Bücherregal lädt …
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
224 Seiten

Juno ist Künstlerin, mit Theater und Tanz verdient sie ihr Geld. Ihr Mann ist schwer pflegebedürftig. Tagsüber kümmert sie sich um ihn und geht zu ihren Proben. Nachts lenkt sie sich von ihrer Schlaflosigkeit ab und chattet im Internet mit Love-Scammern. Bei jeder neuen Chat-Anfrage erfindet sie neue Lügen, die sie den Männern erzählt und entlarvt ihre Maschen, bis sie sich schnell wieder verziehen. Benu aus Nigeria bleibt länger. Mit ihm beginnt sie nach und nach eine Freundschaft via Chat und Videocalls.

Mich machte der Plot neugierig. Er klang "neu". Beeindruckend, wie Juno trotz aller Sorgen (Geld, Pflege ihres Mannes, Älterwerden, Schlafproblemen) die Lebenskraft, die Liebe und Fürsorge zu ihrem Mann nicht verliert. Die Sprache teilweise schön poetisch, ergreifend. Mehr empfand ich dann aber doch nicht, nachhaltig berührt hat es mich nicht.

Das Hörbuch ist angenehm gelesen.

Wann kommt das Salz ins Nudelwasser?
175 Seiten

74 Antworten auf Fragen rund um Kochen, Ernährung und Gesundheit. Zum Beispiel: Verdampft Alkohol wirklich beim Kochen? Warum werden Bananen so schnell braun? Helfen heisse Getränke. bei grosser Hitze? Ist Essen im Gehen wirklich ungesund? Wodurch unterscheiden sich Guide Michelin und Gault-Millau? Ist Rohkost gesünder als gegartes Gemüse? Warum essen wir im Advent Lebkuchen?

Naja, nicht alle Fragen haben mich gleichermassen interessiert. Ich habe mir vom Buch auch mehr AHA-Momente gewünscht. Aber ein (mir) grosses Geheimnis ("Wieso gibt es Arschlocheier, die sich nicht richtig schälen lassen?") wurde mithilfe des Buchs gelüftet. :) Die Frage war: Wofür dient das Abschrecken von Eiern. Die Antwort kurz und knackig = mit dem Abschrecken wird der Garprozess gestoppt. Aber weiter steht da:

Eine weit verbreitete Annahme ist, dass sich abgeschreckte Eier leichter pellen lassen. Ob man ein gekochtes Ei gut oder schlecht schälen kann, hat aber nichts mit kaltem Wasser zu tun. Die Schälbarkeit hängt vielmehr mit dem Alter des Eis zusammen. Bei gerade frisch gelegten Eiern halten Proteine an der Innenhaut Eierschale und Eiweiss zusammen. Bei älteren Eiern steigt der pH-Wert im Eiweiss an, was das Ankleben verhindert. Je älter das Ei ist, desto leichter lässt es sich also schälen. Um gekochte Eier gut schälen zu können, sollte man sie also zwei bis drei Wochen lagern. (S.50)

Lorna
112 Seiten

Lorna ist ein besonderes Mädchen, hübsch und hilfsbereit, beliebt, die Beste im Fussball. Der Erzähler der Geschichte verliebt sich in sie. Sie kommen zusammen, ziehen in eine gemeinsame WG, gehen auf Reisen und machen (Studien-)Pläne für die Zukunft. Alles scheint perfekt. Doch dann verändert sich Lorna, sie ist unruhig, wird zunehmend aggressiv. Und legt auf einmal Feuer vor der Türe ihrer gemeinsamen Mitbewohnerin Katharina. Sie kommt in die Psychiatrie, ist bald wieder zurück, muss wieder eingewiesen werden. Und so geht das weiter. Die Erkrankung beeinflusst nicht nur ihr Leben, auch seines. Er trauert der "alten" Lorna nach, seiner Liebe, die sie nicht mehr ist. Und die Lage spitzt sich zu.

