Bücherregal lädt …
Dunkle Momente
336 Seiten

Als Strafverteidigerin weiß Eva Herbergen, dass es im Gericht kein Schwarz und Weiß gibt, sondern dass hinter jeder Tat ein oft verständliches Motiv steckt, das die Grenzen verschwimmen lässt. Nicht immer ist es leicht, zu sagen, wer das Opfer und wer der Täter ist und selbst wenn diese Positionen sich mit Leichtigkeit bestimmen lassen, steckt oft noch mehr hinter den Fällen, als man zunächst vermutet. Während ihrer Karriere hat Eva viele Fälle betreut, von scheinbarer Notwehr über Kindstötung bis zu Vergewaltigung. Doch es gibt einen Fall, dessen Auflösung sie mehr als jeden anderen bereut – und mit jedem Fall, den sie Revue passieren lässt, nähert sie sich dem eigentlichen Grund, der sie so handeln lässt, wie sie es während aller anderen Fälle tut …

Dieser Roman basiert laut der Autorin auf wahren Fällen, was die beschriebenen Ereignisse noch schrecklicher macht, als sie es ohnehin schon sind. Neun Fälle, die größtenteils voneinander unabhängig erzählt sind, fordern uns Leser:innen heraus, unsere eigene Moral in Frage zu stellen. Was ist richtig, was ist falsch? Gibt es das überhaupt? Wann kann man sich unwillkürlich in die Täter hineinversetzen und wann ist das unmöglich? Wie soll man urteilen, wenn der Sachverhalt sich als einiges komplexer herausstellt, als man erwartet hat? Diese und viele andere Fragen kommen bei der Lektüre unwillkürlich auf.

Wie man der Kurzbeschreibung entnehmen kann, behandelt der Roman so einige Themen, die nicht leicht zu verdauen sind. Tatsächlich wage ich zu behaupten, dass fast jede Person mindestens ein Kapitel finden wird, dass schwer zu lesen sein wird, weil das angesprochene Thema einen besonders hart trifft; zumindest bei mir traf das sogar auf so einige Kapitel zu, obwohl die Taten an sich recht nüchtern beschrieben werden. Aus diesem Grund fällt es mir schwer, diesen Roman zu empfehlen, weil ich ihn einerseits sehr beeindruckend fand und andererseits nicht sagen könnte, wem er gefallen könnte.

Dazu kommt auch eine Kritik, nämlich den vorhersehbaren Aufbau vieler Kapitel. Nicht alle sind davon betroffen, aber die meisten stellen einen Sachverhalt dar, offenbaren dann eine Information, die es in einem anderen Licht präsentiert und haben gegen Ende dann noch einen letzten Twist, der die Handlung ein weiteres Mal verdreht. Das wurde mir bereits nach den ersten drei Fällen zu offensichtlich, auch wenn es danach Fälle gab, die sich nicht auf diesen Aufbau stützten. Ich weiß hierbei natürlich nicht, ob das den tatsächlichen Fällen geschuldet ist, die als Inspiration dienten, oder einer Entscheidung der Autorin; Tatsache ist aber, dass viele Fälle so ähnlich aufgebaut sind, dass es mich irgendwann störte.

Die Fälle an sich sind dabei aber nicht störend, im Gegenteil: Ich fand es ungewöhnlich faszinierend, den Charakteren zu folgen, die ins Zentrum eines Mordes gerieten. Scheinbare Notwehr, Kannibalismus, falsche Geständnisse … die Fälle waren einnehmend beschrieben und ich war gespannt darauf, wie sie sich entwickeln würden. Zwar war es überraschend oft tatsächlich möglich für mich, mich für eine Seite zu entscheiden, aber eine klare Trennung in Gut und Böse gibt es trotzdem nicht.

Ich schätze, Fans von Krimis und Gedankenexperimenten könnte die Lektüre deshalb gut gefallen – solange sie bereit sind, ein paar schwerwiegende Themen zu behandeln. Keine Lektüre für jeden, aber definitiv eine, die zum Nachdenken anregt!

Liar
512 Seiten

Strafverteidiger Eddie Flynn soll Leonard Howell bei einer Lösegeldübergabe zur Seite stehen. Seine Tochter Caroline wurde entführt und Leonard muss das FBI hereinlegen, um dem Entführer das Lösegeld übergeben zu können. Eddie hilft ihm. Doch dann wird am Scheinort der Lösegeldübergabe ein Handy gefunden, auf dem behauptet wird, Leonard hätte seine Tochter Caroline ermordet – und es liegt an Eddie, ihn zu verteidigen …

So wie die vorigen Eddie-Flynn-Fälle ist auch „Liar“ ein spannender Gerichtsthriller, der Eddie vor neue Herausforderungen stellt. Der Schreibstil war sehr angenehm und aufgrund der konstanten Spannung war es für mich kein Problem, das Buch wie im Flug zu lesen. Und doch bin ich nicht überrascht, dass dieser dritte Fall von Eddie Flynn erst jetzt übersetzt worden ist – denn obwohl er wie gesagt ein guter Fall ist und speziell die Gerichtsszenen wie immer einmalige Klasse waren, schien der Fall nicht ganz so komplex und verworren aufgebaut zu sein wie die, die vor ihm kamen und ihm nachfolgten. Einen coolen Twist gab es, den ich nicht erwartet habe, aber davon abgesehen fand ich die Handlung und auch die Auflösung ein klein wenig zu vorhersehbar (auch, wenn die ganze Wahrheit zugegeben nicht hundertprozentig das war, was ich erwartet habe).

Das soll jetzt nicht heißen, dass ich diesen Thriller schlecht fand; er hat mich definitiv in Atem gehalten und ich liebe die Art und Weise, wie Steve Cavanagh uns von Anfang bis Ende mitfiebern lässt. Es hat immer noch sehr großen Spaß gemacht, ihn zu lesen. Aber bei inzwischen fünf Eddie-Flynn-Thrillern war klar, dass einer dabei sein musste, der ein klein wenig schwächer als die anderen ist – und genau das ist „Liar“ für mich. Ein sehr cooles Leseerlebnis ohne Frage (vor allem, wenn man noch nicht so viele der anderen Thriller gelesen hat), aber, was den Fall betrifft, nicht ganz so packend wie die vorigen. Tatsächlich galt meine größte Sorge die ganze Zeit Leonard selbst, während die Falldetails für mich eher zweitrangig waren.

Insgesamt also ein Thriller, der sich gut in die Reihe der anderen einfügt, von dem ich mir aber gerne einen anspruchsvolleren Fall gewünscht hätte. Trotzdem sehr spannend geschrieben!