt unbefriedigend – ich kann noch nicht einmal genau sagen warum, aber ich hatte mir mehr davon erhofft.

Insgesamt handelt es sich trotzdem um einen sehr empfehlenswerten Roman, der sicher nicht nur Vampirfans begeistert wird!

A Torch Against the Night
592 Seiten

Elias und Laia sind Blackcliff entkommen und wollen jetzt Laias Bruder Darin aus dem Gefängnis Kauf befreien. Doch dann wird Elias von der Kommandantin vergiftet und plötzlich haben sie nur noch wenige Wochen Zeit, bis Elias‘ Zeit abläuft. Schweren Herzens entscheidet Elias sich dafür, sich von Laia zu trennen und alleine zum Gefängnis aufzubrechen. Verfolgt wird er von seiner ehemals besten Freundin Helena, die als Blutgreif den Befehl bekommen hat, ihn umzubringen …

Den ersten Teil fand ich durchaus ganz gut, auch wenn man ihm anmerkte, dass es sich dabei um ein älteres Romantasy-Werk handelte. Doch hier beim zweiten Teil bin ich mir unsicher, ob ich den dritten und vierten überhaupt lesen will, weil er zwar durchaus gute Aspekte hatte, aber leider auch so einige Dinge, die mir nicht gefallen haben oder die ich zumindest verbesserungswürdig fand.

So fand ich zum Beispiel, dass die Chemie zwischen Elias und Laia in diesem Teil besser war, weil sie gerade während der ersten Hälfte einige süße Szenen miteinander hatten, doch es hat nicht ganz ausgereicht, um ihre Gefühle füreinander komplett nachzuvollziehen. Teils liegt das auch daran, dass Laias Beziehung zu Kinan ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt wird, was ihre Romanze zu Elias abschwächt, auch, wenn sie letztendlich nirgendwohin führt. Dafür gab es diesbezüglich eine Stelle, die mir wirklich nicht gefallen hat und die vor allem im Nachhinein als sehr, sehr fragwürdig anmutet.

Doch jeder Handlungsstrang hatte dafür auch etwas, das mir sehr gut gefiel: Helenas gesamte Handlung und die Zweifel bezüglich ihrer Mission; Elias‘ Freundschaft mit dem Sklavenjungen Tas in der zweiten Hälfte der Handlung; und die Umsetzung von Laias Fähigkeiten, die an sich nichts Besonderes sind, aber dafür so geschrieben wurden, dass ich sehr investiert in sie war. Leider ist das Pacing der Geschichte recht langsam, sodass es eine Weile dauert, bis man zur „eigentlichen“ Handlung kommt, aber diese Kleinigkeiten sorgten trotzdem dafür, dass ich wissen wollte, was als nächstes passiert.

Das ist auch insofern wichtig, weil es leider auch etwas Großes gab, das mein Lesevergnügen erheblich minderte: Die Grausamkeit der Geschichte und damit verbunden so einige Tode. Was die grafische Beschreibung der Grausamkeit angeht, bleibt sie zwar auf Jugendbuch-Niveau, kommt dafür aber so häufig vor, dass ich teils den Spaß am Lesen verlor, weil die Grausamkeit nur um der Grausamkeit willen zu existieren schien und nicht immer, weil es für die Handlung und Charakterentwicklung Sinn machte. Nicht falsch verstehen: Natürlich gab es auch so einige Szenen, die von der Darstellung der Grausamkeit profitierten. Obwohl nur wenige Nebencharaktere in Erinnerung bleiben, war die Grausamkeit ein effektives Mittel, um sie trotzdem hervorzuheben. Aber die pure Menge war mir dann doch zu viel und ich wünschte, es hätte mehr Szenen gegeben, die zumindest ein bisschen Hoffnung schenken – was ich gerade bei einem Jugendbuch durchaus wichtig finde.

Insgesamt betrachtet hat mir der zweite Teil leider nicht so gut gefallen, wie ich es mir gewünscht hätte, doch hoffe ich trotzdem, dass er andere Leser:innen mehr begeistert.

