Bücherregal lädt …
Täuschend echt
352 Seiten

Als ich sie kennenlernte - Ich habe sie nie kennengelernt. Was ich für Kenntnis hielt, war Oberfläche. Sie hatte sich einen Charakter hingemalt, wie sie sich ein Gesicht malt, bevor sie am Abend aus dem Haus geht. (S.17)

Ein Werbetexter für Frühstücksmüsli verliert seinen Job, seine Freundin und mit ihr auch viel Geld. Trost findet er in der künstlichen Intelligenz, er beginnt mit ihr zu spielen. Und daraus entsteht plötzlich ein Roman, der hochgelobt wird. Mit dem Erfolg des Buches, welches schnell ein Bestseller wird, kommt er aber auch zunehmend in Gefahr...

Lewinsky schreibt nicht nur über die künstliche Intelligenz und geht der Frage nach, welche Bedeutung sie in Zukunft haben könnte bezüglich dem klassischen oder eben auch literarischen Schreiben, er nutzte die künstliche Intelligenz auch effektiv, um dieses Buch zu schreiben. Alle Passagen, die im Roman von der künstlichen Intelligenz geschrieben worden sind, stammen auch in Wirklichkeit von ChatGPT (in kursiver Schrift gedruckt). Das macht den Roman sehr lebendig. Mich hat die Geschichte von Anfang an gepackt! Sehr unterhaltsam, mit viel Humor und Spannung. Gelesen war es super zügig. Eine grossartige Idee (sage ich als KI-Skeptikerin...)! :) Wehrmutstropfen: Manchmal sind die KI-Passagen etwas zu langatmig, die eine oder andere Stelle hätte Lewinsky durchaus kürzen können, finde ich.

Seinetwegen
204 Seiten

Als Zora del Buonos Vater bei einem Autounfall ums Leben kam, war sie erst 8 Monate alt. Ihre Mutter hat fast nie über ihren Vater gesprochen, zu gross war der Schmerz, del Buono erfährt so auch kaum etwas über den Unfall. Nun mit sechzig Jahren fragt sie sich, was genau vorgefallen war und vor allem: Wer war der Unfallverursacher? Sie macht sich auf die Suche nach dem Töter, wie sie den Unfallverursacher früher oft nannte, geht auf Spurensuche, mit dem Ziel, ihn mit ihrer Familiengeschichte zu konfrontieren. Mit allem was sie über den Unfallverursacher erfährt, wächst ihr Mitgefühl ihm gegenüber und scheint die Wut gegen ihn zu schwinden. Es ist ein Buch über die Trauer, über das späte Kennenlernen der eigenen Familiengeschichte und letztlich auch sehr fest über Versöhnung.

Als Hörbuch hat das Buch meiner Meinung nicht ganz so gut funktioniert. Ich fand es schade, war die Sprecherin des Schweizerdeutschen nicht mächtig. Die vielen schweizerdeutschen Bezeichnungen wurden jeweils gar holprig gelesen, das störte den Fluss der Sprache.

Polifon Pervers
224 Seiten

Wobii si dem jo nie so gsäit het: Konscht. D Sabin het emmer gsäit, me söli dem Onderhaltig säge. Wel Onderhaltig: Do verschtöchid alli öppis dronder. Konscht sig komplizierter, het d Sabin gsäit, aso nome scho s Wort sig komplizierter. Das häig e theroetische Rocksack, das Wort. Das sig huere vag, do chönn me nächtelang dröber schtriite, was das öberhaupt bedüüti: Konscht. Ond so Wörter wod Filosof*inne scho set es paar tuusig Johr dröber schtriitid, was si äigentlech bedüütid, die sött me am beschte gar ned ersch is Muul näh, het d Sabin gsäit. Und Kultur au grad. Velecht sogar no schlemmer, het sie gfonde. Wemme dem Kultur sägi, was me macht, häig me näb dene Definizionsproblem au grad no Abgränzigsproblem e alli Rechtige. (S. 10)

Was, gloge? Lüge chasch nomen öber d Vergangehäit oder öber d Gägewart. Wennd öber d Zuekonft Züügs erfendsch, de esch das ned lüge, denn esch das Storitelling. (S. 28)

Zwei junge Frauen gründen einen Verein, den "Polifon Pervers" und steigen damit in die Unterhaltungszene ein. Auf eine Theatervorführung folgt die nächste, mit dem Erfolg wachsen die Ideen, ihre Vereinsarbeit weiter auszubauen und so wächst auch ihr Team. Und plötzlich arbeiten sie mit Drogendealern zusammen, eignen sich die Kunst der Geldwäsche an und kommen damit erstaunlich weit...

