Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen
256 Seiten

Aki und Hiro sind endlich bereit, getrennte Wege zu gehen, nachdem bei einer Wanderung ihr Bergführer zu Tode kam. Ein letztes Mal treffen sie sich in ihrer gemeinsamen Wohnung, um sich zu verabschieden – und um herauszufinden, ob der/die jeweils Andere ihren Bergführer ermordet hat. Denn Aki verdächtigt Hiro und Hiro verdächtigt Aki. Doch um herauszufinden, was wirklich passiert ist, müssen die beiden sich nicht nur lange verdrängten Erinnerungen stellen, sondern die Wahrheit ihrer Beziehung hinterfragen …

Dieser Roman ist keine Liebesgeschichte, kein Krimi und kein Familienroman – und doch ist er alles davon. Zusammen mit Aki und Hiro die Geheimnisse ihrer Vergangenheit zu entdecken, war aufgrund der vielen Twists ebenso interessant wie über die Moral ihrer Beziehung nachzudenken. Es herrschte die ganze Zeit eine enorme Spannung, weil man sich nie sicher sein konnte, was die Charaktere als nächstes tun und welche Twists als nächstes aufgedeckt werden.

Obwohl der Roman recht kurz war, hat er es mühelos geschafft, mich zu fesseln. Dazu kommt, dass der Schreibstil sehr angenehm zu lesen war, sodass die einzige Kritik, die ich daran finde, die ist, dass es am Anfang eines Kapitels meistens ein paar Zeilen braucht, um sich an die Sichtweise zu gewöhnen (weil Hiro und Aki sich in jedem Kapitel abwechseln).

Von dieser sehr kleinlichen Kritik abgesehen fand ich den Roman jedoch großartig und sehr spannend!

& Zwischen Welten
448 Seiten

Stefan und Theresa sind zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Er ein Journalist, der fürs Klima und für Gleichberechtigung kämpft, sie eine Landwirtin, die sich abrackert, um ihr Land – und damit ihre Lebensgrundlage – behalten zu dürfen. Beide haben Schwierigkeiten, die Position des/der jeweils Anderen zu verstehen und schon bald drohen ihre unterschiedlichen Sichtweisen, ihre Freundschaft für immer zu zerstören. Dazu kommt, das Leben nun mal unvorhersehbar ist …

Dieser Roman besteht aus den E-Mails und Textnachrichten, die Stefan und Theresa sich während dem Jahr 2022 schreiben, wodurch auch viele aktuelle Themen (wie Russlands Invasion der Ukraine und die drohende Klimakatastrophe) angesprochen werden. Auch allgemeine Themen wie Rassismus und Gender spielen eine wichtige Rolle. Was ich dabei am faszinierendsten fand, war, wie gleichwertig Stefans und Theresas Sichtweisen behandelt wurden und wie schwierig es mir zuweilen fiel, selbst einen Standpunkt anzunehmen. Als Stefans Vorgesetzter zum Beispiel einen rassistischen Witz macht, der viral geht, stellt Stefan sich auf seine Seite, weil die Online-Reaktionen überproportionale Ausmaße annehmen (von anfänglicher Empörung zu Petitionen für eine Kündigung bis zu Todesdrohungen und einer symbolischer Ermordung). Wie weit soll – und darf – eine gerechtfertigte Kritik gehen? Denn selbst mir erschien die Reaktion auf diesen unangemessenen Witz viel zu übertrieben, aber wann sollte man eine Grenze setzen?

Und auch Theresa, die sich verzweifelt darum bemüht, die vielen unvorhergesehenen Schwierigkeiten, die ihren Hof bedrohen, zu meistern, hat mich zum Nachdenken angeregt. Ich habe, um ehrlich zu sein, nie so richtig darüber nachgedacht, was Landwirt*innen eigentlich so alles durchmachen müssen und wie unfair sie vom Staat behandelt werden, aber Theresas Schicksal macht deutlich, dass diese Berufsgruppe nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient hätte.

Was die Konversation zwischen Stefan und Theresa anbelangt, fliegen zuweilen die Fetzen, weil sie sich selten einig sind, sich aber trotzdem mögen. Ihre Freundschaft war auf jeden Fall ungewöhnlich, weil es so mehrere Stellen gab, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie nun befreundet oder verfeindet sind; aber genau das macht ihren Reiz aus: Sie sind irgendwie beides.

Insgesamt also ein Roman, der sehr zum Nachdenken anregt, aber auch die Geschichte einer Freundschaft erzählt, die mich letztendlich sehr bewegt hat!

