Die Glasperlenmädchen
528 Seiten

Bevor sie voneinander getrennt und in die Sklaverei verkauft wurden, gab Hannies Mutter ihr drei Glasperlen, die jedes Familienmitglied als Wiedererkennungsmerkmal trägt. Jahre später ist Hannie endlich frei und kann sich auf die Suche nach ihrer Familie machen. Allerdings wird sie unerwarteterweise in die Familienangelegenheiten ihrer ehemaligen Besitzer hineingezogen, wodurch ihr sich bald ein neuer Weg erschließt, anderen nach ihren Familien suchenden Menschen zu helfen.

Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts kommt die neue Lehrerin Benedetta "Benny" Silva in eine kleine Stadt, um dort zu unterrichten. Die Klasse zeigt sich allerdings als außerordentlich unkooperativ und hat keine Lust aufs Lernen oder Schullektüre. Schließlich beschließt Benny, dass der beste Weg, ihr Interesse zu wecken, die Recherche nach den eigenen Vorfahren ist.

Diese beiden Geschichten erzählt Lisa Wingate in ihrem neuesten Roman "Die Glasperlenmädchen", wobei erst am Ende die Verbindung zwischen den beiden Zeitlinien klar wird. Doch auch ohne, dass man das bindende Element sofort begreift, lesen sich die individuellen Geschichten sehr ergreifend und emotional - Bennys Bemühungen, die Schüler und Schülerinnen der Klasse zu motivieren und gleichzeitig Hannies Bemühungen, bei ihrer Suche nach ihrer Familie nicht selbst in Gefahr zu geraten. Wer bereits "Die Libellenschwestern" von Lisa Wingate mochte, wird "Die Glasperlenmädchen" deshalb sicherlich auch mögen.

Nach Hannies Kapiteln gibt es immer einen Ausschnitt aus einer der damaligen Zeitungen, in denen Menschen Vermisstenanzeigen nach ihren verlorenen Verwandten aufgeben konnten. Das hat einen guten Eindruck davon vermittelt, wie viele Familien damals auseinander gerissen wurden; wie Lisa Wingate in ihrem Nachwort beschreibt, beruht der Roman auf wahren Ereignissen, was umso deutlicher macht, wie verzweifelt die Menschen damals nach ihren Familien gesucht haben.

Eine emotionale Lektüre für alle, die Familiengeschichten und historische Romane mögen!

Wir Töchter von Sparta
384 Seiten

Klytämnestra und Helena sind Schwestern, doch so wie bei allen anderen Frauen im antiken Griechenland erwartet man genau eins von ihnen: Gut zu heiraten und viele Kinder zu bekommen. Klytämnestra wird Agamemnons Ehefrau, während Helena nach einem Turnier an Menelaos verheiratet wird. Doch beide sind aus unterschiedlichen Gründen nicht glücklich in ihrer Ehe und versuchen, zumindest ein wenig Selbstbestimmung in ihre Leben zu bringen …

Dieser Roman hält sich recht genau an die trojanische Legende, wobei sie einen Fokus auf Klytämnestras und Helenas Sichtweise legt, die ihr eingeschränktes Leben gut beschreibt. Man kann mit beiden gut mitfühlen und mitleiden, doch bedauerlicherweise bekommen sie kaum Gelegenheit, sich „gegen die Zwänge ihres Geschlechts aufzubegehren“, wie es in der Kurzbeschreibung heißt. Ja, es gibt durchaus ein paar wenige Szenen, in denen sie ihre eigene Entscheidungen treffen, aber insgesamt stehen sie so sehr unter dem Einfluss der Männer in ihrem Leben, dass der Roman sich insgesamt sehr traurig und stellenweise frustrierend las. Vor allem die erste Hälfte, die sich größtenteils damit beschäftigt, wie Klytämnestra und Helena mit ihren Ehemännern umgehen, war recht unangenehm zu lesen. Die zweite Hälfte war in diesem Aspekt zwar besser, fokussierte sich aber weiter eher auf die Machtlosigkeit statt auf die Macht der beiden Frauen – und zwar, weil ebendiese Macht leider nicht ohne einen Mann existiert. Da es sich um eine treue Adaption der griechischen Mythologie handelt, hatte die Autorin natürlich nicht viele Möglichkeiten, daran etwas zu ändern, aber schade fand ich es dennoch, weil die Kurzbeschreibung mich hat glauben lassen, dass die beiden sehr viel mehr rebellieren würden, als sie es letztendlich taten.

