Bücherregal lädt …
& Das Pen!smuseum - Mit Texten von Jovana Reisinger, Sophia Süßmilch und Illustrationen von Andrea Z. Scharf
216 Seiten

Während der "Mann oder Bär"-Debatte warst du tagelang wie an den Bildschirm geklebt. "Ein Bär würde mich einfach nur töten", haben die Frauen im Internet geschrieben, "er würde mich nicht in einen Keller sperren und jahrelang missbrauchen." [...] "Ein Bär würde mich einfach nur töten", haben sie geschrieben, "er würde mich nicht mit Rohypnol betäuben, vergewaltigen und dabei filmen, um später mit seinen Freunden über die Videos zu lachen." [...] "Wenn ich im Wald verschwinde, denkt niemand, dass es ein Bär war", haben die Frauen im Internet geschrieben. "Wenn ich von einem Bären verletzt werde, wird mir wenigstens geglaubt." Und: "Nach einem Bärenangriff fragt mich niemand, was ich anhatte." Bei Bären, die zu achtzig Prozent Vegetarier sind, besteht eine reelle Chance, dass sie ruhig ihrer Wege gehen. Bärinnen greifen nur an, um sich selbst und ihresgleichen zu beschützen. (S. 97-99)

In den Anhörungen haben die meisten der fünfzig Täter den Vorwurf der Vergewaltigung von sich gewiesen. Sie seien überzeugt gewesen, das Ganze gschehe mit Gisèle Pélicots Wissen, haben sie behauptet. Ein Sexspiel. Ein Fetisch des Ehepaars. Dabei erkennt man auf den Videos, wie tief Gisèle Pélicot schläft und dass das kein normaler Schlaf ist. Man hört sie sogar schnarchen. Wenn also Männer Videobeweise sehen, wie sie höchstpersönlich eine bewusstlose Frau vergewaltigen und sagen: Das ist keine Vergewaltigung, wie kriegt man dann Verständnis dafür, was einvernehmlicher Sex ist und was nicht, in ihre Schädel? (S.129)

Das mit dem Salz hat die Gabi über die Jahre perfektioniert. Sie gibt ein Priserl, auf keinen Fall zu viel, aber auch nicht zu wenig, in den Kaffee, grad so, dass er dem Typen nicht mehr schmeckt, er aber nicht nachvollziehen kann, warum. [...] Er soll das Unangenehme aushalten, sie tut es ja auch. Wenn eine Frau Männer datet, muss sie viel Unangenehmes aushalten. Der eigentliche Witz ist nämlich, dass die Männer den Kaffee trotzdem runterwürgen. So dringend wollen sie die Illusion aufrechterhalten, die sie sich zusammengezimmert haben - die befriedigte Frau, die sicher ein Wiedersehen möchte, die in Zukunft vielleicht für sie kocht und ihren Erzählungen über den cholerischen Chef und die anstrengende Mutter zuhört -, dass sie nicht sagen: Gabi, mit dem Kaffee stimmt was nicht. (S.152-153)

"Danke für den Kaffee", sagt Matthias und erlaubt sich den klassischen Blick auf die Uhr, "und für die schöne Nacht." Die Gabi nickt und zieht das mit dem Schweigen weiter durch. Sie hat keinen Bock, ein männliches Ego zu streicheln, noch bevor sie überhaupt geduscht hat. (S.156)

In den Kurzgeschichten, die auch sicherlich unabhängig voneinander zu lesen wären, aber trotzdem miteinander verbunden sind, geht es um Frauen, die genug haben und sich nichts mehr gefallen lassen. Von der Gesellschaft und ihrem Druck, die sie auf Frauen ausübt. Und vor allem von den Männern. Die Frauen sind wütend und haben genug. Sie rächen sich. Anna geht hochschwanger fremd, Simone fotografiert heimlich den schlaffen Penis ihres schlafenden Mannes, Gabi rührt ihren One-Night-Stands morgens Salz in den Kaffee. Moni rächt sich stellvertretend an fremden Männern, den grauenvollen Fall von Giséle Pélicot vor Augen.

Die Geschichten sind böse, provokativ, kompromisslos und oft sehr sehr lustig. Nicht alle haben mir gleich gut gefallen, aber das ist egal. Es fühlt sich befreiend an, den Handlungen der Frauen zu folgen. Vieles mag pauschalisierend daherkommen und Männer kommen in diesem Buch nicht gut weg. Aber natürlich sind die Geschichten mit einem Augenzwinkern zu lesen, sie sollen provozieren und doch steckt auch so viel Wahres in ihnen. Vieles davon ist aber auch einfach nur erschütternd (ich sage nur: Giséle Pélicot, als ein Beispiel).

Beautiful Days
240 Seiten

Im Buch sind zehn Kurzgeschichten enthalten, die alle mehr oder weniger unheimlich und verschroben sind oder so enden. Die Geschichten werfen Fragen auf, sind rätselhaft, absurd. Sie entgleisen und liessen mich meist sehr irritiert zurück. Nicht alle dieser zehn Geschichten haben mich gleichermassen gepackt. Auch hätte ich gerne die Rätsel, die Williams in seinen Geschichten eingebaut hat, aufgelöst bekommen.

Ein Vater bemerkt plötzlich, dass sein Junge an einem Fuss sechs Zehen hat und fragt sich, seit wann dies so ist. Ein Mann möchte eine humane Mäusefalle kaufen und kommt im Geschäft in eine absurde Situation. Ein Mann schaut im Nachbarhaus vorbei und entdeckt seine tote Nachbarin, aber auch gleichzeitig einen Mann, der sich im selben Zimmer aufhält und wortlos durch das Haus schleicht. Eine Familie zieht in ein Häuschen im Wald und ihr Kind bleibt in der Zeit stecken, es altert nicht. Und und und...

Der Titel "Beautiful Days" ist irreführend, weil von schönen Tagen ist in diesen Geschichten keine Spur. :)

Hallo
250 Seiten

3:15 Uhr. Seit vier Stunden liege ich wach im Bett und übe schlafen und werde nicht besser darin. Manchmal kann das Anstrengendste eines Tages das Einschlafen sein. (S.122)

Vier Stunden, was hätte man nicht alles in vier Stunden machen können. Ein Ei legen zum Beispiel, vorausgesetzt man ist ein Huhn, wenn nicht, könnte man achtzig Drei-Minuten-Eier kochen oder vierzig Sechs-Minuten-Eier, oder mit dem Fahrrad von Berlin nach Potsdam fahren und Alexander Gauland in die Eier treten oder man könnte auch einfach vier Stunden schlafen, wenn man vier Stunden zur Verfügung hat, die zusätzlich auch noch zum Schlafen gedacht wären. (S.122)

Lara Stoll ist super, ich liebe ihr Schaffen! Texte von ihr zu lesen macht zwar auch Spass, aber noch lieber höre und sehe ich ihr zu, wie sie die Texte selbst performt.