Schon lange habe ich keinen Roman mehr in Mundart gelesen, entsprechend schwer fiel es mir zunächst, dem Luzernerdialekt zu folgen. Aber, daran gewöhnt es sich schnell. :) Ich konnte das Buch kaum auf die Seite legen, die Geschichte ist so unterhaltsam und mitreisssend erzählt. Ich musste immer wieder schmunzelnd oder gar laut auflachen ab dem sehr originellen Plot. Eine sehr erfrischende Lektüre!

Hallo
250 Seiten

3:15 Uhr. Seit vier Stunden liege ich wach im Bett und übe schlafen und werde nicht besser darin. Manchmal kann das Anstrengendste eines Tages das Einschlafen sein. (S.122)

Vier Stunden, was hätte man nicht alles in vier Stunden machen können. Ein Ei legen zum Beispiel, vorausgesetzt man ist ein Huhn, wenn nicht, könnte man achtzig Drei-Minuten-Eier kochen oder vierzig Sechs-Minuten-Eier, oder mit dem Fahrrad von Berlin nach Potsdam fahren und Alexander Gauland in die Eier treten oder man könnte auch einfach vier Stunden schlafen, wenn man vier Stunden zur Verfügung hat, die zusätzlich auch noch zum Schlafen gedacht wären. (S.122)

Lara Stoll ist super, ich liebe ihr Schaffen! Texte von ihr zu lesen macht zwar auch Spass, aber noch lieber höre und sehe ich ihr zu, wie sie die Texte selbst performt.

WEG
120 Seiten

Ein Graphic Novel über das Thema Depression. Malins Schwester Sibyl verwandelt sich in einen Stein und verschwindet. Malin macht sich daraufhin auf die Suche nach ihrer Schwester, um sie zurückzuholen.

In dieser Geschichte liegt der Fokus bei den Angehörigen von psychisch Erkrankten. Eine berührende, ergreifende Geschichte, wunderbar illustriert.

Am Rande mittendrin
139 Seiten

So ist es oft im Leben. Man rechnet mit dem Schlimmsten, und nichts davon geschieht. Es wird einfach gut. (S. 20)

Viele aus meinen ersten Jahren bei Surprise sind nicht mehr da. Pensioniert. Weggezogen. Die Arbeitsstelle gewechselt. Nicht mehr mobil. Bettlägerig. Und nicht Wenige weilen nicht mehr unter uns. Wieviel Abschied erträgt ein Mensch? (S. 28)

Urs Habegger verkauft seit 15 Jahren das CH-Strassenmagazin Surprise in der Bahnhofunterführung Rapperswil. Nach einer missglückten Augenoperation konnte er seinen Beruf als Grafiker nicht mehr ausüben, mit dem Verkauf des Strassenmagazins kann er für seinen Lebensunterhalt selbstständig aufkommen.

Im Magazin erschienen immer wieder kleine Texte von Urs Habegger, nun hat er ein ganzes Buch geschrieben. Er ist ein guter Beobachter und schreibt im Buch von seinen Begegnungen, von lustigen und traurigen und berührenden Anekdoten, von seinen täglichen Beobachtungen, die er tagtäglich in dieser Bahnhofsunterführung macht. Mir hat es sehr gefallen.