Ist dieser Roman also empfehlenswert für diejenigen mit einem Interesse an der griechischen Mythologie? Durchaus, wenn man mit den richtigen Erwartungen angeht. Wer einen guten Eindruck davon haben will, wie eingeschränkt das Leben von Frauen damals war, wird ihn hier bekommen, doch wer über Frauen lesen will, die ihr Leben eigenhändig gestalten, wird eher enttäuscht sein.

Das große Heft
163 Seiten

Diese Geschichte handelt von zwei Zwillingsbrüdern, die zu ihrer Großmutter auf dem Land gebracht werden, um dort fernab des Krieges in Sicherheit zu sein. Um sich gegen den Schmerz des Lebens abzuhärten, beschließen sie, Übungen durchzuführen, um sich an ihn zu gewöhnen. Und werden sehr bald hervorragende Schauspieler ...

Ich habe dieses Buch eher als Experiment gelesen, einfach, weil es so ganz anders als meine üblichen Bücher ist. Die Autorin schafft es trotz ihrer einfachen, beschreibenden Sprache, Gefühle zu vermitteln und so einige Szenen zu schaffen, die einem im Gedächtnis bleiben.

Jedoch muss ich sagen, dass mir das Buch persönlich dann doch zu krass war. Es ist nicht immer klar, wann etwas historisch akkurat beschrieben ist und wann der Schockfaktor die Handlung bestimmt, aber so oder so war ich ganz schön abgeschreckt von den nüchternen Beschreibungen, die es schwer machen, Mitgefühl mit den Charakteren zu empfinden.

Definitiv keine Lektüre, die ich einfach so weiterempfehlen würde, sosehr der Schreibstil seinen Zweck auch erfüllt. Wer entsetzt werden will, ist hier richtig, doch alle anderen werden diesen Roman eher nicht genießen.

The Midnight Library
288 Seiten

Noras Leben ist schwierig geworden – so schwierig, dass sie sich das Leben nehmen will. Doch stattdessen kommt sie in die Mitternachtsbibliothek, einem Ort, an dem sie die Leben ausprobieren kann, die sie nie geführt hat. Was wäre, wenn sie ihren Freund geheiratet hätte? Wenn sie mit ihrer Freundin nach Australien gezogen wäre? Wenn sie Schwimmerin geworden wäre, oder Polarforscherin, oder ein Rockstar? Welches Leben ist das Leben, das sie führen will? Genau das will Nora herausfinden.

Ich habe das Buch bereits vor anderthalb Jahren gelesen, als es auf Deutsch herauskam, doch weil ich es so mochte, nahm ich mir vor, es auch auf Englisch zu lesen – was ich nun endlich nachgeholt habe. Es ist einfach ein so schönes Buch, das einen sehr zum Nachdenken anregt, was das eigene Leben betrifft. Die Leben, die Nora führt, sind sehr verschieden, sodass ich als Leser gerne noch viel mehr Details über sie erfahren hätte, doch hat die Zeit, die sie in den verschiedenen Leben verbringt, trotzdem ausgereicht, um zu zeigen, wie wichtig die kleinste Entscheidung sowohl für einen selbst als auch für andere sein kann.

Insofern bin ich dankbar, dass ich das Buch noch mal in der Originalsprache gelesen habe, weil es gut tut, sich daran zu erinnern, wie viele Leben man jetzt in diesem Moment leben kann. Der Roman ist und bleibt etwas Besonderes für mich – und hoffentlich für viele Andere auch.

