Bücherregal lädt …
Spinner
336 Seiten

„Spinner“ ist der erste Roman, den Benedict Wells geschrieben hat – und um ehrlich zu sein, merkt man das auch. Das Buch ist mitnichten schlecht, aber definitiv schräg, was vor allem dadurch zustande kommt, dass der Hauptcharakter Jesper Lier seine eigene Geschichte gerne ausschmückt, teils an Halluzinationen leidet und die Struktur des Romans, die ihn in sieben Wochentage einteilt, es erlaubt, so einige seltsame Dinge geschehen zu lassen.

So geht es nicht nur im Jespers schwieriges Leben, sondern auch um seine Freunde Gustav und Frank, seine Schwärmerei für die Studentin Miriam, seinen Roman „Der Leidensgenosse“ und noch einige Dinge mehr. Was mir hier sehr gefallen hat, ist, dass insgesamt jeder Handlungsstrang ein Ende fand, was für mich nach dem leicht episodenhaften Beginn nicht selbstverständlich war. Auch den Humor, den Benedict Wells einbaut, mochte ich. Trotzdem war der Roman mir stellenweise zu schräg, weil mich die Zufälle, die Jesper passieren, teils aus der Geschichte holten, weil sie nicht wie natürliche Zufälle wirkten, sondern welche, die der Autor eingebaut hat. (Natürlich entscheidet letztendlich alles der Autor, aber normalerweise wird das nicht so deutlich wie hier.)

Gegen Ende lassen diese Zufälle glücklicherweise nach und es wird auf ernstere Themen eingegangen, vor allem im Bezug auf Jespers Zustand, den dieser den gesamten Roman lang ignoriert hat, bis er es nicht mehr konnte. Hier gibt es auch einige notwendige Erklärungen – zum einen Wahrheiten, die Jesper vor sich verbarg bzw. die vor ihm verborgen wurden sowie die Tatsache, dass einige seiner Geschehnisse zumindest teilweise halluziniert waren. Es ist relativ deutlich, um welche Geschehnisse es sich hierbei handelt, aber verwirrend war es trotzdem ein wenig.

Insgesamt ein Erstlingswerk, dem es gut gelingt, seine Handlungen zu Ende zu führen, jedoch nicht ganz so gut, sie wie eine natürliche Konsequenz von Jespers Handlungen darzustellen. Umso mehr freue ich mich schon darauf, zu sehen, wie Benedict Wells sich im Lauf der Zeit verbessert hat!

Der Kreidemann
384 Seiten

Mit zwölf Jahren sah Eddie seine erste Leiche. Ein Mädchen, zerstückelt im Wald. Mehrere Kreidezeichnungen haben ihn dort hingeführt. Als dreißig Jahre später ein alter Freund von ihm behauptet, er wüsste, wer das Mädchen damals umgebracht hat, muss Eddie sich gezwungenermaßen mit seiner Vergangenheit konfrontieren ...

Auch wenn "Der Kreidemann" ein paar sehr gute Twists und Kapitelenden hat, ist er insgesamt nicht ganz so spannend geschrieben wie die Nachfolgeromane Tudors. Es fällt um einiges leichter, diesen Thriller zur Seite zu legen, nur stellenweise spürt man den Sog, weiterzulesen. Dafür übertrumpft der Roman die anderen, was seine Auflösung angeht - alle offenen Fragen werden beantwortet und ihre Antworten waren insgesamt sehr zufriedenstellend. Interessanterweise habe ich, was die Twists angeht, ausgerechnet den Epilog-Twist vorausgeahnt, was meinem Lesegenuss jedoch keinen Abbruch tat, weil er hervorragend geforeshadowt wurde - man kann den Twist erraten, aber offensichtlich ist er nicht.

Der Titel des Buches, "Der Kreidemann" passt imho nur halb. Zwar spielt dieser "Kreidemann" (bei dem es sich um einen albinistischen Lehrer handelt) durchaus eine wichtige Rolle, ist aber letztendlich nur einer von vielen wichtigen Figuren.

Der Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart hat mir gut gefallen, hat es aber oft schwer gemacht, mitzufiebern, weil man wusste, dass man am Ende eines potentiellen Cliffhanger-Kapitels erst mal ein anderes lesen muss, bevor die Auflösung kommt. Hier finde ich, dass C. J. Tudor in späteren Thrillern eine packendere Struktur anwendet.

Für ein Erstlingswerk ein guter Start, wobei schön zu sehen ist, dass die Autorin sich mit jedem Buch ein Stück verbessert hat :)

The Age of Darkness - Feuer über Nasira
576 Seiten

Die Grundlage dieses Romans ist etwas, das ich eigentlich nicht leiden kann: Prophezeiungen. Meiner Meinung nach sollten Autoren endlich aufhören, sich ihrer zu bedienen, weil sie eine Geschichte fast schon automatisch schlechter machen. Trotzdem beschloss ich, dem Buch eine Chance zu geben, weil ich las, dass es an Leigh Bardugos Krähen-Duologie erinnern soll. Was soll ich sagen? Ich bin absolut begeistert!

Obwohl mir der Prophezeiungs-Aspekt trotz guter Umsetzung nicht zusagen will, bietet dieser Roman so viel mehr an, was einen begeistert: Die Charaktere, die Story, die Twists. Unsere fünf Sichtcharaktere sind der Prinz Hassan, die Mörderin Ephyra, der Paladin Jude, der Spieler Anton und die Todgeweihte Beru. Und Katy Rose Pool gelingt es hervorragend, uns alle sympathisch zu machen und ihre guten und schlechten Seiten zu zeigen. Ich habe mit jedem Charakter mitgefiebert, mitgefühlt und mitgehofft. Gehofft, dass jeder sein Ziel erreicht, was gerade bei gegensätzlichen Zielen sehr spannend war. Vor allem, weil die Charaktere mindestens genauso oft scheitern, wie sie gewinnen - in diesem Roman kann man sich nie sicher sein, dass alles gut werden wird, weil die Charaktere hier tatsächlich versagen können und den Preis für falsche Entscheidungen zahlen müssen.

Zusätzlich fanden sich die Figuren in einem erstaunlich dichten Plot wieder - von Anfang bis Ende hing ich an den Buchseiten und habe mich nie gelangweilt, was bei ca. 570 Seiten eine Meisterleistung ist. Die Twists haben mir hierbei wohl am besten gefallen, weil sie überraschend waren, im Rückblick aber allesamt Sinn ergaben. Also genauso, wie Twists meiner Meinung nach sein sollten.

Dementsprechend freue ich mich sehr auf den zweiten und dritten Band, die im Verlauf des nächsten Jahres erscheinen werden. Katy Rose Pool ist hier ein wahrhaft fantastisches Debüt gelungen!