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Kokainjahre
288 Seiten

Marina Jungs Sohn hat mit 22 Jahren zum ersten Mal Kokain konsumiert. Es folgen vier Jahre der Sucht. Mit 26 verliert ihr Sohn den Kampf gegen die Droge.

Die Autorin erzählt schonungslos vom vierjährigen Kampf gegen die Sucht, was diese mit ihrem Sohn und auch mit ihr und ihrem Mann als Eltern gemacht haben. Sie untermalt ihre persönlichen Erfahrungen mit fundierten Fakten und macht auch Verweise zu anderen Betroffenen.

Das Buch zeigt deutlich auf, mit wie vielen falschen Vorurteilen die Gesellschaft Suchterkrankten gegenübertreten, mit wie vielen Stigmatisierungen die Betroffenen sowie die Angehörigen zu kämpfen haben. Ich habe unglaublich viel gelernt über die zerstörerische Wirkung von Kokain und über den schwierigen Weg, aus einer Abhängigkeit wieder herauszukommen.

Die für mich wohl wichtigste Message aus diesem Buch:

Sucht hat nichts mit Willensschwäche zu tun, Sucht ist eine Krankheit. (S.17)

Sucht ist eine anerkannte Krankheit. Sucht als Willens- oder als Charakterschwäche zu qualifizieren ist nicht nur grundlegend falsch, sondern auch diskriminierend. (S.39)

Oder genauer:

So glauben viele Menschen nach wie vor, Sucht sei ein Zeichen Charakter- oder Willensschwäche. Manchmal wird sogar die Meinung vertreten, die von einer Konsumstörung betroffenen Personen hätten es nicht besser verdient, weil sie ihren Zustand letztendlich sich selbst zuzuschreiben hätten. Diese Annahmen sind grundlegend falsch, denn Substanzkonsumstörungen sind biopsychosozial herleitbare psychiatrische Erkrankungen, die meist chronisch verlaufen und eine hohe Morbidität und Mortalität aufweisen. (S.10)

Spannend fand ich zudem auch das:

Neurobiologisch wird eine ADHS oft mit einem Ungleichgewicht im Dopaminsystem erklärt. [...] Dopamin [ist] ein Neurotransmitter, der eine wichtige Rolle spielt bei der Regulation von Aufmerksamkeit, Motivation und Belohnung. Bei Menschen mit einer ADHS ist die Dopaminaktivität im Gehirn eingeschränkt, was unter anderem zu Unaufmerksamkeit und Impulsivität führen kann. Auf Basis dieser Dopmaindefizit-Hypothese haben Menschen mit einer ADHS ein deutlich erhöhtes Abhängigkeitsrisiko, weil sie empfänglich sind für die Wirkung von psychoaktiven Substanzen. [...] Es mag daher nicht erstaunen, dass bei Personen mit einer ADHS eine Kokainabhängigkeit vergleichsweise häufiger auftritt als bei Personen ohne ADHS. In Fachkreisen gilt eine konsequente ADHS-Behandlung bereits ab dem Kindes- und Jugendalter als eine der sinnvollsten Präventionsmassnahmen für Suchterkrankungen. Kinder mit einer ADHS haben ein doppelt so hohes Risiko für eine Kokainabhängigkeit als andere, unter anderem, weil sie unbekümmerter, neugieriger und begeisterungsfähiger unterwegs sind. (S.187)

Mich hinterlässt das Buch fassungslos zurück, es wird bei mir wohl noch lange nachhallen. Ich bin erschüttert über das, was die Autorin und vor allem ihr Sohn durchgemacht haben. Und ich bin unglaublich beeindruckt, dass Marina Jung diese vier Jahre nie aufgegeben hat, ihrem Sohn beizustehen und zu kämpfen für ein Leben ohne Drogen, auch wenn das unvorstellbar kräftezehrend gewesen sein musste - für alle. Grossen Respekt an sie, auch dafür, dass sie ihre ganzen Erfahrungen ungeschönt und absolut transparent in diesem Buch gesammelt hat, um anderen Suchterkrankten und Angehörigen von Suchterkrankten zu helfen.

