Bücherregal lädt …
Henri Cartier-Bresson
159 Seiten

Eine Biografie über den Henri Cartie-Bresson (1908 - 2004), der die Fotografie (vor allem Street und Reportage-Fotografie) im 20. Jahrhunderts geprägt hat. Entdeckt habe ich das Buch in der Bücherhalle in Hamburg.

Der Name und ein paar der bekannteren Bilder waren mir vorher ein Begriff, aber ich habe dank des Buchs einiges gelernt (und ihn dann auch vernünftig einorden können). Ein paar Details, die ich mir merken will:

  • in den späten 1920ern lernt er erst Malerei bei den Surrealisten der Zeit, bevor er sich der Fotografie zuwendet
  • zeitweise nutzt er nur den Nachnamen "Cartier", weil der Doppelname auf seine Herkunft aus einer Industriellen-Familie hinweist. Das ist ihm damals wohl unangenehm (ungelegen), weil er in den 1930ern dem Kommunismus nahe steht
  • Im zweiten Weltkrieg kommt er in deutsche Kriegsgefangenschaft, begeht mehrere Fluchtversuche und ist beim dritten Versuch erfolgreich
  • er gründet die Bildagentur Magnum mit
  • 1948 ist er zu Besuch bei Gandhi und macht die letzten Bilder Gandhis, bevor dieser am Tag darauf ermordet wird
  • er ist kein Fan der Farbfotografie und vor allem Blitzlicht findet er abscheulich
  • Ab den 70ern spätestens ist er sehr bekannt und verehrt, steht gleichzeitig aber auch für eine alte Schule der in der Realität verhafteten Fotografie, von der die nächste Generation sich durch experimentellere Fotografie abheben will
  • kurz: HCB wird vor allem in Verbindung gebracht mit dem Ausdruck des "entscheidenen Moment" (oder Augenblick) und der Leica, die er immer bei sich hatte

Insgesamt: Viel gelernt. Eine etwas altmodisch anmutenden Kurzbiografie, die aber kurzweilig und reich bebildert ist. Habe ich gerne gelesen.

Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung
288 Seiten

Der Titel suggerierte bei mir eine Argumentation pro/con Kapitalismus (mit einem Kompromissvorschlag?). Das ist das Buch aber nicht wirklich. Stattdessen ist es eine Geschichte der Ökonomie mit Fokus auf Biografie und Theorien von Adam Smith, Karl Marx und John Maynard Keynes. Vor allem die Lehren Keynes scheinen sich mit denen der Autorin zu decken, sie kommen nämlich ziemlich gut weg.

Wer gar nicht gut weg kommt sind Anhänger der Neoklassik oder (noch schlimmer) des Neoliberalismus. Laut Ulrike Herrmann sind sie heute vor allem so populär, weil es nach dem 2. Weltkrieg zu einem natürlichen "Wirtschaftswunder" gekommen sei - trotz der Lehren des Neoliberalismus; nur dass es gelungen ist, den Neoliberalismus als Treiber dieses Booms zu etablieren. Sie lässt kein gutes Haar an Milton Friedman und Ludwig Erhard und ist gerade in den letzten 2 Kapiteln sehr positionsstark und kritisch. Das steht ein bisschen im Kontrast zu den ersten 80% des Buches, die sich eher historisch beschreibend lesen.

Ein bisschen unsicher bin ich noch, ob die aktuelle Wirtschaftslehre wirklich so hoffnungslos ist, wie die Autorin es klingen lässt. Die Warnung, dass sich seit den 1980ern eine "gigantische Spekulationsblase" aufbläht, klingt ungemütlich ähnlich zu der Schar der Crashpropheten der letzten Jahre. Auch an der Effizientmarkthypothese lässt sie kein grünes Haar (das ist die Grundlage meiner persönlichen Altersvorsorge, wohlgemerkt). Und gleichzeitig ist das Buch keine Brandschrift gegen den Kapitalismus, eher ein Plädoyer für eine Rückkehr zu einem Kapitalismus der Realwirtschaft, nicht einen der entkoppelten Finanzmärkte.

Ich habe sehr viel gelernt (wusste vorher eigentlich nichts über Ökonomie). Ohne Frage habe ich (noch) nicht alles aus den vielen verschiedenen Lehren verstanden, aber viel zum Nachdenken und Weiterlesen mitgenommen.

