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»Ich als Feminist ...«
160 Seiten

Ihr kennt diesen Moment: Das Gespräch dreht sich um Übergriffigkeit, Gewalt gegen Frauen oder Missbrauch - vielleicht ein aktueller Fall aus den Medien - und plötzlich platzt ein Typ mit stolzgeschwellter Brust heraus: "Vergewaltiger sind Monster und gehören ins Gefängnis! Ich mache so was ja nicht!" Ah ja. Natürlich. [...] Dieser Satz ist [...] ein echter Klassiker. Er hat alles: ein bequemes Weltbild, null Selbstreflexion und die automatische Reinwaschung von Schuld, noch bevor irgendjemand sie erhoben hat. [...] Wenn wir Täter zu "Monstern" erklären, schaffen wir eine komfortable Distanz. Wir trennen sie von den "normalen Männern" - und genau das ist das Problem. Es lässt Männer denken: "Das hat nicht mit mir zu tun. Ich bin nicht so" [...] während sie ignorieren, dass übergriffiges Verhalten eben nicht erst bei der Schlagzeile in der Zeitung anfängt. (S.122-123)

Lovebombing ist wie eine Temu-Werbung: Sie sieht verlockend aus, aber am Ende kriegst du doch nur irgendeinen Schrott, der nach einer Woche kaputtgeht. Und du gehst voller Illusionen leer aus. Nachhaltig ist das Ganze sowieso nicht. (S.190)

Lensi Schmidt zählt 70 Dinge auf, die Frauen bei Männern nicht mehr ertragen. Sie schreibt über Mansplaining, schlimme Dates, schlechte Komplimente, fehlenden Anstand, Sexismus. Mit Humor, sehr direkter Sprache und Selbsterfahrung gibt sie anderen Frauen Tipps, um klare Grenzen zu setzen. Für meinen Geschmack sind ihre Beobachtungen aber zu generalisierend und ihr Humor zu plump. Es fehlt ihr oft an Tiefe. Teilweise sind die Dinge, die sie auflistet, zu weit hergeholt und es scheint, als bräuchte sie noch ein paar Lückenfüller, um auf die 70 zu kommen.

Ihr Nachwort hingegen hat mir gefallen. Sehr ehrlich und ohne diesen "Humor" erzählt sie von ihren Erfahrungen, aus diesen letztlich ihr Buch entstanden ist.

& Das Pen!smuseum - Mit Texten von Jovana Reisinger, Sophia Süßmilch und Illustrationen von Andrea Z. Scharf
216 Seiten

Während der "Mann oder Bär"-Debatte warst du tagelang wie an den Bildschirm geklebt. "Ein Bär würde mich einfach nur töten", haben die Frauen im Internet geschrieben, "er würde mich nicht in einen Keller sperren und jahrelang missbrauchen." [...] "Ein Bär würde mich einfach nur töten", haben sie geschrieben, "er würde mich nicht mit Rohypnol betäuben, vergewaltigen und dabei filmen, um später mit seinen Freunden über die Videos zu lachen." [...] "Wenn ich im Wald verschwinde, denkt niemand, dass es ein Bär war", haben die Frauen im Internet geschrieben. "Wenn ich von einem Bären verletzt werde, wird mir wenigstens geglaubt." Und: "Nach einem Bärenangriff fragt mich niemand, was ich anhatte." Bei Bären, die zu achtzig Prozent Vegetarier sind, besteht eine reelle Chance, dass sie ruhig ihrer Wege gehen. Bärinnen greifen nur an, um sich selbst und ihresgleichen zu beschützen. (S. 97-99)

In den Anhörungen haben die meisten der fünfzig Täter den Vorwurf der Vergewaltigung von sich gewiesen. Sie seien überzeugt gewesen, das Ganze gschehe mit Gisèle Pélicots Wissen, haben sie behauptet. Ein Sexspiel. Ein Fetisch des Ehepaars. Dabei erkennt man auf den Videos, wie tief Gisèle Pélicot schläft und dass das kein normaler Schlaf ist. Man hört sie sogar schnarchen. Wenn also Männer Videobeweise sehen, wie sie höchstpersönlich eine bewusstlose Frau vergewaltigen und sagen: Das ist keine Vergewaltigung, wie kriegt man dann Verständnis dafür, was einvernehmlicher Sex ist und was nicht, in ihre Schädel? (S.129)

