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Aus irgendeinem Bücherschrank mitgenommen, weil "man könnte ja mal was über Schach lesen". Und wenn es auch ein vergilbtes Unikum von 1978 ist. Vielleicht lernt man ja was.

Und ja, irgendwie habe ich jetzt einen Einblick in die Schachsubkultur in der UdSSR der 70er Jahren. Vor allem habe ich aber gelernt, dass Langeweile mehr als eine Dimension hat: Das hier war vielleicht prinzipiell interessant, aber null packend.

Egal, ging schnell.

Margerete Stokowski ist ungefähr so alt wie ich, und dementsprechend sind die Geschichten ihres Aufwachsens ziemlich synchron zu meinen Kindheitserinnerungen passiert. Geteiltes Kinderzimmer, im Hochbett oben schlafen, frühes Internet, das man nicht benutzen konnte ohne die Eltern zu nerven. Lauter kleine Details machen, dass ich mich an vielen Stellen wieder finden kann. Naja, also bis auf die Sache, dass ich in meinem männlichen Aufwachsen das alles anders erlebt habe und andere (weniger) Erwartungen zu erfüllen hatte. Insgesamt schreibt sie über viel, dass ich “wusste”, aber nun mit einem anderen emotionalen Zugang verbinde. Ein paar Dingen konnte ich nicht ganz folgen, vor allem der Argumentation "Feminimus weitergedacht = Anarchismus", die plötzlich im letzten Kapitel auftauchte. Insgesamt fand ich das Buch sehr gut.

Reinhard Heydrich: Der Kopf hinter dem Sicherheitsdienst “SD” der Nazis, das agierende "Hirn" von Himmler, der Organisator der Wannsee-Konferenz und der ranghöchste Nazi, bei dem je einem Attentat Erfolg hatte.

Diese Biografie liest sich sehr sachlich und erzählt vor allem die Faktenlage zu Heydrichs Leben. Es gibt ein paar Interpretationen dazu, an welcher Stelle seiner Laufbahn er welche Ziel verfolgt haben mag, aber hauptsächlich betreibt der Autor akribische und unaufgeregte Quellenarbeit. Ich fand das sehr gut zu lesen und habe das Gefühl, jetzt einen guten Überblick über Heydrichs Leben zu haben.

Was ich mitnehme: Wieder einmal ein gebildeter und musisch interessierter Mensch “aus gutem Haus”, der im Laufe seines Lebens eine entscheidende Rolle bei radikalen Entscheidungen des Holocausts spielte. Da fragt man sich doch: Wie passt das zusammen?

Und hierzu gibt es nicht wirklich eine Diskussion in der Biografie. Vielleicht ist das auch nicht die Aufgabe des Formats. Der Autor hat sich an den Lebensweg gehalten, und hat lediglich verschiedene Punkte der Radikalisierung aufgezeigt - ein paar externe Faktoren werden auch benannt. Daher also nichts, was ich dem Buch vorwerfe.

Die eigentliche Frage, die mich also interessiert, finde ich wohl eher bei Hannah Arendt und ähnlichen Werken beantwortet. Denn wie bei Adolf Eichmann sehe ich auch bei Heydrich: Ein banal “normaler” Mensch, der in einem System agiert, vor seinen Vorgesetzten Brillieren will und in dem Rahmen zu immer drastischeren Maßnahmen bereit ist, weil es in dem Kontext “normal” ist. So mal ganz grob verkürzt formuliert.

Ich werde der Frage in anderen Büchern weiter auf den Grund gehen. Aber diese Biografie hier fand ich so oder so: Gut.

Endlich mal wieder "einfach nur einen Roman" gelesen. Und es hat mir sehr gefallen!

Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob die Geschichte sich nicht eher an jüngere Leser wendet, aber ich glaube das lag stellenweise nur an der Übersetzung, wo es hier und dort etwas altbacken formuliert war. Insgesamt aber auch in der Übersetzung sehr zitierfähig an so vielen Stellen! Und dann wurde es so explizit und auch heftig, dass ich mir sicher war, dass hier keine "jungen Leser" gemeint waren.

Im letzten Drittel hatte mich die Geschichte dann tatsächlich sehr gepackt und ich habe die letzten 200 Seiten in eins weggelesen.

Puh, schlimmer Titel und plakatives Cover. Aber ich wollte generell mal was zu Verhandlungstechniken lesen und da drückte mir jemand das Buch hier in die Hand. Why not.

Für die erste Beschäftigung mit dem Thema für mich dann doch überraschend gut. Stellenweise ist es so plakativ geschrieben, wie der Titel suggeriert, aber es insgesamt ist es doch ein breiter Überblick über das Thema.