Warren Buffett – Der Jahrhundertkapitalist
320 Seiten

Endlich mal eine Buffett-Biografie gelesen, beziehungsweise gehört. Die kam erst vor ein paar Monaten raus und war sehr angenehm weg zu hören.

Das Buch bietet einen guten Überblick über Warren Buffetts Leben und Handeln. Ganz nebenbei lernt man auch viel über die amerikanische Geschichte und das Aufblühen des amerikanischen Kapitalismus.

Buffett ist auf jeden Fall ein ulkiger Charakter, der außerdem zu einem der reichsten Menschen der Welt wurde und sich gerade in seiner zweiten Lebenshälfte bewusst für gute Dinge wie Bürgerrechte, Recht auf Abtreibung und universelle Krankenversicherung einsetzt.

& Schach mit Karpov
145 Seiten

Aus irgendeinem Bücherschrank mitgenommen, weil "man könnte ja mal was über Schach lesen". Und wenn es auch ein vergilbtes Unikum von 1978 ist. Vielleicht lernt man ja was.

Und ja, irgendwie habe ich jetzt einen Einblick in die Schachsubkultur in der UdSSR der 70er Jahren. Vor allem habe ich aber gelernt, dass Langeweile mehr als eine Dimension hat: Das hier war vielleicht prinzipiell interessant, aber null packend.

Egal, ging schnell.

Permanent Record
432 Seiten

It was a pleasure to read Snowden's own account of how he ended up being what he is now - the world's most well-known whistleblower (I suppose).

At times, in the chapters about his childhood, I caught myself thinking "huh, so you really have to describe how clever and smart you were as a kid, did you". But then, maybe he simply was, and also what does it matter. This is his version of his story. The actions he took stand for themselves.

All in all, I really really enjoyed this. I have always found his story fascinating before. And to find his own writing to be this clear and engaging was a pleasant experience.

Reinhard Heydrich
478 Seiten

Reinhard Heydrich: Der Kopf hinter dem Sicherheitsdienst “SD” der Nazis, das agierende "Hirn" von Himmler, der Organisator der Wannsee-Konferenz und der ranghöchste Nazi, bei dem je einem Attentat Erfolg hatte.

Diese Biografie liest sich sehr sachlich und erzählt vor allem die Faktenlage zu Heydrichs Leben. Es gibt ein paar Interpretationen dazu, an welcher Stelle seiner Laufbahn er welche Ziel verfolgt haben mag, aber hauptsächlich betreibt der Autor akribische und unaufgeregte Quellenarbeit. Ich fand das sehr gut zu lesen und habe das Gefühl, jetzt einen guten Überblick über Heydrichs Leben zu haben.

Was ich mitnehme: Wieder einmal ein gebildeter und musisch interessierter Mensch “aus gutem Haus”, der im Laufe seines Lebens eine entscheidende Rolle bei radikalen Entscheidungen des Holocausts spielte. Da fragt man sich doch: Wie passt das zusammen?

Und hierzu gibt es nicht wirklich eine Diskussion in der Biografie. Vielleicht ist das auch nicht die Aufgabe des Formats. Der Autor hat sich an den Lebensweg gehalten, und hat lediglich verschiedene Punkte der Radikalisierung aufgezeigt - ein paar externe Faktoren werden auch benannt. Daher also nichts, was ich dem Buch vorwerfe.

Die eigentliche Frage, die mich also interessiert, finde ich wohl eher bei Hannah Arendt und ähnlichen Werken beantwortet. Denn wie bei Adolf Eichmann sehe ich auch bei Heydrich: Ein banal “normaler” Mensch, der in einem System agiert, vor seinen Vorgesetzten Brillieren will und in dem Rahmen zu immer drastischeren Maßnahmen bereit ist, weil es in dem Kontext “normal” ist. So mal ganz grob verkürzt formuliert.

Ich werde der Frage in anderen Büchern weiter auf den Grund gehen. Aber diese Biografie hier fand ich so oder so: Gut.

When Breath Becomes Air
256 Seiten

The deeply reflective thought process of a young neurosurgeon who is faced with his own diagnosis of terminal lung cancer when his life was supposed to be just taking off.

