"Alles Leben wird enden. Es wird immer heisser werden. Die Hitze wird unerträglich sein für alles Lebende. Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben. Und trotzdem, noch sieht man nichts. Noch hört man nichts: Sogar die Botschaft selber ist verstummt. Was zu sagen war, ist gesagt; Stille." (S. 6)
Das Buch, geschrieben 1922, stützt sich auf den Hitzesommer von 1921, als die Temperaturen in Genf auf 38.3 Grad stiegen. Anders als in unserer heutigen Situation, ist die Ausgangslage der steigenden Hitze aber eine andere: Aufgrund eines Gravitationsfehlers stürzt die Erde der Sonne entgegen. Anders als heute trägt die Menschheit keine Schuld. Im Buch geht es darum, wie die verschiedenen Personen mit dieser Situation umgehen und wie sich der Blick auf die Welt, auf das Leben ändert.
Eine spannende Geschichte, herausfordernd zu lesen. Die einzelnen Kapitel stehen für sich, sind eigene Geschichten, die Sprache war für mich teilweise sehr anspruchsvoll, der Wechsel von einem zum anderen Kapitel zu sprunghaft. Ich konnte nicht immer folgen (war aber ehrlicherweise auch nicht immer bei der Sache...).
"Kinsella nimmt meine Hand in seine. Sobald er sie nimmt, merke ich, dass mein Vater kein einziges Mal meine Hand gehalten hat, und ein Teil von mir will, dass Kinsella mich loslässt, damit dieses Gefühl vergeht." (S.70)
" 'Du brauchst nichts zu sagen, nie', sagt er. 'Denk immer daran: Das ist etwas, was du nie zu tun brauchst. So mancher Mann hat viel verloren, nur weil er eine perfekte Gelegenheit verpasst hat, nichts zu sagen.' " (S.74)
Eine irische Familiengeschichte aus den Achzigern. Ein Mädchen wird über den Sommer zu fernen Verwandten gebracht und lernt dort eine neue Form von Familie kennen.
Ein wunderschönes Buch, in einer sehr feinen, poetischen Sprache geschrieben. Aus der Erzählperspektive dieses Mädchens. Der Schluss liess mich mit vielen Fragezeichen zurück.
Eine Herzensempfehlung!
"Die Decke dämpft Körperschichten,
Da liegen Baumwolle
über Daunenfedern
über Baumwolle
über nackter Haut.
Darunter die Seele im Schlummer." (S.180)
Eine Familiengeschichte über drei Generationen. Die Geschichte erzählt, wie die Frauen dieser Familie die Herausforderungen der dystopischen Verhältnisse ihres Alltags (Bürgerkrieg, Unruhen) angehen bzw. überstehen.
Das Buch zeigt ein sehr ungewöhnliches "Schriftbild" für einen Roman, die Sprache ist äusserst poetisch. Ich fand sie zu Beginn gewöhnungsbedürftig, fand mich dann aber doch relativ schnell zurecht in diesen speziellen Rhythmus. Auf die Länge überzeugte mich ihr Stil aber trotzdem nicht, er lenkte mich zu fest von der Geschichte ab.
Sinnkrisen, Selbstzweifel, Sehnsüchte. Dies die drei Kapitel, in die die Autorin ihre Kolumnentexte einordnet.
Ich habe mir mehr von diesen Texten erhofft, sie drangen nicht zu mir durch. Schade.
"Ich: Ist das ein Abschied? Viktor schüttelt den Kopf. Viktor: Nein, das Gegenteil. Ich: Was ist denn das Gegenteil von Abschied? Er überlegt. Viktor: Ankunft?" (S.194)
Eine tiefberührende, herzergreifende Geschichte. So traurig und doch voller Hoffnung, in einer wunderschönen, zarten Sprache. Die Seiten lasen sich wie von selbst. Und viel zu schnell war sie zu Ende.
"Erinnerst du dich daran, wie du das erste Mal in deiner eigenen Wohnung, es war nicht mehr als ein Zimmer, etwas kochen wolltest und dir erst mittendrin aufgefallen ist, dass du noch Salz würdest kaufen müssen? Du besassest nicht einmal einen Salzstreuer. Woran man nicht alles denken musste in einem Erwachsenenleben! Dein erstes Salz, wie würde es schmecken?" (S.5)
Eine Einladung zum Essen in der neuen Wohnung der Gastgeberin, vier Gäste, Jazzmusik im Hintergrund, angeregte Gespräche, durchbrochen von Erinnerungen in die Vergangenheit und kulinarischen Exkursen. Und immer wieder kleine Verschiebungen...
