Meine Erkenntnis nach diesem Buch: Ich liebe Hazel Brugger, aber ich sehe sie lieber vor mir und lasse mir ihre Texte vortragen, als dass ich sie lese.
"Der Himmel war weiter, die Luft war frischer, die Zukunft strahlend, und es schien Léon, als sei er zum ersten Mal im Leben richtig wach, als sei er müde zur Welt gekommen und hätte sich sein ganzes bisheriges Leben müde von Tag zu Tag geschleppt bis zu ebendiesem Wochenende, an dem er nun endlich aufgewacht war." (S. 79)
Ein Buch über die Liebe, über die Zeit der beiden Weltkriege, über eine tiefe und treue Seelenverbundenheit zweier Menschen. Sehr schön zu lesen. Trotz kitschig anmutendem Inhalt wirkt die Geschichte nicht abgedroschen.
"Weisst du, ich habe in meinen guten und gesunden Tagen selten besonders gern gelebt, und ebenso selten habe ich ungern gelebt, ich habe einfach gelebt, weitgehend fraglos und flach wie die meisten, und wie die meisten hat mich das Gefühl begleitet, das Leben, das andere, das eigentliche, komme noch. Es ist kein lautes, störendes Gefühl gewesen, es hat nicht sagen wollen: du lebst verfehlt, es hat nur sagen wollen, dass es noch andere Wege gebe, und es beweist, so glaube ich, nichts weiter, als dass man dazu neigt, im jeweils Unverwirklichten das Eigentliche zu vermuten."
Unglaublich schön geschriebenes Buch, ein Buch über den Tod, das Warten - und besonders auch über das Leben.
Ein Buch, welches sich nicht klar einordnen lässt. Einerseits die Hauptfigur Zündel, die abstosst, nervt, aneckt. Andererseits löst sie Mitleid aus, Verständnis und Bewunderung. Der Schreibstil des Buches einerseits wirr, holprig, befremdlich. Andererseits ein unkonventioneller Stil mit viel Humor, der Lust macht zum Weiterlesen. Schlussendlich überzeugte mich das Buch dann doch. :)
"Ich war in Sicherheit, ich laug auf dem Bett und kehrte in Gedanken noch einmal zurück in die Geschichte, die jetzt mir gehörte, die nie zu Ende sein würde, die wuchs und zu einer eigenen Welt wurde. Es war eine von vielen Welten, in denen ich damals lebte, bevor ich anfing, mir meine eigene zu bauen und all die anderen zu verlieren."
Der zentrale Gedanke dieses Romans: Ein Mensch, der liebt, hat immer schon gewonnen, einerlei, ob seine Liebe erfüllt wird oder nicht.
"Ich habe an meine Zukunft zu denken versucht und den Versuch gleich wieder abgebrochen. Ich habe an Vergangenes gedacht und mich sofort zurechtgewiesen. Heute nicht. [...] Heute ein wenig Hundeglück auf der Schwelle der Gegenwart. Die Gegenwart ist jetzt ein früher Abend. Sie ist die Sonne, die ins Zimmer strömt, die Insel, die im Gegenlicht sich schwärzt, sie ist der Widerschein der Sonne, der gleissend auf dem Wasser liegt und trichterförmig sich verjüngend auf mich zukommt."
Thomas, Familienvater und Ehemann, sitzt mit seiner Frau vor dem Haus, liest Zeitung und trinkt Wein. Als seine Frau nach den Kindern sieht und schliesslich ins Bett geht, steht Thomas auf, zögert kurz und geht. Er streift durch den Wald, an Dörfern vorbei, schläft unter freiem Himmel. Derzeit bangt seine Frau mit den Fragen, wo er ist, ob er wiederkommt, ob er noch lebt. Was ist Wunsch, was ist real? Vieles der Geschichte bleibt offen, demder Leserin selber überlassen. Ein Buch, wunderschön erzählt, mit einer ganz eigenen, melancholischen Melodie. Sanft und traurig, ruhig und hoffnungsfroh. Ab der ersten Seite packend. Sehr empfehlenswert!