The Beasts We Bury (Band 1)
429 Seiten

Mancella ist die zukünftige Thronfolgerin ihres Reiches, doch ihr Leben könnte nicht qualvoller für sie sein. Denn ihre Magie ermöglicht ihr, die Seelen von Tieren heraufzubeschwören, die für sie kämpfen – aber nur, wenn sie sie davor mit bloßen Händen tötet. Etwas, das Mancella nicht will, aber wozu ihr Vater sie zwingt. Erst, als sie auf den Dieb Silver trifft, bekommt sie Hoffnung auf ihre Freiheit und Frieden für ihr Reich. Doch Silver hat seine eigenen Aufträge bekommen, die verlangen, Mancella auszunutzen – und sie letztendlich zu verraten …

Dieser Fantasyroman hatte ein faszinierendes Konzept, das zudem sehr gut umgesetzt war, doch natürlich ist es auch ein sehr grausames, das nicht für alle Leser:innen geeignet ist. Es gibt zwar glücklicherweise nur wenige Stellen, in denen der Tod eines Tieres beschrieben wird und tatsächlich auch vergleichsweise wenige, in denen die Tiere für Mancella kämpfen, aber existieren tun sie durchaus, was zumindest an ein, zwei Stellen hart zu lesen war.

Doch mochte ich es, wie Mancella mit ihrer Kraft umgegangen ist. Sie ist strikt gegen die Pläne ihres Vaters und gegen das Töten von Tieren, liebt ihre Tiere tatsächlich sehr und möchte nicht, dass sie und ihre Fähigkeit ausgenutzt werden. Obwohl viele sie als ein Monster sehen, erleben wir Leser:innen, wie sie sich wirklich fühlt und wie sehr sie gegen ihren grausamen Vater rebellieren möchte. Dieser war natürlich ein sehr unsympathischer Charakter – tatsächlich habe ich mir an mehreren Stellen seinen Tod gewünscht, weil seine Grenzen einfach alles überschreiten, wozu jemand bereit sein sollte.

Silver ist ebenfalls ein sympathischer Protagonist, dessen Zwiespalt gut herüberkommt, doch hätte ich mir gewünscht, dass seine Geschichte nicht verlangen würde, dass er seine Aufträge aus einem Grund erledigt, den er nicht einmal kennt, und darauf vertrauen muss, dass sein Auftraggeber ihm die Wahrheit sagt. Hier wäre eine bessere Kommunikation mit seinen Freunden und Mancella wünschenswert gewesen, weil ich das Gefühl hatte, dass Silvers Zwiespalt sich so sehr viel leichter aufgelöst hätte. Zudem hätte das seine Verbindung zu Mancella verstärkt; denn diese war zwar stark genug, um eine Freundschaft glaubhaft zu machen, aber nicht stark genug für die Romanze, die sie sein soll.

Vom Rest der Charaktere bekommen wir genug mit, um uns an sie zu erinnern, aber leider nicht genug, um uns um sie zu sorgen. So spielen Mancellas Familie und Silvers Freunde ebenfalls eine Rolle in der Handlung, aber weil wir ihre Charaktere nie richtig kennenlernen, fiel es mir schwer, mich tatsächlich um sie zu kümmern. Tatsächlich interessierten mich viel mehr die Fähigkeiten der Charaktere als die Charaktere selbst, weil diese – vor allem im magischen Bereich – so kreativ waren, dass ich gerne mehr von ihnen gelesen hätte.

Insgesamt muss ich zugeben, dass der Roman zwar nichts Besonderes bietet, aber immer noch eine gute Geschichte mit sympathischen Hauptcharakteren erzählt, die andere Leser:innen umso mehr ansprechen könnte!

