Kleine Dinge wie diese
112 Seiten

"But it cut him, all the same, to see one of his own so upset by the sight of what other children craved and he could not help but wonder if she'd be brave enough or able for what the world had in store." (S.17)

Irland, 1985 vor Weihnachten. Billy Furlong ist Kohlenhändler. Er liefert unter anderem auch Kohle an das nahgelegene Kloster. Bei einer der Auslieferungen entdeckt Billy ein Mädchen, welches im Kohleschuppen des Klosters eingesperrt ist. Die Gerüchte um das Kloster, welches Mädchen ausbeuten und ihnen die Kinder wegnehmen soll, um sie im Ausland zu verkaufen, scheinen sich zu verhärten. Billy, ein liebender Vater von fünf Mädchen, reagiert.

Keegan spielt in dieser Geschichte auf den Skandal der Magdalenen-Wäschereien an, die von einem Nonnen-Orden geführt wurden, wie ich gelesen habe. Sie schafft es auf wenigen Seiten, mit wenigen Worten eine dichte Geschichte zu schreiben, sehr bedrückend und doch auch hoffnungsfroh. Die Hauptfigur, Billy Furlong, seine empathische und aufrechte Art, berührte mich tief ins Herz. Ich freue mich auf die Verfilmung mit Cilian Murphy. :)

Schicksal
432 Seiten

"Aber welchen Sinn hat es, eine alte Kränkung wiederzubeleben? Dieses Kapitel war aus dem Buch ihres Lebens herausgefallen. Wenn sie sich bücken würde, um es aufzuheben, könnte ihr Rücken daran zerbrechen." (S.48)

Die 50 jährige Atara sucht die erste Frau ihres Vaters, Rachel, auf. Über sie wurde in Ataras Kindheit nie gesprochen, um so mehr Fragen hat Atara an sie. Rachel kämpfte mit Ataras Vater in der Untergrundmiliz gegen die Engländer, für einen israelischen Staat. Rachel ist hin- und hergerissen, wie sie Ataras Kontaktaufnahme gegenüberstehen soll. Die Begegnung zwischen diesen beiden Frauen gestaltet sich als schicksalshaft.

Shalev packt enorm viel in diesen Roman, mir manchmal fast zu viel. Die beiden Frauenfiguren haben mich am meisten interessiert, der Umgang und die Verarbeitung mit diesem Schicksal hat mich sehr berührt.

Paradise Garden
352 Seiten

"Meine Mutter starb diesen Sommer. Ein Lied im Radio war nur noch Geräusch und keine Einladung mehr mitzusingen, obwohl keine von uns den Text kannte. Ein Regenguss war nur noch Wetter und keine Gelegenheit mehr, nach draussen zu laufen und barfuss in einer Pfütze zu tanzen. Das klingt vielleich poetisch, aber das ist es nur auf dem Papier."

Billie ist 14 Jahre alt, als ihre Mutter starb. Sie begibt sich dann alleine auf die Suche nach ihrem Vater, von dem sie kaum etwas weiss. Wie die Autorin die liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung beschreibt, hat mir sehr gut gefallen. Die Fantasie der Mutter, wie sie trotz sehr armen Verhältnissen ihrer Tochter doch ein sehr behütetes und warmes Zuhause geben konnte. Die Suche nach ihrem Vater fand ich aber etwas unrealistisch. Ab da hat mein Interesse an der Geschichte auch abgenommen.

Die Rache der Bücher
160 Seiten

„Wer sich immer schon mal gefragt hat, wie Autor:innen arbeiten, wo die Inspiration herkommt, was und warum man lesen soll, wie der Buchmarkt funktioniert, ob man je wieder ein Buch kaufen oder gar schreiben soll, und wenn ja, weshalb, sollte Tom Gauld lesen“ heisst es auf dem Buchrücken.

Eine Sammlung an Cartoons von Tom Gauld aus dem Guardian, die sich um das Literarische drehen.

Sehr ansprechende (und aufgeräumte) Zeichnungen, viel Witz und Charme. Ich habe mich sehr amüsiert. Ein Band für bibliophile Menschen.

Das späte Leben
240 Seiten

Der 76 jährige Martin bekommt bei einem Arztbesuch die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er wird nur noch wenige Wochen zu leben haben. Das Buch begleitet ihn durch seine letzten Wochen, in denen er sich besonders um seine 30 Jahre jüngere Frau und seinen 6 jährigen Sohn sorgt. Was soll er seinem Sohn hinterlassen? Er schreibt ihm auf Anraten seiner Frau hin einen Brief, schreibt darin über die Liebe, den Glauben, die Arbeit und Herkunft. Er geht mit dem Sohn wandern, legt mit ihm einen Kompost an. Und er erfährt, dass seine Frau ihn betrügt.

