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Orbital
144 Seiten

The thoughts you have in orbit are so grandious and old. Think a new one, a completely fresh unthought one. But there are no new thoughts. They‘re just old thoughts born into new moments - and in these moments is the thought: without that earth we are all finished. We couldn’t survive a second without its grace, we are sailors on a ship on a deep, dark unswimmable sea. (S. 8-9)

Up here, "nice" feels such an alien word. It's brutal, inhuman, overwhelming, lonely, extraordinary and magnificent. There isn't one single thing that is nice. (S.17)

Our lives here are inexpressibly trivial and momentous at once [...]. Both repetitice and unprecedented. We matter greatly and not at all. To reach some pinnacle of human achievement only to discover that your achievements are next to nothing and that to understand this is the greatest achievement of any life, which itself is nothing, and also much more than everything. Some metal separates us from the void; death is so close. Life is everywhere, everywhere. (S.121)

Zwei Austronautinnen und vier Astronauten schweben in einer Raumstation durchs All und umkreisen in 24 Stunden die Erde sechzehnmal, alle 90 Minuten. Das Buch dauert genau 16 Umlaufbahnen, 24 Stunden. Die Autorin lässt die Lesenden in diesen 24 Stunden teilhaben am Alltag dieser Astronaut:innen. Wie sie auf engstem Raum schlafen, essen, arbeiten - und immer wieder die Erde von oben beobachten. Im Laufe der Geschichte wird auch immer wieder ein bisschen aus dem "erdischen" Leben von den Astronaut:innen erwähnt. Doch meist bleibt die Autorin in der Raumstation, bei den sechs Astronaut:innen, die sich für uns in einem absolut unvorstellbaren Alltag bewegen, fernab ihrem Zuhause und fernab jeglichem Zeitgefühl - und sich kleinen und grossen Fragen stellen, mit einer ganz speziellen Sichtweise auf unseren Planeten.

Wie unglaublich poetisch dieser Roman ist! Ich war ganz fasziniert davon, wie Samantha Harvey es schafft, mich als Leserin ins All mitzunehmen, mich ganz nah bei ihren Protagonist:innen zu lassen. Und wie sie ihre philosophischen Gedanken in wunderschöne Sätze bettet. Wie faszinierend der Blick von oben auf unseren Planeten ist - und das nur anhand ihren Beschreibungen. Der Roman lässt einem wieder ganz bewusst werden, wie wir unserem Planeten unbedingt Sorge tragen müssen. Das Buch hat mich ganz verzaubert, und das, obwohl mich die Raumfahrt bislang nicht begeistern konnte.

Der Wald
464 Seiten

Eine bisher unbekannte, äusserst invasive Pflanze breitet sich auf der ganzen Welt plötzlich rasant aus. Die Pflanze ist aggressiv. Ihre Pollen, ihre Dornen, ihr Saft - alles an ihr ist hoch gefährlich, so dass sie weltweit Menschen krank macht und für viele Todesfälle sorgt. Ausbreiten konnte sie sich, da tausende Menschen weltweit anonyme Post mit Pflanzensamen erhalten - und bei sich zuhause eingepflanzt haben. Auch wenn die Behörden schnell reagieren und davor warnen, diese Samen einzupflanzen, ist es bereits zu spät. Die Pflanzen wuchern und kein Mittel scheint das Wachstum dieser zu stoppen. Der Botaniker und Autor Marcus Holland hört das erste Mal von dieser besorgniserregenden Pflanze an einer seiner Bücherlesungen. Die junge Frau, die ihn auf diese anbahnende Katastrophe anspricht, wird nach der Lesung vor seinen Augen verschossen. Er geht der Sache nach und bringt sich dabei selber in grosse Gefahr...

Fundiert recherchierter Wissenschafts- und What-If-Thriller. Mich hat die Geschichte von Anfang an gepackt und die Spannung hat bis zum Schluss angehalten. Viel gelernt über die Pflanzenwelt und sogar über Johann von Goethe! Nicht zuletzt regt die Geschichte sehr zum Nachdenken an. Kleiner Wehrmutstropfen: Der Schluss fand ich doch etwas zu theatralisch.

