Bücherregal lädt …
Die Schulz-Story
320 Seiten

Mit ein paar Jahren Abstand lese ich den Bericht vom Wahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Markus Feldenkirchen hat den Wahlkamp 2017 hinter den Kulissen verfolgt und berichtet sehr intim davon, wie das Auf und Ab von Schulz vor sich ging.

Das Buch macht mir Hoffnung und ist gleichzeitig tragisch.

Hoffnung, weil ich erkenne, dass es sie gibt: Die Menschen wie Martin Schulz, die authentisch in der Politik sind, sich nicht hinter Politiker-Sprech verstecken wollen und zumindest versuchen, aus Prinzip zu sprechen und nicht aus taktischer Überlegung.

Tragisch, weil das System der Politik für diese Art von Kandidat nicht zu funktionieren scheint. In der SPD wurde Schulz kaputtberaten, den Medien ist die heiße Headline wichtiger als die echte Auseinandersetzung mit Inhalten. Daneben die Fragmentierung der Aufmerksamkeit durch die neuen und sozialen Medien.

Auch oder gerade mit ein paar Jahren Abstand liest sich die Geschichte sehr packend, denn die angesprochenen Themen sind größer als das Einzelschicksal von Martin Schulz: Die SPD ringt weiter um ihre Bedeutung (jetzt bei 16% statt wie damals bei 20%). Die CDU versucht sich heute, sich von der Merkel-Politik loszulösen und alte Klientel wieder zu erreichen. 20% und mehr der Wählerschaft sind zur AfD gewandert und die Altparteien scheinen keine Chance zu haben, diese Teile der Bevölkerung zu erreichen oder zurückzugewinnen.

Und auch der Umgang mit Politikern in Öffentlichkeit und Medien ist nicht weniger ruppig geworden. In Zügen hat mich das Ringen von Martin Schulz, offen und ehrlich kommunizieren zu wollen an Robert Habeck erinnert. Auch Habeck hat in meinen Augen eine mutige und ehrlichere Art der Kommunikation gelebt, die ihm von großen Teilen der Medien und den Kommentarspalten auf den gängigen Plattformen mit Hass und Häme gedankt wurden.

Und so bleibt bei mir ein eher düsterer Eindruck zurück: Wirkliche Ehrlichkeit, Transparenz und klare Aussagen haben es schwer in der Politik. Und so bleiben diejenigen Charaktere in der Spitzenpolitik übrig, die am ehesten dem Klischee des elitären Machtpolitikers entsprechen. Darüber regt sich Otto-Normalwähler liebend gerne auf, vielleicht sogar zurecht. Eine neue Art der Politik scheint kaum möglich, stattdessen geht die Radikalisierung schrittweise weiter. Wir scheinen genau die Politiker zu bekommen, die wir uns als wütende Bevölkerung herbeireden.

Rosa
240 Seiten

Die Geschichte von Vigga, die es nicht leicht hat, Verbindung zu Menschen aufzunehmen. Nur mit ihrer einen Freundin kommt sie gut zurecht - bis diese schwanger wird und die beiden sich mehr und mehr entfremden. Vigga beginnt im Kopenhagener Aquarium zu arbeiten, wie sie den Oktopus Rosa kennen lernt. Durch Rosa beginnt Vigga, die Welt anders wahrzunehmen.

Ein wundervolles Buch.

Wenn Russland gewinnt
116 Seiten

Ich war auf der Suche nach aktueller politischer Lektüre, als mir dieses kurze Buch in die Hände fiel.

Eher ein längerer Blogpost als ein Buch, aber spannend: Es entwirft ein realistisches, beunruhigendes Szenario – was passieren könnte, wenn Russland in der Ukraine nicht gestoppt wird.

Masala schildert, wie Russland etwa eine baltische Stadt mit hohem russischsprachigen Anteil besetzen könnte – vergleichbar mit der Remilitarisierung des Rheinlands 1936.

Dort endet das Szenario allerdings auch schon. Die Kernaussage: Ein russischer Angriff auf NATO-Gebiet ohne Reaktion der NATO würde Europas Sicherheitsordnung aushebeln.

Klingt schlüssig. Aber genau da hätte ich mir mehr gewünscht: Was folgt daraus? Was wäre Putins Ziel in so einem Szenario? Was wissen wir darüber? In Talkshows heißt es oft, in seine Reden könne man das alles erkennen.

Fazit: Ein spannender kurzer Text – aber ein bisschen mehr hatte ich mir erhofft.