Kurioses über euch Menschen
480 Seiten

Jared ist ein Bot. Genauer gesagt, ein Zahnarzt-Bot. Doch dann beginnt er eines Tages, Gefühle zu entwickeln und beschließt, ein Drehbuch zu schreiben, das die Ansichten der Menschen über Bots verändern soll. Das ist nicht ganz einfach, weil niemand herausfinden darf, dass Jared ein geflüchteter Bot ist – was noch schwieriger wird, als Jared Amber kennenlernt und sich in sie verliebt …

Sehr humorvoll beschreibt Simon Stephenson Jareds Reise von einem Bot, der fleißig seiner Programmierung folgt, zu einem, der über sie hinausgeht. Natürlich gibt es bereits zahlreiche Geschichten, die über Roboter berichten, die nach und nach Gefühle entwickeln, aber Jared hebt sich trotzdem positiv hervor. Erstens ist der Schreibstil, mit dem er seine Geschichte erzählt, etwas ganz Besonderes; lustig, leicht zu lesen und glaubwürdig für einen gefühlvollen Roboter. Zweitens werden viele Filme referenziert, was besonders Film-Fans erfreuen sollte, aber auch für welche wie mich, die sich da nicht allzu gut auskennen, äußerst interessant zu lesen war – sogar so interessant, dass ich jedes Mal, wenn eine mir unbekannte Filmhandlung beschrieben wurde, diese gegoogelt habe, um herauszufinden, um welchen Film es sich handelt. Drittens ist das Ende anders, als ich es erwartet habe; natürlich werde ich jetzt nicht verraten, inwiefern es anders war, aber mir persönlich hat es sehr gefallen.

Das einzige, was ich kritisch anzumerken habe, ist die Tatsache, dass die in der Kurzbeschreibung zusammengefasste Handlung (speziell die Tatsache, dass Jared auf Amber trifft) erst sehr spät losgeht – genauer gesagt ab ca. Seite 200. Mir persönlich machte das nicht allzu viel aus, weil ich auch die Handlung davor sehr interessant fand, aber Leser und Leserinnen, die den Roman hauptsächlich wegen der Romanze lesen wollen, werden eher enttäuscht werden, weil diese zwar einen wichtigen Teil, aber mitnichten den Hauptteil der Handlung bildet.

Doch wer allgemein eine humorvolle Geschichte über einen menschlich werdenden Roboter lesen will, wird hier eine sehr gute finden!

Der Plot - Eine todsichere Geschichte
352 Seiten

Jake Finch Bonner hat zwar bereits einmal einen halbwegs erfolgreichen Roman geschrieben, doch seitdem hält sich seine Inspiration in Grenzen, weshalb er stattdessen Kreatives Schreiben in einem kleinen College unterrichtet. Als einer seiner Schüler ihm von seinem unglaublichen Plot erzählt, weiß Jake sofort, dass diese Geschichte unglaubliche Kreise ziehen wird, doch merkwürdigerweise veröffentlicht der Schüler sie nie. Bald schon erfährt Jake, dass er gestorben ist und seine Geschichte nie zu Ende geschrieben hat. Kurzerhand schreibt Jake sie stattdessen und wird tatsächlich ein Bestseller-Autor. Doch als ein mysteriöser User namens Talented Tom ihn des Plagiats bezichtigt, muss Jake sich bald damit auseinandersetzen, was wirklich hinter der Geschichte steckt, die er gestohlen hat …

Dieses Buch ist kein Thriller, aber auch kein gewöhnlicher belletristischer Roman. Es fällt mir tatsächlich schwer, ihn zu beschreiben, weil sowohl der Plot des Romans als auch der Plot des in ihm enthaltenden fiktiven Romans eigentlich nichts allzu Neues sind, sich in der Kombination aber trotzdem neu anfühlen. Das hat mich positiv überrascht; zwar bezweifle ich, dass die fiktive Geschichte, die Jake zu so großem Ruhm verhalf, in Wirklichkeit ebenfalls so erfolgreich wäre, aber trotzdem war sie ungewöhnlicher als die meisten Geschichten, die ich gelesen habe. Die Ausschnitte, die wir zu lesen bekommen, haben mir sehr gefallen und ich hätte mitnichten etwas dagegen gehabt, die vollständige Geschichte zu lesen.

Was die „eigentliche“ Geschichte betrifft, sah ich den großen Twist leider meilenweit kommen, auch wenn das Finale trotzdem episch war und es mir gefiel, Jakes Nachforschungen und wachsende Sorgen zu verfolgen. Ebenfalls gefiel es mir, dass die Frage, ab wann etwas als Plagiat zählt, aufgeworfen wurde. Jake hat die Geschichte mit seinen eigenen Worten geschrieben, aber die Handlung einfach von seinem Schüler übernommen. Ist er ein Dieb? Ein Plagiator? Auf jeden Fall hat seine spezielle Situation eine Menge interessanter Fragen aufgeworfen.

