Bücherregal lädt …
Das andere Tal
464 Seiten

Odile Ozanne lebt in einem ganz besonderen Tal: Umgeben von Bergen ist das Städtchen, in dem sie lebt, eigentlich ganz normal – doch wandert man nach Westen oder Osten, landet man in demselben Städtchen, nur um zwanzig Jahre in die Vergangenheit bzw. Zukunft versetzt. Anonyme Besuche sind nur bei bestimmten Trauerfällen gestattet, wobei Odile zu den Menschen gehören will, die über sie entscheiden – die sogenannten Conseillers, die ein strenges Auswahlverfahren haben, das Odile unbedingt bestehen will. Kompliziert wird die Situation dadurch, dass Odile zuvor die aus der Zukunft kommenden Eltern ihres besten Freundes Edme erkannte und dadurch weiß, dass er bald sterben wird – während sie sich gleichzeitig in ihn verliebt …

Dieses Gedankenspiel war äußerst interessant zu lesen und hat mich sehr zum Nachdenken angeregt. Allein das Konzept, physisch die Vergangenheit und Zukunft besuchen zu können, ist großartig, wurde aber noch dazu sehr gut umgesetzt. Am liebsten gefiel mir hier die erste Hälfte der Handlung, wo Odile zusammen mit ihren Klassenkameraden bei mehreren Fällen entscheiden musste, ob sie einen Besuch bewilligt hätten oder nicht. Das war so faszinierend, weil ich natürlich selbst überlegte, wie ich in den verschiedenen Fällen entschieden hätte und dadurch realisierte, wie schwierig diese Entscheidung tatsächlich ist.

Die zweite Hälfte war deutlich ruhiger, hatte aber trotzdem ein paar interessante Szenen und Überlegungen in Verbindung mit der Art und Weise, wie die Täler funktionieren. Trotzdem muss ich zugegeben, dass mir die erste Hälfte besser gefiel und ich mir gerne mehr Fälle zum Analysieren gewünscht hätte.

Was die Charaktere angeht, sind nur Odiles Freunde Edme, Jo und Alain hervorgestochen; die anderen Charaktere fand ich nicht allzu besonders und hätte mir gerne noch mehr Szenen zwischen den Freunden gewünscht, weil diese so schön waren.

Apropos schön: Das Ende fand ich sehr gelungen! Es ist die perfekte Mischung zwischen einem zufriedenstellenden und einem offenen Ende, was ich bisher nicht so oft las. Umso froher bin ich, dass diese perfekte Mischung hier existiert!

Fahrenheit 451
208 Seiten

Guy Montag ist Feuerwehrmann: Er setzt Bücher in Brand. In seiner Gesellschaft sind sie streng verboten und er hilft dabei, sie zu beseitigen. Bis er auf Clarisse trifft. Das Mädchen, das Dinge infrage stellt. Das Mädchen, das ihn selbst dazu bringt, seine Situation zu hinterfragen. Schließlich wagt Montag es – und liest zum ersten Mal in einem Buch. Die Konsequenzen für ihn selbst sind dabei weitaus größer, als er es sich jemals hätte vorstellen können …

„Fahrenheit 451“ ist ein absoluter Klassiker und nach dem Lesen weiß ich auch, warum. Für mich war es dabei nicht einmal die Handlung, die mich am meisten packte, sondern die Fragen, die Montag sich nach und nach stellte. Sie haben mich ebenfalls zum Nachdenken angeregt, weil überraschend viele davon auch für unsere gegenwärtige Zeit relevant sind. Allein deshalb hat sich das Lesen gelohnt, auch wenn es so einige Szenen gab, die ich nicht ganz verstand.

Das ist auch meine einzige Kritik an dem Buch – dass nicht immer klar war, was gerade vonstatten ging. Zumindest teilweise schien das beabsichtigt zu sein, um die skurrile Gesellschaft des Romans zu betonen, hat aber dennoch mein Verständnis der Geschichte stellenweise beeinträchtigt.

Doch da ich letztendlich so fasziniert von Ray Bradburys erschaffener Welt und den wachsenden Zweifeln seines Protagonisten war, bin ich trotzdem sehr froh, diesen Roman gelesen zu haben!

Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist
448 Seiten

Nadine Olonetzky hat viele Jahre kaum etwas über ihre Familiengeschichte gewusst. Mit fünfzehn hat ihr Vater ihr einen Teil erzählt, doch selbst damals erhielt sie nicht einmal die Hälfte der Informationen, die ihr Vater tatsächlich wusste. Erst Jahrzehnte später kommen ihr zahlreiche Akten in die Hände, mit denen sie ihre Familiengeschichte, zusammen mit der Erzählung ihres Vaters, teils rekonstruieren kann. Am Ende bleiben immer noch mehr Fragen als Antworten übrig – und auf beides geht sie in dieser Familiengeschichte ein.

Ich brauchte eine Weile, um mich an den Schreibstil zu gewöhnen, weil die Geschichte von Nadine Olonetzkys Familie nicht als Roman geschrieben ist, sondern eher Tagebucheinträgen ähnelt, in denen sie darüber nachdenkt, was sie alles herausgefunden hat – und was sie nie herausfinden wird. Im ersten Teil erzählt sie die Geschichte ihres Großvaters Moritz, von dem sie nie wissen wird, wann genau er gestorben ist, während im zweiten Teil die Geschichte ihres Vaters Benjamin und dessen Flucht in die Schweiz beschrieben wird.

Ein wichtiger Teil dieser Erzählungen sind die Fragen, die sich Nadine Olonetzky zu ihnen stellt. Sie fragt sich, was ihre Familien und die Menschen im Allgemeinen damals gedacht, gefühlt und getan haben, von Nebensächlichkeiten wie den Freizeitaktivitäten während der Gefangenschaft bis zu den möglichen Toden von Freunde und Familie, die zu verschiedenen Zeitpunkten passiert sein könnten. Was hierbei sehr interessant ist, ist, dass die Autorin ihre Fragen oft als Möglichkeit, fast schon Annahme formuliert: „Was packte er ein? […] Wie verbrachte er die Tage? Stand er vielleicht oft ratlos mitten im Zimmer und schaute um sich? War er manchmal gelähmt vor Angst, unfähig, etwas zu entscheiden? Oder packte ihn auch ohnmächtige Wut?“ In diesem Stil stellt Nadine Olonetzky weitere Fragen zu allen möglichen Menschen, Gegenständen und Orten, was ich persönlich sehr gut fand, weil es einen selbst zum Nachdenken angeregt hat – und betonte, wie viel es gibt, das man nie wissen wird. Es war für mich ein faszinierendes Leseerlebnis, wobei ich mir aber zugegeben nicht sicher bin, ob dieser Stil jedem Leser und jeder Leserin zusagen wird.

Denn im Schreibstil gab es noch etwas Anderes, was mich persönlich eher irritierte: Regelmäßige Einschübe, in denen die Autorin ihren Garten über die Jahre und Jahreszeiten hinweg beschreibt und dabei eine sehr blumige Sprache verwendet. Die Beschreibungen selbst waren durchaus gut, aber ich habe den Zusammenhang zum Erzählten nie verstanden, bin mir noch nicht einmal sicher, ob es einen gibt. Vielleicht sollen diese Beschreibungen auch der Atmosphäre dienen und den Wandel der Zeit betonen (was sie durchaus tun), aber ich persönlich finde, dass man sie auch hätte weglassen können.

Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei um eine faszinierende Familiengeschichte, die als bisher erste, die ich gelesen habe, die Fragen in den Vordergrund stellt – und dadurch ein Leseerlebnis schafft, das mir persönlich sehr gefallen hat!

Welches Recht gilt bei Mord im Weltraum?
304 Seiten

Unsere Welt ist voller kurioser Gesetze, Urteile und skurriler Rechtssituationen. Doch welche davon sind eigentlich rechtsgültig? Und warum? Diese und viele andere Fragen beantwortet Christian Solmecke in seinem humorvollen Buch „Welches Recht gilt bei Mord im Weltraum?“

Es handelt sich hierbei um eine kurzweilige Lektüre, die zahlreiche reale und einige hypothetische Situationen auf witzige Weise zusammenfasst und erklärt. Wie der eine Mann, der plötzlich feststellen musste, dass er offiziell als tot gilt und nicht mehr für lebendig erklärt werden kann. Oder auch der berühmte Fall hinter dem „Red Bull verleiht Flügel“-Slogan. Natürlich ist auch die Polizei sowohl als Opfer als auch als Täter dabei. Und noch viel, viel mehr Anekdoten: Zum Beispiel der Mann, der siebzig Jahre ohne Führerschein gefahren ist, oder die Frau, die ihr Grundschulzeugnis gefälscht hat. Oder auch die KI, die einen Anwalt wollte. Am amüsantesten fand ich wohl die „Hans im Glück“-Geschichte, aber auch viele andere konnten mir ein Schmunzeln entlocken.