Das Buch hat mich vor allem selber über den Tod nachdenken lassen. Wie würde ich nach einer solchen Diagnose meine letzten Wochen ausfüllen wollen, was wäre mir wichtig?

Heartbreak Opel
103 Seiten

Eine unkonventionelle Weihnachtsgeschichte von einem Verbrecher, der als Barkeeper im Restaurant Militärkantine (eines meiner Lieblingsrestaurants in St.Gallen :) ) arbeitet. Am Weihnachtsabend überfällt er mit seiner hochschwangeren Freundin den Mc Donalds am Marktplatz. Die Flucht verläuft nicht wie geplant, mit Schnee haben sie nicht gerechnet...

Ich fand diese kurze Graphic Novel besonders wegen ihres Lokalkolorits spannend.

Melody
336 Seiten

Dr. Stotz, ein einflussreicher Politiker und Geschäftsmann, ist schwer krank. Für die Ordnung seines Nachlasses stellt er einen Jus-Studenten, Tom, ein. Tom erfährt von Melody, Dr.Stotzs grosse Liebe und Verlobte, die kurz vor der Hochzeit für immer verschwand. Über 40 Jahre ist das her. Dr. Stotz scheint bis heute nicht darüber hinweg gekommen zu sein. Doch je länger Tom bei Dr. Stotz wohnt und seinen Erzählungen lauscht, desto fraglicher wird, wie viel Wahrheit und Fiktion wirklich hinter dieser Geschichte steckt.

Ein solider Martin-Suter-Roman. Nicht mehr, nicht weniger.

Die Rassistin
224 Seiten

"Trotz seiner blauen Hautfarbe ist Papa Schlumpf eigentlich der prototypische alte weisse Mann, denkt Rischer, er berät, erklärt, lobt, straft, hat immer Recht, seine Herrschaft wirkt ganz natürlich, bleibt stets unhinterfragt, Oberschlumpf wird er ja auch nicht umsonst genannt [...]." (S.48)

Nora sitzt in der Kinderwunschpraxis, als sie über einen rassistischen Vorfall, der an ihrer Universität stattgefunden hat, informiert wird. Sie fragt sich, ob ihr Seminar gemeint ist, ob sie sich rassistisch verhalten hatte. Sie fragt sich, ob und wenn ja, wie sie sich entschuldigen soll, aus welchen Motiven heraus.

Amüsant, temporeich, originell geschrieben. Beeindruckend, wie sie den grundsätzlich schnell erzählte Plot auf 200 Seiten ausdehnen konnte, ohne dass das Buch langatmig wurde. Oder zumindest bis kurz vor Schluss ist ihr das gut gelungen.

GRM: Brainfuck
634 Seiten

"Waffen sind ein Teufelszeug. Erleichtern aber die Umsetzung des im Menschen verankerten Bedürfnisses, andere Menschen zu entfernen." (S.49)

"Das Erwachsensein. Das sich in der Vorstellung besser angefühlt hat. Sie sind davon ausgegangen, dass sie alle auf einmal wüssten, was zu tun wäre. Was absurd ist, denn auch Erwachsene sind meist nur gewachsene Kinder, die meinen, wenn sie sich unbeholfen in beige Kleidung hüllen und mit Kristallgläsern zuprosten und Wein im Mund rollen, komme so ein Erwachsenenwissen über sie." (S.255)

"Den Armen steht die Freiheit theoretisch zu, sie haben einfach nur zu wenig Geld, um sie auszuleben, die Freiheit. " (S.415)

Eine dystopische Welt mit Totalüberwachung, einer weiter zugespitzten Klimakrise, gefährlicher Armut. Vier Jugendliche, die sich zusammentun, in London versuchen, ausserhalb des Systems zu überleben und ihre Revolution starten, gegen alle, die ihnen jemals Leid angetan haben.

Brutal, hart, düster, sarkastisch. Ein starkes Buch, aber auch lang (zeitweise gar langatmig) und anstrengend in seiner Sprache.

Idol in Flammen
128 Seiten

"So wie Bettwäsche zerknittert, nur weil jemand darin schläft, und wieder aufwacht, hinterlässt das Leben bei einem Menschen Spuren, nur weil er zufällig lebt."

Ein Buch über die Fankultur in Japan, über eine junge Erwachsene, die ihr ganzes Leben ihrem Idol widmet und dabei Schule, Arbeit und gar ihr Gesundheit vernachlässigt.

Ein für mich spannender Einblick in diese Welt des Fantums. Manches scheint mir sehr überspitzt gezeichnet zu sein, aber das kann ich nicht beurteilen.