Das mit dem Salz hat die Gabi über die Jahre perfektioniert. Sie gibt ein Priserl, auf keinen Fall zu viel, aber auch nicht zu wenig, in den Kaffee, grad so, dass er dem Typen nicht mehr schmeckt, er aber nicht nachvollziehen kann, warum. [...] Er soll das Unangenehme aushalten, sie tut es ja auch. Wenn eine Frau Männer datet, muss sie viel Unangenehmes aushalten. Der eigentliche Witz ist nämlich, dass die Männer den Kaffee trotzdem runterwürgen. So dringend wollen sie die Illusion aufrechterhalten, die sie sich zusammengezimmert haben - die befriedigte Frau, die sicher ein Wiedersehen möchte, die in Zukunft vielleicht für sie kocht und ihren Erzählungen über den cholerischen Chef und die anstrengende Mutter zuhört -, dass sie nicht sagen: Gabi, mit dem Kaffee stimmt was nicht. (S.152-153)

"Danke für den Kaffee", sagt Matthias und erlaubt sich den klassischen Blick auf die Uhr, "und für die schöne Nacht." Die Gabi nickt und zieht das mit dem Schweigen weiter durch. Sie hat keinen Bock, ein männliches Ego zu streicheln, noch bevor sie überhaupt geduscht hat. (S.156)

In den Kurzgeschichten, die auch sicherlich unabhängig voneinander zu lesen wären, aber trotzdem miteinander verbunden sind, geht es um Frauen, die genug haben und sich nichts mehr gefallen lassen. Von der Gesellschaft und ihrem Druck, die sie auf Frauen ausübt. Und vor allem von den Männern. Die Frauen sind wütend und haben genug. Sie rächen sich. Anna geht hochschwanger fremd, Simone fotografiert heimlich den schlaffen Penis ihres schlafenden Mannes, Gabi rührt ihren One-Night-Stands morgens Salz in den Kaffee. Moni rächt sich stellvertretend an fremden Männern, den grauenvollen Fall von Giséle Pélicot vor Augen.

Die Geschichten sind böse, provokativ, kompromisslos und oft sehr sehr lustig. Nicht alle haben mir gleich gut gefallen, aber das ist egal. Es fühlt sich befreiend an, den Handlungen der Frauen zu folgen. Vieles mag pauschalisierend daherkommen und Männer kommen in diesem Buch nicht gut weg. Aber natürlich sind die Geschichten mit einem Augenzwinkern zu lesen, sie sollen provozieren und doch steckt auch so viel Wahres in ihnen. Vieles davon ist aber auch einfach nur erschütternd (ich sage nur: Giséle Pélicot, als ein Beispiel).

Riot Girl
416 Seiten

LKA-Ermittlerin Obalski hat ganz besondere Fähigkeiten, sie kann Menschen und ihre Verhaltensweisen lesen. Sie hat Gender Studies und Forensik studiert und wird Teil einer Sonderermittlung, für die sie in eine Jugendamt eingeschleust wird, wo sie heimlich Informationen über eine Protestbewegung aus jungen Mädchen/Frauen, die zu gefährlichen Aktionen auf Social Media aufrufen, sammeln soll. Bald gibt es auch eine erste Leiche und Obalski erkennt die Dringlichkeit, denn einige Mädchen scheinen in Gefahr zu sein.

Das Buch wird als feministischen Krimi angepriesen, was mich sehr neugierig machte. Ich fand aber leider keinen grossen Gefallen daran. Obalskis teilweise doch sehr unprofessionelles Handeln fand ich sehr unglaubwürdig (z.B. wie sie dem Barmann von ihren Fällen erzählt), der ganze Plot schien mir zu unrealistisch. Die Geschichte war zu bemüht woke, unnatürlich und oft auch sehr moralisierend. Was mir aber sehr gefiel: Die Idee, dass sich die jungen Mädchen zusammentun und wehren.

