Der Wald hinter uns dunkel, über uns Mond, alles silberfarben, alles todesschön. Wenn du ein Moment wärst, Jella, dann wärst du dieser, flüstert Yannick, und ich muss lachen, sage: Ach, du spinnst! Kann aber nicht aufhören zu lächeln, weil es mir so gefällt. (S.7)
Und während ich da so malerisch liege, denke ich an meine Freundin Shelly, die immer einen Trick hatte, wenn etwas ganz Schönes ganz klein war, so klein, dass es in der Erinnerung womöglich durchrutschen könnte, aber eben so schön, dass es bleiben sollte - […] - dann sagte sie: Schau dir das zehn Sekunden lang an und dann schliess die Augen für nochmal zehn. Ich schwöre dir, du wirst diesen Moment niemals wieder vergessen. Und ich schau auf den silbrigen See, zähle im Kopf bis zehn, schliesse die Augen und zähl noch einmal, fühle dabei alles in mir nach: Mond, Pappeln, Wind. […] Später in der Erinnerung wird es noch viel schöner und silberfarbener sein als jetzt […]. Es wird die schönste Version dieses Moments sein, vollkommen schön, wie altes Hollywood, mit Himbeerbrause. (S.8-9)
Ein Coming-of-age Roman über Jella, die mit Yannick zusammenkommt und alles scheint wunderbar. Bis sie zusammenziehen und jeder Streit lauter und gewaltvoller wird. Bis es ausartet und sie plötzlich wieder bei ihrem Vater in ihrem Kinderzimmer landet. Mit einer Anzeige gegen Yannick. Dabei immer wieder Rückblick, wie Jella ihre ersten Erfahrungen mit Männern erlebt, wie sich ihre Beziehungen mit ihren Freundinnen entwickeln. Wie sie ihr Frauwerden durchlebt.
Ein sehr ehrlicher, manchmal kaum zu ertragender Roman, der immer wieder aufschrecken lässt, bedrohlich wirkt und wieder Hoffnung aufblühen lässt. Ein Roman zum Mitleiden, in einer sehr schönen Sprache.
Er konnte stolz darauf sein, dass bis jetzt, trotz aller Auseinandersetzungen, niemand durch ihn zu Tode gekommen war. Nichts ist schöner, als ein Mensch zu sein, der bisher niemanden getötet hat. (S.45)
Beim Grab unserer Liebenden, wir sind nichts als ein Haufen gutgläubiger Schafe. Männer sind die einzigen Tiere auf dem Planeten, die sich für klug halten, und deshalb sind sie hirnloser als jeder Wurm. (S.63)
Höflich sagte er zu Sausan: "Sausan, ich habe vor der Grösse der Welt sehr viel Angst. Ich gehöre eher zu den Menschen, die diese Stadt bevorzugen, und will nicht weit von ihr leben." "Jedes Herz, das die Welt nicht in ihrer vollen Grösse gesehen hat, bleibt arm", erwiderte Sausan. (S.104)
Sausan ist ein junges Mädchen, krank, schwach, mit blasser Haut. Da Sausan zu schwach ist, ihr Dorf zu verlassen, verbringt sie tagtäglich in der Hausbibliothek ihres Vaters und entdeckt die Welt durch die Bücher. Was die anderen Frauen der Stadt nicht verstehen, dass sie auf Männer eine enorme Anziehung hat. So kommt es auch, dass ihr gleich drei Männer einen Heiratsantrag machen. Diesen Männern gibt sie folgende Aufgabe: Jeder von ihnen muss für acht Jahre verreisen und mit einhundert verschiedenen Vögeln aus aller Welt zurückkehren. Bei ihrer Rückkehr werde sie sich entscheiden, ob und wen sie von ihnen heiraten werde. Mit dieser Aufgabe rettet Sausan die Männer vor dem anhaltenden Krieg im Land und erhofft sich viele Geschichten aus der Ferne und die Welt damit zu sich zu holen.
