Mittlerweile sind Millie und Enzo seit 11 Jahren glücklich verheiratet und haben zwei Kinder, Ada (11) und Nico (9). Millie arbeitet nicht mehr für wohlhabende Menschen, sondern ist seit ihrem Abschluss Sozialarbeiterin. Endlich konnten sie sich auch ihren Traum vom Eigenheim erfüllen, sie ziehen auf Long Island in eine ruhige Gegend. Doch Millie wird das Gefühl nicht los, dass mit der Nachbarschaft etwas nicht stimmt. Auch ihr Sohn Nico verändert sich und zieht sich zurück. Enzo wird von ihrer Nachbarin Suzette bei jeder Gelegenheit angemacht und Eifersucht steigt in Millie hoch. Ist Enzo ihr gegenüber wirklich ehrlich? Auch Ada ist nicht glücklich am neuen Ort. Und dann wird plötzlich Suzettes Mann umgebracht - und Enzo wird verdächtigt...
Nee du, der letzte Teil der Housemaid-Trilogie war für mich wirklich der schlechteste. Zwar ist auch dieser Band sehr süffig geschrieben und ist durchaus voller Spannung. Aber das Ende ist sehr unglaubwürdig und auch nicht zu Ende erzählt, wie ich finde. Sie hätte sich ruhig mehr Zeit nehmen sollen für den Schluss.
In der Schule haben wir Vokabeln und Fremdwörter für alles gelernt, was es in der Welt gibt, um die Dinge zu erklären, aufzuschneiden, reinzugucken. Aber in diesem Moment hatte ich keine Worte parat, nur Bilder: Autoscooter, Schwindel, ein rotes gefrorenes Getränk. Kotze. Ein aufgeschürftes Knie. Ein Knie im Bauch. Bauchgrummeln. Blaues Licht. Kühles Licht. Reifenquietschen. Kotze, Schwindel. Und alles von vorne. Und irgendwo in diesen Bildern: die Hand. (S.73-74)
"Finde die Schuldigen, solange du noch lebst. Finde dich nicht damit ab, dunkle Kisten im Keller. zu haben. Die öffnen sich irgendwann, es kriecht die Kellertreppe hinauf, holt dich ein, wenn du am wenigsten wehrhaft bist." (S.81)
Hätte ich doch nichts gesagt. Wir sind gemeinsam verstummt, und etwas, das ich erlebt habe, war mal wieder schuld daran. (S.153)
Ich seziere das Fleisch, die Schichten, das Gewebe ist dicht und tatsächlich faserfrei. Ich pule darin. Ich versuche, die Fettkörnchen zu entdecken, Schmerz, Reue, Einsicht, Scham, die Gene, aus denen das Gewebe ist. Aber ich finde nur ein Stück von Janssen Senior, dem Vater der Hand, in dem Braten und ein Stück Donald Trump. Und den Kapitalismus finde ich auch darin, und dann wird mir übel. (S.164-165)
Natascha heisst mittlerweile "Nao" und lebt mit ihrer Wahlfamilie in einer besetzten Knopffabrik (als "Bewohner*innen einer kollektiven Empörung", enttäuscht vom System, wie die Autorin schreibt). Erst jetzt als Erwachsene findet sie langsam Worte für ihre traumatisierenden Erlebnisse aus ihrer Jugend. "Die Hand", wie sie den Täter ihrer Übergriffe nennt, ist ihr während zu langer Zeit als Jugendliche allgegenwärtig. Wiederholte Missbrauchserfahrungen lassen sie für Jahre verstummen. Eine retraumatisierende Begegnung mit "der Hand" bewegt Nao dazu, auf eine schambehaftete Spurensuche zu gehen. Die Scham haftet fest an ihr. Doch im Laufe ihrer Spurensuche, wechselt die Scham immer mehr auch zu Wut, Rachefantasien blühen auf.