Herz
240 Seiten

Und wer nicht in einer Geschichte enden will, soll halt keinen Scheiss anstellen. (S.7)

Wir müssen eine Identität nicht komplett verstehen, um ihre Existenz anzuerkennen. Wir müssen einen Menschen nicht vollkommen verstehen, um ihn zu respektieren. [...] Ich kenne die Zahl Pi nicht auswendig. Ich kenne die Zahlen hinter der Kommastelle nicht alle. Pi überfordert mich. Ich erkenne trotzdem an, dass Pi existiert. (S.51)

Als wäre der Verstand etwas anderes als die Gefühlswelt. Als wäre nicht all unser Wissen von unseren Gefühlen geprägt. Als wäre die Wahrheit irgendwie wahrer, wenn wir nur möglichst wenig fühlen. Sich ein dickes Fell zuzulegen, ist so eine verkorkste Strategie, die Welt auszuhalten. Ich bin doch nicht Feministin geworden, um weniger zu fühlen. Sondern um mehr zu fühlen. (S.174)

Wer zu einer Prüfung geht mit der Angst. keine Bestnote zu erreichen, funktioniert anders als eine, die im Frieden mit der Vorstellung ist, knapp zu bestehen. Erlaube dir selbst Mittelmässigkeit. Die anderen dürfen auch. Wir dürfen das auch. (S.189)

Was Roland eigentlich meint, wenn er sich darüber beschwert, dass er keine "Meinungsfreiheit" mehr habe, ist, dass seine menschenfeindliche Haltungen nicht mehr unwidersprochen bleiben. Was Roland erlebt, ist kein Verlust seiner Freiheit, sondern ein Infragestellen seiner Privilegien. (S.208)

Kann ich den warmen Sommertag geniessen, obwohl mir eigentlich die Klimakatastrophe Angst macht? Wie kann ich tanzen gehen, während auf der Welt Krieg herrscht? [...] Ich kann keine Antwort auf diese Fragen geben. Ich kann nur versprechen, dass wir Schlimmes und Schönes gleichzeitig fühlen dürfen. Ich glaube sogar, wir müssen. Weil das Schöne uns daran erinnert, wofür wir eigentlich kämpfen. Und weil es uns Kraft gibt, die dafür nötig ist. (S.217)

Hoffnung ist nie ein Zustand, sondern immer ein Verb. Sie ist nie nur ein Mensch, sondern immer ein grosses Ganzes. Und sie ist nie zuletzt, denn Hoffnung zieht immer etwas nach sich - ein wütendes Miteinander, ein Sichwehren gegen alles, was unsere Grenzen überschreitet, ein Blick darauf, warum es das alles wert ist. Mit so viel Wut wie nötig und so viel Liebe wie möglich. (S.226)

In ihrem Buch geht es um feministische Strategien und queere Hoffnung. Ich hätte noch zwanzig, dreissig Zitate mehr rausschreiben können, Anna Rosenwasser schreibt so klug und reflektiert, mit so viel Wut wie nötig und so viel Liebe wie möglich, sie schafft Hoffnung und lässt immer wieder wissen, dass wir nicht alleine sind. Nicht zu vergessen, ihren Humor. Eine grosse Herzensempfehlung! <3

Die Wut, die bleibt
384 Seiten

Die Müdigkeit ist zu einem Hintergrundgeräusch geworden, einem Dauerbrummen. [...] Und wer zu den Schlafenden gehört, weiss gar nicht, wie lang die Nächte in Wahrheit sind. Das ist Wissen, das die Schlaflosen teilen (bei ca. 1:17:00)

Helene ist Mutter von drei Kindern. Eines Abends steht sie während dem Abendessen mit der Familie auf, geht zum Balkon und springt. Der Schock, die Trauer, die Überforderung ist gross. Sarah, Helenes beste Freundin, springt für sie ein und übernimmt die Kinderbetreuung, den Haushalt. Johannes, Helenes Mann, nimmt Sarahs Hilfe dankbar an und entzieht sich seiner Verantwortung, selbst für die Familie zu sorgen. Die 15 jährige Lola, Helenes älteste Tochter, versucht durch Kampfsport, mit ihren Emotionen, ihrer Wut - die nicht nur gegen den Suizid ihrer Mutter, sondern besonders auch gegen das Patriarchat gerichtet ist - zurechtzukommen. Mit drei feministischen Freundinnen zusammen beginnt sie, sich bei Männern, die Frauen jemals unrecht getan haben, zu rächen.

Die Autorin kritisiert mit dem Buch ganz klar die patriarchalischen Strukturen, die sich hartnäckig in unserer Gesellschaft halten. Die unbezahlte Care-Arbeit, die noch immer hauptsächlich von Frauen verrichtet wird und kaum eine Wertschätzung erhält. Die Gefahren, denen Frauen noch immer ausgesetzt sind und die so oft von Männern ausgehen. Die Wut, die in diesem Buch steckt, schwappt beim Lesen über. Ein wichtiges Thema in eine tolle, packende Geschichte verpackt. Manches mag vielleicht überzeichnet sein, aber darum geht's nicht. Auch wenn Lolas Racheakt mit ihrer Frauengruppe realitätsfremd scheinen mag, der Gedanke daran gefällt.

