Doch obwohl er also weiterhin den Ton angab und ich lediglich als Dolmetscherin fungierte, wurde mir dabei zum ersten Mal bewusst, dass mein Vater nicht nur der Mensch war, der innerhalb unserer sicheren vier Wände existierte. Es gab eine Welt, in der er nicht nur das Vorbild war, das ich von zu Hause kannte, der Mensch, der mir beigebracht hatte, wie man liest, schreibt und sich vor nichts fürchtete. Sobald er die Türschwelle unseres Hauses überschritt und einen Fuss auf die Strasse setzte, liess er diesen Teil von sich zurück. (S.54)
Das Buch erzählt die Geschichte der Autorin, wie sie als kleines Kind mit ihren Eltern vor Kriegsausbruch in Ex-Jugoslawien nach Wien flüchtet und dort ein neues Leben aufbaut. Es erzählt davon, wie sie alles dafür unternimmt, eine perfekte Migrantin zu werden. Es erzählt von der Beziehung zu ihren Eltern bzw. zu ihrem Vater (die ich als sehr herzlich, wenn auch nicht ganz konfliktfrei wahrnahm).
Ein sehr unterhaltsames und ehrliches Buch mit viel Humor und interessantem Einblick in die jugoslawische Welt (besonders auf sprachlicher Ebene).
Tahsim Durgun schreibt über seine Kindheit in einer kurdischen-jesidischen Familie in Oldenburg. Er schreibt über Alltagsrassismus, das Gefühl der Heimatlosigkeit, Integration. Und was es heisst, als Kind Verantwortung übernehmen zu müssen (offizielle Schreiben übersetzen, bei Behördengängen helfen und seine Mutter zu Arztbesuchen begleiten etc.). Mit viel Humor bildet Durgun die traurige Realität ab, wie schwer es Menschen mit Migrationshintergrund gemacht wird, wie belastend es vor allem auch für die Kinder migrantischer Familien sein kann, wie überfordernd. Nicht zuletzt ist das Buch aber auch eine Liebeserklärung an seine Mutter. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und wäre gerne weiter seinen Geschichten gefolgt. Es hat mich sehr berührt.