Das fehlende Vertrauen in das eigene Urteilsvermögen der Missbrauchsopfer, die Wut auf männliche und weibliche Sozialisierung, das Alleingelassenwerden nach sexualisierter Gewalt - all dies greift die Autorin in ihrer Geschichte auf. Der Roman zeigt auf, wie wichtig Sprache ist, damit die Scham die Seite wechseln kann. Und wie verloren Opfer sind, die keine Sprache für das Erlebte finden. Ein schmerzhafter, wichtiger Roman. Sprachgewaltig, teilweise (vermutlich bewusst) irritierend.
Der Zugang zur Wahlfamilie habe ich jedoch bis zum Ende nicht gefunden.
Jonathan und seine Verlobte Lotta laden drei Freundinnen in ihr Restaurant ein für ein Krimi-Dinner. Die fünf sind seit langem befreundet. Vor fünf Jahren waren sie noch zu sechst, doch Maria war damals an einem gemeinsamen Festivalwochenende plötzlich spurlos verschwunden. Als die Gruppe mit dem Krimi-Dinner startet, zeigt sich sehr schnell, dass sich das Spiel mit der Realität vermischt... Die Erinnerungen an dieses Festival kommen hoch und plötzlich verdächtigt jeder jeden, das Spiel eskaliert... Wie verschwand Maria, was passierte mit ihr? Sitzt ihre Mörder*in am Tisch?
Ein Locked-in-Thriller, bei dem es um Freundschaft und Verrat geht. Die Sprache fand ich furchtbar, viele Wortwiederholungen. Gefühlt jeder zweite Satz geht etwa so "Person XY macht blabla, ehe sie blabla macht" (also in etwa so: "Ich greife zur Flasche, ehe ich das Zelt verlasse", "Lotta stellt das Glas ab, ehe sie Hanna begrüsst" und und und...). Es geht um viel Drogen und Alkohol, irgendwie auch bisschen uncool, und natürlich ist noch einer aus der Gruppe sexsüchtig. Der Plot an sich fand ich ja noch vielversprechend, aber die Umsetzung hat mich gar nicht überzeugt.
Als kleines Kind habe ich mir oft vorgestellt, wie es sein würde, gross zu sein, erwachsen, alt. Ich dachte, es würde sich mehr verändern. Dabei werden wir nur etws grösser und sind nicht mehr so laut, einsamer sind wir, weil die Mutter fehlt, die einen in den Arm nahm, wenn etwas war, und auch, wenn nichts war. (S.9-10)
Am Käsestand drängelt sich eine Frau vor, wir waren zuerst da, sage ich, sie ignoriert meine Worte und bestellt schon mal. Das ist sehr unfreundlich, sage ich. Ich wusste nicht, dass Sie anstehen, Sie haben die ganze Zeit geredet, sagt sie. Eric sagt, können Sie sich bitte wieder von uns wegdrehen, denn wir sprechen nicht mit Arschlöchern. Die Frau ist entsetzt und dreht sich weg. Das sagst du doch immer, sagt Eric, jetzt war die Gelegenheit, es anzuwenden. (S.145)
Die Ich-Erzählerin kümmert sich um Lili, die im Altersheim lebt. Sie hilft ihr im Alltag mit Dingen, um die sich das Pflegepersonal nicht kümmern kann. Lili ist die Grossmutter von Sophie, die beste Freundin der Ich-Erzählerin. Sie wohnt mit Sophie und ihrem Sohn Eric im selben Haus. Sie zieht Eric gemeinsam mit Sophie auf. Die Ich-Erzählerin hat eine Stelle gefunden in einer anderen Stadt, aber sie getraut sich nicht, Sophie und Eric davon zu erzählen. Sie hat Angst davor, die beiden im Stich zu lassen.