Fungirl
256 Seiten

Fungirl ist vulgär, laut, unkonventionell, tolpatschig - und das alles macht sie doch sehr liebenswert. Sie trinkt zuviel, eckt an, hat im Berufsleben Mühe, Fuss zu fassen. sie wohnt mit ihrer Exfreundin und deren Freund zusammen. Und gemeinsam erleben sie so einige abgefahrene Geschichten.

Der Comic ist gespickt mit abgedrehtem Humor und makabren Situationen. Er ist erfrischend, wild, überspitzt und doch sehr menschlich. Ich habe mich sehr gut unterhalten. :)

Unangepasst
140 Seiten

Das Buch gibt spannende Einblicke in das (Mode-)Leben sieben feministischer Frauen, die ihren eigenen Stil entwickelten und sich nicht einer vorgesetzten Mode unterwarfen. Jeder Künstlerin (Josephine Baker, Helen Hessel, Frida Kahlo, Tamara de Lempicka, Louise Nevelson, Georgia O’Keeffe, Sophie Taeuber-Arp) wird ein Kapitel gewidmet, die Kurzbiografien werden ergänzt mit Fotos.

Ich habe alle Kapitel sehr gerne gelesen, auch wenn ich persönlich wenig an Mode interessiert bin. Im Buch geht es aber um weit mehr.

Rosa Buch
240 Seiten

"Oft habe ich es auch mit Menschen zu tun, die nicht einverstanden sind mit gleichgeschlechtlicher Liebe. Was unfreiwillig lustig ist: Wie kann man nicht einverstanden sein mit etwas, das existiert? Das ist, als wäre man nicht einverstanden mit Zucchetti oder Abendsonne oder Ellbogen. Das sind keine Erfindungen, sie existieren einfach." (S. 201)

"Ich finde, das Bild mit dem Tempel passt sehr gut: Dein Körper ist ein Tempel, und du bestimmst die Öffnungszeiten. Vielleicht sogar einen Tag der offenen Tür. Und sein Schutzkonzept. Du bestimmst all das, was im Tempel, am Tempel und um den Tempel herum passiert. Dein Tempel, deine Gartenbepflanzung." (S.112)

Anna Rosenwasser ist LGBTQ-Aktivistin und Politinfluencerin. Sie schreibt für die queere Community und ihre Mitmenschen, sie schreibt über Menschenrechte, (Queer-)Feminismus und Anziehung. Sie klärt auf, ist hässig (über Ungerechtigkeiten), macht Mut und leistet Widerstand gegen festgefahrene Normen. Sie plädiert für die Liebe - und dies immer wieder mit viel Humor.

Ich liebe ihre Kolumnen, im Magazin Saiten ist ihr Text immer das erste, was ich im neuen Heft lese. Dank ihr habe ich sehr viel gelernt über die Vielfalt der Geschlechter, über die gendergerechte Sprache und dass wir leider immer noch sehr weit davon weg sind, alle Menschen gleich zu behandeln.

Radikale Selbstfürsorge. Jetzt!
208 Seiten

"Solidarisch und für andere da sein kannst du auf die nachhaltigste und beste Art und Weise, wenn du nicht selbst schon am Ende deiner Kräfte angekommen bist. Wenn du zwischendurch innehältst und dir selbst genau diese Fragen stellst: 'Was brauche ICH? Was kann ich tun, um MICH zu unterstützen?' Und dich hin und wieder daran erinnerst, dass du nicht und niemals ALLEIN dafür verantwortlich bist, die Welt zu retten." (S.25)

Gräfen schreibt über ihre Erfahrung und Strategien, die sie mit Selbstfürsorge gemacht hat. Sie erklärt die Wichtigkeit der Selbstfürsorge und erklärt, inwiefern sie mit Feminismus zusammenhängt. Sie gibt Denkanstösse, aber keine Anleitungen, was wie gemacht werden muss - und dies stets auf Augenhöhe mit der lesenden Person. Die Illustrationen sind sehr erheiternd. Mir hat das Buch gut getan.