Nicht zuletzt ein toller Sprecher mit angenehmer Stimme und schauspielerischer Professionalität.

Do Re Mi Fa So
192 Seiten

Franz ist im perfekten Alter. Wäre er ein Brot, müsste man ihn jetzt aus dem Ofen nehmen. (S.21)

Auch kleine Probleme schreibt man mit grossem P. (S.74)

Von der Badewanne aus kann niemand die Welt retten. (S.143)

Sebastian Saum ist ein erfolgreicher Opernsänger, er lebt mit seinem besten Freund Franz in seinem Elternhaus. Am Tag nach seines 40. Geburtstages nimmt er ein Vollbad und beschliesst, in der Wanne zu bleiben. Er trocknet sie aus und belegt sie mit Decken und Kissen. Während mehr als zwei Wochen bleibt er im Badezimmer, in der Wanne. Franz versorgt ihn derweilen mit Essen und Gesellschaft. Je mehr Tage vergehen, desto mehr distanziert er sich von seinem Leben, seinen Aufgaben und Rollen. Auch Franz distanziert sich nach einigen Tagen von ihm, sein Verständnis lässt nach, er macht sich Sorgen um die mentale Gesundheit seines Freundes.

Mich hat der Plot sehr neugierig gemacht. Er klang sehr originell und komisch. Die Geschichte hat mich aber leider dann doch nicht überzeugt. Sebastians Gedanken driften teilweise so arg ab, was ich nur anstrengend und wenig interessant fand. Die Autorin verfügt über einen grossen Wortwitz, was ich mochte.

Letzte Lügen
560 Seiten

Will hat für sich und seine frischgebackene Ehefau Sara eine Woche in einer Lodge der Familie McAlpine in den Bergen gebucht. Es soll ihre Hochzeitsreise werden. Schon in der ersten Nacht jedoch wird ihre Auszeit durch einen Mord getrübt. Sie finden Mercy, die Tochter der McAlpines und Managerin der Lodge, schwerverletzt beim See und noch bevor sie sagen kann, wer auf sie mehrmals eingestochen hat, stirbt sie. Will und Sara, die beide bei der Polizei arbeiten (Sara als Gerichtsmedizinerin), versuchen alles, den Fall zu lösen. Fast alle in der Familie von Mercy haben ein Motiv...

Oft etwas langatmig, manchmal handelten die einzelnen Charakteren, meiner Meinung nach, unglaubwürdig, was mich störte. Im Grossen und Ganzen war ich aber unterhalten ab der Geschichte.

All the Little Bird-Hearts
304 Seiten

I felt silent that day, as I frequently do, and unnecessary conversation seems then like an exertion that, while possible, will leave me compromised afterwards. Like running an unnecessary mile when you are terribly unfit but technically able. (S.144)

"Congratulations", that word that covers so man situations and that I cannot use in conversation, because it requires both substantial consideration and in-depth prior knowledge. People seem thrilled to hear it in the proper context, but this term demands an understanding of their very private desires. How can you always know that they even want the outcome for which you are congratulating them? What if they are embarrassed by the specific change and you draw uncomfortable attention to them by celebrating it? It is impossible to know another person's unspoken wants, and, conversely, to guess at their secret horrors, too. (S.252)

If loud noise and artificial light do not pain you, you cannot know the sublime relief of silence, of dullness. I intimately know both states; I have learned to live through the chaos and wait for the reward of stillness, knowing it will eventually come for me. (S.281)

Sunday lebt mit ihrer 16-jähriger Tochter Dolly in ihrem Elternhaus. Sunday ist autistisch, sie fühlt sich oft verloren in sozialen Situationen. Ein Ratgeber aus den 50er Jahren gibt ihr Halt, er zeigt ihr, wie man sich in den verschiedensten Situationen "richtig" verhält. Ihr Leben verändert sich, als Vita und ihr Mann nebenan einziehen. Sie freunden sich schnell an und Sunday fühlt sich geliebt wie selten zuvor. Auch Dolly freundet sich mit Vita an. Als Leser:in ist schnell spürbar, dass sich mit dieser Freundschaft etwas Unheilvolles anbahnt.