Als ich den Klappentext gelesen hatte, stellte ich mir gleich vor, das Buch habe Ähnlichkeit zu Rafik Schamis "Erzähler der Nacht". Leider habe ich mir da falsche Vorstellungen darunter gemacht, was mich etwas enttäuschte (war mein Fehler). Ich mochte die Geschichte mit dieser Aufgabe, war gespannt darauf, was die drei Männer erlebten und für wen sie sich entscheiden wird. Leider wurde im Buch gar nicht so viel über die Reisen der Männer berichtet, die Geschichte fand fast ausschliesslich im Dorf von Sausan statt, was währenddessen mit ihr und dem Dorf, dem Krieg passiert. Mich störten die vielen Wiederholungen der Geschichte, vieles wird nicht nur ein- sondern gleich mehrere Male erwähnt, was überhaupt nicht nötig wäre. Das Buch wäre ein paar Seiten schlanker nicht weniger lesenswert, im Gegenteil. Auch empfand ich die Sprache teilweise sehr holprig, ich vermute mal, dass es an der Übersetzung liegt. Ansonsten habe ich es gerne gelesen.
"Aber haben Sie nicht eben gesagt, dass Sie immer von einem eigenen Laden geträumt haben, in dem Sie den Kaffee selbst zubereiten?" wandte ich ein. "Wenn Träume in Erfüllung gehen, wird es real. Ich aber bleibe bei meinen Träumen", erwiderte der Master mit schwärmerischen Blick. (S.14)
Eine Geschichte in 12 Episoden, die im Café Marble mit dem jungen Kellner Wataru beginnt. Er ist entzückt von einer Stammkundin, die jeden Donnerstag um dieselbe Zeit an denselben Tisch sitzt, einen Kakao bestellt und Briefe in englischer Sprache schreibt. Manchmal lächelt sie, manchmal weint sie. Wataru fragt sich, an wen diese Briefe wohl gerichtet sind. In jeder Episode spielt eine andere Person die Hauptrolle und alle sind sie irgendwie miteinander verwoben. Bis die Geschichte in der 12. Episode wieder im Café Marble endet. Es geht ganz fest um die Suche nach dem eigenen Glück, um Freundschaften, um die Liebe.
Ein Wohlfühlroman, ein Buch fürs Herz. Mir war es ein bisschen zu kitschig, zu vorhersehbar, wohin es mit den einzelnen Personen geht, zu konstruiert.
Ich schliesse wieder die Augen. Meine schauspielerischen Fähigkeiten sind nicht so ausgeprägt, wie ich sie gerne hätte, aber ich habe festgestellt, dass man das ausgleichen kann, indem man die meiste Zeit mit geschlossenen Augen herumsteht und viel raunt und flüstert. (S.9)
Berenice verdient ihr Geld als "Pferdeflüsterin". Sie wird von Pferdebesitzer:innen gerufen, wenn mit ihren Pferden etwas nicht stimmt und dann tritt sie telepathisch mit ihnen in Kontakt. So behauptet sie das auf jeden Fall, denn eigentlich ist sie nur eine Hochstaplerin und verdient mit ihren Lügen leichtes Geld. Bis sie plötzlich, nach einem Sturz auf den Kopf, tatsächlich mit einem Pony sprechen kann. Dieses beauftragt Berenice dann auch, ein verschwundenes Pferd aufzuspüren...
KEIN PFERDEROMAN steht als Untertitel auf dem Cover. Dem widerspreche ich. :) Ich bin und war noch nie ein Pferdemädchen, nichtsdestotrotz hat mich dieser Roman aber bestens unterhalten und amüsiert. Und nebenbei habe ich noch einiges aus der Welt der Pferde gelernt.
How ridiculous, how callous and absurd to expect perfection from a child. He was only eight years old, unaware of what ‘proper’ behaviour entailed. But, as she put out the light in the room, having managed to subdue his tears and put him to sleep, she wished he would be a little more conventional. (S.14)
‚It‘s one thing to love a child, but it’s an entirely different thing for the same child to feel loved. The boy is young. He‘ll get a lot of ‚buts‘ in his lifetime. A home is the last place a child should feel conditionally loved.‘ (S.153)
Eine Coming-of-Age Geschichte über einen homosexuellen Jungen in Nigeria. Nachdem sein Vater ihn in einem innigen Moment mit Vaters Lehrling erwischt, wird er in ein strenges christliches Internat geschickt und der Lehrling verliert seine Stelle.
