Die Vegetarierin
192 Seiten

Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie in jeder Hinsicht für völlig unscheinbar. Um ehrlich zu sein, fand ich sie bei unserer ersten Begegnung nicht einmal attraktiv. Mittelgross, ein Topfschnitt, irgendwo zwischen kurz und lang, gelbliche unreine Haut, Schlupflider und dominante Wangenknochen. Ihre farblose Kleidung zeugte von ihrer Scheu, etwas von sich preiszugeben. [...] So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestossen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten. (S.7)

Das Leben ist schon seltsam, denkt sie sich nach einem Lachanfall. Egal, was passiert, selbst nach einem schrecklichen Ereignis isst man, trinkt man, geht auf die Toilette, wäscht sich. Kurz, das Leben geht weiter. Manchmal amüsiert man sich sogar. (S.175)

Yeong-Hye beschliesst nach einem Traum, kein Fleisch mehr zu essen und sich nur noch pflanzlich zu ernähren. Für ihren Mann, ihre Eltern sowie ihre Schwester ist dies unverständlich und kommt einer Katastrophe gleich. Sie versuchen, sie umzustimmen, erklären sie für gestört. Doch Yeong-Hye hält ihrem Entscheid fest und ihre Rebellion wird immer radikaler. Bis sie letzlich gar nichts mehr isst und sich immer mehr als Pflanze fühlt, ein Baum sein will.

Die Geschichte ist in drei Kapitel unterteilt, jedes Kapitel wird aus einer anderen Perspektive erzählt. Das erste Kapitel fand ich super, aus Sicht ihres Mannes geschrieben. Ab dem zweiten Kapitel, in dem ihr Schwager eine grosse Präsenz hat, wird es ziemlich bizarr, im dritten Kapitel, in dem ihre Schwester begleitet wird, fand ich den Zugang zur Geschichte dann wieder eher. Spannend in diesem Teil fand ich, wie auch immer mehr über die Vergangenheit von Yeong-Hye und ihrer Schwester zu tage kam. Ich kenne mich zuwenig über die gesellschaftlichen Strukturen in Südkorea aus, ich kann mir aber gut vorstellen, dass die Relevanz des Buches in Südkorea um einiges gewichtiger ist, die von Yeong-Hye ausgehende Widerstände und Rebellion stärkere Auswirkungen haben.

Die Vegetarierin
192 Seiten

Das war eine sehr seltsame Erfahrung. Die Handlung spielt in Südkorea und beleuchtet eine Frau, die plötzlich Vegetarierin wird. In Südkorea ist das vergleichbar mit der Aussage "Karl Marx ist ganz schön dufte" beim Stammtischtreff der Jungen Liberalen. Sie verzichtet auf Fleisch und alle tierischen Produkte, weil sie sich im Traum als Mörderin sieht.

Was sich daraus jedoch erspinnt, ist wirklich seltsam. Sie wird immer mehr wie eine Pflanze. Die Trennung mit dem langweiligen und irrelevanten Ehemann (von ihm ausgehend) ist logische Konsequenz, doch ihr Schwager begehrt sie nun wegen eines grünen sog. "Mongolenflecks". Da er Videokünstler ist, läuft es auf eine """besondere Art""" der Videokunst heraus. Natürlich werden sie von der gehörnten Schwester erwischt und kommen in eine Psychiatrie, was dann das letzte Drittel darstellt. Hier wird eher die Schwester der Vegetarierin betrachtet und allgemein das Aufbegehren gegen strikte gesellschaftliche Zwänge. Die Idee dessen ist ja gut, doch alles ist so abstoßend, auf Hirnstammebene.

Letztlich habe ich den Eindruck, der wahrscheinlich falsch ist und sich nur im Gefühl gleicht, dass hier die Seiten des magischen Realismus, die ich nicht mag, ganz schön extensiv behandelt wurden.

Dennoch werde ich der Autorin eine weitere Chance geben. Schreiben kann sie offenkundig ganz gut und angenehm.