Mich hat die Geschichte sehr berührt. Die Geschichte gibt einen intimen Einblick in ein Leben einer autistischen Person (die Autorin ist selbst Autistin). Die Ausführungen über diese Mutter-Tochter-Beziehung, die durch Dollys Freundschaft mit Vita zunehmend ins Wanken gerät, nahmen mich sehr mit. Auch wenn sich das Ende schon bald abzeichnete, überraschte mich dann doch sehr, wie genau sich das Ende abspielte.

Kalt und still
512 Seiten

Nachdem die Polizistin Hanna Ahlander ihre Stelle in Stockholm verliert und sie auch gleich noch von ihrem langjährigen Freund aus ihrer gemeinsamen Wohnung geworfen wird, sucht sie Ruhe im Ferienhaus ihrer Schwester im Norden Schwedens. Doch kaum ist sie in Åre, wird dort die 18-jährige Amanda vermisst. Nach einer Party ist sie nicht mehr nachhause gekommen. Nachdem Hanna auf interessante Infos stösst, bietet sie der Polizeit ihre Hilfe an.

Okayer Krimi, die Auflösung war vorhersehbar, viele Entscheidungen waren nicht nachvollziehbar. Ich hatte mir von Viveca Sten mehr erhofft, es war mein erstes Buch von ihr.

& Der Mann, der kein Mörder war
592 Seiten

Kinder entdecken in einem Weiher in Västerås eine Leiche eines seit Tagen vermissten Jugendlichen. Wie sich herausstellt, wurde mehrmals auf ihn eingestochen und sein Herz herausgerissen. Die Ortspolizei kommt in der Ermittlung nicht weiter und holt sich Hilfe von Stockholm. Und auch Sebastian Bergman, ein früher erfolgreicher Kriminalpsychologe, der seit dem Tod seiner Frau und Tochter jedoch nicht mehr gearbeitet hat, drängt sich dem Team auf - aus nicht selbstlosen Hintergedanken. Er eckt mit seiner schwierigen Art bei allen an, aber sie merken im Team schnell, dass sie Bergman dringend benötigen, um den Fall zu klären.

Der erste Band der Reihe um den Kriminalpsychologen Sebastian Bergman. Bergman ist arrogant, überheblich, sexsüchtig, traumatisiert von schweren Schicksalsschlägen. Und er ist gut in seiner Arbeit. Eine spannende Figur, die in mir ambivalente Gefühle auslöste. Eine gelungene Geschichte, die für mich bis zum Schluss nicht durchschaubar war. Ich kann mir durchaus vorstellen, einen weiteren Bergman-Fall anzuhören.

Muskeln aus Plastik
240 Seiten

Chronische Erkrankungen haben im Gegensatz zu Unfällen meiner Meinung nach vor allem ein dramaturgisches Problem: Care und Empathie halten maximal so lange wie ein Gips, und man weiss doch genau, wie das ist, wenn der Gips irgendwann gräulich und muffig wird und alle schon unterschrieben haben. (S.99)

Autorin Selma Kay Matter gibt in diesem Buch Einblick, mit welchen Herausforderungen they zu kämpfen hat als Long COVID-Erkrankter und their Transidentität(-ssuche). Es ist ein dichtes Buch mit Matters eigenen Erfahrungsberichten, mit Bezügen zu anderer Literatur, mit medizinischen Terminologien, Definitionen und vielen (für mich) neuen (queerfeministischen) Begrifflichkeiten. Erläuterungen und Übersetzungen finden sich in zahleichen Fussnoten. Ich habe viel gelernt, aber gefühlt noch viel mehr (noch immer) nicht verstanden. Ich konnte nie ganz richtig in die Erzählungen eintauchen, die vielen Zitate, Querverweise und Erläuterungen holten mich jedes Mal wieder raus. Ich war oft kognitiv nicht auf der Höhe für diese doch sehr anspruchsvolle Literatur. Trotzdem bin ich froh, es gelesen zu haben. Ein wichtiges Buch!