Das Buch gibt Einblick in das homosexuellenfeindliche Nigeria. Es ist erschütternd und macht traurig und wütend zugleich. Ein mutiges Buch, in einer schönen Sprache.
Viele Jahre lang habe ich jeden Monat aufs Neue die erste Periode bekommen, weil ich nach jeder Blutung verdrängt habe, dass mein Körper das kann. (S.16)
Seitdem ich denken kann, wird mein Körper bewertet. Ich habe diese Stimmen verinnerlicht, und ich werde sie nicht los, auch heute nicht. Es schmerzt mich, wie viel Zeit ich damit zugebracht habe und zubringe, darüber nachzudenken, was an meinem Körper alles nicht richtig ist. (S.60)
Eine wenig ältere Kollegin [...] äusserte neulich ihr Unverständnis dafür, dass viele Frauen mit ihrem Aussehen und dem Altern hadern. Die Fixierung auf den eigenen Körper finde sie eindimensional und uninteressant. Als wäre das selbst gewählt, als wäre das etwas, das wir uns im Kapitalismus aussuchen könnten, denke ich, und dass es wenig gibt, was ich mehr verachte als das Beschämtwerden durch eine andere Frau. (S.62-63)
Denn ich feiere zwar die Frauen, die auf Instagram ihre nicht normschönen Körper zeigen, aber ich denke auch immer wieder, wenn ich besipsielsweise einen von Schwangerschaftsstreifen marmorierten Bauchlappen über das Bündchen eines Stringtangas hängen sehe: Hey, ja, cool, ja, das ist irgendwie empowernd, dass du das machst, aber ICH will nicht so aussehen. Und dann sehe ich die Frauen mit den haarigen Beinen und den haarigen Oberlippen und der Cellulitis unter der Radlerhose und denke, hey, ja, cool, ABER ICH WILL NICHT SO AUSSEHEN. Und dann komme ich mir wie ein Arschloch vor, weil ich das denke. Und dann komme ich mir wie ein Loser vor, weil ich es immer noch nicht geschafft habe, diesen ganzen Mist zu überwinden und meinen Körper zu lieben, wie er ist. (S.64-65)
18 Autor*innen schreiben anonym in Form eines Kollektivromans über die Weiblichkeit, über das sexuelle Begehren, die Beziehung zum eigenen Körper, das Altern, aber auch über sexuelle Gewalt und Suizidversuche.
Mit sehr viel Neugier und Interesse habe ich mich durch diesen Roman, diese verschiedenen Kapitel, gelesen. Erschütternd, von wie vielen Autorinnen sexuelle Gewalt thematisiert wurde, von wie vielen Autorinnen die Selbstbeziehung als schwierig dargestellt wurde und welche Kindheitsereignisse zu dieser angeknackten Selbstbeziehung führten. Einerseits tröstlich zu lesen, dass das eigene Erlebte auch das Erlebte vieler anderen Frauen* ist. Aber eben auch erschütternd. Klingt jetzt sehr destruktiv, aber der Roman hält auch sehr viel Lustiges, Anregendes bereit. Nicht alle Kapitel haben mich aber gleichermassen angesprochen, manchmal war es mir auch etwas zu langatmig.