Meral Kureyshi schreibt in kleinen und feinen Beobachtungen, der (scheinbar autofiktive) Roman ist ein Patchwork aus Beobachtungen und Gedanken, von Anfang bis Ende mit einer Melancholie unterlegt, trotzdem immer auch wieder lustig. Es geht um Fürsorge, Freundschaft, ums Abschiednehmen. Eine schöne Sprache, oft poetisch. Das Buch war auf der Shortlist für den CH-Buchpreis 2025.
Als ich elf Jahr alt werde, sagt meine Mutter: Mädchen, ab jetzt bleibst du zuhause. Ein Mädchen braucht nicht gescheit zu sein. Ein gutes Mädchen muss arbeiten, einen Haushalt führen können. Kein Mann mag Mädchen, die gescheit daherreden, aber das Haus nicht sauber halten. Rechnen, lesen. Das ist kein Mädchenzeugs. Ich verstand: Träume sind auch kein Mädchenzeugs. (S.17, CH)
Alle haben so glücklich ausgesehen und mir gratuliert. Doch in mir spüre ich noch etwas anderes. Etwas Unheilvolles. Es hält mein Herz umklammert. ich lausche dem nächtlichen Zirpen der Grillen. Ein Geräusch, das mir immmer ein Gefühl der Geborgenheit gibt. Heute nicht. Da ist noch ein anderer Laut. Etwas Fremdes. Ein leises, unscheinbares Ploppen. Es sind meine Träume, meine Ideen und die Vorfreude auf mein zukünftiges Leben, die vom Rest der Welt vollkommen unbeachtet, in der Dunkelheit des Zimmers leise zerplatzen. (S.29, Kamerun)
Ich kann sie noch immer spüren, diese hoffnungsvolle Kraft und Freude, die mich damals ergriffen hatte. Doch nun weiss ich es besser. Die Freiheit einer Frau reicht nur bis zum nächsten Nein eines Mannes. (S.30, Kamerun)
Ich habe mich schon oft gefragt, wie ein Mensch geboren wird. Traurig oder glücklich? Ich denke glücklich. Traurig macht ihn erst das Leben. (S.120, Kamerun)
Melara Mvogdobo schreibt über zwei Grossmütter aus zwei verschiedenen Kontinenten. Die eine wuchs in einer armen Schweizer Bauernfamilie auf, die andere in einer wohlhabenden Familie in Kamerun. Ihr Leben könnte nicht unterschiedlicher sein und doch machen sie beide ähnliche Erfahrungen. Beide leiden unter den patriarchalen Strukturen, beide werden zu einer Hochzeit gedrängt, beide werden gedemütigt, entwürdigt, geschlagen. Beide sind wütend und beide haben irgendwann genug. Melara Mvogdobo nimmt uns mit in ihre Kindheit und bis ans Sterbebett im hohen Alter.
Wow, was für eine Kraft dieses kleine Büchlein hat! Mvogdobos Schreibstil ist sehr reduziert, aber damit umso wuchtiger. Kein Wort zuviel, jedes Wort sitzt. Die teilweise sehr kurzen Kapitel wechseln sich ab, die Kapitel aus Kamerun sind in einem Bordeauxrot geschrieben, die Kapitel aus der Schweiz in Schwarz. Die beiden Geschichten zu lesen haben in mir eine grosse Wut aufbrodeln lassen. Wut auf das Patriarchat, auf die Gewalt, die beiden Frauen widerfahren ist - und die leider keine Seltenheit ist, auch heute noch. Die Geschichten haben mich aber auch in meinen feministischen Gedanken gestärkt. Eine dünnes Buch, das es ist in sich hat und mich sehr ergriffen hat, inklusive vergossener Tränen. Sehr zu empfehlen! Das Buch war auf der Shortlist für den CH-Buchpreis 2025.