Ich fand die Geschichte durchaus unterhaltsam, aber zunehmend auch etwas (zu) wirr und gleichzeitig auch langatmig und banal. Mir ist sie nicht nachhaltig hängengeblieben. Bzw. sie hat mich nicht abgeholt.
"Die Sache mit der Liebe konnte man also nicht selbst bestimmen. Sie kam und ging wie ein Keuchhusten." (S.96)
"Then, as he went shooting up to the surface of the sea, desperate for a breath of air, two new trends of thought dominated his brain. One was that he must instantly apprise the Arabella of his predicament. The other was that it was all hilariously funny - a man of his age falling off a ship." (S.26)
" 'A pity a man can't live like this forever, just feeling happy without having to think for a reason,' Standish had said slowly, gazing at the setting sun." (S.99)
Ein Geschäftsmann geht nach einer mentalen Krise alleine auf Schiffreise, um sich zu erholen. Dies gelingt ihm gut, bis er eines Morgens durch ein Missgeschick in den Pazifik fällt. Er ist sich sicher, dass seine Abwesenheit auf dem Schiff bald bemerkt wird und das Schiff umkehrt, um ihn zu retten. Anfänglich noch zuversichtlich, schwappt sein hoffnungsvolles Denken langsam in leise Panik über.
Die Story ist tragisch, die aber mit viel Komik einhergeht. Sie nimmt einem beim Lesen fast den Atem. Als Leserin war ich hautnah mit dabei, fühlte mich beim Protagonisten im Wasser und hoffte bis auf die letzte Seite auf seine Rettung. Noch Tage später hingen mir die Bilder der hohen See nach, die Hilfeschreie, die Gedanken des Protagonisten.
Eine ergreifende Geschichte, ein grandioses Buch. WOW!
"War eine Geschichte zu Papier gebracht, schienen die Blätter vor lauter Leben in ihrer Hand zu beben. Selbst ihrer Ordnungsliebe konnte sie frönen, liess sich mit Worten doch jedes Chaos in geregelte Bahnen lenken." (S.15)
"Diesmal hielt sie kurz inne, schaute aus dem Fenster in die Dämmerung hinaus und fragte sich, wo ihre Schwester sein mochte. Im See ertrunken, von Zigeunern vergewaltigt, von einem Auto angefahren, dachte sie ganz routiniert, war es doch ein verlässlicher Grundsatz, dass nichts je so geschah, wie man es sich vorstellte, weshalb ihr dies als wirksame Methode galt, das Allerschlimmste schon einmal auszuschliessen." (S.146)
Den Film bereits länger her gesehen, nun endlich das Buch gelesen. Ein grandioses Buch, ich konnte es kaum auf die Seite legen.
Das Buch gibt spannende Einblicke in das (Mode-)Leben sieben feministischer Frauen, die ihren eigenen Stil entwickelten und sich nicht einer vorgesetzten Mode unterwarfen. Jeder Künstlerin (Josephine Baker, Helen Hessel, Frida Kahlo, Tamara de Lempicka, Louise Nevelson, Georgia O’Keeffe, Sophie Taeuber-Arp) wird ein Kapitel gewidmet, die Kurzbiografien werden ergänzt mit Fotos.
Ich habe alle Kapitel sehr gerne gelesen, auch wenn ich persönlich wenig an Mode interessiert bin. Im Buch geht es aber um weit mehr.
"Was ist Glück? Ein Zustand? Eine Masseinheit? Ein Begriff, den jeder für sich selber definieren muss? Kann man Glück anstreben und erreichen, oder geschieht Glück nach dem Zufallsprinzip? Wenn sich Glück häuft, wird daraus Zufriedenheit?" (S.65)
"Angenommen, wir könnten jetzt zusammen an einem Tisch beim Mittagessen sitzen und reden: Was würdest du mich fragen?" (S.125)
Yvonne Eisenring war 14 Jahre alt, als ihr Vater plötzlich starb. Sie hatte viele Fragen, die sie nicht beantworten konnte und die niemand beantworten wollte. Ein Jahr später begann sie, diese Fragen in einem Notizheft zu sammeln. Es sind Fragen über das Leben, über den Tod. Es sind Fragen, die auch die Leser:innen zum Nachdenken anregen. Ein sehr persönliches, intimes Buch über den Verlust eines geliebten Menschen.
Das Buch ist mit Illustrationen von Nicole Kim ergänzt.