Wobii si dem jo nie so gsäit het: Konscht. D Sabin het emmer gsäit, me söli dem Onderhaltig säge. Wel Onderhaltig: Do verschtöchid alli öppis dronder. Konscht sig komplizierter, het d Sabin gsäit, aso nome scho s Wort sig komplizierter. Das häig e theroetische Rocksack, das Wort. Das sig huere vag, do chönn me nächtelang dröber schtriite, was das öberhaupt bedüüti: Konscht. Ond so Wörter wod Filosof*inne scho set es paar tuusig Johr dröber schtriitid, was si äigentlech bedüütid, die sött me am beschte gar ned ersch is Muul näh, het d Sabin gsäit. Und Kultur au grad. Velecht sogar no schlemmer, het sie gfonde. Wemme dem Kultur sägi, was me macht, häig me näb dene Definizionsproblem au grad no Abgränzigsproblem e alli Rechtige. (S. 10)
Was, gloge? Lüge chasch nomen öber d Vergangehäit oder öber d Gägewart. Wennd öber d Zuekonft Züügs erfendsch, de esch das ned lüge, denn esch das Storitelling. (S. 28)
Zwei junge Frauen gründen einen Verein, den "Polifon Pervers" und steigen damit in die Unterhaltungszene ein. Auf eine Theatervorführung folgt die nächste, mit dem Erfolg wachsen die Ideen, ihre Vereinsarbeit weiter auszubauen und so wächst auch ihr Team. Und plötzlich arbeiten sie mit Drogendealern zusammen, eignen sich die Kunst der Geldwäsche an und kommen damit erstaunlich weit...
Schon lange habe ich keinen Roman mehr in Mundart gelesen, entsprechend schwer fiel es mir zunächst, dem Luzernerdialekt zu folgen. Aber, daran gewöhnt es sich schnell. :) Ich konnte das Buch kaum auf die Seite legen, die Geschichte ist so unterhaltsam und mitreisssend erzählt. Ich musste immer wieder schmunzelnd oder gar laut auflachen ab dem sehr originellen Plot. Eine sehr erfrischende Lektüre!
He was filled with despair and a desire to hide away, but at the same time was infused with a yearning to survive, to start life anew and experience again every moment of sadness and joy and absurdity. (S. 94)
In einem Land im Nahen Osten herrscht seit den Disgraceful Events eine menschenunwürdige Diktaktur. Die Bevölkerung braucht für jede Kleinigkeit (sei es ein Arztbesuch oder gar Einkäufe) eine Bewilligung. Die Anträge müssen die Menschen beim Tor stellen, die Schlange davor ist gross und wird von Tag zu Tag grösser. Denn: das Tor öffnet nie, um die Anträge entgegenzunehmen. Es vergehen Monate, die Menschen verzweifeln und der Gesundheitszustand einiger verschlechtert sich dramatisch. Die Hoffnung unter ihnen wird aber nicht aufgegeben, dass das Tor nicht doch einmal aufgehen wird.
Ein dystopischer Roman über ein Militärregime, die Unterdrückung einer gesamten Bevölkerung, über Hoffnung und Widerstand. Mir hat das Buch sehr gefallen, es gab aber einige Punkte darin, die ich unglaubwürdig fand (z.B. ein Mensch mit einer Kugel im Becken, der monatelang blutet und nicht stirbt?). Das Ende war mir zudem ein Rätsel, das kann aber auch daran liegen, dass ich es sprachlich nicht verstand. Ich müsste die letzten Seiten vielleicht nochmals in der deutschen Übersetzung lesen.
Ich weiss nicht, was ich machen soll. Rausgehen, rennen, schwimmen. Hier drinnen ist es mir zu laut, zu gefährlich, die Gedanken zerschneiden mein Inneres messerscharf zu ungleich grossen Gulaschklumpen. (S. 202)
Nachfolgeroman von "22 Bahnen", diesmal aus dem Leben von Ida, Tildas kleiner Schwester. Wer diesen Roman mochte, wird mit "Windstärke 17" ebenfalls happy.
Nach Mutters Tod möchte Tilda, dass Ida zu ihr nach Hamburg kommt. Ida landet jedoch nicht in Hamburg, sondern reist ohne ein bestimmtes Ziel weiter nach Rügen. Dort lernt sie Marianne und Knut, ein älteres Ehepaar, kennen, die sie bei sich aufnehmen. In Rügen kämpft Ida gegen ihre Schuldgefühle an, die sie seit dem Tod ihrer Mutter quälen. Sie lernt Leif, ein junger DJ und Surfer, kennen und eine Liebesgeschichte bahnt sich an. Als bei Marianne Krebs diagnostiziert wird, droht Idas Leben erneut aus den Fugen zu geraten.