The Survivor Wants to Die at the End
720 Seiten

Seit Paz seinen Vater vor zehn Jahren in Notwehr erschossen hat, ist sein Leben die Hölle – sogar so sehr, dass er sich jeden Tag wünscht, der Todesbote würde anrufen, damit er sein leeres Leben nicht mehr weiterführen muss. Schließlich hat er genug und beschließt, dem Todesboten zu beweisen, dass er auch ohne Anruf sterben kann. In letzter Sekunde wird er jedoch von Alano gerettet, dem Erben des Todesboten-Unternehmens, der ihm zeigen will, dass das Leben lebenswert ist und der sich erst kürzlich vom Todesboten abgemeldet hat. Zusammen versuchen sie, sich gegenseitig zu helfen – doch die Geheimnisse, die beide mit sich tragen, machen das alles andere als einfach …

Schon die beiden vorherigen Teile der Todesboten-Reihe mochte ich sehr und auch im dritten Teil schafft Adam Silvera es, eine emotionale und spannende Geschichte zu erzählen. Wobei sie allerdings recht langsam startet: Paz und Alano begegnen sich erst nach zweihundert Seiten, was zwar nichts im Vergleich zu den fünfhundert ist, die sie danach miteinander verbringen, doch trotzdem empfand ich den Anfang der Geschichte deshalb als zu lang, wenn wir auch die Protagonisten dadurch besser kennengelernt haben.

Wo wir schon dabei sind: Paz und Alano sind beide großartige Protagonisten, mit denen man leicht mitfühlen kann, weil ihre individuellen Probleme zwar nicht zwingend die der Leser*innen widerspiegeln, aber so ergreifend beschrieben sind, dass es trotzdem leicht war, sich in sie hineinzuversetzen. Speziell Paz hat mit vielen schweren Themen zu kämpfen, von Selbstverletzung bis zu Selbstmordgedanken, weshalb ich diesen Roman auch niemandem empfehlen würde, der selbst mit diesen Themen kämpft. Es gab nämlich definitiv ein paar Stellen, die schwer zu lesen waren, weil Paz’ Gedankenwelt ein düsterer Ort ist, wobei ich jedoch den Umgang mit diesen Themen sehr mochte.

Trotzdem waren mir letztendlich Alanos Kapitel lieber, aber nicht nur, weil sie optimistischer waren, sondern allgemein interessanter. Je mehr die Geschichte voranging, desto mehr wollte ich über sein Leben wissen, weil wir Paz’ Leben zwar kennen, aber nicht die Geheimnisse aus Alanos Vergangenheit. Das Foreshadowing ist hier großartig gelungen; während ich die Hinweise für ein Geheimnis etwas zu offensichtlich fand, überraschte mich das andere Geheimnis dafür umso mehr. So oder so: Sowohl Paz als auch Alano waren großartige Charaktere!

Ihre Romanze kam mir am Anfang etwas zu schnell vor, weil sie sich zwar in einer emotional aufgeladenen Situation kennenlernten, ihre wachsenden Gefühle füreinander sich aber erst nach ihrem großen ersten Streit natürlich anfühlten. Trotzdem waren ihre Szenen miteinander über den ganzen Roman hinweg sehr gut umgesetzt – vor allem die Balance zwischen romantischen und dramatischen Szenen hat mir sehr gefallen, sowie die Ehrlichkeit und Empathie in ihren Gesprächen.

Was die anderen Charaktere angeht, hätte ich gerne noch mehr von ihnen gesehen. Alanos beste Freundin Ariana verlässt die Handlung recht schnell und wir lernen nur seinen besten Freund Rio näher kennen. Leider haben wir im Gegensatz zu den vorigen Bänden auch nicht so viele Sichtcharaktere, die die Handlung bereichern, was ich schade fand, weil ich es mochte, wie vielschichtig sie die Handlung der anderen Bände machten. Dafür liebte ich es, alte Charaktere wiederzusehen bzw. Referenzen an sie zu entdecken, was mir jedes Mal wieder ein Lächeln entlockte.

Auch die Todesboten-Welt wird in diesem Band weiter ausgebaut, wobei mich speziell die realen und fiktionalen Geschichten innerhalb dieser Welt interessierten. Es war einfach so faszinierend, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Menschen mit dem Todesboten umgehen und welche seltenen Ereignisse durch ihn passierten. Ich hoffe, dass auch im nächsten Band weiterhin Nebengeschichten eingebaut werden, selbst, wenn sie nicht durch eigene Sichtcharaktere erfolgen.

Insgesamt also ein guter Nachfolger der Todesboten-Reihe, wobei Leserinnen und Leser sich allerdings darauf einstellen sollten, dass er sehr emotional ist!

