Von Norden rollt ein Donner
287 Seiten

Im Zentrum des Buches steht Jannes, ein 19-jähriger junger Mann, der zusammen mit seinen Eltern und dem Grossvater in der Lüneburger Heide lebt.

Jannes ist wie sein Vater und Grossvater Schäfer; jeden Tag, bei jedem Wetter, geht er mit den Schafen nach draussen. Touristen kommen zu Besuch und schwärmen von der Umgebung. Auch das Fernsehen taucht auf und macht Aufnahmen von der idyllischen Winterlandschaft.

Aber was sich vordergründig als heile Welt zeigt, ist in Wirklichkeit von vielem bedroht. Die Arbeit lohnt sich finanziell nicht mehr, der Vater ist krank und geistig verwirrt, weshalb Jannes noch häufiger nach draussen muss.

Dann wird in der Nähe ein Wolf gesichtet, und es beginnen Diskussionen darüber, was zu tun ist. Der Grossvater sagt, man solle ihn abknallen. Vorläufig aber schaffen sie sich einen Herdenschutzhund an.

Jannes zieht sich immer mehr zurück, und auch die Abende mit seinen Freunden machen ihm keine Freude mehr, denn es geht eigentlich nur noch darum, sich zu betrinken. Und dann hat er auch noch Erscheinungen von einer Frau – eine Hexe? Jannes beginnt, an seiner eigenen geistigen Gesundheit zu zweifeln.

Doch dann kommt Jannes auf die Spur eines Familiengeheimnisses, das im Zusammenhang mit einem Arbeitslager steht, das während der NS-Zeit ganz in der Nähe war.

Und es zeigt sich immer mehr: Nicht der Wolf ist die eigentliche Bedrohung, sondern der Mensch …

Das Buch ist sehr spannend zu lesen und wurde völlig zurecht für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Dschinns
366 Seiten

Fatma Aydemir erzählt die Migrationsgeschichte einer kurdisch-türkischen Familie und ihrem An- und Zurechtkommen in Deutschland. Sehr gelungen ist, dass die Autorin jedem der sechs Familienmitglieder ein Kapitel gibt und darin der Perspektive der jeweiligen Protagonisten Raum gibt. Daraus entsteht Seite für Seite ein schärferes Bild dieser Familie, ihren Lebensumständen, Erwartungen und Erfahrungen. Sehr lesenswert.

Die Wut, die bleibt
384 Seiten

Die Müdigkeit ist zu einem Hintergrundgeräusch geworden, einem Dauerbrummen. [...] Und wer zu den Schlafenden gehört, weiss gar nicht, wie lang die Nächte in Wahrheit sind. Das ist Wissen, das die Schlaflosen teilen (bei ca. 1:17:00)

Helene ist Mutter von drei Kindern. Eines Abends steht sie während dem Abendessen mit der Familie auf, geht zum Balkon und springt. Der Schock, die Trauer, die Überforderung ist gross. Sarah, Helenes beste Freundin, springt für sie ein und übernimmt die Kinderbetreuung, den Haushalt. Johannes, Helenes Mann, nimmt Sarahs Hilfe dankbar an und entzieht sich seiner Verantwortung, selbst für die Familie zu sorgen. Die 15 jährige Lola, Helenes älteste Tochter, versucht durch Kampfsport, mit ihren Emotionen, ihrer Wut - die nicht nur gegen den Suizid ihrer Mutter, sondern besonders auch gegen das Patriarchat gerichtet ist - zurechtzukommen. Mit drei feministischen Freundinnen zusammen beginnt sie, sich bei Männern, die Frauen jemals unrecht getan haben, zu rächen.

Die Autorin kritisiert mit dem Buch ganz klar die patriarchalischen Strukturen, die sich hartnäckig in unserer Gesellschaft halten. Die unbezahlte Care-Arbeit, die noch immer hauptsächlich von Frauen verrichtet wird und kaum eine Wertschätzung erhält. Die Gefahren, denen Frauen noch immer ausgesetzt sind und die so oft von Männern ausgehen. Die Wut, die in diesem Buch steckt, schwappt beim Lesen über. Ein wichtiges Thema in eine tolle, packende Geschichte verpackt. Manches mag vielleicht überzeichnet sein, aber darum geht's nicht. Auch wenn Lolas Racheakt mit ihrer Frauengruppe realitätsfremd scheinen mag, der Gedanke daran gefällt.

What Women Want
366 Seiten

Großartig bewegendes Buch über eine Psychotherapeutin und die wertschätzenden Portraits von sieben ihrer Patientinnen. „Lang lebe unser Einsatz füreinander. Ein hoch auf unser Verlangen, unsere Kraft, unsere Liebe und unser Wachstum. Und lang lebe unsere fortwährende Reise als begehrende Frauen, die wir unsere Herzen weit öffnen und voller Mut laut aussprechen:“

Die Bücherdiebin
592 Seiten

Eines der schönsten traurigen und traurig schönsten Bücher, die ich je gelesen habe. Am Ende habe ich Rotz und Wasser geheult, konnte kaum weiterlesen, weil mein Blick so verschwommen war und man muss dazu sagen, dass ich selten bis nie bei Büchern weine.

Windstärke 17
256 Seiten

Ich weiss nicht, was ich machen soll. Rausgehen, rennen, schwimmen. Hier drinnen ist es mir zu laut, zu gefährlich, die Gedanken zerschneiden mein Inneres messerscharf zu ungleich grossen Gulaschklumpen. (S. 202)

Nachfolgeroman von "22 Bahnen", diesmal aus dem Leben von Ida, Tildas kleiner Schwester. Wer diesen Roman mochte, wird mit "Windstärke 17" ebenfalls happy.

Nach Mutters Tod möchte Tilda, dass Ida zu ihr nach Hamburg kommt. Ida landet jedoch nicht in Hamburg, sondern reist ohne ein bestimmtes Ziel weiter nach Rügen. Dort lernt sie Marianne und Knut, ein älteres Ehepaar, kennen, die sie bei sich aufnehmen. In Rügen kämpft Ida gegen ihre Schuldgefühle an, die sie seit dem Tod ihrer Mutter quälen. Sie lernt Leif, ein junger DJ und Surfer, kennen und eine Liebesgeschichte bahnt sich an. Als bei Marianne Krebs diagnostiziert wird, droht Idas Leben erneut aus den Fugen zu geraten.

Wie "22 Bahnen" hat mich das Buch tief berührt und ergriffen. Idas Trauer und Wut waren zeitweise kaum auszuhalten, ich habe Seite für Seite mitgelitten. Und immer wieder sehr viel Liebe und Geborgenheit, die Ida durch das ältere Ehepaar, aber auch durch Leif und Tilda, erfährt. Wunderschön!