Und morgen ein neuer Tag
448 Seiten

1.214 Tage - so lange hat Meredith zu Beginn der Handlung das Haus nicht verlassen. Über den Grund spricht sie mit niemandem. Stattdessen arbeitet sie als Texterin von zu Hause aus, puzzlet in ihrer Freizeit und bekommt ab und an Besuch von ihrer besten Freundin. Doch dann treten Tom und Celeste in ihr Leben, die Meredith dazu motivieren, sich anderen zu öffnen. Nur ist der Weg zur Heilung nicht ganz so gerade, wie Meredith es sich erhofft ...

Dieser Roman wird als "warmherzig und hoffnungsvoll" beschrieben, doch um ehrlich zu sein, fand ich ihn hauptsächlich traurig, stellenweise sogar deprimierend. Die kleinen Hoffnungsschimmer, die es gibt, werden sehr schnell vom Verlauf der Handlung und Merediths allgemeiner Situation zerdrückt. Nichts läuft so, wie Meredith es plant, und die Erlebnisse, die sie und andere Charaktere durchmachen mussten, haben mich ganz schön runtergezogen.

Der Roman selbst ist sehr ruhig erzählt, es passiert eigentlich nicht allzu viel, was zur melancholischen Stimmung des Romans beitrug. Es ist natürlich möglich, dass es nur mir so geht, aber als "warmherzig und hoffnungsvoll" habe ich den Roman höchstens an ein paar Stellen empfunden, während ich die Hauptstimmung eher als "schwermütig und tiefsinnig" beschreiben würde. Er war, um klar zu sein, kein schlechter Roman, aber er erfüllte nicht die Erwartungen, die ich an ihn stellte.

Deshalb würde ich den Roman explizit nicht denjenigen empfehlen, die einen Feel-Good-Roman suchen, sondern eher denjenigen, die bereit sind, zusammen mit Meredith den komplizierten, teils frustrierenden Weg der Heilung zu gehen, der im Grunde nie ganz abgeschlossen ist.

Die Kinder von Beauvallon
464 Seiten

Agnes und Lily sind Kinderfreundinnen, werden jedoch getrennt, als Lily und ihre Eltern als Juden in ein Internierungslager gebracht werden. Kurz vor ihrer Trennung reißen sie ein Foto, auf dem sie beide drauf sind, in zwei Hälften, mit dem Versprechen, es wieder zusammenzufügen, sobald sie sich wiedersehen. Fünfundzwanzig Jahre später ist Agnes Radiomoderatorin und überzeugt davon, dass Lily damals getötet wurde. Doch als sie bei Untersuchungen auf die französische Gemeinde Dieulefit und das Internat von Beauvallon stößt, das damals 1500 Flüchtlinge beherbergte, brennt in ihr die Hoffnung auf, ihre Freundin könne überlebt haben … doch warum hat sie sich dann nie bei ihr gemeldet?

Eigentlich ist dieser Roman überhaupt nicht mein Genre – obwohl ich Geschichte mag, lese ich nur wenige historische Romane –, aber der flüssige Schreibstil hat mich sofort gefangen genommen und die Art und Weise, wie diese auf wahren Ereignisse basierte Geschichte erzählt ist, war so fesselnd und emotional, dass ich gar nicht anders konnte, als mich von ihr einfangen zu lassen.

Hauptcharaktere sind natürlich Agnes, die ihre Untersuchungen führt, Lily, deren Zeit im Lager und im Internat beschrieben wird, und Jolie, die sich für die Rettung der Kinder einsetzt. Die Zusammenhänge zwischen den drei Charakteren und den zwei Zeitlinien waren sehr gelungen; sie haben sich gut ergänzt und sowohl die vergangenen als auch die gegenwärtigen Ereignisse verständlich gemacht.

Schön ist auch, dass die Geschichte sich zwar mit schweren Themen beschäftigt, aber auf eine Art und Weise, die sowohl gut zu lesen als auch respektvoll ist. Das liegt zum Teil sicher daran, dass der Roman auf wahren Ereignissen basiert; die Autorin hat hier einen guten Weg gefunden, ihre fiktiven Charakteren in die reale Geschichte zu packen.

Wer ein Fan historischer und/oder auf Frauen konzentrierter Geschichten ist, wird diese hier sicher sehr mögen!