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
189 Seiten

Die junge Takako steckt in einer Lebenskrise. Ihr Freund, der am selben Ort arbeitet, verkündete ihr nämlich, dass er eine andere heiraten wird (sie war für ihn offensichtlich nur eine Affäre). Sie trennt sich von ihm und auch vom Job muss sie weg. Ihr Onkel bekommt das mit und schlägt ihr vor, bei ihm unterzukommen. Er bräuchte Hilfe in seinem Antiquariat. Sie willigt ein, auch wenn sie (die gar nicht liest) eigentlich nicht begeistert von dieser Idee ist. Im Antiquariat kommt sie langsam wieder zu Kräften und entdeckt auch die Liebe zu Büchern.

Ein Wohlfühlroman für's Gmüet, eine Geschichte, in der eigentlich gar nicht so viel passiert, die einem aber konstant sanft umarmt. Ich fand's wirklich nett, aber auch nicht mehr.

Klima-Bullshit-Bingo (SPIEGEL-Bestseller)
240 Seiten

Aber [Physik-Nobelpreisträger von 2022, John F. Clauser, Klimaleugner] ist doch schlau, der wird so was doch nicht sagen, wenn es kompletter Unsinn ist! Ja, doch. Leider ist Intelligenz etwas anderes als Unfehlbarkeit und so reden auch überdurchschnittlich intelligente Menschen gern mal ausnehmend törichten Blödsinn, wenn ihr Primatengehirn nur clever genug ausgetrickst wurde. (S.26)

"Klimaschutz bringt gar nichts, wenn die Überbevölkerung nicht gestoppt wird!" --> [...] Wenn wir den Begriff "Nachhaltigkeit" nicht nur als ökologischen Begriff verstehen, sondern auch eine gewisse soziale Nachhaltigkeit anstreben, durch die es allen Menschen auf dem Planeten einigermassen gut geht, setzen wir ganz neue Massstäbe. So was gab es noch nie. Wir sind die ersten Menschen mit der Möglichkeit, so eine Welt zu erschaffen. Ich würde gerne in einer Welt leben, die die planetarischen Grenzen achtet und gleichzeitig allen Menschen ein würdevolles Leben ermöglicht. Ob das nun 8 Milliarden oder 10 Milliarden sind, macht am Ende keinen grossen Unterschied mehr, wenn wir den ökologischen Fussabdruck jedes Menschen auf ein vertretbares Mass senken. (S.68-69)

"Ich trenne doch schon Müll!" --> [...] Palmöl ist in die Kritik geraten, weil es die Nutzpflanze mit der höchsten Zuwachsrate in tropischen Gebieten mit besonders schützenswerten Wäldern ist. Es sind aber meist nur wenige Gramm pro Gericht und der Austausch gegen Kokosöl macht es oft nur schlimmer. Kokosöl benötigt für die gleiche Menge noch mehr Anbaufläche in der gleichen Klimazone, also genau dort, wo auch der Palmölanbau für schlechte Schlagzeilen gesorgt hat. Das meiste Palmöl landet bei uns ohnehin in Diesel-Autos als "Biosprit". (S.116)

"Veggie-Burger sind reine Chemie, ich esse Fleisch für die Umwelt" --> [...] Es ist viel entscheidender, was wir essen, als wo es herkommt oder was gerade Saison hat. Die eventuell enthaltenen Zusatzstoffe haben auf die Umwelt- und Klimabilanz so gut wie keine Auswirkung, denn selbst ein Veggieburger mit chemisch klingenden Inhaltsstoffen aus Übersee verbraucht deutlich weniger Fläche, Energie und Pflanzen als das noch so frische Original aus Rindfleisch. Es gibt ausserdem auch bei der Pflanzensparte Produkte mit viel, wenig oder gar keinen Zusätzen - letztere sind dann halt keine vier Wochen haltbar. Wer aber glaubt, er habe dem Klima geholfen, weil sich die Zutatenliste nur auf die Position "Rindfleisch" beschränkt, irrt. (S. 129)