Vorsehung
512 Seiten

Es scheint ein ganz gewöhnlicher Flug zu sein: Bauingenieur Leo ist in seine Arbeit vertieft, während er mehr Zeit für seine Familie brauchen könnte. Junggeselle Ethan kommt gerade frisch von der Beerdigung eines guten Freundes zurück. Paula sorgt mit ihren zwei kleinen Kindern für gehörigen Aufruhr, der sie selbst stresst. Eve ist frisch verheiratet und glücklich, aber nicht gut vorbereitet auf das Eheleben. Sue ist eine ältere Dame, die sich darauf freut, mit ihrem Mann auf mehr Reisen zu gehen. Und Allegra, die Flugbegleiterin, hat Geburtstag, aber trotzdem Spaß daran, den Flug zu leiten. Bis eine alte Frau aufsteht und anfängt, jedem Passagier seine Todesursache und Lebenserwartung zu nennen. Arbeitsunfall, Krebs, Ertrinken, tätlicher Angriff, Mord, Suizid – obwohl unsere Protagonistinnen und Protagonisten nicht wirklich daran glauben, schockiert es sie doch, zu hören, dass ihnen nur wenig Zeit bleibt. Doch erst, als die erste Person umkommt, muss sich jeder mit der Frage auseinandersetzen, was er oder sie mit seinem Leben anfangen will …

Die Kurzbeschreibung und die Grundidee der Handlung haben mich sofort eingenommen und die Umsetzung hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Besonders die einzelnen Charaktere und die Art und Weise, wie sie mit ihren Weissagungen umgingen, fand ich sehr realistisch und gleichzeitig spannend geschrieben. Ich habe mit allen mitgefiebert und fand, dass die Geschichte es leicht machte, allen Charakteren zu folgen, ohne durcheinanderzukommen.

Nur die Geschichte von Cherry, der Wahrsagerin, hat mich am Anfang überhaupt nicht interessiert – viel investierter war ich in die anderen Charaktere. Erst nach einer ganzen Weile begann ich langsam, auch in ihre Geschichte einzufinden und mochte sie bald so gerne wie die anderen, aber bis zu diesem Zeitpunkt dauerte es auf jeden Fall eine ganze Weile. Glücklicherweise waren die Kapitel recht kurz, sodass mich dieser Aspekt letztendlich nicht SO sehr gestört hat – und außerdem noch einen anderen positiven Punkt hatte, der mich sehr begeisterte: Der Umgang mit der Wahrsagerei.

Ich war nämlich sehr neugierig, wie die Grundidee der Handlung umgesetzt werden würde – ob tatsächlich alles wahr werden würde oder sich am Ende alles als Humbug erweist. Zu meiner Freude hat die Autorin einen sehr zufriedenstellenden Mittelweg gefunden, indem Cherry selbst die wahrscheinliche Verbindung aus Zufall, Erwartungen, Wahrscheinlichkeiten und Voreingenommenheit ansprach, aber auch zeigte, wie ihre Mutter die Wahrsagerei nutzte, um Frauen in toxischen Beziehungen zu helfen und Menschen allgemein den letzten Schubs zu geben, um ihr Leben zu ändern. Das fand ich sehr schön, weil auf diese Weise sowohl die Wichtigkeit der Rationalität betont wird als auch die Bedeutsamkeit fremder Ratschläge, was die Geschichte im Allgemeinen und das Ende im Speziellen sehr zufriedenstellend machte.

Den Schreibstil fand ich zugegeben ein wenig gewöhnungsbedürftig, ohne, dass ich sagen könnte, woran es lag. Er schuf eine gewisse Distanz zu den Charakteren, beschrieb aber gleichzeitig ihre Probleme so gut, dass man sich leicht in alle hineinversetzen konnte. Ich selbst wurde zum Nachdenken angeregt, weil ich mich gefragt habe, wie ich wohl mit den verschiedenen Weissagungen umgegangen wäre. Trotzdem hob der Schreibstil sich nicht allzu hervor, weder im positiven noch im negativen Sinne.

Insgesamt also ein guter Roman für alle, die es mögen, Geschichten über mehrere miteinander verbundene Charaktere zu lesen – und gerne über ihr eigenes Leben nachdenken!