Schneegrab
304 Seiten

Eine Gruppe von fünf Engländern, darunter die Brüder Stephen und Kits, haben sich entschlossen, einen der schwierigsten Berge des Himalaya zu besteigen: Den Kangchenjunga, der bereits schon einige Todesopfer gefordert hat. Doch sehr bald ist Stephen klar: Sie sind nicht allein auf dem Berg. Etwas - oder jemand - ist ihnen auf den Fersen. Und Stephen wird das Gefühl nicht los, dass alles mit der vorigen Expedition zusammenhängt, in der Wahrheit und Lüge im Nachhinein bis zur Unkenntlichkeit verflochten wurden ...

Dieser Roman lebt vor allem durch seine Stimmung: Die gruselige Atmosphäre, die die Autorin aufbaut, ist unglaublich gelungen und hat hervorragend illustriert, wie gefährlich der Berg ist und wie leicht es sein kann, in eine lebensbedrohliche Situation zu gelangen. Stephens Erlebnisse auf dem Berg waren auf jeden Fall packend beschrieben und mein persönliches Highlight des Romans.

Dafür muss ich zugeben, dass der Rest des Romans "nur" gut war. Es war durchaus interessant, zu sehen, wie die Gruppe untereinander und mit den Sherpas umgeht, aber da all die gruseligen Momente, die passieren, wenn Stephen allein ist, so cool waren, habe ich regelrecht darauf gewartet, dass die zwischenmenschlichen Momente enden und durch die einsamen ersetzt werden.

Denn auch das Mysterium der letzten Expedition, das vor allem von Stephen allein ergründet wird, war sehr fesselnd beschrieben, obwohl man zumindest teils ahnen kann, was die Auflösung ist. Insofern würde ich den Roman vor allem denjenigen empfehlen, denen eine gute Atmosphäre wichtig ist – denn die ist einfach fantastisch gelungen!

Sogar so sehr, dass mich die Schwächen des Romans noch nicht einmal sonderlich stören. Zwar würde ich nicht behaupten, dass der Roman für jeden ist, aber auf jeden Fall für alle, die es lieben, in eine düstere, geheimnisvolle Geschichte einzutauchen!

Morgen, morgen und wieder morgen
560 Seiten

Schon als Kinder haben Sam and Sadie Computerspiele miteinander gespielt, bis ihre Freundschaft durch eine harte Wahrheit beendet wurde. Als junge Erwachsene begegnen sie sich Ende der 90er Jahre erneut und beschließen, ihre Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Zusammen entwickeln sie ein Videospiel, das ein voller Erfolg wird und zur Gründung eines Videospielunternehmens führt. Doch mit jedem neuen Spiel wird ihre Freundschaft mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen, bis sie fast vergessen haben, was sie ursprünglich miteinander verband ...

Diese emotionale Geschichte ist natürlich ein Roman über Videospiele – aber auch über Freundschaft, Liebe, Neid und letztendlich auch über die unerwarteten Überraschungen des Lebens. Sam und Sadie müssen sich nicht nur überlegen, wie sie ihre Spiele gestalten, sondern haben jeweils auch mit persönlichen Problemen zu kämpfen, für die es nicht immer eine einfache Lösung gibt. Ich fand es wirklich schön, dass wir sehr viel über ihr Leben erfuhren, aber auch über die Welten, die sie sich ausgedacht haben.

Sowohl Sam und Sadie als auch die Nebencharaktere fühlen sich sehr menschlich an, mit Fehlern und Macken und Insiderwitzen, sodass man sich leicht in sie hineinversetzen konnte. Mein Liebling war Sams bester Freund Marx, der ihn sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich unterstützt. Selbst Charaktere, die nur für wenige Szenen auftauchen (z.B. Sams Mutter oder Sadies Schwester), haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen, was eine beeindruckende Schreibleistung ist!

Da der Roman viele Themen behandelt, würde ich ihn nicht nur der Schnittmenge aus Gamer- und Leser*innen empfehlen, sondern allen, die eine emotionale Geschichte lesen wollen, weil sie einfach phänomenal erzählt ist!