This book really touched my. I could only read it in segments, to have some of the chapters sink in and also let my emotions come and go.

The writing itself was simply beautiful. Serious and thought-provoking, yet life-affirming and also happy in places where death usually overshadows everything else. Probably one out of every three paragraphs could simply be printed, framed and read over and over again.

Grand illnesses are supposed to be life-clarifying. Instead, I knew I was going to die -- but I'd known that before. My state of knowledge was the same, but my ability to make lunch plans had been shot to hell.

If I am being totally honest with myself, I think I have mostly avoided really thinking about death up to this point in my life. Maybe this book has not changed that completely, but it has definitely shone a light on a topic I have conveniently glanced over most of the time.

Karl Jäger
288 Seiten

Karl Jäger, von seinen Nachbarn als feinsinniger und höflicher Mensch beschrieben, entwickelte sich vor der Kulisse des Zweiten Weltkrieges vom Musiker und Instrumentenbauer zum Mörder der Litauischen Juden. Seinen eigenen fast prahlenden Aufzeichnungen nach, hat dieser Mensch in wenigen Monaten des Jahres 1941 die jüdische Bevölkerung Litauens von über 170,000 auf 34,500 niedergemetzelt. Bei den Details eines einzelnen Mordes dreht sich einem schon der Magen um. Aber unter Aufsicht dieses SS Kommandeurs hat sich dieser Mord 137,000-fach zugetragen.

Wolfram Wette trägt hier die Biografie eines der Täter der Nazi-Aktionen in Osteuropa zusammen; einer Biografie, wie sie erschreckend, aber offensichtlich doch so typisch für diese Zeit war.

Und wie es immer wieder bei diesen Tätern vorgekommen ist, ereilte ihn nach dem Krieg keine wirkliche juristische Aufarbeitung, geschweige denn zeigte er irgendeine Art von Reue oder auch nur ein Zeichen von Mitgefühl für die Opfer. Selbstmitleid und immer noch Gedanken an angebliche soldatische Pflichterfüllung herrschen vor und werden von großen Teilen der Deutschen Öffentlichkeit der Nachkriegszeit auch noch verschwiegen und gedeckt.

Wir sind die Generation, der diese Schrecken zumindest in zeitlicher Nähe vertraut sind, und gleichzeitig haben wir den Abstand, den Täter keine nachbarschaftliche oder scheinbar gemeinschaftliche Deckung mehr zu geben. Lasst uns gemeinsam aufpassen, dass diese menschlichen Abgründe nicht wieder hervorbrechen. Denn menschlich war es anscheinend leider doch -- im schlimmsten Sinne des Wortes.

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen
448 Seiten

Es gibt so viel aus der deutschen Geschichte, für das ich einfach kein richtiges Verständnis zu entwickeln mag, aber ich probiere es zumindest. Und so gehörte auch das Standardwerk über den Eichmann Prozess irgendwann dazu. Ich kann nicht jeder Facette von Hannah Arendts Rhetorik wirklich folgen, aber dennoch war es gut zu lesen und wirklich interessant. Inwiefern ich nun mehr "verstehe", vermag ich aber noch nicht zu beurteilen.

Das Beunruhigende an der Person Eichmann war doch gerade, dass er war wie viele und dass diese vielen weder pervers noch sadistisch, sondern schrecklich und erschreckend normal waren und sind.

& Amon
272 Seiten

Ein Buch, von dem ich hörte und das ich zufällig am nächsten Tag in einem der öffentlichen Bücherregale entdeckte. Vom Cover blickt einem die dunkelhäutige Autorin freundlich entgegen. Ihre Geschichte: Mit 38 erfährt sie von der Familiengeschichte außerhalb ihrer Adoptivfamilie. Gebürtig ist sie die Enkelin von Amon Göth, dem berüchtigten KZ Kommandanten, der uns aus Schindler's Liste bekannt ist. Spannend erzählt sie von ihrer persönlichen Konfrontation mit der Tatsache, ihrer andauernden Suche nach ihrer eigenen Herkunft und ihren Gedanken über Erbschuld und Verantwortung. Das Buch hat Höhen und Tiefen, liest sich insgesamt aber gut, da ihre Geschichte irgendwie unwahrscheinlich und daher so packend ist.