Ich habe es noch so schnell-schnell vor meinen Ferien weggelesen und dadurch wahrscheinlich zu wenig Aufmerksamkeit darauf gelegt, ins Inhaltliche, ins Zwischen-den-Zeilen. Hätte es wahrscheinlich gebraucht, mich hat die Geschichte nämlich nur semi überzeugt, auch wenn ich die Thematik äusserst spannend gefunden hätte. Aber sie ging mir nach meinem Geschmack zuwenig in die Tiefe. Gewisse Dialoge missfielen mir zudem.

Regen
108 Seiten

Es geht um einen Mann, der gerade als Schöffe (der gemeinsam mit den Richtern ein Urteil fällt, ohne selbst Jurist zu sein) aus einem Mordprozess entlassen wurde, und nun in einer Bar sein Leben Revue passieren lässt. Er denkt nach über Verbrechen und Strafen, über die Würde des Menschen, die Einsamkeit, den Verlust und das Scheitern. Besonders die Liebe zu einer Frau steht im Fokus.

Ferdinand von Schirach benutzt eine einfache, klare Sprache. Das Hörbuch wird von ihm selbst gesprochen. Eine sehr kurze Erzählung und ich wurde nicht ganz schlau aus ihr.

Halbinsel
224 Seiten

Inzwischen habe ich begriffen, es grenzt an ein Wunder, wenn man geliebte Menschen um sich hat und sie nicht zu früh verliert. Ein noch grösseres Wunder ist es, wenn es einem mehrmals im Leben gelingt, jemanden zu finden, der es gut mit einem meint. (S.50)

Mein Ärger würde uns beide nicht weiterbringen, aber ich hatte keine Lust mehr, mich zurückzuhalten. Ich wollte mich nicht länger so ratlos fühlen. Mir war klar, das dies ein denkbar ungünstiger Moment war, hier, in der Wohnung, in der wir jetzt einpacken sollten, statt zu streiten. Aber so ist es, beides ist gleichzeitig möglich, die Erkenntnis über das eigene destruktive Verhalten und die Tatsache, dass man es trotzdem weitertreibt. (S.98)

"Zum ersten Mal, zum allerersten Mal ist es so, dass ich nicht weiterkomme. Dass ich nicht zurechtkomme. Und du erträgst das nicht. Schon nach einer Woche hast du es kaum ausgehalten, das habe ich gespürt", sagte sie. "Mir ist klar, dass es so nicht bleiben kann, und natürlich frage ich mich, was mit mir los ist. Aber kannst du nicht ein wenig Vertrauen haben, dass ich das herausfinde? Dass ich mir in meinem eigenen Tempo selbst zu helfen weiss?" Sie klang so besonnen, so viel reflektierter als ich. "Lass mir diese Ruhe doch. Was sind schon einige Wochen, in denen alles etwas langsamer läuft? Zwei, drei Monate in einem ganzen Leben?" (S.100)

Annett ist Ende 40 und lebt seit vielen Jahren auf einer Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer an der Nordsee. Ihr Mann ist sehr früh und plötzlich gestorben, als ihre gemeinsame Tochter Linn gerade mal 5 Jahre alt war. Linn studierte Umwelttechnik, war als Umweltvolontärin in verschiedenen Wäldern Europas unterwegs und arbeitet für ein Aufforstungsprojekt. Sie hat beruflich vieles erreicht, Annett ist stolz auf sie. An einer Tagung, wo Linn einen Vortrag hält, bricht sie aus Erschöpfung zusammen. Annett nimmt sie zu sich auf die Halbinsel. Aus einer Woche werden mehrere Monate, Linn kündigt ihre Stelle und Wohnung und nimmt sich sehr viel Zeit, herauszufinden, was sie möchte. Annett ist zwar voller Sorge und ringt doch mit Linns Entscheid, sie will nur das Beste für sie, aber was ist das schon? Es entstehen Konflikte, Ungeduld zeigt sich, Unverständnis.