Die Vorhersage
480 Seiten

Über Nacht tauchen sie überall auf: Kleine Boxen, in denen sich die Lebensfäden der Menschen befinden. Jede Person, die ihre Box öffnet, weiß ganz genau, wie lange sie noch zu leben hat. Während die Welt die Menschen sehr bald in "Langfaden" und "Kurzfaden" unterteilt, versuchen verschiedene Charaktere, mit ihrem Schicksal fertig zu werden: Nina und ihre Lebensgefährtin Maura, die trotz Mauras kurzem Faden für ihre Liebe kämpfen wollen; Ben, der seine Trauer über seinen recht kurzen Faden anonym in einem Brief teilt; Amie, die sich weigert, ihre Box jemals zu öffnen und Ben anonym auf seine Briefe antwortet; Hank, der trotz seines sehr kurzen Fadens lieber an der Selbsthilfegruppe für leicht längere Fäden teilnimmt; Anthony, der als Politiker mit langem Faden Präsident werden und die Möglichkeiten der Kurzfaden einschränken will; und Jack und Javier, beides Absolventen der Militärakademie, die beschließen, ihre Fäden zu tauschen, damit Javier trotz seines kurzen Fadens sein Traum als Soldat verwirklichen kann.

Die Anzahl der Charaktere mag zunächst erschreckend klingen (vor allem, wenn man bedenkt, dass sie alle Sichtcharaktere sind), aber aufgrund der verschiedenen Beziehungen untereinander und der Tatsache, dass sie erst nach und nach eingeführt werden, kam ich sehr gut mit ihnen zurecht. Letztendlich ist es ein sehr überschaubarer Cast, der (bis auf Anthony natürlich) sehr sympathisch war und dem ich gerne gefolgt bin. Am faszinierendsten war zu beobachten, wie alle Geschichten letztendlich miteinander verbunden sind, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und wie sie mit ihrem jeweiligen Schicksal umgehen. Kein Charakter war langweilig, sie alle hatten interessante Sichtweisen zu bieten. Hilfreich war auch, dass die Kapitel kurz, aber trotzdem gehaltvoll waren – so kam ich schnell durch die Geschichte und nahm trotzdem mit jedem Kapitel etwas Wertvolles mit.

Insgesamt war das eine sehr emotionale, zum Nachdenken anregende Geschichte, die mich sehr berührt hat; das Konzept der Lebensfäden wurde wunderbar und erstaunlich realistisch umgesetzt, sodass der Roman es mühelos schaffte, sich einen Platz unter meinen Highlights zu ergattern. Jeder, der auch nur ansatzweise Interesse an der Grundidee hat, wird begeistert über die Geschichte sein, die die Autorin aus ihr gemacht hat!

Das Damengambit
413 Seiten

Beth Harmon ist acht Jahre alt, als sie in dem Waisenhaus, in dem sie lebt, zum ersten Mal Schach spielt. Sofort ist sie gefesselt von diesem Königsspiel und verbessert sich immer mehr. Als sie wenige Jahre später adoptiert wird, beginnt sie, Schach auch professionell zu spielen und erobert in Kürze die Schachwelt. Doch nicht nur werden die Spieler immer herausfordernder, Beth selbst muss sich ebenfalls mit ihren eigenen Problemen auseinandersetzen …

Nie hätte ich gedacht, dass ein Roman über Schach so spannend sein könnte, aber „Das Damengambit“ hat es problemlos geschafft, dieses Spiel so fesselnd und so packend zu beschreiben, dass es mich komplett für sich einnehmen konnte. Ich selbst befinde mich, wenn überhaupt, auf dem Anfängerlevel, aber das hat mich nicht davon abgehalten, mit Beth mitzufiebern, mitzuleiden und mitzuhoffen. Ihre Schachspiele hatten eine unglaubliche Sogwirkung – die Art und Weise, wie sie beschrieben wurden, war einfach phänomenal. Das waren nicht nur Schachspiele, das waren Spiele auf Leben und Tod. Oder zumindest fühlten sie sich während des Lesens so an. Ich war deshalb sehr froh, dass wir sehr viele Schachspiele verfolgten, weil sie definitiv zu meinen Lieblingsszenen gehörten und ich gar nicht genug von ihnen kriegen konnte.

Tatsächlich würde ich am liebsten wieder mit Schach loslegen, weil der Roman ihn mir so schmackhaft gemacht hat! Jeder, der auch nur ansatzweise an diesem Spiel interessiert ist, wird mit „Das Damengambit“ sehr viel Spaß haben. Ich selbst wusste eigentlich nur noch, wie die verschiedenen Figuren sich bewegen, aber der Roman macht es einem zum Glück sehr leicht, sich so oder so in ihm zu verlieren. Von mir gibt es definitiv eine große Empfehlung – und das nicht nur für Schach-Fans, sondern auch die diejenigen, die mit dem Spiel nichts anfangen können, aber einen guten Eindruck davon bekommen wollen, warum es so beliebt ist. Dieses Buch sollte für beide Fraktionen ein wahrer Genuss sein!

