Elsa und Adelle waren jahrelang unzertrennliche Schwestern, bis sie schließlich durch ein unbekanntes Ereignis auseinandergerissen wurden. Elsa zieht nach Istanbul, Adelle bleibt in Rom. Fünfzig Jahre sehen sie sich nicht; Elsa schreibt Adelle beständig Briefe, die diese nie beantwortet, bis sie es schließlich nicht mehr aushält und nach Hause zurückkehrt, um sich ein letztes Mal mit ihrer Schwester zu treffen und hoffentlich zu versöhnen. Inzwischen wohnt in ihrem ehemaligen Zuhause eine eigene Familie, die nach und nach erfahren, wie es dazu kam, dass die beiden Schwestern sich entzweiten …
Gleich zu Anfang weckt Ferzan Özpetek unsere Neugier, indem er mit einem von Elsas Briefen startet. Sofort war ich interessiert daran, zu wissen, wie genau es dazu kam, dass Elsa und Adelle sich fünfzig Jahre lang nicht sahen, was nur verstärkt wurde, sobald Elsa ihr altes Zuhause besucht, um dort zusammen mit der darin wohnenden Familie und ihren Freunden auf die Ankunft ihrer Schwester zu warten. Schön dabei war vor allem, dass wir Elsas Sicht nur in ihren Briefen zu lesen bekommen, während die gegenwärtige Elsa und die später hinzukommende Adelle aus Sicht der verschiedenen Familienmitglieder beschrieben werden. Diese haben so ihre eigenen Probleme, werden aber so von Elsas und Adelles Geschichte gefesselt, dass diese größtenteils in den Hintergrund rücken. Das hat mir zugegeben weniger gefallen – ich hätte neben der Geschichte der Schwestern gerne gelesen, wie es für die anderen Charaktere ausgeht, was leider nicht geschah.
Der Schreibstil und der beständige Wechsel zwischen gegenwärtiger Erzählung und vergangenen Briefen war sehr angenehm zu lesen, die Erwartungshaltung immer weiter in die Höhe geschraubt. Zeitweise fürchtete ich, für den Zwist der Schwestern gäbe es einen sehr offensichtlichen, banalen Grund, aber die einzelnen Details der offensichtlichen Erklärung vermochten mich dann doch zu fesseln, vor allem, wenn man das Ende des Romans bedenkt, der, ohne zu viel verraten zu wollen, die ganze Geschichte in eine neue Perspektive rückt. Zwar ist es schwer einzuschätzen, ob diese Perspektive überhaupt Sinn macht, aber ich bin sicher, dass ich bei einem zweiten Lesedurchgang viele Hinweise dazu entdecken werde.
Insgesamt ein kurzweiliger, jedoch sehr packender Roman, der es schafft, seine Leser beim Ball zu halten und eine unerwartete Auflösung bietet!
Nor und Zadie sind Zwillingsschwestern und ihr ganzes Leben darauf vorbereitet worden, die Braut des Kronprinzen zu werden. Am Tag der Zeremonie wird Zadie ausgewählt, doch weil sie einen anderen liebt, schmiedet sie einen Plan, um ihrem Schicksal zu entkommen. Daraufhin bietet sich Nor an, an Stelle ihrer Schwester zu gehen - und lernt bald schon nicht nur ein neues Leben kennen, sondern auch den Kronprinzen Ceren und seinen jüngeren Bruder Talin, in den sie sich bald verliebt ...
"Coral & Pearl" ist eine schöne Geschichte für Jugendliche, die sich Zeit mit der Handlung lässt, um uns die Charaktere näher zu bringen. Wer einen schnellen Anfang erwartet, wird hier enttäuscht werden, denn erst nach über 150 Seiten gelangt Nor überhaupt in das Land des Kronprinzen, auch wenn sie auf Talin ein wenig früher trifft. Das ermöglichte es jedoch, das Band zwischen Nor und Zadie und ihr Leben im Allgemeinen hervorragend zu zeigen, sodass mir der Anfang trotz der Tatsache, dass die eigentliche Handlung relativ spät beginnt, sehr gut gefiel.
