Die Stadt ohne Wind – Arkas Reise
500 Seiten

Arka reist nach Hyperborea, die Stadt ohne Wind, um dort nach ihrem Vater, einem mächtigen Magier, zu suchen. Lastyanax, der in Hyperborea lebt und frisch zum Magier ernannt wurde, sucht dort derweil nach dem Mörder seines Mentoren, der unter verdächtigen Umständen verstarb. Durch eine Verkettung von Ereignissen wird Arka schließlich Lastyanax' Elevin - sodass beide sich nicht nur mit ihren eigenen Problemen, sondern auch mit Arkas Ausbildung beschäftigen müssen ...

Arka und Lastyanax waren beide tolle Charaktere, die durch ihren Realismus positiv hervorgestochen sind. Gerade bei der dreizehnjährigen Arka war das beeindruckend, aber auch der erst neunzehnjährige Lastyanax wurde hervorragend charakterisiert. Ihre Beziehung, die an Geschwister erinnert, ist ebenfalls schön beschrieben.

Was die Nebencharaktere angeht, sind alle bis auf Pyrrha (eine der wenigen Magierinnen) recht eindimensional; sie erfüllen ihren Zweck, aber nicht viel mehr. Tatsächlich hat mich die Existenz mancher Charaktere sehr verwirrt - z.B. Kazik, dem Arka hilft, die Magierprüfung zu bestehen, der dann aber nur ein Klassenkamerad wird, von dem Arka ihre Hausaufgaben abschreibt und für die Handlung ansonsten irrelevant ist. Ich würde ihn nicht mal als ihren Freund bezeichnen, weil sie ausschließlich daran denkt, wie nützlich er für sie ist.

Phreton ist ein weiterer verwirrender Nebencharakter. Für die Handlung ist er wichtiger als Kazik, aber was seine Beziehung zu Arka angeht, hat mich Eléonore Devillepoix leider enttäuscht. Ich verstehe einfach nicht, warum Autor*innen es für eine gute Idee halten, unsympathische Charaktere, die die Protagonistin beleidigen, schikanieren und sogar im wichtigsten Moment im Stich lassen, als potentielle Love Interests einbauen. Zum Glück spielen Romanzen in diesem Buch eine untergeordnete Rolle, sodass Phretons Darstellung die Geschichte ein wenig versalzt, aber glücklicherweise nicht ruiniert.

Ein wenig mehr hat mich gestört, dass Arkas Plan, ihren Vater zu finden, in dem Moment an Relevanz verliert, in dem sie Lastyanax' Elevin wird. Der Mord an Lastyanax' Mentor spielt das ganze Buch über eine wichtige Rolle, aber Arkas Suche nach ihrem Vater wird für den Großteil des Buches vollkommen ignoriert, bis er am Ende schließlich offenbart wird.

Dafür gibt es währenddessen einen anderen positiven Aspekt: Das Magie-System! Ich hätte gerne noch mehr davon gesehen, weil es mich sehr begeistert hat. Es gab klare Regeln, klare Grenzen und logische Erklärungen für magische Ausnahmen. Vor allem, wie die Magie mit dem Fakt, dass Hyperborea die Stadt ohne Wind ist, verbunden ist, war genial; hier hat die Autorin sehr gute Arbeit geleistet!

Insgesamt hat das Buch also viele Stärken und Schwächen, was es schwierig macht, es richtig beurteilen. Hier kommt es wohl darauf an, was einem selbst bei einem Jugendfantasyroman wichtig ist - ich selbst fand ihn ganz gut. :)

Scarlett & Browne - Die Outlaws
448 Seiten

(Achtung! Dieses Review enthält Spoiler!)

Nach einem ihrer Banküberfälle trifft Scarlett McCain im Wald auf einen verunglückten Bus mit einem Überlebenden: Albert Browne. Widerwillig erklärt sie sich dazu bereit, dass er sie begleitet. Doch erst, als die Suchtrupps immer zahlreicher werden und die beiden in immer größere Gefahr geraten, begreift Scarlett, dass gar nicht nach ihr, sondern nach Albert gesucht wird - der geheimnisvolle Kräfte besitzt, die er nicht immer kontrollieren kann ...

Die Kurzbeschreibung klang sehr ansprechend für mich, weshalb ich mal schauen wollte, wie Jonathan Stroud, von dem ich zuletzt vor vielen Jahren die "Bartimäus"-Trilogie gelesen habe, nun schreibt. Leider hat mir dieses Buch nicht gefallen.