Der Autor hat das richtig klar aufgeteilt. Welche Bedeutung hat "Macht" in einer Verhandlung. Wie funktioniert Kommunikation wenn man ein Ziel verfolgt. Wie verhandelt man miteinander statt gegeneinander. Welche konkreten Techniken gibt es, wie kann man sie selbst anwenden oder auch beim Gegenüber wahrnehmen und reagieren.

Joar. Als Einstieg war es gut und flott zu lesen. Wirklich besser wird man in dem Bereich vermutlich nur durch konkretes Üben und Trainieren. Aber war schon mal interessant. Wenn auch, naja, manchmal irgendwie etwas simpel geschrieben.

Mal wieder ein Finanzbuch. Nastascha Wegelin ist online sehr aktiv und neulich habe ich auch einen Podcast mit ihr gehört. Ich finde toll, wie sie sich allgemein für Finanzbildung einsetzt und vor allem Frauen ermutigt, etwas dagegen zu tun, dass sie sich finanziell von ihrem Partner abhängig machen, nur weil das (leider) üblich ist. Ich habe allgemein einiges gelernt und für mich auch mitgenommen, wie man Finanzen in Partnerschaften so regeln kann, dass beide motiviert sind, sich zu kümmern und trotzdem autonom bleiben können. Vom Schreibstil fand ich es persönlich ein bisschen zu Dialog-lastig (das meiste ist ein Gespräch das sie beim familiären Grillen führt), aber das ist halt Geschmack. Insgesamt sehr sympathisch geschrieben, ich find toll, was sie so macht.

Oh je, dieser Titel. Nicht nur cringy, auch unpassend. Es geht null um ein "get rich scheme". Was haben die sich im Verlag denn da gedacht, ey. Immerhin ein hübsches Cover.

Worum geht es hier dann? Kurz zur Autorin: Susan Levermann war Fondsmanagerin bei der DWS, dem größten Fondshaus in Deutschland — und mit ihren Fonds laufend außergewöhnlich erfolgreich. 2009 entscheidet sie sich aber, aus der Finanzwelt auszusteigen und als Lehrerin zu arbeiten. Diese Backstory hat mein Interesse geweckt. Und generell ist die nach ihr benannte "Levermann Strategie" mittlerweile ziemlich bekannt und viele wenden sie an. Also muss man das doch mal lesen, dachte ich mir!

In diesem Buch dokumentiert sie ihre verwendete Strategie zur Aktienauswahl. Generell startet sie mit einer Erklärung, wie Firmen finanziell funktionieren. Da habe ich schon viel gelernt! Wie liest man eine Gewinn- und Verlustrechnung, wie die Bilanz eines Unternehmens, sowas.

Dann berichtet sie über die Börse und systematische Fehler, die Menschen dort begehen. Hiermit leitet sie die Kriterien her, die sie dann als eine Checkliste zum systematischen Durchgehen zusammenfasst, um zur Einschätzung eines Unternehmens zu kommen. Diese Art des Investierens bezeichnet sie als “quantitatives” Investieren. Klingt plausibel, auch wenn das "passive" Investieren auf mich bisher immer am rationalsten erschien.

Abschließend widmet Susan Levermann sich der Frage nach der Ethik des Anlegens an der Börse überhaupt. Zwar entkräftigt sie viele typische Vorwürfe, nennt aber etwa Leerverkäufe unethisch. Sie kommt insgesamt zu dem Urteil, dass selbst bei finanziell neutralem Marktgeschehen (alle Gewinne und Verluste gleichen sich aus), es dennoch emotional zu einem insgesamt negativen Ergebnis für die Marktteilnehmer kommt. Ein Verlust werde deutlich negativer empfunden als ein gleichwertiger Gewinn. Auch wenn sie es nicht abschließend explizit so formuliert, scheint dies der Grund zu sein, dass sie selbst sich dem Börsengeschehen abgewandt hat.

Rein faktisch habe ich hier viel mitgenommen. Zwar sträubt sich in mir einiges, da ich von Kommer, Malkiel und Co eigentlich sehr dahingehend indoktriniert bin, dass aktives Investieren nicht funktionieren kann. Susan Levermann argumentiert sehr plausibel, dass es doch geht und auch sie beruft sich auf diverse Studien. Tja, ich weiß noch nicht so richtig.

Sehr hatte ich mich auf ihre Abwägungen zu Moral und Ethik gefreut. Genau da fand ich es dann doch teilweise etwas unbefriedigend. Hier und da gab es auch etwas zu viel spirituelle Andeutungen und christliche Zitate für meinen Geschmack, aber es hielt sich noch im im Rahmen.