Auch die Darstellung von Ceren, dem Kronprinzen, und Talin, seinem Bruder, muss ich loben, aus verschiedenen Gründen. Sehr schnell ist offensichtlich, dass Nor und Talin das Hauptpaar der Geschichte sein werden, auch wenn ich mir gerne noch mehr Szenen mit den beiden gewünscht hätte. Das Schöne dabei ist, dass die Autorin hier keine unnötige Dreiecksbeziehung einbaut - Nor zieht den grausamen Ceren zum Glück nie als möglichen Love Interest in Betracht und Talin glänzt durch seinen sympathischen Charakter. Es war so erfrischend, endlich eine Liebesgeschichte zu lesen, bei der die weibliche Hauptfigur tatsächlich mit dem Jungen zusammenkommt, der sie liebevoll behandelt statt aus unerfindlichen Gründen den "Bad Boy" zu bevorzugen.
Einzig die Charakterisierung hätte meiner Meinung nach stärker sein können, weil viele wichtigen Charaktere recht blass bleiben. Ausgerechnet Ceren kam mir aufgrund seiner Manipulativität am dreidimensionalsten vor, während der Rest relativ eindimensional wirkte. Gerade bei Nebencharakteren wie Sami und Ebb hätte ich mir gerne mehr Relevanz für die Handlung gewünscht, weil sie wichtige Personen in Nors altem und neuem Leben sind.
Insgesamt hat mir dieses Buch gut gefallen; wen der langsame Anfang nicht abschreckt und wer gerne eine schöne Schwesternbeziehung und eine ebenso schöne Liebesgeschichte lesen will, darf hier gerne zugreifen!
Auf einer Geburtstagsparty trifft die junge Avery Stafford auf die alte May Crandall. Diese erkennt das Libellenarmband, das Avery trägt, wieder. Neugierig zu erfahren, was es mit der alten Dame auf sich hat, forscht Avery in der Vergangenheit nach - damals, als May Crandall noch Rill Foss hieß und zusammen mit ihren Geschwistern in ein Waisenhaus entführt wurde ...
Diese Geschichte ist ein unglaublich schönes, berührendes Erlebnis - eine Familiengeschichte, die in Gegenwart und Vergangenheit gespaltet ist und am Ende schließlich beides zusammenführt. Speziell Mays Kapitel haben mir sehr gefallen, weil man sehr mit ihr und ihren Geschwistern mitfiebert, darauf hoffend, dass sie es schaffen, dem Waisenhaus zu entkommen und nach Hause zurückzukehren.
Aber auch die Gegenwartskapitel mit Avery gefielen mir sehr, speziell ihre Beziehung zu Trent, die herzerwärmend beschrieben ist. Zwar wünschte ich, Avery wäre nicht so wie viele andere Protagonistinnen in einer Beziehung gewesen, die sie deshalb auflösen muss, aber letzten Endes hat dieses kleine Manko meinem Genuss keinen Abbruch getan.
Sehr gefallen hat mir auch, dass nur manche Fragen eine Antwort finden - speziell was Mays Geschwister Camellia, Lark, Fern und Gabion angeht. Nicht alle ihre Schicksale werden aufgelöst, was ich sehr realistisch fand, weil es mir zwar gefallen hätte, mit Sicherheit zu wissen, was mit ihnen geschehen ist, die Andeutungen jedoch ausreichend waren, um sich ein eigenes Bild zu bilden. Selten las ich eine Geschichte, die solche wichtigen Fragen offen lässt und trotzdem zufriedenstellend endet!
Hervorzuheben ist, wie gut reale Ereignisse mit der Fiktion verbunden wurden. Die Tennessee Children's Home Society, die May und ihre Geschwister entführt, hat wirklich existiert und zahlreiche Kinder misshandelt. Es war schockierend, zu sehen, wie schlimm dort die Verhältnisse waren, die Lisa Wingate einfühlsam beschreibt.
Zusammengefasst ist dieses Buch einfach schön. Man fiebert mit und hat Angst um die Kinder; man ist gespannt, welche Schritte Avery als nächstes unternehmen wird; und am Ende schlägt man das Buch mit einem Lächeln zu, froh darüber, dass inmitten all des Verlusts ein Hoffnungsschimmer bleibt. Sehr empfehlenswert!