Café Leben
320 Seiten

Als Henrietta ihren neuen Beruf anfängt, in dem sie die Lebensgeschichte todkranker Menschen aufzeichnen soll, rechnet sie nicht damit, dass bereits ihr erster Fall sie vor eine ungeahnte Suche stellen wird. Ihre Patientin ist Annie, die nur noch wenige Wochen zu leben hat und bis dahin ihre Geschichte erzählen will - allerdings auf ihre Weise. Als Annie nebenbei erwähnt, dass ihre Schwester vor fast fünfzig Jahren mutmaßlich ertrunken ist, ahnt Henrietta, dass da mehr dahinter steckt. Sie ist entschlossen, diesen fast fünfzig Jahre alten Fall aufzuklären. Doch stellt sich das um einiges schwieriger raus als erwartet - und ihr bleibt nicht mehr viel Zeit, bis Annie stirbt ...

Diese Geschichte ist ruhig erzählt und trotzdem spannend, was zunächst wie ein Widerspruch klingt, aber meine Gefühle trotzdem wunderbar zusammenfasst. Ich war sehr investiert in Henriettas Recherchen, habe aber auch die vielen ruhigen Stellen (die vor allem während Annies Sichtweisen vorkamen) überraschend genossen. In diesem Buch geht es nicht nur darum, einen alten Kriminalfall zu lösen, sondern auch darum, das Leben zu genießen.

Sehr gefiel mir, wie realistisch Henriettas Suche beschrieben wurde. Sie hat aufgrund der Tatsache, dass der Fall so alt ist und sich die Polizei nicht ordentlich um ihn kümmerte, große Schwierigkeiten, Informationen zu finden, doch das hält sie nicht davon ab, weiter nach ihnen zu graben.

Die ruhigen Momente sorgen für ein recht langsames Pacing, das bestimmt nicht für jeden ist, das ich aber persönlich genossen habe. Es hat gut getan, mal kein actiongeladenes Buch zu lesen, sondern einfach mal ein schönes!

Demnach ist der Roman für genau solche Leser*innen geeignet: Diejenigen, die einfach in einer Geschichte versinken wollen, die trotz einiger dramatischer Ereignisse in der Vergangenheit der Charaktere ein schönes Gefühl beim Lesen hinterlässt. :)

Marianengraben
256 Seiten

Seit Paulas kleiner Bruder Tim verstorben ist, ist sie in eine tiefe Depression versunken. Als sie sich eines Tages dazu überwindet, sein Grab zu besuchen, wird ihr Leben allerdings ordentlich auf den Kopf gestellt - denn auf dem Friedhof trifft sie auf Helmut, einen älteren Herrn, der die Asche seiner Frau in ihr Heimatdorf bringen will. Durch einige Umstände kommt es dazu, dass Paula ihn dabei begleitet - und so nicht nur Helmuts Geschichte kennenlernt, sondern auch einen Weg findet, mit ihrer eigenen Trauer umzugehen ...

Diese Geschichte ist unglaublich berührend, unglaublich witzig und unglaublich lehrreich - alles gleichzeitig. Der Erzählstil war schlicht und unglaublich packend, weil die Art und Weise, wie Petra aus der Ich-Perspektive von ihrer Trauer und ihren Erinnerungen an Tim erzählt, mir sehr nahe gegangen ist. Ihre Dynamik mit Helmut hat mir ebenfalls sehr gefallen, weil sie sowohl humorvoll als auch herzerwärmend war; ich liebe es einfach, wie die beiden miteinander agierten und sich letztendlich gegenseitig halfen :)

Auch kann ich mir gut vorstellen, dass der Roman bei eigener Trauerbewältigung sehr hilft; als jemand, der sie noch nicht braucht, habe ich die Lektüre trotzdem als wertvoll empfunden. Sie bringt einen zum Weinen und zum Lachen, zum Nachdenken und zum Dankbarsein. Es war einfach unglaublich, wie gut dieser Roman es geschafft hat, nicht nur eine fesselnde Geschichte mit einem flüssigen Schreibstil zu erzählen, sondern gleichzeitig so viel Tiefe in seine Sätze bauen konnte.

Ein absolutes Highlight!