Jan Hegenberg hat in diesem Buch 25 Klima-„Stammtisch“-Parolen gesammelt (z.B. „Aber heute hat es geschneit“, „Klimaschutz zerstört die Wirtschaft“, „Aber China!“, „Ich trenne doch schon Müll“, „Pflanzt doch einfach mehr Bäume“ etc.) und erklärt mit grossem Fachwissen und in verständlicher und sehr humorvoller Sprache, wieso diese Argumente falsch sind. Das Buch liefert hilfreiche Fakten, die für zukünftige Klimadiskussionen genutzt werden können, wenn einem selbst die Argumente ausgehen.

Sehr nützlich, gut recherchiert und aufschlussreich! Sein Humor wurde mir jedoch teilweise (und vor allem auf Dauer) zu viel und machte es für mir ab der Hälfte des Buches anstrengend zu lesen.

Täuschend echt
352 Seiten

Als ich sie kennenlernte - Ich habe sie nie kennengelernt. Was ich für Kenntnis hielt, war Oberfläche. Sie hatte sich einen Charakter hingemalt, wie sie sich ein Gesicht malt, bevor sie am Abend aus dem Haus geht. (S.17)

Ein Werbetexter für Frühstücksmüsli verliert seinen Job, seine Freundin und mit ihr auch viel Geld. Trost findet er in der künstlichen Intelligenz, er beginnt mit ihr zu spielen. Und daraus entsteht plötzlich ein Roman, der hochgelobt wird. Mit dem Erfolg des Buches, welches schnell ein Bestseller wird, kommt er aber auch zunehmend in Gefahr...

Lewinsky schreibt nicht nur über die künstliche Intelligenz und geht der Frage nach, welche Bedeutung sie in Zukunft haben könnte bezüglich dem klassischen oder eben auch literarischen Schreiben, er nutzte die künstliche Intelligenz auch effektiv, um dieses Buch zu schreiben. Alle Passagen, die im Roman von der künstlichen Intelligenz geschrieben worden sind, stammen auch in Wirklichkeit von ChatGPT (in kursiver Schrift gedruckt). Das macht den Roman sehr lebendig. Mich hat die Geschichte von Anfang an gepackt! Sehr unterhaltsam, mit viel Humor und Spannung. Gelesen war es super zügig. Eine grossartige Idee (sage ich als KI-Skeptikerin...)! :) Wehrmutstropfen: Manchmal sind die KI-Passagen etwas zu langatmig, die eine oder andere Stelle hätte Lewinsky durchaus kürzen können, finde ich.

Das Liebespaar des Jahrhunderts
192 Seiten

Im Grunde ist es ganz einfach. Ich verlasse dich. Drei Wörter, die jeder Mensch begreift. Es genügen drei Wörter und alles ist getan. Man muss sie bloss aussprechen. Ich bin erstaunt, dass es so einfach ist. Und noch etwas erstaunt mich. Der Satz ist genauso kurz wie der, den ich am Anfang unserer Geschichte gesagt habe. Am Anfang habe ich zu dir gesagt: Ich liebe dich. Drei Wörter am Anfang, drei Wörter am Ende. Wie es aussieht, lässt sich das Wichtigste im Leben mit sehr wenigen Wörtern sagen. (ab 00:00:29)

Ich dachte an meinen Vater. In meiner Kindheit hatte er mir erklärt, Hausarbeit sei die unproduktivste aller Arbeiten. Anstatt etwas zu erschaffen, stelle sie nur immer wieder den Ausgangszustand her. (ab 02:19:46)

Eine Frau möchte ihren Mann verlassen und sie blickt auf ihre gemeinsamen Jahre zurück, beginnend mit dem Moment, wie sie sich zum ersten Mal treffen, noch zu DDR-Zeiten. Zu Beginn ist das Feuer der Liebe in jedem Satz zu spüren, mit den Jahren nimmt die Leidenschaft allmählich ab und die Alltagsroutine holt die beiden ein. Nach den aufregenden Studienjahren und Auslandjahre kommt der Berufsalltag, kommen die Kinder. Die Entfremdung des Paares passiert schleichend, noch lang schreibt sie von ihrer Besessenheit zu ihrem Mann.