Frieda war nicht glücklich, wie gesagt, aber sie hielt es doch für möglich, es zu werden, eines Tages. (S.35)
Die leere Zeit brach an, die Zeit, in der man wartet, doch das, worauf man wartet, nicht geschehen will. Warten ist wie Hoffen, dachte Frieda, nur leider ohne Hoffnung. (S.205)
Die alleinstehende Primarschullehrerin Frieda und der verheiratete Handelsvertreter Georg begegnen sich 1983 an einem verregneten Morgen an der Strassenbahnstation, sie völlig durchnässt und er mit einem grossen Regenschirm. Er bietet ihr Platz unter dem Schirm an und sie verlieben sich. Bis sie sich wiedersehen, vergehen ein paar Monate. Georg ist viermal im Jahr geschäftlich in der grossen Stadt, wo Frieda wohnt und arbeitet. In den vier Wochen, die Georg jährlich in ihrer Stadt verbringt, können sie ihre heimliche Liebe leben. In den restlichen Wochen des Jahres verbringt Georg bei seiner Frau Anna, dem gemeinsamen Sohn Christopher, dem Hund Bruno (der mit Georg spricht!) und vielen Gedanken an Frieda. Er schreibt ihr Briefe und ruft sie aus der Telefonzelle an. So vergehen Jahrzehnte. Als Georg Frieda nach einer längeren Pause telefonisch nicht mehr erreichen kann, fährt er zu ihrer Wohnung hin und erfährt, dass sie kürzlich ins Heim kam. Frieda hat Alzheimer. Das Buch endet mit seinem Besuch im Heim.
Die melancholische Sprache und ihre Rhythmik gefiel mir sehr. Ein leises, feines Buch, welches manchmal vergessen lässt, dass Georgs Doppelleben zu sehr romantisiert wird. In echt ist es nämlich einfach nur scheisse, was er macht. Und wieso der Hund sprechen kann (und sogar mit Georg zusammen raucht...), konnte ich auch nicht nachvollziehen. Dieser Teil ist völlig überflüssig und trägt auch gar nichts zum Buch bei, zu wenig herausgearbeitet.
Millie hat es nicht leicht, nach ihren zehn Jahren im Gefängnis Arbeit zu finden. Umso erleichterter ist sie, als sie den Job bei der Familie Nina und Andrew Winchester als Hausmädchen bekommt, inklusive Kost und Logis. Doch schnell merkt sie, dass irgendetwas in dieser Familie nicht stimmt. Nina benimmt sich manchmal wie eine Freundin, dann macht sie ihr plötzlich wieder das Leben zur Hölle. Andrew hingegen ist stets sehr nett zu ihr, und sieht zudem verdammt gut aus... Millie verliebt sich in Andrew, was ihre Situation auch nicht einfacher macht. Währenddessen spitzt sich die Lage in diesem Haushalt zu.
Der Thriller ist erst aus Sicht von Millie geschrieben, im zweiten Teil wird die Perspektive dann von Nina beschrieben. Ab da hatte ich dann auch endlich das Gefühl, tatsächlich einen Thriller zu lesen. Das Buch ist süffig geschrieben und hat mich auch wirklich gepackt, aber ich habe mich auch oft geärgert über unrealistische Handlungen der Figuren und Oberflächlichkeiten. Die Plot-Twists sind aber sehr gelungen.
Gordon once told her a butterfly's average lifespan is twenty-nine days. She wonders, when she adds up these moments where she exists out in the world, if her lifespan will be any longer. And which would be better? To have those days boiled down into one intense burst of colour, or to have the pin removed from the thorax every now and then, dusty wings flutering back to life, a little more time eked out before being locked away again? (S. 126)
Cora ist mit ihrer 9-jährigen Tochter Maia auf dem Weg zur Registrierung ihres neugeborenen Sohnes. Auf dem Weg dorthin reden Cora und Maia über den Namen des Babys. Coras Mann, Gordon, hat entschieden, dass er Gordon heissen soll, wie jeder erstgeborene Sohn seiner Familie seit Generationen. Maia hätte ihn gerne "Bear" getauft, Cora hätte gerne einen Julian gehabt. Die Autorin spielt mit allen drei Möglichkeiten. Die Kapitel sind ab der Registration jeweils dreigeteilt, und zwar in "Bear", "Julian" und "Gordon". Je nach Coras Entscheidung, wie sie ihren Sohn tatsächlich dann registriert, verläuft die Geschichte des Jungen sowie der gesamten Familie total anders. Bei jedem neuen Kapitel macht die Geschichte einen Sprung von 7 Jahren. Das letzte Kapitel passiert 35 Jahre nach der Registrierung des Jungen. Was sich in allen drei Lebensentwürfen nicht ändert: Cora erlebt häusliche Gewalt, die Familie ist geprägt von einem gewalttätigen Vater, der nach aussen hin hoch respektiert wird als Arzt.