Die größte Schwäche des Romans ist die Doppelmoral, die sich vor allem in Scarlett zeigt. Sie war mir äußerst unsympathisch, weil sie Albert konstant beleidigt, schlägt, die Schuld an allem zuschreibt und darauf besteht, dass er alles tut, was sie sagt. Ein passendes Buchzitat findet sich auf Seite 242: "Außerdem hatte sie den außergewöhnlichen Albert Browne an ihrer Seite - der ihr ergeben, ihr noch etwas schuldig und auf Gedeih und Verderb von ihr abhängig war." Man stelle sich mal vor, ihre Geschlechterrollen wären vertauscht gewesen! Es sollte in keinem Fall okay sein, dass eine Person eine andere auf diese Weise behandelt und ich bin mir sehr sicher, dass es auch nicht geschehen wäre, wäre Scarlett ein Junge und Albert ein Mädchen gewesen. Diese Doppelmoral war einfach traurig, denn es war klar, dass Scarletts Geschlecht der Hauptgrund dafür war, warum sie sich so ein Verhalten erlauben durfte.

Das Verhalten an sich hätte ich übrigens in Ordnung gefunden - wenn es als negatives Verhalten dargestellt worden wäre. Wenn Scarlett eine Charakterentwicklung durchgemacht und eingesehen hätte, wie grausam sie stellenweise war. Aber stattdessen nimmt Albert, der ein Versuchsexperiment für eine noch grausamere Frau war, ihr Verhalten als "großherzig" wahr und bildet eine Freundschaft mit ihr, obwohl sie ihm keinerlei Anlass dazu gegeben hat, sie zu mögen. Scarletts Schwächen werden zwar ab und an angesprochen, aber ohne, dass das einen Effekt auf ihren Charakter hätte.

Selbst unabhängig von ihrer Beziehung zu Albert ist Scarlett kein sympathischer Charakter. Sie stiehlt nicht nur, sondern tötet sogar ohne großes Zögern - ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, dass sie einer Familie gerade einen Sohn, Bruder, Ehemann und/oder Vater genommen hat. Wenn die Bösen jemanden umbringen, ist es natürlich eine unverzeihliche Gräueltat, aber wenn Scarlett es tut, ist es schon okay, weil die Männer (es sind ausschließlich Männer) es ohnehin verdient haben und niemand sie vermissen wird. Yikes! Und ich kam noch gar nicht auf die Szene zu sprechen, in der sie es für eine gute Idee hält, ein kleines Kind mit zu einem gefährlichen Ort zu nehmen, um es als Tarnung zu benutzen ... was natürlich auch keine langfristigen Konsequenzen hat.

Auch Albert, dessen Storyline mich am meisten interessierte, legte stellenweise unangebrachtes Verhalten an den Tag, z.B., indem er seine Fähigkeit regelmäßig bei Scarlett benutzt, obwohl sie ihn mehrmals darum bittet, es nicht zu tun. Zwar kann er einen Teil seiner Kräfte nicht kontrollieren, aber zumindest hätte er bei diesem Punkt Respekt vor ihrer Privatsphäre zeigen sollen. (Umgekehrt tut sie es zwar auch nicht, aber Albert wirkte nicht wie die Art von Person, der seine Kräfte missbraucht.)

Das alles ist doppelt traurig, weil die eigentliche Handlung - eine Verfolgungsjagd mit vielen spannenden, actiongeladenen Szenen - durchaus gut war. Nur konnte ich sie nie richtig genießen, weil mir Scarlett mit ihrem Verhalten so auf die Nerven ging, bzw. die Tatsache, dass es keine negativen Konsequenzen für sie hatte und sie niemals ernsthaft zur Rede gestellt wurde - und sich im Verlauf der Handlung niemals änderte. (Gegen Ende gibt es eine schöne Szene, in der Scarlett mit Zufriedenheit bemerkt, dass Albert ihren Befehlen gehorcht, statt dumme Fragen zu stellen, und bezeichnet ihn als lernfähig.)

Zuletzt muss ich das Ende kritisieren, bei dem Albert beschließt, Scarlett bei ihren Banküberfällen zu helfen. Bitte was?! Albert, der sich die ganze Zeit für ein Monster gehalten hat und niemals jemanden in Gefahr bringen wollte? Zwar hilft er Scarlett auch mitten im Roman bei einem Banküberfall, allerdings nur, um sich für ihre Hilfe zu revanchieren. (Dreimal dürft ihr raten, was ich davon hielt.) Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er ein Leben wählen würde, dass nicht nur sie beide in Gefahr bringt, sondern auch zahlreiche Unschuldige.

Zusammengefasst: Die Handlung war okay, aber Scarlett macht es mir leider unmöglich, eine Leseempfehlung auszusprechen.