Souverän nein sagen
176 Seiten

Ein kleines Buch zum Nein sagen. Habe es erst für oberflächlich gehalten, aber mich geirrt. Ich fand es hilfreich und sehr praxisbezogen (wenn auch „einfach“ und bildhaft geschrieben, aber wieso nicht?)

Ein paar Notizen: Sie benennt drei innere Stimmen: Den Kritiker, Antreiber und Sorgenmacher. Sie benennt Techniken, sich von diesen Stimmen abzugrenzen, z.B.: negative Stimme wahrnehmen, Gedanken unterbrechen, bei Stimme bedanken, kurz innehalten. Dazu nennt sie einige konkrete Gesprächsstrategien um ein Nein zu kommunizieren.

Insgesamt ein guter Einstieg für Leute wie mich, die ruhig mal öfter Nein sagen können.

Freiheit: Erinnerungen 1954 – 2021
713 Seiten

Die Merkel-Biografie (als Hörbuch). In den Medien ist schon so viel dazu gesagt. Ich teile viele Meinungen: Großteils eine Berichterstattung über Geschehenes, an einigen Stellen auch ihre Meinung zu Themen und ihre Beweggründe. An anderen Stellen hat sie nichts zu ihren Beweggründen gesagt. Ich habe noch nicht verstanden, warum sie überhaupt Bundeskanzlerin werden wollte. Es wirkte, als ob sie durch die Eindrücke der späten DDR in die Politik ging und in der CDU aufstieg, bis sie nicht weiter aufsteigen konnte. Wie eine Person, die durchbefördert wird. Gut gefallen hat mir der Teil zu ihrem Leben in der DDR, da habe ich am meisten gelernt. Auch kleine Anekdoten zum Leben als Kanzlerin fand ich gut. Das Hörbuch war gut gelesen und produziert.

Magic Cleaning
224 Seiten

Aus der Bücherhalle spontan mitgenommen und... puh. Inhaltlich wusste ich großteils, was mich erwartet (deshalb wollte ich es ja lesen!).

Dann aber war ich überrascht, wie schwach dieser Bestseller tatsächlich geschrieben ist. Oder einfach nur sehr holprig ins Deutsche übersetzt? Naja, ich habe auf jeden Fall keinen perfekten Zugang zum Buch gefunden.

Aber 1-2 gute Ideen sind dann doch bei mir hängen geblieben. Zum Beispiel verstehe ich jetzt ihr "Bedanken" bei den Dingen von denen man sich trennt, besser: Auch wenn ein Ding bei mir eine emotionale Reaktion hervorruft (das alte T-Shirt aus meiner Jonglierzeit), bedeutet das nicht, dass es mir jetzt in der Gegenwart echte Freude bereitet. Ich bedanke mich also dafür, dass es damals eine Bedeutung in der Zeit für mich hatte und bin dann bereit mich davon zu trennen, auch um den Dingen in der Gegenwart den Raum zu bieten, mir wirklich etwas bedeuten zu können.

Also so oder so ähnlich.

Dennoch schade, dass der (deutsche) Text so ein Wirrwarr ist.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
224 Seiten

Ein kompaktes Buch über die Geschichte der KI. Keine wirklich tiefe Lektüre sondern eine sehr oberflächliche Sammlung von Meilensteinen aus Technologie, Philosophie, Literatur und Film. Eher ein Coffee Table Book.

Kurzweilig zu lesen und ich habe mir mal die erwähnten Filme notiert, die im Laufe der Jahrzehnte unser kulturelles Verständnis von KI verbildlichen:

  • 1927: Metropolis
  • 1968: 2001 A Space Odyssey
  • 1970: Colossus: The Forbin Project
  • 1982: Blade Runner
  • 1984: Terminator
  • 2001: A.I.

Ich persönlich würde zumindest noch diese ergänzen:

  • 1983: WarGames
  • 1999: Matrix
  • 2002: Minority Report
  • 2013: Her
  • 2016: Westworld
  • 2020: Ex Machina
Der Ernährungskompass
320 Seiten

Um das Buch bin ich schon einige Male (einige Jahre?) herum geschlichten (genau wie um das amerikanische "How not to die", aber das kommt erst noch). Gesunde Ernährung ist meine Achillesferse: Ich weiß, dass es wichtig ist, aber habe es lange nicht genug gefühlt, um mich ernsthaft damit auseinander zu setzen (immerhin ernähre ich mich heute bereits 100x besser als noch vor 10 Jahren). Das Buch ist genau für jemanden wie mich geschrieben: Zitiert aus Studien, alles wirkt mit Hand und Fuß recherchiert, dennoch kompakt auf den Punkt und mit Humor geschrieben. Ein guter Überblick und ein paar zentrale Punkte habe ich für mich auch mitnehmen können.