Mir gefallen solche "Was-wäre-wenn"-Geschichten sehr. Das Buch hat mich ab Beginn gefesselt und ich fand es durchweg sehr spannend. Ich musste mir aber Notizen machen zu jedem Namenskapitel, um kein Durcheinander zu kriegen, was in welcher Version passiert. Die Schicksale der einzelnen Familienmitglieder haben mich sehr berührt.
She has taken off her secret skin and hung it from the shower curtain rail. She is ten years old in plaits and sooty knees, she is nearly ninety in the crackly Sunday best she was buried in, she is red-lipped and naked in the slick bathwater. (S. 119)
Das Buch enthält 15 Horror-Kurzgeschichten, die inhaltlich miteinander zusammenhängen. In allen geht es um "Das Hotel", in welchem es spuken soll. Die Hauptrollen in den Kurzgeschichten sind auschliesslich weiblich besetzt. Sie alle haben eine eigene Verbindung zum Hotel, sie fühlen sich zu ihm hingezogen und erleben das Hotel auf eine eigene Weise. Das Hotel zeigt sich jeder Person anders.
Kurzweilige, spukige Lektüre.
Alina Bronsky schreibt über ihren Bezug zu Essen, über Porridge, Borschtsch, Napoleon-Torte und mehr. Es geht dabei vielmehr als nur um Nahrung, sondern um Fürsorge, Nostalgie, Ankommen, Liebe.
Jedes Kapitel ist einem anderen Gericht gewidmet, verwoben mit Bronskys persönlichen Gedanken dazu, meist sind es Erinnerungen aus ihrer Kindheit in Russland. Am Ende jedes Kapitels findet sich Bronskys Rezept des eben beschriebenen Gerichts zum Nachkochen.
Eine äusserst kulinarische Lektüre, die den Genuss in den Vordergrund stellt, die meist heiter, aber auch mal melancholisch ist. Ein genuss-und lustvolles Buch, welches ich gerne gelesen habe. :)
Ja, es kommt vor, dass als verfügbar aufscheinende Bücher nicht im Regal stehen. Ja, das ist frustrierend - vor allem, wenn Sie extra aus der Peripherie Wiens angereist sind. Ja, dann kann es vorkommen, dass Sie die Beschwerde nicht in Zimmerlautstärke vortragen. Wir lächeln trotzdem freundlich, während wir Sie darauf hinweisen, dass sich das Buch bereits im Stapel, den Sie uns auf die Theke knallen, befindet.
"Ich will E-Books ausleihen und wollte fragen, wie das funktioniert?" "Alle Infos dazu finden Sie auf der Seite der Virtuellen Bücherei." "Ich hab kein Internet, deswegen ruf ich ja an."
Zahnarztassistentin: "Was machen Sie beruflich?" "Bibliothekarin." "In Ihrer eigenen Bibliothek?" Genau. Und wenn Freunde zu Besuch kommen, müssen sie so tun, als ob sie sich Bücher ausleihen wollen.
Und jetzt noch der erste Band der Bibliothekarin Monika Reitprecht, die in den sozialen Medien aus dem Bibliotheksalltag der Büchereien Wien erzählt und einige ihrer Beiträge nun in einem Buch zusammengefügt hat. Auch dieser Band sehr unterhaltsam, auch wenn mir der zweite Band besser gefallen hatte.