Mir hat das Buch und besonders dessen melancholische Melodie, die sich durch die gesamte Geschichte zieht, sehr gefallen. Es wird in der Ich-Perspektive von Annett in einer sehr ruhigen Stimme erzählt. Annett gibt im Laufe der Geschichte immer mehr Preis von ihrer Vergangenheit, vom Tod ihres Mannes, dem Weiterleben als Witwe und Alleinerziehende. Nicht jede Entscheidung, die Annett trifft, konnte ich nachvollziehen (beispielsweise der Besuch des Gemälderestaurators), aber das ist nur ein Detail.

Riot Girl
416 Seiten

LKA-Ermittlerin Obalski hat ganz besondere Fähigkeiten, sie kann Menschen und ihre Verhaltensweisen lesen. Sie hat Gender Studies und Forensik studiert und wird Teil einer Sonderermittlung, für die sie in eine Jugendamt eingeschleust wird, wo sie heimlich Informationen über eine Protestbewegung aus jungen Mädchen/Frauen, die zu gefährlichen Aktionen auf Social Media aufrufen, sammeln soll. Bald gibt es auch eine erste Leiche und Obalski erkennt die Dringlichkeit, denn einige Mädchen scheinen in Gefahr zu sein.

Das Buch wird als feministischen Krimi angepriesen, was mich sehr neugierig machte. Ich fand aber leider keinen grossen Gefallen daran. Obalskis teilweise doch sehr unprofessionelles Handeln fand ich sehr unglaubwürdig (z.B. wie sie dem Barmann von ihren Fällen erzählt), der ganze Plot schien mir zu unrealistisch. Die Geschichte war zu bemüht woke, unnatürlich und oft auch sehr moralisierend. Was mir aber sehr gefiel: Die Idee, dass sich die jungen Mädchen zusammentun und wehren.

Fucking fucking schön
176 Seiten

10 verschiedene Geschichten erzählen differenziert über diverse erste Male: den ersten Kuss, das erste Masturbieren, den ersten Kontakt mit einem Porno, die ersten ungewollten Berührungen, den ersten Sex etc.

Die Autorin schafft es, sehr authentisch und auf Augenhöhe der Jugendlichen zu schreiben. Die Geschichten sind packend und lesen sich schnell. Ich hätte mir ein solches Buch gewünscht, als ich selbst ein Teenager war. Das hätte mir sicherlich bei vielen Unsicherheiten geholfen. Es ermutigt, den eigenen Gefühlen zu vertrauen.

»Mama, bitte lern Deutsch«
208 Seiten

Meine Mutter, die Poetin der Gerüstlandschaft, die mir die Welt mit Metaphern, Vergleichen und Symbolen erklärte, hatte sich im Supermarkt nicht wehren können. Und obwohl sie die Worte nicht verstanden hatte, war die Botschaft, war der Schmerz bei ihr angekommen. Manchmal, so denke ich heute, ist es egal, welche Sprache der Empfänger spricht, denn Schmerz folgt keiner Grammatik, Schmerz sprechen wir alle. (S. 64)

Ich war fünf Jahre alt, als ich meinen ersten Ablehnungsbescheid von der Ausländerbehörde erhielt. Ich war fünf Jahre alt, als mir auf einem Stück Papier mitgeteilt wurde: Du gehörst nicht in das Land, in dem du geboren wurdest. (S. 103)

Tahsim Durgun schreibt über seine Kindheit in einer kurdischen-jesidischen Familie in Oldenburg. Er schreibt über Alltagsrassismus, das Gefühl der Heimatlosigkeit, Integration. Und was es heisst, als Kind Verantwortung übernehmen zu müssen (offizielle Schreiben übersetzen, bei Behördengängen helfen und seine Mutter zu Arztbesuchen begleiten etc.). Mit viel Humor bildet Durgun die traurige Realität ab, wie schwer es Menschen mit Migrationshintergrund gemacht wird, wie belastend es vor allem auch für die Kinder migrantischer Familien sein kann, wie überfordernd. Nicht zuletzt ist das Buch aber auch eine Liebeserklärung an seine Mutter. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und wäre gerne weiter seinen Geschichten gefolgt. Es hat mich sehr berührt.

