Im Zentrum des Buches steht Jannes, ein 19-jähriger junger Mann, der zusammen mit seinen Eltern und dem Grossvater in der Lüneburger Heide lebt.
Jannes ist wie sein Vater und Grossvater Schäfer; jeden Tag, bei jedem Wetter, geht er mit den Schafen nach draussen. Touristen kommen zu Besuch und schwärmen von der Umgebung. Auch das Fernsehen taucht auf und macht Aufnahmen von der idyllischen Winterlandschaft.
Aber was sich vordergründig als heile Welt zeigt, ist in Wirklichkeit von vielem bedroht. Die Arbeit lohnt sich finanziell nicht mehr, der Vater ist krank und geistig verwirrt, weshalb Jannes noch häufiger nach draussen muss.
Dann wird in der Nähe ein Wolf gesichtet, und es beginnen Diskussionen darüber, was zu tun ist. Der Grossvater sagt, man solle ihn abknallen. Vorläufig aber schaffen sie sich einen Herdenschutzhund an.
Jannes zieht sich immer mehr zurück, und auch die Abende mit seinen Freunden machen ihm keine Freude mehr, denn es geht eigentlich nur noch darum, sich zu betrinken. Und dann hat er auch noch Erscheinungen von einer Frau – eine Hexe? Jannes beginnt, an seiner eigenen geistigen Gesundheit zu zweifeln.
Doch dann kommt Jannes auf die Spur eines Familiengeheimnisses, das im Zusammenhang mit einem Arbeitslager steht, das während der NS-Zeit ganz in der Nähe war.
Und es zeigt sich immer mehr: Nicht der Wolf ist die eigentliche Bedrohung, sondern der Mensch …
Das Buch ist sehr spannend zu lesen und wurde völlig zurecht für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Düster und bedrückend, so ziellos das Umherirren und Streben der beiden Protagonisten, so deutlich erkennt man das Menschsein, wenn es auf das Nötigste reduziert ist.
Fatma Aydemir erzählt die Migrationsgeschichte einer kurdisch-türkischen Familie und ihrem An- und Zurechtkommen in Deutschland. Sehr gelungen ist, dass die Autorin jedem der sechs Familienmitglieder ein Kapitel gibt und darin der Perspektive der jeweiligen Protagonisten Raum gibt. Daraus entsteht Seite für Seite ein schärferes Bild dieser Familie, ihren Lebensumständen, Erwartungen und Erfahrungen. Sehr lesenswert.
Die Müdigkeit ist zu einem Hintergrundgeräusch geworden, einem Dauerbrummen. [...] Und wer zu den Schlafenden gehört, weiss gar nicht, wie lang die Nächte in Wahrheit sind. Das ist Wissen, das die Schlaflosen teilen (bei ca. 1:17:00)
Helene ist Mutter von drei Kindern. Eines Abends steht sie während dem Abendessen mit der Familie auf, geht zum Balkon und springt. Der Schock, die Trauer, die Überforderung ist gross. Sarah, Helenes beste Freundin, springt für sie ein und übernimmt die Kinderbetreuung, den Haushalt. Johannes, Helenes Mann, nimmt Sarahs Hilfe dankbar an und entzieht sich seiner Verantwortung, selbst für die Familie zu sorgen. Die 15 jährige Lola, Helenes älteste Tochter, versucht durch Kampfsport, mit ihren Emotionen, ihrer Wut - die nicht nur gegen den Suizid ihrer Mutter, sondern besonders auch gegen das Patriarchat gerichtet ist - zurechtzukommen. Mit drei feministischen Freundinnen zusammen beginnt sie, sich bei Männern, die Frauen jemals unrecht getan haben, zu rächen.
Die Autorin kritisiert mit dem Buch ganz klar die patriarchalischen Strukturen, die sich hartnäckig in unserer Gesellschaft halten. Die unbezahlte Care-Arbeit, die noch immer hauptsächlich von Frauen verrichtet wird und kaum eine Wertschätzung erhält. Die Gefahren, denen Frauen noch immer ausgesetzt sind und die so oft von Männern ausgehen. Die Wut, die in diesem Buch steckt, schwappt beim Lesen über. Ein wichtiges Thema in eine tolle, packende Geschichte verpackt. Manches mag vielleicht überzeichnet sein, aber darum geht's nicht. Auch wenn Lolas Racheakt mit ihrer Frauengruppe realitätsfremd scheinen mag, der Gedanke daran gefällt.
Zweiter Teil und wieder ein wunderbares Geschenk von meiner Lieblingsschwiegermutter :) Hat total Spaß gemacht zu lesen und es ist schön in zurück in die Welt von Fantasy und YA abzutauchen.
Saša Stanišićs unvergleichlicher Humor steckt auch hier in jeder Zeile, im Duktus, im Rhythmus und selbst im Schriftsatz. Zuweilen fühlt sich das Werk fast schon an wie nihilistisches Shitposting. Vielleicht bleibt angesichts des uns um die Ohren fliegenden Klimas, der globalen Sicherheitslage, der zunehmenden sozialen Ungleichheit, des Wiedererstarkens rechtsextremer Kräfte generell und im Speziellen die demokratiefeindliche AfD in den Parlamenten nichts anderes übrig, als mit einem irren Lachen durch die Welt zu gehen 🤷♂️
Aber vielleicht ist genau das auch irgendwie das größte Problem, das ich mit „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne" habe. Die ausgestellte Problematisierung der oben aufgezählten Tatsachen hat auf mich oft wie eine Pflichtübung gewirkt, ein Aufzählen kleinster gemeinsamer Nenner, auf die sich vernunftbegabte Menschen hoffentlich einigen können.