"Sind Sie aus Liebe zu Büchern BIbliothekarin geworden?" Lol! Nein, natürlich wegen des Geldes, des Ruhms und der Macht. (S.13)
Es ist allen sehr wichtig, dass ich zu den Klassentreffen komme - sie können dann befriedigt feststellen, dass man auch mit guten Noten keinen Erfolg haben kann. (S.14)
Mittlerweile tragen deutlich mehr männliche als weibliche Bibliothekare Dutt. (S.15)
"Es ist mir nicht möglich, das Buch zurückzugeben, da ich es noch nicht ausgelesen habe." Sie haben damit den schwachen Punkt des Konzepts Leihbücherei getroffen. (S.51)
"Die Bücher sind ganz nass!" "Nicht was sie denken - das ist nur vom Regen." WAS SOLL ICH DENKEN??? (S.52)
"Sollte das Buch nicht mehr auftauchen, wie verhalte ich mich?" Unauffällig. (S.52)
"Ich habe die Bücher noch nicht fertig gelesen. Kann ich sie trotzdem zurückgeben?" Gern sehen wir das natürlich nicht. Aber wenn Sie unsere Kontrollfragen dennoch beantworten können, wollen wir mal nicht so sein. (S.53)
"Hallo, muss man alle Bücher, die man ausgeborgt hat, wieder zurückbringen?" Das ist die Idee dahinter, ja. (S.72)
"Warum kann ich dieses E-Book nicht ausdrucken?!" "Warum wollen Sie es denn ausdrucken?" "Ich lese lieber auf Papier." Man sollte keine Fragen stellen, wenn man nicht sicher ist, ob man die Antwort ertragen kann. (S.77)
Die Bibliothekarin Monika Reitprecht veröffentlicht in den sozialen Medien Alltagssituationen aus den Büchereien Wien, wo sie arbeitet. Das ist der zweite Band, in dem ihre Beiträge gesammelt als Buch herausgegeben worden sind. Die lustigen bis absurden Situationen sind lustig kommentiert. Jede Person, die in einer Bibliothek arbeitet, kennt solche Erlebnisse nur zu gut. Ich fand es höchst unterhaltsam. :)
Ilona beneidete Lajos darum, dass er im kleinen Salon seinen Milchgriess essen durfte. Nicht nur, weil sie beim Essen der Innereien ständig daran denken musste, wie die Köchin ihre fleischigen Hände in den dunklen, blutigen Bauch des Tiers gegraben, wie es in der Küche gestunken und wie sich die fetten, glänzenden Schmeissfliegen auf die Fleischklumpen niedergelassen hatten, sondern auch, weil sie Erwachsene nicht ausstehen konnte. Sie verstand nicht, wie man dem Leben so stumpf gegenübertreten, wie man sich einfach von den Jahren überrollen lassen konnte, bis eines der Räder zu schwer war und einen erdrückte. (S.30)
Vielleicht ist man gar nicht sein Leben lang derselbe Mensch, hatte sie gedacht. Vielleicht ist man verschiedene Menschen, die anders denken, fühlen und aussehen und nur durch denselben Namen zusammengehalten werden. (S.157)
All dies waren Menschen mit eigenen Augen, die Dinge gesehen hatten, die den seinen fremd waren, mit eigenen Händen, die nachts nach anderen Schultern griffen, mit eigenen Gedanken, die er kannte oder nie gedacht hatte, mit eigenen Leben, die dem seinen trotz allem im Grunde glichen. Dennoch hatte immer nur sein eigenes gezählt. (S.198)
Eine ungarische Adels-Familiengeschichte, die sich über ein halbes Jahrhundert erstreckt und drei Generationen begleitet. Die Geschichte beginnt 1900 mit der Geburt von Lajos von Lázár. Seinem Vater Sándor ist der Junge von Beginn an nicht geheuer, unbewusst scheint er zu ahnen, dass er nicht von ihm ist. Lajos' Mutter ist depressiv, sein Onkel geisteskrank, seine Schwester erfährt im Wald Traumatisches. Sein Vater verfällt dem Alkohol, die einst adlige Familie verliert an Glanz. Auch Lajos's Sohn Pista fällt es schwer, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Die Geschichte führt durch beide Weltkriege und den Volksauftand in Ungarn, sie beginnt im Budapester Waldschloss als wohlhabende Adelsfamilie und endet mittellos auf der Flucht in die Schweiz.
