Johanna verlässt in jungen Jahren ihren Ehemann, Eltern und Heimatort, um in den USA eine Kunstausbildung zu machen und ihre neue Liebe zu heiraten. In der Beziehung zu ihren Eltern und Schwester löst dieser Wegzug einen ersten Bruch aus. Als sie nach dem Tod ihres Vaters nicht zur Beerdigung auftaucht, brechen ihre Mutter und Schwester den Kontakt ganz ab. Mit 60 Jahren kehrt Johanna in ihre Heimatstadt zurück. Sie sucht den Kontakt zu ihrer Mutter, die aber jegliche Kontaktaufnahme verweigert. Auch ihre Schwester gibt ihr klar zu verstehen, dass sie nicht erwünscht sei. Doch Johanna hat Fragen. In ihren aufkommenden Erinnerungen an ihre Kindheit entdeckt sie das eine oder andere, was ihr als Kind noch nicht aufgefallen war. Dinge, die ihre Mutter in ein anderes Licht rücken. Sie erzwingt den Kontakt mit ihr, auf der Suche nach Antworten.
Vigdis Hjorth schreibt sehr berührend und authentisch, ich fragte mich immer, ob es sich hier wohl um einen autofiktionalen Roman handele. Die Geschichte geht sehr tief und ist psychologisch sehr spannend (Mutter-Tochter-Beziehung). Ihre Sprache (bzw. die Sprache der Übersetzung) gefiel mir sehr. Zudem hat die Sprecherin es auch toll gelesen.
Annett ist Ende 40 und lebt seit vielen Jahren auf einer Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer an der Nordsee. Ihr Mann ist sehr früh und plötzlich gestorben, als ihre gemeinsame Tochter Linn gerade mal 5 Jahre alt war. Linn studierte Umwelttechnik, war als Umweltvolontärin in verschiedenen Wäldern Europas unterwegs und arbeitet für ein Aufforstungsprojekt. Sie hat beruflich vieles erreicht, Annett ist stolz auf sie. An einer Tagung, wo Linn einen Vortrag hält, bricht sie aus Erschöpfung zusammen. Annett nimmt sie zu sich auf die Halbinsel. Aus einer Woche werden mehrere Monate, Linn kündigt ihre Stelle und Wohnung und nimmt sich sehr viel Zeit, herauszufinden, was sie möchte. Annett ist zwar voller Sorge und ringt doch mit Linns Entscheid, sie will nur das Beste für sie, aber was ist das schon? Es entstehen Konflikte, Ungeduld zeigt sich, Unverständnis.
Mir hat das Buch und besonders dessen melancholische Melodie, die sich durch die gesamte Geschichte zieht, sehr gefallen. Es wird in der Ich-Perspektive von Annett in einer sehr ruhigen Stimme erzählt. Annett gibt im Laufe der Geschichte immer mehr Preis von ihrer Vergangenheit, vom Tod ihres Mannes, dem Weiterleben als Witwe und Alleinerziehende. Nicht jede Entscheidung, die Annett trifft, konnte ich nachvollziehen (beispielsweise der Besuch des Gemälderestaurators), aber das ist nur ein Detail.