Anatomy
384 Seiten

Hazels größter Traum ist es, Chirurgin zu werden. Doch im Jahr 1817 ist das leichter gesagt als getan. Nur mit der Hilfe des Leichenräubers Jack Currer schafft sie es überhaupt, sich in eine kostenlose Anatomie-Vorführung zu schleichen. Selbst, als sie sich als Mann verkleidet, um am Unterricht teilnehmen zu können, merkt sie schnell, dass ihr großer Traum bei weitem nicht so leicht zu erfüllen ist. Schließlich handelt sie einen Deal aus: Sie darf zwar nicht mehr am Unterricht teilnehmen, aber bei der Arztprüfung mitmachen. Um auch das praktische Wissen zu lernen, sucht sie wieder Jack Currers Hilfe – und beide merken bald, dass mit dem ausgegrabenen Leichen etwas nicht stimmt …

Dieser locker zu lesende Roman ist trotz seines flüssigen Schreibstils nichts für sensible Gemüter, denn die Beschreibungen der Operationen sind auch für diejenigen ohne blühende Fantasie sehr bildhaft beschrieben. Auch ist der Roman nur teilweise für Fan von Liebesgeschichten geeignet, weil er zwar eine süße enthält, diese aber relativ spät startet und auch nicht der Fokus der Handlung ist.

Denn der Fokus besteht eindeutig in Hazels Entwicklung: Wie sie von einer leicht naiven jungen Dame zu einer fähigen Ärztin wird. Bereits zu Anfang hat sie ein großes Interesse und auch ein großes Talent für die Chirurgie, doch muss sie einige Probleme überwinden, ehe sie ihren Traum erfüllen kann. Mir hat es sehr gefallen, ihre Charakterentwicklung zu verfolgen, weil Hazel selbst auch sehr sympathisch war und sich so sehr dafür eingesetzt hat, Ärztin zu werden.

Nur das Ende hat ein wenig an der Glaubwürdigkeit des Romans gekratzt, weil die bis dahin realistische (wenn auch nicht sicher immer historisch akkurate) Geschichte durch einen Faktor ergänzt wird, der bestenfalls fantastisch ist. Was halbwegs in Ordnung gewesen wäre, wenn er davor stärker angedeutet worden wäre, aber da dem nicht der Fall war, kam er ganz schon überraschend und war deshalb nicht das Ende, was ich mir für die Geschichte gewünscht hätte. Ich finde mitnichten, dass der erwähnte Faktor die Geschichte oder das Ende ruiniert hat – aber es hat nicht meiner Vorstellung entsprochen.

Insgesamt trotzdem ein packender Roman über eine junge Frau, die ihren eigenen Weg geht und dabei ihre innere Stärke unter Beweis stellt!

Elektra, die hell Leuchtende
368 Seiten

Klytämnestra, Kassandra und Elektra sind drei Frauen, die direkt oder indirekt in den Trojanischen Krieg hineingezogen werden. Sie alle haben mit verschiedenen Problemen zu kämpfen: Klytämnestra sinnt auf Rache an ihrem Ehemann, nachdem dieser ihre älteste Tochter opfert; Kassandra versucht vergeblich, den kommenden Krieg zu verhindern, doch keiner will ihren Prophezeiungen glauben; und Elektra ist erzürnt über die Entscheidungen ihrer Mutter Klytämnestra und stellt sich gegen sie.

Obwohl es Elektras Name ist, der im Titel steht, fühlt sich dieser Roman sehr viel mehr nach Klytämnestras Geschichte an. Tatsächlich habe ich spaßeshalber nachgerechnet und tatsächlich ist es Klytämnestra, die am meisten Screentime einnimmt, während Elektra und Kassandra etwa gleich viel Screentime haben. Dazu kommt, das Elektra erst ab dem letzten Viertel mit ihren eigenen Entscheidungen die Handlung wesentlich beeinflusst, während Klytämnestra den ganzen Roman über die Zügel in der Hand hält und ihr Schicksal dadurch selbst formt. Und als wäre das noch nicht genug, fand ich Klytämnestras Beweggründe um einiges verständlicher als Elektras, in die ich mich nur gegen Ende einigermaßen gut hineinversetzen konnte. (Was Kassandra angeht, hat sie selbst zwar am wenigsten Einfluss auf ihr Schicksal, war mir dafür aber sehr sympathisch.)

