"Jedes Mal holte Mama mich zu sich unter die Decke, hielt mich ganz fest, strich mir übers Haar und flüsterte: 'Morgen kommt ein neuer Himmel, mein Schatz, warts nur ab.' Und wie durch ein Wunder erwachte ich am nächsten Morgen und sah bernsteingelbe Strahlen durch die Spitzengardine fallen."
Ein sehr liebliches Buch fürs Herz, aber mir doch zu kitschig.
"Der Birkenwald lebt nicht mehr sein eigenes, in sich abgeschlossenes, geheimnisvolles Leben, das er nur mit dem Schnee, dem Wind, den Wolken teilt, sondern er existiert jetzt unseretwegen: um unsere Spuren im Schnee festzuhalten, sie mit Schnee zuzudecken oder mit Wasser zu füllen, um den Wind über unseren Köpfen dahinfegen zu lassen, um durch das Grau oder Blau des Himmels seine Augenfarbe zu verändern. Um uns vor der ganzen Welt abzuschirmen, damit wir einander ungestört zuhören können."
Ein Buch über eine Moskauer Autorin, die mehrere Wochen im Winter 1949 in einem Sanatorium für Künstler*innen verbringt. Die schwere Vergangenheit wird von allen verdrängt, doch sie will mehr über diese Vergangenheit, u.a. über ihren verschollenen Mann, erfahren. Sie lernt jemanden kennen, Bilibin, der im selben Arbeitslager war wie ihr Mann. Sie freunden sich an. Doch auch von ihm wird sie letztlich enttäuscht, da er - genau wie die anderen - auch nur vergessen will.
Eine sehr zarte Geschichte, still und doch sehr aufwühlend, poetisch und sehr naturbezogen.
"Ein toter Held ist auch nur eine Leiche."
"Man müsste tot sein können, ohne vorher sterben zu müssen. Das wäre eine Alternative."
Die Geschichte über Kurt Gerron, Jude, in Berlin aufgewachsen. Im ersten Weltkrieg noch als Feldsoldat im Krieg, keine 18 Jahre alt und verwundet, darf er zurück. Entdeckt die Schauspielerei, den Film. Wird berühmt und verpasst die Flucht vor den Nationalsozialisten. Mit seiner Frau verbringt er eine leidvolle Zeit in diversen Lagern. 1944 wird ihm befohlen, einen Film über die eingesperrten Juden in Theresienstadt zu drehen, völlig verfälscht soll er das Leben dort als Paradies zeigen. Um seinen Transport nach Ausschwitz zu verhindern, beginnt er mit den Dreharbeiten.
Die Geschichte lässt einem nicht mehr los. Teilweise etwas langatmig und zäh.
Ein Buch über die 900 Tage Belagerung in Leningrad (heutiges St.Petersburg) während des 2. Weltkrieges. Der Grossvater von Benioff lebte damals in Leningrad. Er wurde aufgrund einer Kleinigkeit festgenommen und wartete auf die Hinrichtung. Der Geheimdienstchef schlägt ihm und einem Deserteur, ebenfalls festgenommen, einen Deal vor: Innerhalb von 6 Tagen an ein Dutzend zu kommen. Im belagerten Leningrad schier unmöglich, machen sich die zwei auf den Weg und erleben tragische, aufwühlende Dinge. Sie freunden sich an. Gemeinsam erreichen sie sogar ihre Aufgabe. Trotzdem gibt es für die beiden kein Happy End.
Ich habe das Buch vor allem gelesen, um mehr über die 900 Tage Belagerung zu erfahren. Das Buch war sehr spannend zu lesen. Für mich waren die Dialoge zwischen den beiden Protagonisten aber oft etwas aufgebauscht.
"Wenn dein Leben in einem solchen Moment vor deinen Augen nicht vorbeizieht, alter Freund, heisst das dann, dass du gar kein Leben hattest?"
Drei historische Momente sind Teil dieses Buches: Dublin 1845, der amerikanische Abolitionist Douglass reist durch Irland, Hungersnot herrscht. Neufundland 1919, Alcock und Brown gelingt der erste Nonstopflug über den Atlantik nach Irland. New York 1998, US-Senator Mitchell führt die Friedensgespräche in Belfast.
Die Geschichten sind ineinander verwoben, das Schicksal dreier Frauen (Oma, Mutter, Tochter) werden erzählt.
"Es gibt keine Gebrauchsanweisung mit Lageplan für die Sichtung und Bergung von Glück. Jeder sucht seines auf seine Weise und an jenen Orten, an denen er glaubt, es am ehesten zu finden."
Nachfolgeroman von "Gut gegen Nordwind".
"Vom Verstand in Grenzen gehalten, wie von den Ufern das freie Wasser eines Flusses, träumt der Gedanke, ungehemmt hinzuströmen, sucht er sich loszureissen, strebt in die Freiheit... Doch nur eine grosse Wasserflut, eine Flut von Ideen kann den gewohnten Strom, den gewohnten Gedankenfluss, und dem Verstand bislang ungewohnte Wege öffnen..."
Der Norweger Amundsen sticht 1918 in See, um den Polarkreis (Nordpol) zu bezwingen. Vor der tschuktschischen Küste gefriert das Schiff im Eis ein. Er und seine Leute kommen in Kontakt mit Einheimischen, besonders mit Kagot, einem Schamanen, freundet sich Amundsen an. Kagot lernt Schreiben und rechnen und entwickelt eine Faszination besonders zu Zahlen: Er will die magische Zahl, die letzte Zahl, finden.
Ein sehr spannendes Buch, was viel über die Tschukschen Anfang des 20. Jahrhunderts erfahren lässt, über den Beginn von Lenins Herrschaft und den Bolschewismus. Sehr packend, interessant und letztlich auch sehr traurig, dass Kagot sein Ziel nicht erreichte.
"Weisst du, ich mochte dich mal. Früher warst du anders und schlechter gelaunt als die anderen. Heute bist du einfach nur noch [...] wie eine hässliche Zeichnung, für die das Kind aber doch gelobt wird."
"...ich musste wissen, und zwar so rasch wie möglich, ob ich eine Laus bin wie alle anderen oder ein Mensch; ich musste wissen, ob ich jene Grenze überschreiten kann oder nicht, ob ich es wagen würde, mich zu bücken und die Macht zu packen; ob ich eine zitternde Kreatur bin oder ob ich das Recht habe..."
Der arme Student Raskolnikow begeht einen Doppelmord und beraubt das erste Opfer. Seine Meinung dahinter ist, dass es dem "grossen" Menschen erlaubt sei, "lebensunwertes" Leben zu vernichten. Das gestohlene Geld/Wertsachen kann er jedoch nicht verwenden, da er seine Tat letztlich doch nicht verkraftet. Er leidet, zerfällt an seinen Schuldfragen - und lernt nebenher eine Liebe kennen, die er erst spät zu akzeptieren lernt.
Eine sehr spannende und lesenswerte Lektüre.
"Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, um sich sein Glück zu vermiesen."
Herzige Idee, herzig umgesetzt - der Schreibstil ging mir manchmal aber ziemlich auf die Nerven.