Neben all den persönlichen Finanzbüchern der letzten Monate wollte ich mal etwas wirtschaftliches aus anderer Sicht lesen. Durch Zufall fand ich in einem Laden dieses Buch, das sowohl von der Geschichte des Kapitalismus, als auch von diversen Volkswirtschaftlichen Themen allgemein berichtet. Zudem ist Ulrike Hermann Wirtschaftsredakteurin der taz, hat also naturgemäß eine eher links gefärbte Sicht. Klang vielversprechend!

Sehr spannend für mich: Endlich mal gesamtwirtschaftliche Betrachtungen, nicht nur "was ist finanziell das beste für mich persönlich". So wird sie auch nicht müde zu betonen, dass volkswirtschaftliche Probleme nicht durch betriebswirtschaftliche Ansätze gelöst werden können, da Staat und Betrieb nicht gleich funktionieren. Beispiel: Einem wirtschaftlich angeschlagenen Betrieb tut ein Sparkurs gut, um Ausgaben zu senken. Eine Volkswirtschaft driftet in einer Rezession durch weiteres Sparen aber noch weiter in die Krise: Die Menschen haben wenig Geld, dadurch wird weniger gekauft, dadurch sinken die Preise, dadurch wird weniger Umsatz gemacht, dadurch bekommen die Menschen noch weniger Geld. Stattdessen hilft ein Investitionsprogramm, wie zum Beispiel der "New Deal" von Roosevelt als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise.

Solche Zusammenhänge erklärt sie aus meiner noch unbelesenen Sicht großteils plausibel, klingt hier und da aber schon sehr kritisch und sagt manchmal nur Dinge wie "dies haben die Neoliberalen nie verstanden" wo dann manchmal eine konkrete Begründung fehlt.

Ich versuche momentan für mich persönlich herauszufinden, ob es einen "gesunden Kapitalismus" gibt, und da hilft mir ihr Buch auf jeden Fall. Ulrike Hermann geht nämlich nicht den einfachen Weg zu sagen, dass Kapitalismus allgemein ein ungerechtes System sei, sondern zeigt faktisch, welche Gründe zum Entstehen unseres heutigen Systems geführt haben, wo oft falsch berichtet wird (z.B. belegt sie glaubhaft, dass unsere Wirtschaft großteils keine Marktwirtschaft ist), und welche Rahmenbedingungen zu einem gerechteren Kapitalismus führen (würden). Letzten Endes gibt sie einen Ausblick auf die "Endlichkeit des Wachstums", bleibt aber eine abschließende Bewertung, ob der Kapitalismus an sich nun "schlecht" ist, schuldig.

Da muss ich wohl noch ein bisschen mehr lesen, bin nach diesem Buch aber prinzipiell optimistisch gestimmt, das nicht alles schlecht ist, sondern ein Kapitalismus mit staatlich gesetzten Rahmenrichtlinien ein gerechtes System sein könnte.

Was ich lange für ein "reines Kinderbuch" gehalten habe, ist tatsächlich eine sehr gut und liebevoll erklärte Geschichte der Welt, die man vermutlich in jedem Alter genießen kann. Von der Antike über Alexander den Großen, tausend Wirren des Mittelalters, die Französische Revolution und Napoleon bis hin zu den Kriegen des 20. Jahrhunderts. Eine gute Übersicht der Geschichte, wie man sie vielleicht alle paar Jahre noch mal lesen kann. Für die einzelnen Kapitel die einen wirklich interessieren, kann man dann zu "Erwachsenenliteratur" greifen.

Ich habe auch die gedruckte Version bei mir liegen und ein Blick hinein lohnt sich alleine wegen der Landkarten, die zu den Ereignissen abgedruckt sind. Von vorne bis hinten habe ich es aber als Hörbuch genossen -- von Christoph Waltz gelesen kann ich es wirklich als Genuss beschreiben. Großartig und genauso liebevoll gelesen, wie Ernst Gombrich es sich vermutlich gewünscht hätte. Außerdem: Das Hörbuch ist auf Spotify verfügbar.

Noch ein "Klassiker" der grundlegenden Finanzbildung. Die Inhalte und "Lektionen" sind nicht weltverändernd, aber für die Zeit das Autor vielleicht schon neu gewesen (das Buch ist von 1926).

Es geht in etwa so: Spare 10% deines Einkommens und lege es so an, dass es mehr wird. Und noch mehr wird (Zinseszins). Höre auf die richtigen Leute, nicht auf die falschen, und wähle keine dummen Investments. Von dem restlichen Geld: Investiere in deine Bildung, und habe ansonsten ein gutes Leben, das du genießt. Spende auch an die, denen es nicht so gut geht.