Das ist also meine einzige Kritik an diesem Roman: Dass er Elektra nur so spät in den Fokus der Handlung rückt und deshalb nicht als Roman über „Elektra, die hell Leuchtende“ bezeichnet werden sollte. Sieht man von diesem Manko ab, war der Roman absolut fesselnd! Besonders faszinierte mich natürlich Klytämnestras Geschichte, aber nicht nur, weil ich diese am interessantesten fand, sondern auch, weil sie so viel Einfluss auf ihr eigenes Schicksal hatte. Das fand ich besonders faszinierend, weil der letzte Roman, den ich las und der Klytämnestra als eine der Hauptfiguren hatte, eher ihre Hilflosigkeit betonte, während dieser hier den Fokus auf ihre Entscheidungsgewalt legte. Ich war darüber sehr erfreut!

Mir gefiel auch die Art und Weise, wie Elektra, die den Großteil der Handlung nicht viel beitragen konnte, ab dem letzten Viertel ihr Schicksal schließlich in die eigene Hand genommen hat, was auch der Zeitpunkt war, ab dem ich mit ihr mitfieberte. Der Mutter/Tochter-Konflikt war hier sehr gut umgesetzt und ich war zum ersten Mal hin und hergerissen zwischen den beiden Seiten, weil beide gute Gründe für ihr Handeln hatten.

Kassandra blieb damit die einzige Protagonistin, die zu keinem Zeitpunkt eine freie Wahl über ihr Schicksal hatte, was für eine traurige und oft auch entmutigende Atmosphäre während ihrer Sichtweisen sorgte. Kassandra selbst war mir dafür sehr sympathisch und ich habe sehr mit ihr mitgelitten.

Insgesamt war es sehr mitreißend, das Schicksal dieser drei Frauen zu verfolgen: Eine, die keinen Einfluss auf ihr Leben hatte; eine, die sich den Einfluss letztendlich nahm; und eine, die ihn die ganze Zeit hatte. Wer griechische Mythologie mag und gerne verschiedene Blickwinkel einnimmt, wird hier ein angenehmes Leseerlebnis finden!

Schattenbraut
544 Seiten

Als Li Lan das Angebot bekommt, mit dem kürzlichen verstorbenen Lim Tian Ching verheiratet zu werden, weiß sie zunächst nicht, was sie davon halten soll. Bis sie seine Familie kennenlernt und schnell von Tiam Bai verzaubert ist, seinem Cousin, mit dem sie ursprünglich verheiratet werden sollte. Sie lehnt das Angebot ab, wird allerdings von Lim Tian Chings Geist heimgesucht, der behauptet, er wäre von Tiam Bai ermordet worden. Um ihn endgültig loszuwerden und das Geheimnis seines Todes zu lüften, muss Li Lan selbst die Geisterwelt betreten – nicht ahnend, dass auch ihre eigene Familie Geheimnisse hat, die nun ans Licht kommen …

Zu meiner Freude war die Geschichte nicht so vorhersehbar, wie sie anhand der Kurzbeschreibung vielleicht klingt, weil es viele Überraschungen gab, die ihr eine unerwartete Richtung verliehen. Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen, weil Li Lans Ich-Sicht es leicht macht, sich in sie hineinzuversetzen und ihren Abenteuern im Geisterreich zu folgen. Die anderen Charaktere stachen vor allem durch ihre Rolle im Plot heraus, wobei es schwierig ist, ohne Spoiler mehr zu verraten – hier gibt es nämlich so einige Charaktere, die später in der Handlung eine andere Rolle einnehmen, als man bei ihrem ersten Auftritt vielleicht denkt.

Sehr fasziniert war ich auch von den chinesischen Legenden, die hier eingebaut werden. Die Autorin hat sich hier an realen Vorstellungen orientiert, speziell bei der Geisterwelt und der Art und Weise, wie sie funktioniert. Aber auch so etwas wie die Geisterehe, die Li Lan am Anfang angeboten bekommt, kam damals vor. Mir hat es sehr gefallen, wie viel man hier tatsächlich lernen konnte!

Insgesamt also ein sehr angenehmes Leseerlebnis für Leser*innen, die sich gerne überraschen lassen und mal ein anderes Setting kennenlernen wollen :)

Das Gesetz der Natur
608 Seiten

Gaia Marinos ist eine Mutantin. Versteckt vom Rest der Welt lebt sie zusammen mit ihrem Lehrer und einem Jäger in der Wildnis. Als sie in Gefangenschaft gerät, offenbart sie, dass sie im Gegensatz zum Großteil der Menschen lesen kann, woraufhin man ihr im Gegenzug für die Freiheit die Aufgabe überträgt, die letzten Bücher der Welt zu finden. Doch bekommt sie keine Gelegenheit, sich sofort an diese Aufgabe zu machen, weil sie in den Konflikt der anderen Menschen hineingezogen wird und trotz ihres Sohnes droht, ihre Menschlichkeit zu verlieren …

