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Einträge mit dem Tag frankreich.

Fleur Martin ist Datenforensikerin und als solche Expertin darin, Dinge herauszufinden - oder zu löschen -, die geheim bleiben sollen. Als ihr biologischer Vater stirbt, muss sie diese Fertigkeiten einsetzen, um ihrer Familiengeschichte auf die Spur zu kommen - denn sie ahnt, dass diese mit der Bestie des Gévaudan zusammenhängt ...

Schon einmal hat sich Nina Blazon in ihrem Jugendroman "Wolfszeit" mit der französischen Bestie beschäftigt, doch hier in ihrem Belletristik-Roman "Ich träumte von einer Bestie" tut sie es aus dem Blickwinkel der Gegenwart - und verbindet sie zusätzlich mit einer Familiengeschichte. Ich fand es sehr faszinierend, die damaligen Ereignisse aus dieser Perspektive zu betrachten und zusammen mit Fleur nach Antworten zu suchen.

Das Pacing dieses Romans ist dabei recht ruhig; erst nach einem Drittel der Geschichte kommt Fleur überhaupt in der Auvergne an, was für mich durchaus ein Kritikpunkt ist - vor allem, weil die Dinge, mit denen sie sich im ersten Drittel beschäftigt (speziell die Trennung vom Freund und Beratung für eine Schülerin), danach keine weitere Rolle mehr spielen, sodass dieser Teil der Handlung seltsam abgeschnitten vom Rest wirkt.

Damit zusammenhängend gibt es auch kein (allzu) großes Finale, weil es ausschließlich um das Lüften des Familiengeheimnisses und Fleurs Freundschaften und Beziehungen geht. Das kann von manchen sicher auch als Kritik wahrgenommen werden, aber ich fand es tatsächlich sehr schön, wie Nina Blazon es geschafft hat, die Geheimnisse der Familie so zu gestalten, dass sie einen trotzdem packen. Und natürlich gefielen mir auch die Menschen, auf die Fleur trifft, sehr, weil sie ihr sowohl im persönlichen als auch im professionellen Sinne weiterhelfen.

Damit haben wir einen schönen, angenehmen Roman für alle, die gerne über Familiengeheimnisse lesen!

Als Anne Berests Mutter Lélia Anfang 2003 eine verstörende Postkarte bekommt, ist die Familie besorgt, denn darauf sind nur vier Namen verzeichnet: Ephraïm, Emma, Noémie und Jacques. Enge Verwandte, die damals in Auschwitz ermordet wurden. Keiner weiß, wer diese Postkarte mit welcher Intention verschickt haben könnte. Erst Jahre später, als Anne selbst ein Kind erwartet, fragt sie ihre Mutter, was es mit den Namen auf sich hat, wer diese Menschen gewesen sind. Anhand von Lélias Aufzeichnungen rekonstruiert sie die Geschichte ihrer Familie wieder her: Die Geschichte der Rabinovitch, die damals nach einigen Umzügen in Frankreich Fuß fassten und in den Konzentrationslagern umkamen. Doch erst, als Annes Tochter mit ihrer jüdischen Herkunft konfrontiert wird, macht sich Anne auf die Suche nach dem Absender der Postkarte – und deckt dabei auch die Geschichte ihrer Großmutter Myriam auf, die für die Résistance gearbeitet hat …

Dieser autofiktionale Roman erzählt die wahre Geschichte der Familie Rabinovitch, die Opfer des Holocaust wurde und deren Nachfahren in der Gegenwart sicherstellen möchten, dass ihr Erbe nicht vergessen wird. Es handelt sich, wie zu erwarten, um einen sehr emotionalen, rauen Roman, der nicht davor zurückschreckt, die damalige Situation akkurat aufzuzeigen. Die Schrecken mögen allgemein bekannt sein, doch Anne Berest schafft es, sie mithilfe ihrer Worte auf eine Weise zu beschreiben, die so aufwühlend und so nah ist, dass man sie beinahe am eigenen Leib fühlen kann.

Vor allem die Geschichte der vier oben genannten ermordeten Familienmitglieder hat mich sehr berührt und mein Interesse daran, woher genau die Postkarte mit ihren Namen kam, sehr geweckt. Nur der Teil mit Myriam gegen Ende konnte mich nicht ganz so wie die Ereignisse davor fesseln, hat sich manchmal sogar ein wenig lang gezogen. Allerdings empfinde ich wohl nur so, weil der erste Teil mit den Rabinovitch so erschütternd war, dass wohl nichts danach einen so bleibenden Eindruck hätte hinterlassen können wie der Tod der Familie.

Für diesen Roman braucht man definitiv ein standfestes Herz, doch bin ich froh, ihn gelesen zu haben. Empfehlen würde ich ihn jenen, die wissen, worauf sie sich einlassen – und bereit sind, es trotzdem zu tun.