Die Pionierinnen des Internets
320 Seiten

Zufällig in der Bücherei entdeckt und mit viel Freude gelesen: Dieses Buch nimmt einen mit durch die Geschichte des Internets, von den allerersten Rechenmaschinen und die Vernetzung der Großrechner, über erste Bulletin Boards an Ost- und Westküste bis zum Aufstieg und Kommerzialisieriung des Web in den 90ern und dem Verschwinden vieler individueller Strömungen um die Jahrtausendwende. Das alles wird erzählt anhand vieler weiblicher Pionierinnen, von namhaften Personen wie Ada Lovelace und Grace Hoppe bis zu Namen, die vielleicht eher im Hintergrund bekannt sind. Ich fand die Geschichte(n) sehr gut erzählt und gerade die Anfänge des Web haben mich selbst wehmütig zurück blicken lassen. Gelesen habe ich die Deutsche Ausgabe, da sie in der Bücherei auslag. Mittlerweile hatte ich im Buchladen auch das Englische Original in der Hand ("Broadband"), das ich wahrscheinlich eher empfehlen würde: Die Ausgabe sieht deutlich cooler aus und sprachlich ist es naturgemäß in dieser US-zentrischen Geschichte immer etwas holprig, alles ins Deutsche zu übertragen. Aber auch auf Deutsch sehr lesenswert.

Wer hat den Ball?
192 Seiten

Auch wenn mich Titel und Cover nicht angesprochen haben, klangen die Reviews vielversprechend, deshalb habe ich diesem Buch zur Mitarbeiterführung mal eine Chance gegeben (als Hörbuch). Es ist ein Sachbuch verpackt in einer kurzen Geschichte - ein Format, das ich normalerweise sehr anstrengend finde. Hier war es nur ein bisschen anstrengend und hat irgendwie auch geholfen, besser mitzudenken. Insgesamt fand ich es kurzweilig und hilfreich, also gut.

Einfach liegen lassen
124 Seiten

Aus der Bücherhalle spontan mitgenommen: Ein kurzes und knappes Buch, wie chronische Aufschieber besser mit ihrem Hang zur Prokrastination umgehen können. Ich glaube, ich habe einen normalen Hang, manche Dinge aufzuschieben, bin aber nicht so extrem dabei, als dass das Buch wirklich für mich geschrieben wäre. Dennoch ein unterhaltsames kurzweiliges Buch, geschrieben von einem Harvarder Philosophie-Professor.

Henri Cartier-Bresson
159 Seiten

Eine Biografie über den Henri Cartie-Bresson (1908 - 2004), der die Fotografie (vor allem Street und Reportage-Fotografie) im 20. Jahrhunderts geprägt hat. Entdeckt habe ich das Buch in der Bücherhalle in Hamburg.

Der Name und ein paar der bekannteren Bilder waren mir vorher ein Begriff, aber ich habe dank des Buchs einiges gelernt (und ihn dann auch vernünftig einorden können). Ein paar Details, die ich mir merken will:

  • in den späten 1920ern lernt er erst Malerei bei den Surrealisten der Zeit, bevor er sich der Fotografie zuwendet
  • zeitweise nutzt er nur den Nachnamen "Cartier", weil der Doppelname auf seine Herkunft aus einer Industriellen-Familie hinweist. Das ist ihm damals wohl unangenehm (ungelegen), weil er in den 1930ern dem Kommunismus nahe steht
  • Im zweiten Weltkrieg kommt er in deutsche Kriegsgefangenschaft, begeht mehrere Fluchtversuche und ist beim dritten Versuch erfolgreich
  • er gründet die Bildagentur Magnum mit
  • 1948 ist er zu Besuch bei Gandhi und macht die letzten Bilder Gandhis, bevor dieser am Tag darauf ermordet wird
  • er ist kein Fan der Farbfotografie und vor allem Blitzlicht findet er abscheulich
  • Ab den 70ern spätestens ist er sehr bekannt und verehrt, steht gleichzeitig aber auch für eine alte Schule der in der Realität verhafteten Fotografie, von der die nächste Generation sich durch experimentellere Fotografie abheben will
  • kurz: HCB wird vor allem in Verbindung gebracht mit dem Ausdruck des "entscheidenen Moment" (oder Augenblick) und der Leica, die er immer bei sich hatte

Insgesamt: Viel gelernt. Eine etwas altmodisch anmutenden Kurzbiografie, die aber kurzweilig und reich bebildert ist. Habe ich gerne gelesen.