Der Schwarm
987 Seiten

Wale, die plötzlich Menschen tödlich angreifen. Würmer, die den Meeresboden zum Einstürzen bringen, was wiederum schreckliche Tsunamis auslöst, die Millionen Menschen töten und ganze Städte zerstören. Infizierte Hummer, die die Leute krank machen. Eine Katastrophe jagt die nächste und die Welt steht vor einem Rätsel. Denn irgendwie scheinen alle Katastrophen zusammenzuhängen und es wird immer mehr. Wissenschaftler:innen kommen zusammen und versuchen, zu verstehen, was da passiert - und die Welt zu retten.

Ein Roman, der von Anfang an spannungsgeladen ist. Mich hat er sofort gepackt und ich fand die Thematik super interessant. Meerestiere, die sich gegen die Menschen auflehnen, ich musste sogleich an die Orcas denken, die seit wenigen Jahren Yachten angreifen. Mit der Zeit zeigt der Roman jedoch seine Längen und driftet meiner Meinung nach etwas zu sehr ab, ich war irgendwann dann auch nicht mehr zu hundert Prozent bei der Sache beim Zuhören. Auch dem Ende konnte ich nicht mehr viel abgewinnen. Nichtsdestotrotz finde ich das Buch sehr empfehlenswert. Aber die gekürzte Version hätte sicherlich auch gereicht. :)

Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft
208 Seiten

Als wir später nebeneinanderliegen und in diese viel zu heisse Sonne starren, reden wir miteinander. Über die Vögel und den Himmel und die Schule und die Eltern und so. Es ist alles recht grundlegend, wir tauschen einmal unsere Haltungen zur Welt und so aus und das, was man mit sechzehn halt so denkt, was wichtig sein könnte, wenn man anfängt, miteinander zu knutschen. (S.67)

Vielleicht bin ich auch sauer, aber habe keinen Kanal dafür. [...] Ich check die Angst, erwischt zu werden. Die Angst löst bei mir was Körperliches aus. Was ich schwerer benennen kann, ist das Wütendsein. Es hat keinen Ort in meinem Körper. (S.132)

Die Reduktion der Stadttaubenpopulation ist mal langfristig missglückt. Mir taten sie immer leid. Die Fäkalien der Taube, die immer ein bisschen zu flüssig sind, sind das Resultat einer chronischen Magen-Darm-Erkrankung, die andere Vögel, andere Tauben so nicht haben. Dieses Tier ist komplett auf die kapitalistischen Heilsversprechen reingefallen, ist in die Stadt gezogen, weil es da Arbeit gab, und dann kein Wohnraum mehr, schwupps, die Hand, die dich füttert, schiesst dich tot. (S.165)

Die 15jährige Era lebt mit ihrer Mutter in einem Tiny House am Waldrand. Die Klimakrise ist fortgeschritten, die Wälder brennen, die meisten Vögel sind bereits ausgestorben. Era dokumentiert das Aussterben der Vögel. Und sie lernt die beiden Schwestern Merle und Maja kennen, Töchter zweier Momfluencerinnen. Die Geschwister gehen jeden Samstag in den Wald und jagen Festplatten in die Luft. Sie möchten ihre Spuren, die ihre Mütter im Netz mit ihren Vlogs ungefragt hinterlassen haben, vernichten. Era beginnt, mitzumachen. Era und Maja verlieben sich ineinander. Als die jüngere Schwester irgendwann den Müttern beichtet, was sie jeweils im Wald zerstören, taucht Maja unter - und ermutigt Era, zu ihr zu kommen.

Die Autorin beschreibt ein dystopisches, aber realistisches Zukunftsszenario. Die Folgen der Klimaerwärmung werden nebenher deutlich aufgezeigt, ohne dass sie den Fokus darauf legt (hätte sie aber durchaus machen können). Sie schreibt in einer sehr jugendlichen Sprache, angepasst auf die Hauptfigur Era. Vögel sind ein wichtiges Thema und irgendwie auch der einzige rote Faden in diesem Buch. Die restliche Geschichte mit den Explosionen empfinde ich als zu gesucht und erschliesst sich mir nicht.