Wie "22 Bahnen" hat mich das Buch tief berührt und ergriffen. Idas Trauer und Wut waren zeitweise kaum auszuhalten, ich habe Seite für Seite mitgelitten. Und immer wieder sehr viel Liebe und Geborgenheit, die Ida durch das ältere Ehepaar, aber auch durch Leif und Tilda, erfährt. Wunderschön!
"In ihrem ableistischen Denken gehen sie davon aus, dass willkürlich festgelegte Normierungen zu Gesundheit, Mobilität und Sprachfähigkeit bestimmen, ob ein Leben lebenswert ist. Wenn ein Kind stirbt, gibt es in der kollektiven Trauer viel Verständnis. Wenn ein behindertes Kind stirbt, ist das nicht so. 'Betrachte es als Befreiung, das war ja kein Leben', sagen sie und meinen eigentlich sich selbst. Dass sie froh sind, dass dieses Leben beendet ist und sie befreit sind davon. Arschlöcher." (S. 80)
" 'Es ist längst zu spät', hat Marta auch gesagt, 'das Gesundheitswesen ist ein hohes Gebäude, das in die Luft gesprengt wurde. Wir sind im dreissigsten Stock, wir haben noch nicht bemerkt, dass wir uns im freien Fall befinden.' " (S.160)
"[...] und ist es nicht interessant, denkt sie, dass die Menschen ein Wort haben für Kuss und eins für Umarmung, mit dem einen meinen sie Liebe, mit dem anderen Freundschaft, wenn es doch oft genug beides gleichzeitig gibt und so viel dazwischen." (S. 243)
Elin, Ruth und Nuri sind die drei Hauptprotagonist:innen des Buches. Sie werden Zeug:innen eines stillen Protest von Frauen, die reglos vor dem Krankenhaus liegen. Dieser Protest ist der Startschuss eines flächendeckenden Streiks, die Frauen legen ihre Arbeit ab und das gesamte System droht auseinanderzufallen. Elin, Ruth und Nuri werden Teil dieses Protests.
Ein sehr spannender Ansatz, den die Autorin mit ihrem Buch aufgreift: Was wäre, wenn die Frauen ihre (Care-) Arbeit niederlegen würden? In provokativen Worten kämpft sie gegen die patriarchalen Strukturen an und zeichnet ein Bild davon, was passieren würde, wenn alle Frauen streiken würden. Während des Lesens, besonders bei den Parts um Ruth, der Krankenpflegerin, legte sich eine grosse Schwere über mich, die mir manchmal sogar das Atmen schwer machte. Sehr bedrückend die Darstellung, wie viel im Gesundheitswesen momentan falsch läuft.
Ihr Schreibstil: unkonventionell, den ich aber mochte. Zwischendurch immer wieder kleine Kapitel aus Sicht einer Gebärmutter, einer Pistole sowie Kapitel mit Berichterstattungen. Ich kann mir vorstellen, dass das Buch sehr polarisiert. Ich mochte es.
„Unser eigentliches Hobby war das Ausmalen eines Lebens, das hier nicht möglich schien.“ (S.8)
„Die Leerstellen zwischen dem, was wir wollten, und dem, was wir bekamen, füllten wir mit einer höflichen Scham dem Leben gegenüber, wie bei einem Geschenk, das uns eigentlich gefallen müsste, es aber nicht tat.“ (S.59)
„Das erste Jahr in der grossen Stadt war achtlos an uns vorbeigelatscht wie eine Passantin, während wir in der Spiegelung eines Ladenfensters überprüften, ob wir gut aussahen (nein).“ (S.183)
Die Ich-Erzählerin zieht mit zwei Freund:innen und grosser Erwartung nach dem Gymnasium von der Kleinstadt in die Grossstadt, um dort zu studieren. Doch es kommt nicht so, wie erhofft. Die Partys bleiben aus, ihre Unsicherheiten haften hartnäckig an ihnen. Jedes Kapitel, mal nur einen Satz kurz, mal etwas länger, erzählt eine kleine Episode aus dem Versuch dieser drei Personen, ihren Platz im neuen Leben zu finden. Es sind Momentaufnahmen, die beschrieben werden. Sehr erfrischend zu lesen, sehr ehrlich, irgendwie tröstlich.