Insgesamt ein außergewöhnlicher Roman, der es schafft, altbekannte Plots neu zu verweben, auch wenn er letzten Endes keine weltbewegenden Überraschungen bietet. Dafür ein schönes Lesevergnügen für alle, die alte Geschichten neu entdecken wollen!

Die versteckte Apotheke
384 Seiten

Ende des achtzehnten Jahrhunderts: Nella ist eine Apothekerin, die ihre Kundinnen sowohl mit heilenden als auch mit tödlichen Substanzen versorgt, falls es in ihrem Leben Männer gibt, die sie grausam behandeln. Doch als die zwölfjährige Eliza in ihren Laden kommt, gerät ihr Leben gehörig durcheinander und bald schon muss sie fürchten, dass ihr Geheimnis ans Licht kommt … ein Geheimnis, dass zweihundert Jahre später Caroline untersucht, als sie beim mudlarking auf ein Glasfläschen stößt, das sie auf die Spur der Apothekerin führt. Wer ist sie gewesen? Und was ist mit ihr passiert?

„Die versteckte Apotheke“ ist Sarah Penners Debütroman und erzählt eine Geschichte von drei Frauen, die alle auf der Suche nach sich selbst sind und dem Leben, das sie führen möchten. Die Geschichte selbst ist recht simpel; sowohl die Gegenwart als auch die Vergangenheit spielt sich innerhalb weniger Tage ab und die Geheimnisse, die es für die Charaktere zu lüften gibt, sind uns Lesern in der Regel schon bekannt. (Natürlich mit ein paar wichtigen Ausnahmen.) Aber gerade deshalb war es faszinierend, zu untersuchen, wie Caroline in der Vergangenheit, deren Ereignisse wir direkt mitbekommen, gräbt, und versucht herauszufinden, was genau damals passiert ist. Schön ist auch, dass ich beide Zeitachsen gleich interessiert fand; oft genug kam es vor, dass mir eine spezielle Sichtweise in einem Buch mehr gefiel als die anderen, aber hier fand ich alle drei Perspektiven gleichermaßen fesselnd.

Auch der Schreibstil ließ sich angenehm lesen, sodass ich das Buch innerhalb kürzester Zeit durch hatte. Die dramatischen Ereignisse, die sich vor allem in der Vergangenheit, aber auch in der Gegenwart abspielten, sorgten für zusätzliche Spannung, die es noch leichter machte, das Buch geradezu zu verschlingen. Die einzige Kritik, die ich hier sehe, ist, dass ein Teil der dramatischen Ereignisse durch Missverständnisse bzw. ungenügende Kommunikation ausgelöst wurde, was mir in diesem Fall zwar nichts ausmachte, weil es für mich noch in einem angemessenen Rahmen war, aber andere Leser eventuell stören könnte.

Insgesamt hat mir das Buch jedoch sehr gefallen und ich hoffe, bald noch mehr von der Autorin zu lesen!

Das Glück auf der letzten Seite
272 Seiten

In einem Hotel entdeckt Anne-Lise in ihrem Nachttisch ein unveröffentlichtes Manuskript, das sie zutiefst berührt, weshalb sie dem Autor Sylvestre, der seine Adresse hinterlassen hat, schreibt. Dieser enthüllt zum einen, dass er das Manuskript vor über dreißig Jahren schrieb, und zum anderen, dass die zweite Hälfte gar nicht von ihm stammt, sondern die Geschichte von jemand Anderem weitergeschrieben wurde. Gemeinsam mit ihren Freunden entschließen die beiden sich, herauszufinden, welchen Weg das Manuskript in den dreißig Jahren eingeschlagen hat, welche Menschen es beeinflusste und wer die mysteriöse Person ist, die den Roman zu Ende schrieb ...

Diese Geschichte ist in Briefen erzählt, wobei vor allem vier Charaktere den Großteil der Korrespondenz erledigen: Anne-Lise, die Finderin des Manuskripts; Sylvestre, der Autor; Maggy, Anne-Lises beste Freundin; und William, dessen Familiengeschichte mit dem Manuskript zusammenhängt. Natürlich kommen noch ein paar andere Briefschreiber vor, die ihre Sicht der Dinge darlegen und herauszufinden versuchen, wie das Manuskript von Hand zu Hand ging, doch insgesamt bleibt der Cast an Charakteren überschaubar.