Also ja, recht simpel und plausibel. Geschrieben leider wie der Schulaufsatz eines 15-jährigen, der altertümlich klingen wollte. Vielleicht ist die Übersetzung auch einfach nur lahm, ich weiß es nicht.

↑ 2019
2018 ↓

Ein unsympathischer Hauptcharakter, dessen Geschichte mich doch irgendwie sehr in den Bann gezogen und mitgenommen hat. Vielleicht auch, weil in Hamburg und Berlin so viele Dinge waren, zu denen ich persönlich einen Bezug habe. Von einer negativen Erfahrung in die nächste, trotz der ganzen Ekstase doch eine sehr deprimierende Erzählung. Klingt abgehoben, aber "Weltschmerz" beschreibt die Gesamtheit schon ganz gut.

Ein Glücksgriff in einem der "Mängelexemplar" Läden. Wegen des hübschen Covers mitgenommen und begeistert gelesen.

Die Geschichte eines Italieners, der als Kind von seinem Vater zur Gebirgsbegeisterung gebracht wird und dort den Freund seines Lebens findet. Eine Geschichte über die Beziehung zu seinem Vater, über die Freundschaft mit einem Menschen, der ganz anders ist als man selbst und über die richtige Lebensgestaltung -- Karriere in der Welt oder Frieden in den Bergen?

Nachdenklich, manchmal traurig, verträumt und durch und durch von einer Liebe zu den Bergen getränkt -- die mich hier und dort an die norwegische Meeresliebe aus dem "Buch vom Meer" erinnerte, das ich letztes Jahr las.

Schön.

Das Standardwerk des "passiven Investierens". Stellenweise gut, stellenweise langatmig, könnte man insgesamt vermutlich in 30% des Umfangs gestalten. Wenn man sich mal mit Geldanlage für die Altersvorsorge beschäftigen möchte (ja, wirklich), ist das Buch für den deutschen Raum unausweichlich. Gut: Alles vernünftig mit Studien und Statistiken belegt.

Karl Jäger, von seinen Nachbarn als feinsinniger und höflicher Mensch beschrieben, entwickelte sich vor der Kulisse des Zweiten Weltkrieges vom Musiker und Instrumentenbauer zum Mörder der Litauischen Juden. Seinen eigenen fast prahlenden Aufzeichnungen nach, hat dieser Mensch in wenigen Monaten des Jahres 1941 die jüdische Bevölkerung Litauens von über 170,000 auf 34,500 niedergemetzelt. Bei den Details eines einzelnen Mordes dreht sich einem schon der Magen um. Aber unter Aufsicht dieses SS Kommandeurs hat sich dieser Mord 137,000-fach zugetragen.

Wolfram Wette trägt hier die Biografie eines der Täter der Nazi-Aktionen in Osteuropa zusammen; einer Biografie, wie sie erschreckend, aber offensichtlich doch so typisch für diese Zeit war.

Und wie es immer wieder bei diesen Tätern vorgekommen ist, ereilte ihn nach dem Krieg keine wirkliche juristische Aufarbeitung, geschweige denn zeigte er irgendeine Art von Reue oder auch nur ein Zeichen von Mitgefühl für die Opfer. Selbstmitleid und immer noch Gedanken an angebliche soldatische Pflichterfüllung herrschen vor und werden von großen Teilen der Deutschen Öffentlichkeit der Nachkriegszeit auch noch verschwiegen und gedeckt.

Wir sind die Generation, der diese Schrecken zumindest in zeitlicher Nähe vertraut sind, und gleichzeitig haben wir den Abstand, den Täter keine nachbarschaftliche oder scheinbar gemeinschaftliche Deckung mehr zu geben. Lasst uns gemeinsam aufpassen, dass diese menschlichen Abgründe nicht wieder hervorbrechen. Denn menschlich war es anscheinend leider doch -- im schlimmsten Sinne des Wortes.

Es gibt so viel aus der deutschen Geschichte, für das ich einfach kein richtiges Verständnis zu entwickeln mag, aber ich probiere es zumindest. Und so gehörte auch das Standardwerk über den Eichmann Prozess irgendwann dazu. Ich kann nicht jeder Facette von Hannah Arendts Rhetorik wirklich folgen, aber dennoch war es gut zu lesen und wirklich interessant. Inwiefern ich nun mehr "verstehe", vermag ich aber noch nicht zu beurteilen.

Das Beunruhigende an der Person Eichmann war doch gerade, dass er war wie viele und dass diese vielen weder pervers noch sadistisch, sondern schrecklich und erschreckend normal waren und sind.