Russische Spezialitäten
192 Seiten

ich kann entweder fühlen, dass sie meine liebende Mutter ist. Oder daran denken, dass sie die russischen Mörder unterstützt. Beides gleichzeitig fühlen und denken kann ich nicht. (S.33)

Kapitelman (in Kiew geboren, mit 8 Jahren nach Leipzig gekommen) beschreibt in seinem Roman, was der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit ihm macht. Vor allem aber beschreibt er, wie sich der Krieg auf die Beziehung zu seiner Mutter auswirkt. Sie steht nämlich auf Putins Seite. Plötzlich ist die russische Sprache noch das scheinbar einzig Verbindende zwischen ihr und ihm. Kapitelman schafft es gut, diese Ambivalenz von der Liebe zu seiner Mutter und seiner Verzweiflung bzw. Unverständlichkeit, dass sie Putins Propaganda verfällt, darzustellen.

Trotz der Schwere des Themas ist das Buch sehr humorvoll geschrieben, was der Geschichte etwas Leichtigkeit verschafft und die Brutalität des Krieges erträglicher macht, ohne sie in Abrede zu stellen. Das Buch schafft einen persönlichen Einblick in den Alltag Einheimischer in einem Kriegsgebiet. Ich hätte mir von Seiten des Autors aber mehr Konfrontation/Auseinandersetzung gewünscht, mehr Gespräche mit seiner Mutter.

Geile Zeit
208 Seiten

Der Direktor sagte, wir würden nun eine Schweigeminute für die [9/11-] Opfer abhalten. Ich fühlte mich unwohl, ich wusste nicht, woran ich in der Stille denken sollte. Den Tod kannte ich nur aus König der Löwen, als Simba seinen Vater anstupste, bis er verstand, dass der nie wieder brüllen würde. (S.12-13)

Wir haben diesen Unsinn nie gefilmt. Unsere Nokia 3310 konnten das nicht. Und darin lag seine besondere Schönheit. Alles, was wir erlebten, war reine Gegenwart. Dokumentiert nur in unserer Erinnerung, wo es durch das Wieder-und-wieder-Erzählen immer grösser und schöner und wichtiger wurde, als es jemals in echt gewesen sein konnte. Wir waren da, an dem Ort, in dem Moment. Und nirgends sonst. (S.70)

Seydack ist 1990 geboren. Er berichtet im Buch über das Aufwachsen in den Neunzigern, welches ab 9/11 geprägt ist von Terror und Gewalt, zwar nicht direkt vor seiner Haustüre, aber weltweit. Er schreibt über seine Kindheit, den Schul- und Studienabschluss, die Praktikas und den holprigen Berufsstart im Lockdown. Mit dabei all seinen Unfug, damalige Popkultur und viel Zeitkolorit, in dem ich mich immer wieder selbst sah, einfach 9 Jahre älter. Sehr interessant zu lesen, vieles wurde mir erst durch das Buch wieder in Erinnerung gerufen und hat mich gedanklich zurück in meine Kindheit geworfen. Seydack selbst blieb mir bis am Ende nicht wirklich sympathisch, seine Art des Schreibens missfiel mir immer wieder. Zu fest schliesst er von sich auf die gesamte Generation. Trotzdem eine unterhaltsame Lektüre über die Generation der Millenials.