Ich lese nicht allzu viele Briefromane, weshalb es schön war, mal wieder in dieses Genre abzutauchen; vor allem natürlich, weil die Liebe zum Lesen ein wichtiges Thema ist, das sich über den ganzen Roman hinweg zieht. Auch die persönlichen Beziehungen zwischen den Charakteren fand ich fesselnd, nur übertroffen von dem Einfluss, den das Manuskript auf sie alle hatte.

Ein klein wenig Kritik habe ich trotzdem, nämlich die vorurteilenden Kommentare über Männer und Belgier/Engländer/Franzosen. Es ist nie ganz klar, ob es sich um neckende, humorvoll gemeinte Sätze handelt oder nicht, aber so oder so fand ich es irritierend, wie manchmal ganze Gruppen über einen Kamm geschoren wurden.

Auch wenn es nicht allzu oft vorkommt und auch neckend interpretiert werden kann, hat es mich ein wenig gestört. Davon abgesehen bietet der Roman eine schöne Liebeserklärung an das Lesen, die sicher jeden glücklich macht, der sich ebenso gerne in den Seiten eines Buches verliert.

DIE LÜGEN
336 Seiten

Als Kinder waren Lizzie und Alice eng befreundet, doch nach einem Streit kommt Alice bei einem Zugunglück ums Leben. Lizzie, die damals einen epileptischen Anfall bekam, hat keine Erinnerung daran, was genau passiert ist, obwohl sie dabei war. Jetzt, als Erwachsene, ist sie glücklich verlobt und sieht einer glücklichen Zukunft entgegen - doch dann begegnet sie zum ersten Mal seit dem Unfall Alices Schwester Catherine, was in Lizzie die Frage weckt, was damals wirklich passiert ist ...

Vorweg: "Psychospannung" und "schlaflose Nächte" erlebt man bei diesem Thriller nicht - weil es sich streng genommen um keinen Thriller, sondern um einen Roman mit Spannungselementen handelt. Als solcher ist er auch sehr erfolgreich; doch weil das Cover sehr thrillerähnlich wirkt, möchte ich betonen, dass es wichtig ist, mit der richtigen Einstellung an das Buch heranzugehen und ihn lieber als Roman zu betrachten.

Denn liest man ihn als Roman, erlebt man die durchaus packende Geschichte von Lizzie Molyneux, die ihr gegenwärtiges Leben in den Griff kriegen muss, während ihre Vergangenheit sie einholt. Es hat mir durchaus gut gefallen, ihre Sorgen und Ängste zu verfolgen, ihre Suche nach Antworten auf Fragen, die sie nie zu stellen wagte. Zwar war sie meiner Meinung nach ein wenig zu neugierig, wenn es darum ging, die Privatsachen anderer Leute zu untersuchen, doch habe ich ihre Beweggründe dabei durchaus verstanden.

Auch die Rollen der anderen Charaktere waren gut integriert, keiner fühlte sich überflüssig an. Buchstäblich die einzige Kritik, die mich den Roman nicht ganz so genießen hat lassen, wie ich gehofft habe, waren die irrtümlichen Versprechen auf dem Cover. Deshalb würde ich dieses Buch keinen Thriller-Fans empfehlen, sondern allgemein Lesern von Romanen mit einem Spannungsfaktor. Dadurch lässt sich die Geschichte sehr viel mehr genießen!

Die verschwundenen Mädchen
336 Seiten

"Im Nachtwald" ist ein ganz besonderes Buch für Charles Hayden, der plant, eine Biographie des Autors zu schreiben. Zu diesem Zweck ist er mit seiner Frau Erin nach Hollow House gezogen, doch ihre Vergangenheit - den Verlust ihrer Tochter Lissa - können sie nicht vergessen. Sie taucht vor ihnen auf wie ein Geist, zusammen mit dem Gehörnten König, der "Im Nachtwald" ein Mädchen in seine Welt entführt ...

