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Einträge mit dem Tag istanbul.

Eigentlich soll Maya nur Professor Maximilian Wagner während eines Kongresses betreuen, doch schnell fällt ihr auf, dass mehr hinter dem Professor steckt, als sie ursprünglich annahm. Als er sie bittet, ans Schwarze Meer zu fahren, damit er dort Geige spielen kann, stellt Maya Nachforschungen an - und erfährt von Nadja, der Frau, die er verloren hat ...

"Serenade für Nadja" ist keine Liebesgeschichte. Zwar fokussiert sich ein Kapitel speziell auf Maximilian und Nadja und bildet meiner Meinung nach auch das Highlight des Buches, aber viel mehr geht es um Maya und ihr Leben sowie um die historischen Hintergründe, die schließlich zu Nadjas Tod führten.

Ich muss zugeben, dass ich deswegen zunächst enttäuscht war - aufgrund der Kurzbeschreibung las ich das Buch mit der Erwartung, die Liebesgeschichte würde, ähnlich wie in anderen Büchern, regelmäßig in Rückblenden erzählt werden, weshalb ich in der ersten Hälfte der Geschichte recht ungeduldig wurde, weil das nicht geschah. Dabei ist Mayas Leben und speziell ihre Beziehung zu ihrem Sohn Kerem sehr eindringlich beschrieben worden, was ich aber erst im Nachhinein wertzuschätzen wusste. Hier wünschte ich wirklich, die Kurzbeschreibung hätte es nicht so klingen lassen, als würde Maximilians und Nadjas Liebe eine Hauptrolle spielen. (Sie ist natürlich wichtig, wird aber recht spät erzählt.)

Was die historischen Bezüge angeht, sind sie vor allem im Hinblick auf das Rückblende-Kapitel bemerkenswert: In der ersten Hälfte las ich all die Informationen mit mildem Interesse, doch als ich begriff, wie sie mit der persönlichen Geschichte von Maximilian und Nadja zusammenhingen, nahmen sie sofort eine andere Bedeutung an.

Stilistisch gibt es einen kleinen Kritikpunkt: Oft gibt es ganze Dialog-Batzen, in denen die Sprecher nicht erwähnt werden. Ich bin mehrmals durcheinander gekommen, weil ich während des anhaltenden Dialogs vergaß, wer nun mit Sprechen an der Reihe ist.

Ansonsten handelt es sich um eine schöne Geschichte, die alleinig von der Erwartungshaltung, die man ihr entgegen bringt, gemildert werden könnte. Wer sich für Geschichte interessiert und eine kleine Liebesgeschichte als bittersüßen Zusatz möchte, wird zufrieden sein; wer Fokus auf Liebesgeschichten legt und nicht viel mit historischen Ereignissen anfangen kann, sollte besser zu einem anderen Buch greifen. Ich fing an, die Geschichte zu genießen, sobald mir klar wurde, worum es eigentlich ging: Maya und ihre Konfrontation mit ihrer eigenen und Maximilians Vergangenheit.

Elsa und Adelle waren jahrelang unzertrennliche Schwestern, bis sie schließlich durch ein unbekanntes Ereignis auseinandergerissen wurden. Elsa zieht nach Istanbul, Adelle bleibt in Rom. Fünfzig Jahre sehen sie sich nicht; Elsa schreibt Adelle beständig Briefe, die diese nie beantwortet, bis sie es schließlich nicht mehr aushält und nach Hause zurückkehrt, um sich ein letztes Mal mit ihrer Schwester zu treffen und hoffentlich zu versöhnen. Inzwischen wohnt in ihrem ehemaligen Zuhause eine eigene Familie, die nach und nach erfahren, wie es dazu kam, dass die beiden Schwestern sich entzweiten …

Gleich zu Anfang weckt Ferzan Özpetek unsere Neugier, indem er mit einem von Elsas Briefen startet. Sofort war ich interessiert daran, zu wissen, wie genau es dazu kam, dass Elsa und Adelle sich fünfzig Jahre lang nicht sahen, was nur verstärkt wurde, sobald Elsa ihr altes Zuhause besucht, um dort zusammen mit der darin wohnenden Familie und ihren Freunden auf die Ankunft ihrer Schwester zu warten. Schön dabei war vor allem, dass wir Elsas Sicht nur in ihren Briefen zu lesen bekommen, während die gegenwärtige Elsa und die später hinzukommende Adelle aus Sicht der verschiedenen Familienmitglieder beschrieben werden. Diese haben so ihre eigenen Probleme, werden aber so von Elsas und Adelles Geschichte gefesselt, dass diese größtenteils in den Hintergrund rücken. Das hat mir zugegeben weniger gefallen – ich hätte neben der Geschichte der Schwestern gerne gelesen, wie es für die anderen Charaktere ausgeht, was leider nicht geschah.

Der Schreibstil und der beständige Wechsel zwischen gegenwärtiger Erzählung und vergangenen Briefen war sehr angenehm zu lesen, die Erwartungshaltung immer weiter in die Höhe geschraubt. Zeitweise fürchtete ich, für den Zwist der Schwestern gäbe es einen sehr offensichtlichen, banalen Grund, aber die einzelnen Details der offensichtlichen Erklärung vermochten mich dann doch zu fesseln, vor allem, wenn man das Ende des Romans bedenkt, der, ohne zu viel verraten zu wollen, die ganze Geschichte in eine neue Perspektive rückt. Zwar ist es schwer einzuschätzen, ob diese Perspektive überhaupt Sinn macht, aber ich bin sicher, dass ich bei einem zweiten Lesedurchgang viele Hinweise dazu entdecken werde.

Insgesamt ein kurzweiliger, jedoch sehr packender Roman, der es schafft, seine Leser beim Ball zu halten und eine unerwartete Auflösung bietet!