Max ist seit 25 Jahren mit seiner Frau verheiratet und zum ersten Mal ist seine Frau beruflich ohne ihn unterwegs. Er betreibt eine kleine Bar, wo sich der grösste Teil der Geschichte abspielt.
Von all den Büchern des Autors, die ich bisher schon gelesen habe, überzeugt mich dieses am wenigsten. Mir fehlte eine Handlung, die packend und/oder berührend, ergreifend ist. Ich baute keinen Bezug zu den einzelnen Figuren auf, mich liessen alle kalt.
Doch obwohl er also weiterhin den Ton angab und ich lediglich als Dolmetscherin fungierte, wurde mir dabei zum ersten Mal bewusst, dass mein Vater nicht nur der Mensch war, der innerhalb unserer sicheren vier Wände existierte. Es gab eine Welt, in der er nicht nur das Vorbild war, das ich von zu Hause kannte, der Mensch, der mir beigebracht hatte, wie man liest, schreibt und sich vor nichts fürchtete. Sobald er die Türschwelle unseres Hauses überschritt und einen Fuss auf die Strasse setzte, liess er diesen Teil von sich zurück. (S.54)
Das Buch erzählt die Geschichte der Autorin, wie sie als kleines Kind mit ihren Eltern vor Kriegsausbruch in Ex-Jugoslawien nach Wien flüchtet und dort ein neues Leben aufbaut. Es erzählt davon, wie sie alles dafür unternimmt, eine perfekte Migrantin zu werden. Es erzählt von der Beziehung zu ihren Eltern bzw. zu ihrem Vater (die ich als sehr herzlich, wenn auch nicht ganz konfliktfrei wahrnahm).
Ein sehr unterhaltsames und ehrliches Buch mit viel Humor und interessantem Einblick in die jugoslawische Welt (besonders auf sprachlicher Ebene).
" 'Nothing stays forgotten for long, Elly. Sometimes we simply have to remind the world that we're special and that we're still here.' " (S. 115)
"I looked at my body in the mirror, a body I'd once disowned with the currency of scorn. It had never been good enough - not for me, not for others - but that night, it looked beautiful, it looked strong, and that was enough." (S.214)
Winman erzählt die Geschichte von Elly aus der Ich-Perspektive, vom Zeitpunkt ihrer Geburt bis weit ins Erwachsenenalter. Sie erzählt die Geschichte von der Beziehung zwischen Elly und ihrem Bruder (die mich zutiefst berührte). Sie schreibt über den liebevollen und berührenden Umgang ihrer Familie untereinander, über tiefe Freundschaften und Verluste, über tragische Ereignisse, die ihr oder nahestehenden Personen widerfahren. Vor allem aber geht es um die Liebe verschiedenster Art.
Ein hochberührendes, wunderschön erzähltes, oft sehr trauriges, aber auch hoffnungsvolles Buch, ich durchlebte eine Achterbahnfahrt der Gefühle, lachte und vergoss Tränen. Sehr zu empfehlen!
Frau Yeom kaufte sich mit dem Erbe ihres verstorbenen Mannes einen 24-Stunden-Laden in Seoul. Nachdem ihr am Hauptbahnhof der Geldbeutel gestohlen wurde und sich kurz darauf ein Obdachloser, Dok-go, mit dem Fundstück bei ihr meldet, möchte sie sich bei ihm erkenntlich zeigen und stellt ihn als Nachtwärter im Laden an. Dank Frau Yeom findet Dok-go den Weg zurück ins normale Leben. Im Laden begegnen sich täglich die verschiedensten Menschen. Alle tragen ihre eigene Sorgen mit sich. Dok-go zeigt ein sehr gutes Gespür für die einzelnen Personen und so gelingt es ihm, vielen von ihnen neue Hoffnung zu schenken.
Ein Buch fürs Gemüt, herzlich, warm und voller Hoffnung. Schnell gelesen, leicht fürs Herz.