Die Lektüre dieses Buches war sehr seltsam. Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was ich von ihm hielt. Es war merkwürdig, märchenhaft, mystisch. Ruhig erzählt, mit traurigen Segmenten, wobei die "düstere Liebesgeschichte", die im Klappentext beworben wird, höchstens zwischen den Zeilen stattfindet. Denn es geht gar nicht so sehr um die Beziehung zwischen Charles und Erin, sondern darum, wie Charles Recherchen über Caedmon Hollow, den Autor von "Im Nachtwald", anstellt, während Erin immer mehr in Depressionen verfällt, weil sie den Tod ihrer Tochter einfach nicht verarbeiten kann.

Insofern war es kein fröhliches Buch. Aber auch kein trauriges. Der leicht märchenhaft-fantastische Aspekt hat mich wohl am meisten irritiert, weil lange nicht klar ist, ob er wirklich existiert oder auf Halluzinationen beruht. Zwar wird diese Frage beantwortet, aber um ehrlich zu sein, verwirrte mich die Antwort eher, als Klarheit in die Geschichte zu bringen.

Zudem fiel es mir schwer, mich in die Charaktere hineinzuversetzen, weil wir zwar einen guten Einblick in ihr Innenleben bekommen, die merkürdigen Erlebnisse mich aber zu oft von ihrem inneren Konflikt ablenkten.

Letztendlich muss ich leider sagen, dass der Roman nichts allzu Besonderes war, auch wenn der Schreibstil und die Idee mir gefiel. Der seltsame Genre-Mix schreckte mich dann doch ab, weil er nichts Halbes und nichts Ganzes war. Vielleicht können andere Leser mehr mit der Geschichte anfangen, aber ich gehöre leider nicht dazu.

Eine Frage der Chemie
464 Seiten

Elizabeth Zott ist Wissenschaftlerin - was als Frau im Jahr 1961 nicht unbedingt einfach ist. Für ihre Zeit sehr fortgeschritten, stößt sie auf zahlreiche Menschen und Probleme - bis sie Moderatorin der Serie "Essen um sechs" wird, wo sie entschlossen ist, nicht nur zu kochen, sondern ihren Zuschauerinnen auch Chemie beizubringen - und ein selbstbestimmtes Leben ...

Ich muss zugeben, dass mich die Kurzbeschreibung erst mal abgeschreckt hat. Viel zu oft lese ich von "progressiven Frauen", die einfach wie Frauen des 21. Jahrhunderts wirken, die mit unserem heutigen Wissen in die Vergangenheit versetzt wurden. Sie wirken künstlich, nicht wie Teil der Jahrzehnte, in denen sie aufwuchsen. Zu meiner Freude traf das nicht auf Elizabeth Zott zu.

Natürlich ist auch sie im Gegensatz zu vielen anderen Frauen ihrer Zeit sehr viel fortschrittlicher, aber erstens ist es realistisch beschrieben und zweitens kommen auch die anderen Frauen zu Wort, statt nur unwichtige Nebenfiguren in Elizabeths Zott Geschichte zu sein. Also, Nebenfiguren sind sie schon - aber gute, weil auch sie dazulernen wollen und Elizabeth Zott ihnen bloß zeigt, wie.

Die Handlung hatte dabei einige dramatische Überraschungen, die ich so, wenn überhaupt, nur sehr selten gelesen habe. Dazu gehört auch das eigentliche Hauptthema, Chemie. Ich muss zugeben, dass es Bonnie Garmus nicht gelungen ist, es mir nahe zu bringen, weil viele Stellen bewusst nicht erklärt wurden und wohl nur für Kenner überhaupt verständlich sind. Deshalb war es gut, dass diese Stellen für die Handlung unerheblich waren und größtenteils dazu da sind, Elizabeth Zotts Wissen zu untermauern.

Der Schreibstil war trotz der eingeworfenen Fremdwörter äußerst angenehm zu lesen, sodass es Spaß machte, in die Geschichte einzutauchen und Elizabeth Zotts nächsten Schritt zu verfolgen. Mit ihr hat Bonnie Garmus einen Charakter erschaffen, der einem im Gedächtnis bleibt und mit dem man von Anfang bis Ende mitfiebert.

Dieses Buch zeigt hervorragend, warum es manchmal gut ist, aus seinen bekannten Genres herauszubrechen und mal etwas Neues auszuprobieren - denn unter Umständen gehört dazu ein wunderbarer Roman!

