Ich las Sylvia Plaths Die Glasglocke 2014 zum ersten Mal und war von Aufbau und Stil fasziniert. Jetzt, fünf Jahre später und mit der BBC-Dokumentation Sylvia Plath: Inside the Bell Jar im Hinterkopf las ich es nochmal - und empfand die Lektüre tatsächlich als intensiver. Im Fokus steht die Collegestudentin Esther Greenwood, die Anfang der 1950er Jahre einen Monat in New York verbringt und bei einer Modezeitschrift arbeitet. Gerade zu Beginn liest sich der Roman wie ein Alltagsbericht, thematisiert Frauenbild und Geschlechterrollen, aber wo genau der Roman hin will, bleibt offen. Mit Esthers Rückkehr aus New York kommt der Umbruch: Die Existenzkrise beginnt, Depressionen bilden den thematischen Schwerpunkt und Sylvia Plath schafft es, das auch sprachlich zu transportieren - ich musste das Buch tatsächlich hin und wieder zur Seite legen. Das Ende, woran ich mich letztes Mal noch etwas gestoßen hatte, fand ich jetzt erstaunlicherweise passend. Ich bin tatsächlich froh, es nochmal gelesen zu haben.
Die Känguru-Apokryphen sind eine perfekte Ergänzung zur Trilogie und haben mich ein wenig mit der eher schwachen Känguru-Offenbarung versöhnt. Erzählerisch genau das, was ich an den ersten beiden Bänden so sehr mochte, bloß eben jetzt (fast) tagesaktuell. An einigen Stellen störte mich die mangelnde Stringenz, es ist eben doch nicht viel mehr als eine Sammlung von Geschichten, die ihren Platz nicht in der Chronik gefunden haben. Unter'm Strich kam ich allerdings voll und ganz auf meine Kosten.
Die Känguru-Offenbarung, der letzte Band der Trilogie rund um Marc-Uwe Kling und seinen Mitbewohner, das Känguru, war für mich der schwächste. Es war zwar wieder lustig und gesellschaftskritisch, aber irgendwie war die Luft vielleicht auch einfach raus. Auf mich wirkte das Känguru im Vergleich zu den beiden Vorgängerbänden stark überzeichnet. Dennoch (und gerade im Rahmen der Trilogie) gute Unterhaltung.
The Plot Against America ist ein Buch, das seine Zeit braucht. Roth bedient sich seiner Vergangenheit, schlüpft in sein vorpubertäres Ich und erzählt die Geschichte seiner Familie neu. Obwohl auch persönliche Erinnerungen und Erfahrungen einfließen, ist der Roman nicht mehr als eine fiktive Autobiographie, denn er bedient sich einem wichtigem Mittel: Der Kontrafaktizität. In diesem alternativen Geschichtsverlauf verliert Roosevelt die Präsidentschaftswahlen 1940. An seine Stelle tritt Charles Lindbergh, ein für seine Nonstop-Atlantiküberquerung bekannter Pilot, der eine Teilnahme der USA am Zweiten Weltkrieg ablehnt und dem deutschen Nationalsozialismus zugewendet ist. Die faschistische Machtübernahme gelingt und Roths jüdische Familie sieht sich verstärkt Antisemitismus ausgesetzt. Der Umbruch in der Gesellschaft verändert das Familienleben, entfacht Konflikte, die Roth mittels guter Charakterbildung glaubhaft darstellt. Bis zum Ende konnte Roth bei mir durch diesen Punkt ebenso wie durch Stil und Sprache punkten. Das Ende war mir allerdings nicht konsequent genug und hat mich mehr oder weniger enttäuscht.
Dieses Mal griff ich direkt zum Hörbuch. Einige Episoden mochte ich unglaublich gerne - mein heimlicher Favorit ist wohl Die Känguru-Chroniken -, einige fand ich irgendwie zu oberflächlich. Insgesamt mochte ich es aber ganz gerne, vielleicht noch ein bisschen mehr als den ersten Band, und freue mich tatsächlich ein bisschen auf die beiden Folgebänder.
Ich bin sprachlos. Tausend strahlende Sonnen hat mich von Anfang an gefesselt. Lange ist mir keine Geschichte mehr untergekommen, die mich so berührt hat wie das Schicksal dieser beiden afghanischen Frauen, das eng mit der Geschichte eines ganzen Landes verknüpft ist. Der Roman ist einfach gehalten, dramatisch, ungeschönt, echt, er regt zum Nachdenken an, löst ein Gefühl aus, das am Ende hängen bleibt, und irgendwie passt das alles.