Live aus der Ukraine
214 Seiten

"Einer der Polizisten zieht dem Toten das blau-weiss gestreite T-Shirt nach oben. Der massive Bauch ist blutverschmiert und wackelt hin und her. Der Polizist hält die Kamera mit der rechten Hand, die linke Hand vergräbt er in seiner Jackentasche. Er wird die Bilder später auf die Festplatte eines Computers laden und mit Datum und Ort beschriften: Butscha, 10. April 2022. Und wo speichern wir die Bilder in unseren Köpfen? Nach wie vielen Toten stumpfen der Polizist, mein Kameramann oder ich als Journalistin ab?" (S. 168)

"Die Gesichter aller sind müde, die Hände von Russ und Dreck verfärbt. Sergei erzählt: 'Die Russen sind einfach auf Jagd gegangen. Säuberungen haben die gemacht.' Säuberungen von was? Vom Leben? Der Hausmüll der Anwohner türmt sich. Die russischen Soldaten haben nur den Tod, aber keine Müllabfuhr gebracht." (S.169)

"Ein Kollege von der SRF-Bundeshausredaktion begleitet die Parlamentarier auf ihrer Reise in die Ukraine. 'Luzia, wie gehst du mit der Realität in der Ukraine, mit diesen Bildern um?' Ehrliche Antwort: 'Gar nicht. Dafür bleibt keine Zeit.' " (S.178)

Luzia Tschirky war während 5 Jahren Korrespondentin des Schweizer Fernsehens (SRF) für Russland, Belarus und der Ukraine. Am 24. Februar 2022, als Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine startete, war sie in Kiev. Ab da war sie täglich im SRF zu sehen mit ihren Berichterstattungen. Im Buch verarbeitet sie ungeschönt ihr Erlebtes aus der Zeit von März 2019 bis September 2022.

Beim Lesen fiel mir auf, dass ich immer wieder durch die Kapitel "hetze" und etwas unaufmerksam lese. Ich glaube, das liegt daran, dass mich das Thema zu fest bedrückt und ich so versuchte, das Ganze nicht zu nah an mich heranzulassen. Das Buch richtet unter anderem die Aufmerksamkeit auf die ukrainische Bevölkerung, wie es ihr im/mit dem Krieg bisher erging und immer noch ergeht und welche fürchterlichen Dinge sie tagtäglich erlebt.

Graubündner Finsternis
315 Seiten

1953, ein Mordfall im Valsertal, Graubünden. Eine junge Frau wird frühmorgens tot in der Tuchfabrik aufgefunden. Einige Jahre zuvor wurde bereits ihr Vater auf dieselbe Weise umgebracht...

Der Krimigeschichte wegen hätte ich dieses Buch glaub's nicht lesen müssen, auch wenn sie durchaus lesenswert ist. Was mich aber sehr fesselte war, wie der Autor im Buch ein dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte aufgriff. Und zwar thematisiert er, wie Pro Juventute Anfang des 20. Jahrhundert gegen das jenische Volk vorging und wie sich der damalige Leiter der Pro Juventute gegen zahlreiche Minderjährige vergehen konnte, und dabei ungeschoren davon kam. Unglaublich...

Das Alphabet der sexualisierten Gewalt
130 Seiten

"Im HOME erfahren auch cis Männer und alle, die als solche gelesen werden, Gewalt. Doch wenn sie die Polizei anrufen, sind sie es selbst, die festgehalten werden. Denn einen MANN der Hilfe braucht, gibt es a) nicht, b) erst recht nicht, wenn die Gewalt von einer FRAU ausgeht, c) auch in den Augen der Polizei nicht, und das ist Teil des Problems." (S.21)

"Im 'rape script' steht nur eine Storyline: ein vaginal penetrativer Akt, durch eine massive Gewalt anwendende, fremde, cis männliche Person. Ein cis weibliches, meist weisses, 'unschuldiges' Opfer, das sich keinem 'Risiko' ausgesetzt hat. Das sich wehrt (möglichst stark) und dadurch von Strafverfolgungsbehörden feststellbare körperliche Verletzungen davonträgt. Das schwer traumatisiert und beschämt ist und trotzdem sofort nach der Tag zur Polizei geht. Das sich erinnern kann (kohärent und korrekt, auch bei Wiederholung). Das fortan Angst hat vor Sex, Nacht, Männern (mindestens). Diese Storyline nagelt Identitäten fest: ewiges Opfer, für immer Täter. [...] Diese Storyline macht alle unsichtbar, die nicht ins Schema passen." (S.36-37)