Klima-Bullshit-Bingo (SPIEGEL-Bestseller)
240 Seiten

Aber [Physik-Nobelpreisträger von 2022, John F. Clauser, Klimaleugner] ist doch schlau, der wird so was doch nicht sagen, wenn es kompletter Unsinn ist! Ja, doch. Leider ist Intelligenz etwas anderes als Unfehlbarkeit und so reden auch überdurchschnittlich intelligente Menschen gern mal ausnehmend törichten Blödsinn, wenn ihr Primatengehirn nur clever genug ausgetrickst wurde. (S.26)

"Klimaschutz bringt gar nichts, wenn die Überbevölkerung nicht gestoppt wird!" --> [...] Wenn wir den Begriff "Nachhaltigkeit" nicht nur als ökologischen Begriff verstehen, sondern auch eine gewisse soziale Nachhaltigkeit anstreben, durch die es allen Menschen auf dem Planeten einigermassen gut geht, setzen wir ganz neue Massstäbe. So was gab es noch nie. Wir sind die ersten Menschen mit der Möglichkeit, so eine Welt zu erschaffen. Ich würde gerne in einer Welt leben, die die planetarischen Grenzen achtet und gleichzeitig allen Menschen ein würdevolles Leben ermöglicht. Ob das nun 8 Milliarden oder 10 Milliarden sind, macht am Ende keinen grossen Unterschied mehr, wenn wir den ökologischen Fussabdruck jedes Menschen auf ein vertretbares Mass senken. (S.68-69)

"Ich trenne doch schon Müll!" --> [...] Palmöl ist in die Kritik geraten, weil es die Nutzpflanze mit der höchsten Zuwachsrate in tropischen Gebieten mit besonders schützenswerten Wäldern ist. Es sind aber meist nur wenige Gramm pro Gericht und der Austausch gegen Kokosöl macht es oft nur schlimmer. Kokosöl benötigt für die gleiche Menge noch mehr Anbaufläche in der gleichen Klimazone, also genau dort, wo auch der Palmölanbau für schlechte Schlagzeilen gesorgt hat. Das meiste Palmöl landet bei uns ohnehin in Diesel-Autos als "Biosprit". (S.116)

"Veggie-Burger sind reine Chemie, ich esse Fleisch für die Umwelt" --> [...] Es ist viel entscheidender, was wir essen, als wo es herkommt oder was gerade Saison hat. Die eventuell enthaltenen Zusatzstoffe haben auf die Umwelt- und Klimabilanz so gut wie keine Auswirkung, denn selbst ein Veggieburger mit chemisch klingenden Inhaltsstoffen aus Übersee verbraucht deutlich weniger Fläche, Energie und Pflanzen als das noch so frische Original aus Rindfleisch. Es gibt ausserdem auch bei der Pflanzensparte Produkte mit viel, wenig oder gar keinen Zusätzen - letztere sind dann halt keine vier Wochen haltbar. Wer aber glaubt, er habe dem Klima geholfen, weil sich die Zutatenliste nur auf die Position "Rindfleisch" beschränkt, irrt. (S. 129)

Jan Hegenberg hat in diesem Buch 25 Klima-„Stammtisch“-Parolen gesammelt (z.B. „Aber heute hat es geschneit“, „Klimaschutz zerstört die Wirtschaft“, „Aber China!“, „Ich trenne doch schon Müll“, „Pflanzt doch einfach mehr Bäume“ etc.) und erklärt mit grossem Fachwissen und in verständlicher und sehr humorvoller Sprache, wieso diese Argumente falsch sind. Das Buch liefert hilfreiche Fakten, die für zukünftige Klimadiskussionen genutzt werden können, wenn einem selbst die Argumente ausgehen.

Sehr nützlich, gut recherchiert und aufschlussreich! Sein Humor wurde mir jedoch teilweise (und vor allem auf Dauer) zu viel und machte es für mir ab der Hälfte des Buches anstrengend zu lesen.

Hässlichkeit
224 Seiten

Selbst die als schön markierten Körper sind nicht unbedingt die signifikanten Profiteure dieser Ökonomie. Eher sind es damals wie heute jene, die die Standards setzen, regulieren, verkaufen. Es sind jene, die profitieren von "den Hässlichen", indem sie die Angst vor und den Spott über Hässlichkeit aufrechterhalten, sodass Menschen alles tun würden, um "dem Hässlichen" nicht zu nahe zu kommen. (S.94)

Wenn "hässlich" bedeutet, alt, krank und ungeliebt zu sein, dann hassen wir nicht wirklich die Hässlichen, sondern fürchten unsere eigene Vergänglichkeit, Zerbrechlichkeit und Einsamkeit. (S. 175)

Hässlichkeit ist ein Instrument gegen jene, die existieren, aber aus denen das System keinen gewünschten Nutzen zu gewinnen glaubt, ausser in ihrer Ablehnung. (S.201)

Die Autorin setzt sich mit diversen Schönheitsidealen und Körperbilder auseinander, die oft auch kolonial und rassistisch geprägt sind, sie setzt sich mit ihrem eigenen Aussehen auseinander, mit dem Altern und Tod. Und sie gibt einen sehr intimen Einblick in ihren Umgang mit ihrem Körper, unter dem sie aufgrund ihrer grossen Nase und starker Körperbehaarung als Kind sehr litt. Manchmal poetisch, manchmal essayistisch, biografisch, mit Bildern und eigenen Zeichnungen angereichert: Ein wichtiges Buch, das zum Nachdenken anregt.