Gaia lebt in einer dystopischen Welt und besitzt eine übernatürliche Fähigkeit, doch das Zentrum ihres Charakters ist definitiv die (persönliche) Reise, die sie während der Geschichte durchmacht. Ihre Liebe zu ihrem Sohn, ihre erlernte Kampfkraft, die Menschen und Orte, die sie besucht … das alles ist in kurzen Kapiteln und mit einem einfachen Schreibstil beschrieben, sodass ich die Geschichte schnell durchlesen konnte. Es war auch sehr leicht, sich alles Beschriebene vorzustellen, auch wenn es durchaus ein paar Stellen gab, die sich ein wenig zogen (wobei das bei sechshundert Seiten wohl unvermeidlich ist).

Die Atmosphäre des Buches war etwas ganz Besonderes. Es geht nämlich nicht nur um die Reise, sondern auch um die vielen Momente an sich, die Gaia erlebt. Es ist eine Geschichte über die Strapazen, die sie erlebt und die Lektionen, die sie gezwungenermaßen lernt. Aus diesem Grund fällt es mir tatsächlich schwer, zu bestimmen, wem genau man diese Geschichte empfehlen könnte, da sie mir persönlich zwar gefallen hat, sie aber gleichzeitig ganz anders als die Geschichten ist, die ich sonst lese. Das einzige, was ich anmerken möchte, ist, dass es im Gegensatz zur Kurzbeschreibung größtenteils nicht darum geht, die letzten Bücher zu finden, sondern eher darum, wie man in einer Welt wie dieser überlebt und was man zu tun bereit ist. Die ethischen Aspekte kommen hier definitiv auch zum Tragen.

Insgesamt ist es also schwierig für mich, das Buch akkurat zu beschreiben, weil es einfach so anders war als alle anderen, die ich kenne, aber ich glaube, dass Fans atmosphärischer Lektüre hier sehr glücklich sein werden!

Die Glasperlenmädchen
528 Seiten

Bevor sie voneinander getrennt und in die Sklaverei verkauft wurden, gab Hannies Mutter ihr drei Glasperlen, die jedes Familienmitglied als Wiedererkennungsmerkmal trägt. Jahre später ist Hannie endlich frei und kann sich auf die Suche nach ihrer Familie machen. Allerdings wird sie unerwarteterweise in die Familienangelegenheiten ihrer ehemaligen Besitzer hineingezogen, wodurch ihr sich bald ein neuer Weg erschließt, anderen nach ihren Familien suchenden Menschen zu helfen.

Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts kommt die neue Lehrerin Benedetta "Benny" Silva in eine kleine Stadt, um dort zu unterrichten. Die Klasse zeigt sich allerdings als außerordentlich unkooperativ und hat keine Lust aufs Lernen oder Schullektüre. Schließlich beschließt Benny, dass der beste Weg, ihr Interesse zu wecken, die Recherche nach den eigenen Vorfahren ist.

Diese beiden Geschichten erzählt Lisa Wingate in ihrem neuesten Roman "Die Glasperlenmädchen", wobei erst am Ende die Verbindung zwischen den beiden Zeitlinien klar wird. Doch auch ohne, dass man das bindende Element sofort begreift, lesen sich die individuellen Geschichten sehr ergreifend und emotional - Bennys Bemühungen, die Schüler und Schülerinnen der Klasse zu motivieren und gleichzeitig Hannies Bemühungen, bei ihrer Suche nach ihrer Familie nicht selbst in Gefahr zu geraten. Wer bereits "Die Libellenschwestern" von Lisa Wingate mochte, wird "Die Glasperlenmädchen" deshalb sicherlich auch mögen.

Nach Hannies Kapiteln gibt es immer einen Ausschnitt aus einer der damaligen Zeitungen, in denen Menschen Vermisstenanzeigen nach ihren verlorenen Verwandten aufgeben konnten. Das hat einen guten Eindruck davon vermittelt, wie viele Familien damals auseinander gerissen wurden; wie Lisa Wingate in ihrem Nachwort beschreibt, beruht der Roman auf wahren Ereignissen, was umso deutlicher macht, wie verzweifelt die Menschen damals nach ihren Familien gesucht haben.

Eine emotionale Lektüre für alle, die Familiengeschichten und historische Romane mögen!