Die Autorin lässt die Protagonistin in der Ich-Person erzählen, es wirkt dabei, als würde eine Freundin vor einem sitzen und ihre Geschichte anvertrauen. Es sind Alltäglichkeiten, die passieren. Aber genau darum fühlte ich mich der Protagonistin auch nah. Ich mochte das Buch.

Seinetwegen
204 Seiten

Als Zora del Buonos Vater bei einem Autounfall ums Leben kam, war sie erst 8 Monate alt. Ihre Mutter hat fast nie über ihren Vater gesprochen, zu gross war der Schmerz, del Buono erfährt so auch kaum etwas über den Unfall. Nun mit sechzig Jahren fragt sie sich, was genau vorgefallen war und vor allem: Wer war der Unfallverursacher? Sie macht sich auf die Suche nach dem Töter, wie sie den Unfallverursacher früher oft nannte, geht auf Spurensuche, mit dem Ziel, ihn mit ihrer Familiengeschichte zu konfrontieren. Mit allem was sie über den Unfallverursacher erfährt, wächst ihr Mitgefühl ihm gegenüber und scheint die Wut gegen ihn zu schwinden. Es ist ein Buch über die Trauer, über das späte Kennenlernen der eigenen Familiengeschichte und letztlich auch sehr fest über Versöhnung.

Als Hörbuch hat das Buch meiner Meinung nicht ganz so gut funktioniert. Ich fand es schade, war die Sprecherin des Schweizerdeutschen nicht mächtig. Die vielen schweizerdeutschen Bezeichnungen wurden jeweils gar holprig gelesen, das störte den Fluss der Sprache.

Schwindel
240 Seiten

Wonach schmeckt das Paradies? Ava sucht auf ihrer Zunge. Fährt mit ihr langsam durch den Mund. Blue Gelato und Pussy. (S.9)

ava sucht die nähe ehrgeizig rastlos unermüdlich bis sie sie findet und vergisst warum sie überhaupt danach gestrebt hat diesem drückenden ding (S. 178)

Ava hat ihr Date Robin zuhause, es ist Freitagabend. Plötzlich klingelt es, Delia und kurz darauf Silvia treffen ein. Delia, um ihr vergessenes Handy abzuholen und Silvia, um Ava wegen ihres Ghostings zur Rede zu stellen. Ava wird es zu viel mit ihren drei Liebhaber:innen, die sich zum ersten Mal sehen, und sie flüchtet kopflos aufs Dach des Hochhauses, wo sie wohnt. Die drei anderen folgen ihr, die Tür zum Dach fällt zu sie sind ausgesperrt. Und niemand hat ein akkugeladenes Handy dabei... Genug Zeit also, um sich auszusprechen und klärende Gespräche zu führen bzw. mit Anschuldigungen um sich zu werfen. Im Buch geht es sehr fest um queeres Begehren. Hengameh Yaghoobifarah spielt dabei immer wieder mit der Sprache, mit den gedruckten Zeichen, denen Hengameh teilweise sehr viel Platz schenkt auf dem Papier, unkonventionell in Szene setzt. Ich sah immer wieder Parallelen zum Blutbuch von Kim de l'Horizon, was mich teilweise etwas ärgerte, weil ich Hengameh Nachahmung unterstellte - zu dem ich aber sicherlich kein Recht habe. Die Geschichte ist explosiv, aufgeladen, teilweise gar schwindelerregend, amüsant, erfrischend. Manchmal empfand ich den Plott etwas zu fest hergeholt und wieso am Ende auch noch Avas Vater auftauchen muss, habe ich nicht verstanden bzw. fand ich überflüssig.