Sad Cypress war nicht meins. Die Vorgeschichte, immerhin mehr als ein Drittel des Buches, zog sich und war für den Gesamtkontext großteils auch unbedeutend. Als Hercule Poroit dann endlich als Akteur auftaucht, kam zwar alles etwas mehr in Schwung, wurde zu einer Detektivgeschichte, aber der interessante Aspekt, den ich bei Murder on the Orient Express sehr mochte, fehlte. Die Befragungen und die Charaktere waren eher langweilig und daran konnte die finale Auflösung leider auch nichts mehr ändern.
Ganz ehrlich? Der Sarg hatte für mich - abgesehen von zwei Kapiteln relativ am Ende - nichts, was einen guten Thriller ausmacht. Der Klappentext war irgendwie vielversprechend, aber das war es auch schon. Weder die Atmosphäre noch die vermeintliche Bedrohungssituation waren in der Lage, mir irgendwie ein Gefühl von Spannung zu vermitteln. Die Charaktere waren flach und im Wesentlichen uninteressant. (Der einzige Punkt, der mein Interesse geweckt hat, wurde in einem Nebensatz abgearbeitet.) Außerdem war ziemlich schnell klar, worauf es am Ende hinauslaufen würde. War nicht mein Thriller. Vielleicht brauche ich auch einfach mal wieder Abstand vom Genre.
Jo Nesbø hat Shakespeares Drama Macbeth in die Hand genommen und es in einer modernen Fassung nacherzählt. Seine Adaption ist ein Thriller, der im Polizeimilieu einer fiktiven schottischen Kleinstadt spielt, deren Bild mehr als trostlos gezeichnet wird: Arbeitslosigkeit, Bandenkriege, Drogen, Korruption. Mitten drin steht Hauptcharakter Macbeth, Kopf der SWAT-Einheit, der ganz wie das Shakespeare-Original an die Spitze kommen will. Und dafür schreckt er vor nichts zurück.
Nesbø bleibt nah an der Vorlage, schafft es aber trotzdem Leser*innen, die in der Vergangenheit keinen Berührungspunkt mit Shakespeares Original hatten, einen guten Thriller zu liefern, der sehr atmosphärisch ist und ein gutes Tempo hat. Wenn man aber das Drama kennt und anhand der Namen der Charaktere den Handlungsverlauf voraussagen kann, kann es vorkommen, dass an einigen Stellen die Spannung drunter leidet, was zumindest für mich phasenweise doch eher ernüchternd war. An dem Punkt war es wirklich gut, dass Nesbø den Umfang seiner Adaption soweit aufgebläht hat, dass genug Spielraum für sein eigenes Schreiben war. Das hat das Ganze für mich tatsächlich nochmal gerettet.
Womit ich aber tatsächlich noch etwas hadere, war tatsächlich die Darstellung von Lady. Hier wurde sie sehr einfache gehalten, etwas blass, was im Vergleich im Original schade ist. Hätte ich mir mehr erhofft, tut aber der Handlung keinen Abbruch. Gleichzeitig liefert Nesbø aber mit Duff, einem Gegenspieler Macbeths, einen der besten Charaktere, die mir bisher in der Literatur begegnet sind. War tatsächlich so die größte Überraschung des Romans.
Insgesamt ist Macbeth sehr lesenswert. Sowohl für Shakespeare-Kenner als auch für solche, die noch keinerlei Kontakt dazu hatten, ist das ein Thriller, den man gelesen haben kann. Ich persönlich hätte mich gefreut, das voreingenommen lesen zu können, aber ich glaube, ich werde es auch so irgendwann nochmal lesen.
Homers Odyssee erzählt die abenteuerliche Irrfahrt des Königs Odysseus. Ein Buch bestehend aus 24 Gesänge, rund 12.000 Versen. Es war ein interessantes, aber auch anstrengendes Leseerlebnis. Nach zwei bis drei Gesängen war bei mir meist Schluss mit der Konzentration: Das Versmaß hat es nämlich, insbesondere im Hinblick auf Lesbarkeit und Verständlichkeit, in sich. Im Nachhinein ärgere ich mich tatsächlich, nicht zur Übersetzung in Prosafassung gegriffen zu haben.