"Auch wenn gewisse Personengruppen das eine mehr tun und das andere weniger sind: Sexualisierte Gewalt hat kein Geschlecht. Doch die strukturelle Gewalt, die sie ermöglicht, ist gegendert. Sie wird gestützt durch Rassismus, Ableismus, Klassismus, Ageismus, Adultismus, Transmisogynie, Antisemitismus , Heterosexismus, Kapitalismus, ismus, ismus, ismus, ismus, ismus, ismus, ismus, ismus." (S.91)

" 'Das Alphabet der sexualisierten Gewalt' ist eine autofiktionale Spurensuche", wie es der Klappentext beschreibt. "Es versammelt Begriffe, fantastische Geschichten und politische Zaubersprüche, die als Ausgangspunkt dienen, um über sexualisierte Gewalt und ihre Auswirkungen nachzudenken. Es ist ein Versuch, der prekären Erinnerung ein Gefäss zu geben - und an eine selbstbestimmte Zukunft zu denken."

Die Autorin versucht, eine Sprache zu finden, um über (ihre) Vergewaltigung zu sprechen. Sehr differenziert und durch verschiedene Stilmittel greift sie das Thema auf, zeigt Problematiken aus der Politik/Gesetzgebung auf sowie auch unserer Sozialisierung, was wir welchem Geschlecht zuordnen. Sexualisierte Gewalt hat jedoch kein Geschlecht. Sehr ergreifend, beklemmend, lehrreich, zum Nachdenken anregend.

Das Leben ist gut
240 Seiten

Max ist seit 25 Jahren mit seiner Frau verheiratet und zum ersten Mal ist seine Frau beruflich ohne ihn unterwegs. Er betreibt eine kleine Bar, wo sich der grösste Teil der Geschichte abspielt.

Von all den Büchern des Autors, die ich bisher schon gelesen habe, überzeugt mich dieses am wenigsten. Mir fehlte eine Handlung, die packend und/oder berührend, ergreifend ist. Ich baute keinen Bezug zu den einzelnen Figuren auf, mich liessen alle kalt.

Life Rebel
208 Seiten

"Die Ideologie meiner Eltern beruht auf der Antwort meines Vaters: Zeit ist das höchste Gut. Nichts ist so kostbar, wie Zeit zu haben. Nichts so wertvoll, wie Zeit zu schenken." (S.33)

Yvonne Eisenring lebt ein Leben abseits der gesellschaftlichen Normen. Sie beginnt beispielsweise nicht vor 12 Uhr mit ihrer Arbeit. Sie wählt sich ihre Arbeit bewusst aus und lehnt Aufträge auch mal ab - auch wenn sie finanziell gesehen sehr lukrativ wären. Sie priorisiert ihre Familie und Freund:innen, nimmt sich Zeit für das, was ihr wichtig ist: Ihre Freundschaften, ihre Familie und das Erleben neuer Orte. Sie lebte ein paar Monate in Paris, dann in Berlin, in Mexico City, in Buenos Aires, in New York. Mittlerweile bewegt sie sich alternierend zwischen Zürich, Paris und New York. Sie lebt ein nicht der Norm entsprechendes Lebensmodell. Im Buch schreibt sie über die Hürden und Herausforderungen, aber auch über all ihre Erkenntnisse, die sie in den letzten Jahren gesammelt hat. Sie nimmt die Leser:innen an jeden ihrer besuchten Orte mit, teilt ihre Beweggründe und Erlebnisse.

Ich mochte das Buch, es nahm mich mit auf eine kleine Weltreise und liess mein Fernweh neu erwachen. Ich finde es toll, wie sie ihr Leben lebt, auch wenn - oder gerade weil - es nicht meinem Lebensmodell entspricht.

Heartbreak Opel
103 Seiten

Eine unkonventionelle Weihnachtsgeschichte von einem Verbrecher, der als Barkeeper im Restaurant Militärkantine (eines meiner Lieblingsrestaurants in St.Gallen :) ) arbeitet. Am Weihnachtsabend überfällt er mit seiner hochschwangeren Freundin den Mc Donalds am Marktplatz. Die Flucht verläuft nicht wie geplant, mit Schnee haben sie nicht gerechnet...

Ich fand diese kurze Graphic Novel besonders wegen ihres Lokalkolorits spannend.