Cooper
224 Seiten

Im Jahr 1971 entführte ein Mann unter dem Pseudonym Dan Cooper ein Flugzeug, forderte 200.000 Dollar Lösegeld und sprang anschließend aus dem Flugzeug, ohne dass er oder der Großteil des Geldes je wieder gefunden wurde. In seinem Roman "Cooper" beschreibt Jens Eisel diese Ereignisse und stellt dabei seine eigene Theorie dazu auf, wer Dan Cooper wirklich gewesen ist.

Sehr gefallen hat mir, dass er sich dabei an den Tatsachen orientiert und sich nur dort künstlerische Freiheiten erlaubt hat, wo es passend war. Obwohl ich dank dem bekannten YouTube-Video "The Search For D. B. Cooper" von LEMMiNO sowie eigenen Recherchen die Ereignisse bereits kannte, hat es mir viel Spaß gemacht zu lesen, wie Jens Eisel sie beschreibt, weil er auch auf verschiedene Sichtweisen eingeht und uns so leicht mitfiebern lässt.

Etwas weniger haben mir die Ereignisse gefallen, die nach dem Sprung passierten, weil mich hier nur Coopers Seite der Geschichte interessierte - deren Auflösung übrigens nicht ganz klar war, weil ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, was genau der Autor mit dem Ende impliziert. Das ist aber im Anbetracht des Rests der Geschichte, die sehr spannend erzählt ist, ein vergleichsweise kleines Manko.

Wer sich für den Fall interessiert und ihn mal in Romanform lesen möchte, hat hiermit das richtige Buch dafür gefunden!

Der fürsorgliche Mr Cave
256 Seiten

Nachdem Antiquitätenhändler Terence Cave bereits seine Mutter und seine Ehefrau verloren hat, stirbt sein Sohn Reuben bei einem Unfall, woraufhin er fürchtet, auch noch seine Tochter Bryony zu verlieren. Entschlossen, das nicht geschehen zu lassen, stellt er immer mehr und mehr Regeln auf, um sie vor der Welt zu beschützen. Was er nicht begreift: Mit seinem Verhalten macht er alles nur noch schlimmer …

Das Buch ist geschrieben wie ein Brief, den Terence an seine Tochter Bryony schreibt, um ihr nicht nur zu gestehen, was er alles getan hat, sondern auch, um zu erklären, warum er es für notwendig hielt. Dadurch, dass er selbst Schwierigkeiten damit hat, einzusehen, dass er zu weit geht, war das sehr faszinierend, weil Matt Haig einen dadurch ermuntert, selbst über Terences Verhalten zu entscheiden.

Zumindest am Anfang habe ich versucht, ihn zu verstehen – der Verlust eines Kindes ist schließlich alles andere als leicht zu verarbeiten –, aber sehr schnell war klar, dass Reubens Tod keine Entschuldigung für all das ist, was er im Lauf des Romans tut. Was hier besonders verstörend – und herzzerbrechend – war, waren die Halluzinationen von Reuben, die Terence regelmäßig bekommt und in denen er sich einbildet, Reubens Geist würde in ihn fahren und ihn zu seinen Taten zwingen.

Tatsächlich habe ich mir gerade deshalb ein Ende für ihn gewünscht, in dem ihm geholfen wird, seine Probleme zu überwinden, während ich gleichzeitig längst wusste, dass sie viel zu groß und extrem waren, um überwunden zu werden. Während des Lesens erlebte ich mehrere Schockmomente, entsetzt davon, wie weit Terence zu gehen bereit war, um Bryony zu „beschützen“. Es war, als würde man einer Zündschnur beim Abbrennen zusehen, bis die Bombe schließlich explodiert.

Insgesamt handelte es sich um ein sehr intensives Leseerlebnis, das mich zum Nachdenken angeregt hat – auch wenn die Thematik definitiv nicht für jeden geeignet ist.

Ellis
152 Seiten

Nachdem die Ehe ihrer Eltern zerbricht, zieht Ellis mit ihrer Mutter von Italien nach Deutschland. Dort findet sie in dem Mädchen Grace bald eine gute Freundin. Nach einem Ereignis leben sie sich auseinander, treffen aber mehrere Jahre später wieder zusammen. Ellis beschließt, mit Grace Urlaub bei ihrer Familie in Italien zu machen. Dort muss sie sich nicht nur fragen, wer sie selbst eigentlich ist, sondern auch, welche Gefühle sie für Grace hat ...