"Iwan ist ein freier Mann. Er macht das, was ihm sein Gewissen sagt und was seine Seele will. Wir tun immer nur, was wir müssen." (S.67)
Die Geschichte beginnt mit der erwachsenen Darina. Sie lebt in der Bukowina, redet nicht (nur am Grab seines Vaters) und leidet immer wieder unter schrecklichen Kopfschmerzen. Besonders, wenn ihr Süssigkeiten angeboten werden. Um die Schmerzen zu lindern, sitzt sie in ein Erdloch oder steigt ins eiskalte Wasser. Die Leute im Dorf nennen sie "Darina, die Süsse", meinen aber damit eigentlich "die Dumme". Als sie sich mit dem Iwan "Zwytschok" anfreundet, finden die Dorfbewohner:innen erneut Grund, über sie zu lästern. Iwan ist ein nicht sesshafter Taglöhner, der bislang bei keiner Frau lange blieb. Er weiss, dass Darina alles andere als dumm, sondern hochtraumatisiert ist und Iwan kümmert sich liebevoll um sie. Im zweiten Teil des Buches wird die Zeit zurückgedreht, in die Jahre des 2.Weltkrieges, es wird von Mychajlo und Matronka erzählt. Lange war mir nicht klar, wie ihre Geschichte mit Darinas zusammenhängt. Zu lange hing ich während dem Lesen noch immer bei Darina und ärgerte mich ein bisschen, wieso die Geschichte eine, für mich fälschlicherweise angenommen, neuen Weg einschlug. Bukowinas Geschichte zu Kriegszeiten ist mit den historischen (politischen) Ereignissen sehr bewegt, ich verlor teilweise etwas die Übersicht. Gegen Ende des Buches wurde mir dann endlich klar, wie die beiden Teile miteinander verbunden sind, die Geschichte führt schliesslich zurück zu Darina und ich war wieder versöhnt.
Es ist ein trauriges, bedrückendes Buch über ein Dorf und ihre Bewohner:innen in einer entlegenen und (mir) unbekannten Region der Ukraine. Das Buch nimmt einem mit auf eine Zeit- wie auch geographische Reise. Darinas Geschichte hat mich von Beginn in ihren Bann gezogen, so dass ich lange grosse Mühe hatte, im zweiten Teil des Buches plötzlich mit einer vermeintlich neuen Geschichte konfrontiert zu werden.
"Marine hat nie hinter diesen verschlossenen Türen gelebt, sie durchschaut die Anzeichen nicht. Ich kenne die Tricks, mit denen man die Worte und Gesten vorsichtig verpacken muss. Es ist wie bei einem brodelnden Vulkan, Lava wird austreten, man weiss nicht genau wann, aber früher oder später wird das Magma überquellen, die Gedanken, jede Rationalität mit sich fortreissen, bis nur noch blanke Angst zurückbleibt." (S. 114)
Jeanne wächst mit ihrer Schwester und Eltern in einem Walliser Bergdorf auf. Der Vater gewalttätig gegen Frau und Kinder, die Mutter und Kinder verängstigt, eingeschüchtert. Das Dorf weiss, was in dieser Familie passiert, doch alle schauen weg. Ihre traumatischen Erlebnisse nimmt sie ins Erwachsenenalter mit, ihr Trauma bestimmt ihr Leben, sie kämpft dagegen an, versucht, sich von ihren schmerzvollen Erinnerungen zu lösen, sich von ihrem Vater zu distanzieren.
Das Buch ist zornig, roh, ungeschönt und heftig. Es erschütterte mich, ging mir nahe, machte mich wütend und betroffen.
"Dieser Mensch hat alle Zitronen gegessen, die er jemals irgendwo liegengelassen hat, während ich an meinen bis zum letzten Tropfen sauge, und dann auch noch an denen, die mir gar nicht gehören." (S.126-127)
"Was gewinnst du, wenn du gewinnst? Wie viel verlierst du , wenn du verlierst? Die Frage des Städters: Warum hast du nie Kinder gehabt? Meine Antwort im Stillen: Ich war damit beschäftigt, Eltern zu haben. Wahrheit oder Lüge, und zu wie vielen Teilen?" (S.147)
Das Buch erzählt die Geschichte einer Krankenschwester, die aufgrund eines Kunstfehlers ihre Stelle verliert und in ihr Heimatdorft flüchtet. Selbst krank, hofft sie darauf, dort von ihren Eltern unterstützt zu werden. Was sie antrifft: einen Hypochonder als Vater, auf den sie nun zu schauen hat, einen pflegebedürftigen Bruder, eine kranke Ziege, Arbeitslosigkeit, Auswegslosigkeit, Alkohol. Die Mutter hat den Vater inzwischen verlassen.
Ein einnehmendes Buch mit einer wunderschönen Bildsprache.