Ein Generationenroman einer ungarischen Adelsfamilie, der mich ab der ersten Seite gefesselt hatte. Nelio Biedermann ist ein sehr spannender und dichter Roman gelungen (auf der eigenen Familiengeschichte beruhend), in einer grossartigen Sprache geschrieben. Was mir besonders gefiel: Es geht auch sehr viel um die Frage nach Männlichkeit, um Feminismus, um psychische Krankheiten. Die Geschichte mag vielleicht nach der Hälfte etwas abflachen. Und das Ende fand ich jetzt ein wenig zu kitschig und platt. Aber nichtsdestotrotz ein tolles Buch, welches ich ratzfatz durchgelesen hatte. Das Buch war auf der Shortlist für den CH-Buchpreis 2025.
Sadie und Sam freunden sich in den Achtziger Jahren als Kinder an. Computerspiele sind ihre Welt. Ihre Freundschaft endet nach einem Streit aprupt. In den Neunziger Jahren begegnen sie sich wieder, mittlerweile studieren beide. Sie freunden sich erneut an und entscheiden sich, gemeinsam ein Computerspiel zu programmieren. Das Spiel hat grossen Erfolg, worauf sie gemeinsam eine Firma gründen. Mit dem Erfolg kommt es jedoch auch zu Rivalitäten, die ihre Freundschaft erneut gefährdet.
Das Buch erstreckt sich von den Achtzigern bis in die 2000er Jahre. Es geht um Freundschaft, Liebe, Verlust, Trauer, Computerspiele, Behinderung. Und über Erfolg sowie das Scheitern.
Ein vielschichtiger Coming-of-Age Roman, aus dem Leben gegriffen, der mir gut gefallen hat - und das, obwohl ich noch nie eine Gamerin war. Ein toller Nebeneffekt ist, dass das Buch einen interessanten Einblick in die Spielentwicklung zeigt. Ein Kapitel gegen Ende des Buches spielt sogar komplett in einem Game. Das fand ich dann aber etwas langatmig und hat mich nicht gecatcht. Doch es lohnt sich, weiterzulesen, denn im Nachhinein macht dieses Kapitel viel Sinn. Was ich auch sehr mochte: die Autorin wählte eine sehr gendersensible Sprache.
Die Ich-Erzählerin fühlt sich seit vielen Jahren wieder frei. Sie ist geschieden, die beiden Kinder erwachsen und ausgezogen. Sie bewohnt nebst ihrer Wohnung in Wien auch ein Häuschen auf dem Land, wo sie den Sommer geniesst. Sie pflegt gute Freundschaften und ist zufrieden, wie alles so ist. Von den Männern hat sie eigentlich genug. Doch dann trifft sie im Supermarkt auf einmal einen früheren Bekannten (Friedrich) wieder. Die grosse Frage, die sie durch dieses Wiedersehen beschäftigt: Ist sie bereit, ihr gutes Leben nochmals mit einem Mann zu teilen, Kompromisse einzugehen? Ist sie bereit für eine Beziehung?
Eine sehr emanzipierte Geschichte über eine Frau Mitte der Fünzfiger, die mit Männern eigentlich abgeschlossen hatte. Doris Knecht schreibt mit viel Witz über eine selbständige Frau mit schlechten Männererfahrungen, die nicht mehr an die romantische Liebe glaubt.