Bücherregal lädt …
Moscow Mule
320 Seiten

Ich beschloss, so lange unglücklich zu bleiben, wie es nur ging, denn das Glück brachte nichts als Trägheit und Stillstand, oder vielleicht sogar - Gott bewahre - ein Haus. Das konnte ich mir nicht leisten. (S.10)

Moskau, 2006. Die Studentin Karina ist jung, mittellos und träumt davon, nach Europa auszuwandern. Gemeinsam mit Tonya, ihrer besten Freundin, die dieselben Träume teilt wie sie, schummelt sie sich durchs arme Leben in Moskau. Sie teilen sich betrunkene Männer, ihr letztes Kleingeld, legendäre Partynächte und Familienkonflikte. Als die Möglichkeit eines Stipendiums in Berlin aufploppt, gibt sie alles - und Tonya gibt ihr schmerzhaft zu verstehen, dass sie ihren Traum wohl grösser stellt als die Freundschaft zu ihr.

In der Protagonistin Karina steckt sehr viel vom Leben der Autorin drin, auch sie studierte in Moskau politischen Journalismus und wechselte dann zu einer Uni in Berlin, wo sie seither wohnt. Da ich selbst zwischen 2001 und 2007 oft in Russland war, war mir vieles nicht unbekannt, was sie über die russische Kultur und Eigenheiten preisgab. Genau das fand ich sehr spannend und sorgte bei mir für viele Erinnerungen. Ohne diesen Bezug hätte ich das Buch aber wohl kaum beendet. Mir gefiel ihre Sprache nicht, zu plump. Zwar witzig, aber nicht in meinem Geschmack.

»Mama, bitte lern Deutsch«
208 Seiten

Meine Mutter, die Poetin der Gerüstlandschaft, die mir die Welt mit Metaphern, Vergleichen und Symbolen erklärte, hatte sich im Supermarkt nicht wehren können. Und obwohl sie die Worte nicht verstanden hatte, war die Botschaft, war der Schmerz bei ihr angekommen. Manchmal, so denke ich heute, ist es egal, welche Sprache der Empfänger spricht, denn Schmerz folgt keiner Grammatik, Schmerz sprechen wir alle. (S. 64)

Ich war fünf Jahre alt, als ich meinen ersten Ablehnungsbescheid von der Ausländerbehörde erhielt. Ich war fünf Jahre alt, als mir auf einem Stück Papier mitgeteilt wurde: Du gehörst nicht in das Land, in dem du geboren wurdest. (S. 103)

Tahsim Durgun schreibt über seine Kindheit in einer kurdischen-jesidischen Familie in Oldenburg. Er schreibt über Alltagsrassismus, das Gefühl der Heimatlosigkeit, Integration. Und was es heisst, als Kind Verantwortung übernehmen zu müssen (offizielle Schreiben übersetzen, bei Behördengängen helfen und seine Mutter zu Arztbesuchen begleiten etc.). Mit viel Humor bildet Durgun die traurige Realität ab, wie schwer es Menschen mit Migrationshintergrund gemacht wird, wie belastend es vor allem auch für die Kinder migrantischer Familien sein kann, wie überfordernd. Nicht zuletzt ist das Buch aber auch eine Liebeserklärung an seine Mutter. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und wäre gerne weiter seinen Geschichten gefolgt. Es hat mich sehr berührt.

Ein schönes Ausländerkind
208 Seiten

Doch obwohl er also weiterhin den Ton angab und ich lediglich als Dolmetscherin fungierte, wurde mir dabei zum ersten Mal bewusst, dass mein Vater nicht nur der Mensch war, der innerhalb unserer sicheren vier Wände existierte. Es gab eine Welt, in der er nicht nur das Vorbild war, das ich von zu Hause kannte, der Mensch, der mir beigebracht hatte, wie man liest, schreibt und sich vor nichts fürchtete. Sobald er die Türschwelle unseres Hauses überschritt und einen Fuss auf die Strasse setzte, liess er diesen Teil von sich zurück. (S.54)

Das Buch erzählt die Geschichte der Autorin, wie sie als kleines Kind mit ihren Eltern vor Kriegsausbruch in Ex-Jugoslawien nach Wien flüchtet und dort ein neues Leben aufbaut. Es erzählt davon, wie sie alles dafür unternimmt, eine perfekte Migrantin zu werden. Es erzählt von der Beziehung zu ihren Eltern bzw. zu ihrem Vater (die ich als sehr herzlich, wenn auch nicht ganz konfliktfrei wahrnahm).

Ein sehr unterhaltsames und ehrliches Buch mit viel Humor und interessantem Einblick in die jugoslawische Welt (besonders auf sprachlicher Ebene).