In Momentaufnahmen erzählt Selene Mariani von Ellis' und Grace' Freundschaft, aber auch von Ellis' Leben allgemein. Die Kapitel sind allesamt kurz, wodurch sich dieses Buch in weniger als zwei Stunden durchliest, sofern man sich nicht die Zeit nimmt, die einzelnen Szenen auf sich wirken zu lassen. Allein deshalb plane ich, das Buch noch einmal zu lesen, weil es trotz seiner Kürze erfolgreich darin war, mir sowohl Ellis' Innenleben als auch ihre komplizierte Freundschaft zu Grace zu beschreiben.

Die einzige Kritik sehe ich in der achronistischen Erzählweise. Die Kapitel springen regelmäßig zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, was es aufgrund ihrer Kürze manchmal schwer machte, einzuordnen, wo man sich befindet. Auch deshalb lohnt sich ein zweiter Lesedurchgang.

Aus diesem Grund empfehle ich allen, die das Buch zum ersten Mal lesen, sich ruhig Zeit damit zu lassen, damit die Geschichte ihre volle Wirkung entfalten kann!

Die Zeitspringerin
352 Seiten

Faye hat nur zwei physische Erinnerungen an ihre verstorbene Mutter: Einen alten Karton, und ein Bild davon, wie sie als Kind hineinstieg. Als sie den Karton eines Tages auf ihrem Dachboden entdeckt, steigt sie spontan hinein – und fällt hindurch in die Vergangenheit, als sie selbst sechs Jahre alt und ihre Mutter noch am Leben war. Plötzlich bietet sich ihr nicht nur die Möglichkeit, ihre Mutter als Mensch kennenzulernen, sondern auch, herauszufinden, wie sie damals ums Leben kam …

Helen Fisher hat einen sehr flüssigen, hübschen Stil, der es leicht macht, die Geschichte in kurzer Zeit zu lesen. Die Beziehung zwischen Faye und ihrer Mutter ist dabei natürlich ein besonderes Highlight; ihre Interaktionen sind sehr intensiv beschrieben und haben ein melancholisches Gefühl in mir geweckt, weil die Autorin es wunderbar schafft, Fayes Gefühle den Lesern nahe zu bringen. Aus diesem Grund gehörten die Kapitel, die während der Vergangenheit spielten, zu meinen liebsten.

Aber auch die Gegenwart wartet mit sympathischen Figuren auf, speziell Fayes Ehemann Eddie und ihr bester Freund Louis. Beide sind mir im Lauf der Geschichte sehr ans Herz gewachsen. Zwar gibt es noch andere Charaktere, die durch ihre Liebenswürdigkeit hervorgestochen sind, aber Eddie und Louis waren durch ihre Screentime noch mal etwas Besonderes.

Die Regeln der Zeitreise folgen hierbei interessanterweise der „Stable Time Loop“, also der Annahme, das man nichts ändern kann, sondern alles, was man in der Vergangenheit tut, längst geschehen ist. Das Ende des Romans hat die Geschichte in diesem Sinne perfekt abgeschlossen, aber dafür ihre Botschaft (Loslassen und die Vergangenheit akzeptieren) nicht so gut umgesetzt, wie ich es gehofft hatte. Ich kann hier nicht mehr verraten, ohne zu spoilern, aber ein melancholischeres Ende hätte mir persönlich besser gefallen.

Zuletzt ist es erwähnenswert, dass es auch viele Diskussionen über Gott und seine Existenz gibt, weil Eddie, Fayes Ehemann, angehender Pfarrer ist, sie selbst aber nicht an Gott glaubt. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Atheisten diese Diskussionen bewerten würden; mich persönlich haben sie nicht gestört, doch kann ich nicht beurteilen, ob das anderen Lesern genauso ginge.

Letztendlich hat mir die Geschichte trotz ein, zwei kleinerer Schwächen sehr gut gefallen; wer Zeitreisen und vor allem eine gute Mutter-Tochter-Beziehung mag, findet hier eine wunderschön geschriebene Geschichte, die davon abgesehen noch ein wenig mehr zu bieten hat. :)