Bild ohne Mädchen
208 Seiten

"In diesem Gefühl lebt ein zweites Gefühl. Leicht ist es, traurig und schön. Wie die Bilder im Fernseher bei den Nachbarn. Da und doch nicht da. Das Kind kann das Gefühl nicht festhalten, es weht hinter einem Atemzug her aus der Brust heraus. Durch den Schnorchel entweicht es und findet nicht zurück." (S.17)

Ein fünfjähriges Mädchen darf bei seinem Nachbarn fernsehen, weil sie zuhause keinen Fernseher haben, und verbringt viel Zeit bei ihm. Nach und nach, das Mädchen wird langsam eine junge Frau, erfährt man zwischen den Zeilen, welches dunkle Geheimnis diese Familie begleitet. Eine Geschichte, die in Bildern erzählt wird, so scheint es.

Ich erkenne die grossartige Sprache der Autorin, ich fand es aber sehr schwierig zum Lesen, mich in der Geschichte zurechtzufinden, anzukommen. Ich fand es sehr anstrengend, wirr. Vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt für mich, vielleicht hat das Buch von mir eine zweite Chance verdient.

Echtzeitalter
432 Seiten

„Die Kunst des Nichtauffallens besteht darin, sich nicht an die eigene Individualität zu klammern und alles, was man mag oder wovon man glaubt, es sei einem wichtig, als austauschbar zu begreifen.“ (S.21)

"Eine Scheidung ist wie eine Schachtel Pralinen, nur kann man bei Pralinen meist relativ gut abschätzen, welche einem schmecken werden und welche nicht, während bei Scheidungen immer die Chance besteht, Pech zu haben, Pech ist zum Beispiel, dass Tills Mutter am Tag vor der Unterzeichnung des Scheidungsvertrags mit ihrem um einige Jahr jüngeren Arbeitskollegen Händchen haltend auf der Praterstrasse gesehen wird und Tills Vater ihr daraufhin die einvernehmliche Scheidung verweigert, was zu vielen weiteren Komplikationen führt, denn eine Scheidung, die vor Gericht ausgefochten wird, ist, wie gemeinsam um eine Schachtel Pralinen herumzusitzen und zuzusehen, wie jede einzelne von Anwälten in der Mitte durchgeschnitten und einer Seite zugeteilt wird, heisst: sich darüber streiten, wie man Marzipan in Karamell umrechnet, Verpflichtungen in Urlaubswochen, Geld in Zeit." (S.33)

"Tills Leben ist so schlimm geworden, dass er nicht mehr von schönen Dingen träumt, sondern von Dingen, die nicht vollständig schlecht sind." (S.298)

"Es liegt eine Freiheit darin, seine Ängste wahr werden zu sehen, denn Ängste, die wahr werden, hören auf, Ängste zu sein." (S.322)

Eine Coming-of-Age-Geschichte, die sich hauptsächlich in einer Wiener Schule abspielt, mit Hauptprotagonisten Till. Ein Buch über die Jugend, das Verhältnis zu den Eltern, das Älterwerden, die Liebe, die Leiden der Schule - und über die Flucht in die Onlinewelt des "Empire of Age".

Sehr humorvoll, unterhaltsam und lebensnah geschrieben. Ich habe es sehr gerne gelesen.

Glitsch
296 Seiten

"Das ungezeugte Kind lag zwischen ihnen, wenn sie schliefen, es brüllte in der Nacht und riss ihn aus seinen Träumen. Es verhedderte sich in seinen Gedankenfäden und verdorrte ihm die Zunge." (S.25)

Wir befinden uns in der Zukunft, der Klimawandel schon weit fortgeschritten, ein Paar auf einem Luxus-Kreuzfahrtschiff in der Arktis auf dem Weg nach Tokyo. Erst ein Streit des Paares, dann das Verschwinden der Frau und damit beginnt die Welt des Protagonisten auch immer mehr zu bröckeln. Wie in einem Computerspiel, welches er immer wieder spielt, scheinen auch in seinem Leben Glitches aufzutauchen. Er verwahrlost immer mehr auf diesem Schiff, seine Spuren scheinen langsam zu verwischen, er scheint zu entgleiten, die Crew behandelt ihn wie einen Hochstapler, einen blinden Passagier. Nebenher plötzlich das Auftauchen einer sektiererischen Gruppe.

Hat das Buch für mich sehr spannend und vielversprechend begonnen, verlor ich spätestens ab der ersten Erwähnung dieser Sektengruppe zunehmend das Interesse. Zu vollgepackt, zu wirr. Nebenher störten mich auch die vielen Fehler, das mangelhafte Lektorat.

Sankt Galler Spitzen
320 Seiten

Für mich, die in St.Gallen wohnt, war es sehr unterhaltsam, den mir bekannten Schauplätzen des Krimis zu folgen. Für mich, die beruflich mit der Textilbranche der Ostschweiz verknüpft ist, war es zudem sehr interessant zu lesen, wie sich die Geschichte um eine fiktionale St.Galler Textilfirma dreht.

Ansonsten hat mich der Krimi nicht überzeugt. Aber ich bin auch keine enthusiastische Krimileserin.