Zweiter Fitzek, zweiter Flop.
Anfangs dachte ich noch, Das Paket hätte Potential: Spannende Grundidee, interessanter Beginn. Aber spätestens an dem Punkt, an dem Fitzek am Ende eines jeden noch so kurzen Kapitels einen vielversprechenden Cliffhanger einbauen musste, der dann aber absolut harmlos aufgelöst wurde, kam für mich einfach keine Spannung mehr auf. Unbedeutende Details wurden bis zum Äußersten ausgereizt, relevante(re) Aspekte wurden hingegen nur am Rande geschnitten, die Charaktere waren überzogen und klischeebehaftet. Auch wenn die Auflösung am Ende überraschend kam, wirkte sie genauso wie der gesamte Plot ziemlich überkonstruiert und doch ziemlich abstrus. Ein guter Psychothriller funktioniert auf jeden Fall anders.
Es war eine gute Idee, das Drama nochmals zu lesen. Nicht nur in Vorbereitung auf Nesbøs Adaption, sondern tatsächlich auch, weil ich beim erneuten Lesen das Gefühl hatte, viel mehr fassen zu können.
Die Art und Weise, in der Shakespeare mit Sprache spielt, ist einzigartig und ja, ich war an einigen Stellen froh, die zweisprachige Ausgabe zur Hand zu haben. Einen groben Überblick über den Handlungsverlauf hatte ich noch, die Intrigen, die Gewalt, die menschlichen Abgründe, die Shakespeare in Macbeth aufzeigt, hatte ich noch in Erinnerung und ich glaube, das sind mit die Gründe, weshalb ich die Charakterentwicklungen und auch das Zusammenspiel derer viel stärker wahrgenommen habe. Gerade Macbeth und Lady Macbeth sind großartig ausgearbeitet - und vermutlich war ich nicht die einzige, die Lady Macbeth ("Look like the innocent flower, but be the serpent under't") und deren Auswirkungen auf den dramaturgischen Verlauf bisher gnadenlos unterschätzt hatte.
Ja, es war eindeutig der schwächste Band bisher. Zwar war der Fall - leider mal wieder eine Vergewaltigungsserie an Frauen - spannend, aber eher nebensächlich. Dafür ging es wieder zu sehr um persönliche Befindlichkeiten der Charaktere, was aber nach dem Cliffhanger von Band 5 zu erwarten war. Erst mit der überraschenden Auflösung des Falles und den Geschehnissen dort erhält der Fall Gewicht. Zwar endet das Buch wieder mit einem (in doppelter Hinsicht) Cliffhanger, dieser ist aber tatsächlich fast schon ein Ausblick auf den weiteren Verlauf der Reihe. Ob man sich im Kontext der Reihe allerdings mit Die Opfer, die man bringt einen Gefallen getan hat, mag ich noch zu bezweifeln. Erst die Fortsetzung wird hier Antworten liefern.
Ein Re-Read, bevor es dann direkt mit Band 6 weitergeht.
Auch nach dem zweiten Lesen ist Die Menschen, die es nicht verdienen einer der stärksten Fälle der Bergman-Reihe. Die Charakterbildung aus den vorherigen Bänden findet ihren Platz im Hauptplot, dessen gesellschaftskritischen Aspekt mir gar nicht mehr so präsent war. Am Ende dann der (bisher) massivste Cliffhanger der Reihe - ich bin gespannt was jetzt kommt.
Sophie Passmann sucht in ihrem Buch Antwort auf die Fragen: Was ist ein "alter weißer Mann" eigentlich genau? Wann wird man zu einem? Und ist diese Transformation abwendbar? Alte weiße Männer ist eine Sammlung von Interviews, die Passmann im vergangenen Jahr geführt hat, und möchte, wie der Untertitel verrät, ein Schlichtungsversuch sein. Wo allerdings nicht gestritten wird, kann auch nicht geschlichtet werden. Mein größter Kritikpunkt: Die Gesprächspartner, denen eingangs die Frage: "Sind Sie ein alter weißer Mann und wenn ja, warum?" gestellt wird, waren im Wesentlichen doch zu bequem. Mir fehlte die Konfrontation, denn die Auseinandersetzung der Autorin mit dem Gesagten, hatte einiges zu bieten, was ich mir in den Dialogen gewünscht hätte. Vielleicht wäre dann auch gestritten worden. Es hätte dem Buch auf jeden Fall gut getan.