Ernste Fälle gibt es hierbei natürlich auch. Neben dem berühmten McDonalds-Fall, der hier zum Glück korrekt dargestellt wurde, geht es auch um tote oder verkaufte Haustiere und um unglückliche Situationen. Am schreckenerregendsten finde ich wohl die ganzen Ehe-Gesetze und -Pflichten, von denen ich bisher nicht wusste, dass sie tatsächlich existieren. Insofern bietet dieses Buch nicht nur eine humorvolle Lektüre für Zwischendurch, sondern bringt einem auch definitiv etwas bei.

Gemerkt habe ich mir von den vielen beschrieben Fällen natürlich nicht alle, nur ein paar besonders beeindruckende haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Aber das ist bei der puren Anzahl natürlich zu erwarten, weshalb ich die kurzen Kapitel auch nicht als Kritik ansehe, sondern im Gegenteil perfekt dafür geeignet, einfach mal für Zwischendurch etwas zu lesen. Allgemein liebe ich den Mix aus Humor und Wissenswertem und Christian Solmecke hat ihn wirklich wunderbar hinbekommen!

101 Essays, die dein Leben verändern werden
432 Seiten

Keine Essays, die das Leben verändern, dafür aber welche, die zum Nachdenken anregen. Die wohl interessanteste Idee war, dass Glück eine Entscheidung ist, die man selbst trifft - etwas, bei dem ich vor dem Lesen nur verständnislos den Kopf geschüttelt hätte, nun aber durchaus in Betracht ziehe.

Insgesamt stimme ich natürlich nicht mit allem überein, was Brianna Wiest schreibt, aber es war dennoch erfrischend, eine neue Perspektive auf lebenswichtige Fragen zu bekommen.

Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit
368 Seiten

Durch ihren YouTube-Kanal maiLab habe ich Mai Thi Nguyen-Kim zum ersten Mal kennengelernt und war schnell gefesselt von der Art und Weise, wie sie Informationen verständnisvoll und wissenschaftlich aufarbeitet. Zwar habe ich nicht alle Videos von ihr geschaut, aber doch die meisten, weswegen ich mich darauf freute, die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse hier noch mal im Ganzen zu lesen.

Ob es um Drogen, Videospiele, Männer und Frauen, alternative Medizin, Impfungen, Erblichkeit von Intelligenz oder Tierversuche geht - zu jedem der Themen erklärt Mai Thi Nguyen-Kim anschaulich, welche Streitfragen es gibt und was die "kleinste gemeinsame Wirklichkeit" bei jedem Thema ist.

Zusätzlich dazu gibt es regelmäßig Boxen, in denen vertieft auf ein im eigentlichen Text nur angeschnittenes Thema eingegangen wird. Während diese Boxen meinen Lesefluss manchmal störten, weil sie oft mitten im Text kamen, war der Inhalt der Boxen an sich sehr interessant und größtenteils Wissen, das in maiLabs Videos ebenfalls nur angeschnitten war und jetzt hier ausführlich(er) erläutert wird.

Hier kommen wir dann auch zum einzigen Schwachpunkt des Buches: maiLabs Videos. Da sie größtenteils die Dinge beschrieben hat, zu denen sie auch Videos veröffentlichte, ist das Buch zwar durchaus für diejenigen interessant, die ihre wichtigsten Themen gerne gebündelt lesen wollen, aber dafür weniger für die Menschen, die ihre Videos bereits sehr gut kennen und erwarten, eine Vielzahl an neuen Erkenntnissen zu sammeln. Mit Ausnahme der Boxen erfährt man relativ wenig Neues, sondern liest im Grunde eine Verschriftlichung ihrer Videos. Was an sich nicht schlecht ist, weil ich persönlich es liebe, einen übersichtlichen Text vor mir zu haben, mir aber sehr gut vorstellen kann, dass das nicht für alle wichtig ist.

Aber natürlich kann man das Buch allein deswegen kaufen, um die wundervolle maiLab zu unterstützen - verdient hat sie es allemal!