Dann gibt es wieder wahnsinnig poetische Einschläge, die Perspektiven verrücken, zuvor geknüpfte Stränge wieder aufdröseln und neu zusammenführen, die zutiefst berühren und Hoffnung keimen lassen. Hach.
Großartig bewegendes Buch über eine Psychotherapeutin und die wertschätzenden Portraits von sieben ihrer Patientinnen. „Lang lebe unser Einsatz füreinander. Ein hoch auf unser Verlangen, unsere Kraft, unsere Liebe und unser Wachstum. Und lang lebe unsere fortwährende Reise als begehrende Frauen, die wir unsere Herzen weit öffnen und voller Mut laut aussprechen:“
Eines der schönsten traurigen und traurig schönsten Bücher, die ich je gelesen habe. Am Ende habe ich Rotz und Wasser geheult, konnte kaum weiterlesen, weil mein Blick so verschwommen war und man muss dazu sagen, dass ich selten bis nie bei Büchern weine.
Ich weiss nicht, was ich machen soll. Rausgehen, rennen, schwimmen. Hier drinnen ist es mir zu laut, zu gefährlich, die Gedanken zerschneiden mein Inneres messerscharf zu ungleich grossen Gulaschklumpen. (S. 202)
Nachfolgeroman von "22 Bahnen", diesmal aus dem Leben von Ida, Tildas kleiner Schwester. Wer diesen Roman mochte, wird mit "Windstärke 17" ebenfalls happy.
Nach Mutters Tod möchte Tilda, dass Ida zu ihr nach Hamburg kommt. Ida landet jedoch nicht in Hamburg, sondern reist ohne ein bestimmtes Ziel weiter nach Rügen. Dort lernt sie Marianne und Knut, ein älteres Ehepaar, kennen, die sie bei sich aufnehmen. In Rügen kämpft Ida gegen ihre Schuldgefühle an, die sie seit dem Tod ihrer Mutter quälen. Sie lernt Leif, ein junger DJ und Surfer, kennen und eine Liebesgeschichte bahnt sich an. Als bei Marianne Krebs diagnostiziert wird, droht Idas Leben erneut aus den Fugen zu geraten.
Wie "22 Bahnen" hat mich das Buch tief berührt und ergriffen. Idas Trauer und Wut waren zeitweise kaum auszuhalten, ich habe Seite für Seite mitgelitten. Und immer wieder sehr viel Liebe und Geborgenheit, die Ida durch das ältere Ehepaar, aber auch durch Leif und Tilda, erfährt. Wunderschön!
Millie ist inzwischen glücklich verheiratet und hat zwei Kinder. Zusammen mit ihrer Familie zieht sie in ihr absolutes Traumhaus, froh, ein neues Leben anfangen zu können. Doch so friedlich, wie es den Anschein hatte, ist die Gegend nicht. Ihre Nachbarin macht sich an Millies Ehemann Enzo ran, ihr Sohn Nico zieht sich von ihr zurück und ihre Tochter Ada scheint ebenfalls nicht glücklich zu sein. Was haben die Nachbarn zu verbergen? Warum gibt es in ihrem Haus ein geheimes Zimmer? Was will die Haushaltshilfe, die bei Millie aufräumt? Diese und viel mehr Fragen muss Millie beantworten – vor allem, als dann noch eine Leiche gefunden wird …
Mit „Sie wird dich finden“ findet die Geschichte um Millie einen zufriedenstellenden und sehr spannenden Abschluss. Und obwohl es kleine Referenzen an die vorigen Bücher gibt, lässt sich auch dieser Band unabhängig von den anderen lesen (wobei es aber natürlich nicht schadet, sie chronologisch anzugehen).
Was Freida McFadden einfach großartig hinbekommt, ist es, uns Leser:innen in die Irre zu führen. Die falschen Fährten, die sie einbaut, sind gerade subtil genug, um auf sie hereinzufallen, was mir hier mehr als einmal passierte. Ich war absolut überzeugt von einer bestimmten Theorie, die ich mir im Lauf des Thrillers bildete, weil sie auf genau die richtige Art und Weise angedeutet wurde – nur, um komplett überrascht zu werden, als die Wahrheit herauskam. Ich liebe es einfach, wie es der Autorin immer wieder gelingt, einen Plot zu schmieden, der zunächst offensichtlich scheint, aber dann mit einer großen Überraschung das, was davor kam, in einem anderen Licht darstellt.
Der Schreibstil liest sich flott und flüssig, die Hauptcharaktere sind sehr sympathisch. Tatsächlich gehörten die persönlichen Probleme, mit denen Millie und ihre Familie sich konfrontiert sahen, zu meinen persönlichen Highlights, weil ich mich so aufrichtig um alle Familienmitglieder sorgte. Dadurch, dass auch die Spannung stets erhalten blieb, brauchte ich nur etwas mehr als einen Tag, um die Geschichte in mich aufzusaugen.
Wer die anderen Millie-Thriller gelesen hat und/oder allgemein einen spannenden Thriller mit vielen falschen Fährten lesen möchte, darf hier beherzt zugreifen!