Für Polina
304 Seiten

Polina schaute hinter jede Tür, steckte ihren Kopf in die Tümpel im Moor, um zu prüfen, was darin war, fasste jeden Käfer an und nahm die meisten davon in den Mund. Hätte sie Ungeheuer gefunden, hätte Polina mit ihnen getanzt. (S.34)

Er wollte, dass sie ihn hörte. Nicht aus Selbstlosigkeit, aber wann war Liebe je selbstlos gewesen? (S.218)

Hannes' und Polinas Mütter lernen sich bei ihrer Geburt im Spital kennen, es entsteht eine Freundschaft, die beiden Kinder wachsen gemeinsam auf. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein, Polina sehr wild und abenteuerlich, Hannes hingegen träge und langsam. Seine Faszination gilt der klassischen Musik und dem Klavierspielen. Mit 14 verliebt sich Hannes in Polina. Er komponiert ihr eine eigene Melodie. Doch die Liebe scheint nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen, als junge Erwachsene trennen sich ihre Wege. Er hört mit dem Klavierspielen auf, wird trotz seiner schmächtigen Figur Klavierschlepper, seine Gedanken bleiben aber bei Polina. Bis er sich nach Jahren eingesteht, dass er Polina wiederfinden muss. Und zwar mithilfe ihrer Melodie...

Ab der ersten Seite hat das Buch einen einnehmenden Rhythmus. Es liest sich wie eine wunderschöne Melodie. Manche mögen die Geschichte schnulzig und/oder kitschig finden, ich sehe es aber anders. Würger schaffte es, mich mit seiner Sprache leichtfüssig durch die Geschichte zu tragen, die Musik immer im Ohr. Über einen allfälligen Kitsch konnte ich gut hinwegsehen. Ein Herzerwärmendes Buch.

Und später für immer
207 Seiten

Wie bei jedem seiner Besuche seit dem vergangenen Frühjahr - seitdem sie durchs Watt spaziert waren, seitdem sie einander alles erzählt hatten, worüber sie sonst zu keinem sprachen - sagte Johann im Dunkeln, wie um ihr Zusammensein zu beschwören: "Jetzt noch acht Tage und später für immer." (S.25)

Johann Meinert, Soldat bei der Luftwaffe, desertiert Anfang 1945 und versteckt sich bei seiner Tante und seinem Onkel in einem Heuschuppen und wartet und hofft auf das Ende des Krieges. In Gedanken ist er stets bei seiner Frau Emmy, die mittlerweile ihr gemeinsames Kind auf die Welt gebracht haben sollte. Plötzlich steht Frieda, ein 17jähriges Mädchen aus der Nachbarschaft, im Heuschuppen. Wenn sie ihn verrät, ist es mit ihm vorbei.

Eine fast wahre Geschichte über den Grossvaters des Autors. Ein berührender Roman. Und doch hat er mich nicht genug eingenommen.

Klapper
240 Seiten

Sie schlenderte um die hufeisenförmige Sitzordnung herum, und als sie an Klapper vorbeikam, warf sie ihm einen prüfenden Blick zu, bevor sie die Atlanten anhob und mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden abstellte, ihren Eastpak auf den Tisch legte und sich neben ihn setzte. Ein leises Raunen ging durch die Reihen. Klapper erstarrte. Das war alles viel zu sozial. (S.29)

Trauerkarten hatte er noch nie geschrieben. Das ist eine Verantwortung, die man in seinem Alter eigentlich nicht haben sollte. Sterben, das war eigentlich was für Erwachsene. (S.224)

Klapper ist 16. Er hat keine Freunde und verbrachte die gesamten Sommerferien alleine vor seinem PC. Am ersten Schultag nach den Ferien bekommt die Klasse Zuwachs von Bär, einem Mädchen, das gross und stark und selbstbewusst ist - und so das pure Gegenteil von Klapper darstellt. Sie behandelt ihn nicht als Aussenseiter, sondern setzt sich gleich neben ihn - da wissen beide noch nicht, dass sie beide eine Gemeinsamkeit haben: die Leidenschaft des Zockens. Ab da beginnt langsam eine Freundschaft zwischen ihnen.

Ein berührendes, lustiges wie auch trauriges Buch. Der Autor fängt die Zeit der Jugendlichen, der Suche nach sich selbst, der Überforderung des Erwachsenwerdens, die Probleme, mit denen sie konfrontiert werden, sehr schön auf, wie ich finde. Prödel gibt der Freundschaft zwischen Klapper und Bär die Zeit, die sie braucht, prescht nicht vor.