Kurzgeschichten, die im "Psychologie heute" erschienen sind.
Die Schreibweise von Mariana Leky zaubert immer wieder ein Lächeln ins Gesicht, die Texte sind alle so wunderbar liebenswürdig und auch fragil.
"Ferien waren bis in die Zwanzigerjahre bei Jacob Rohner nicht üblich. Alfons Zünd war 27 Jahre alt, als er sich 1925 zum ersten Mal mit seinem Ferienwunsch an den Finanzchef wandte. [...] "Was, Ferien - so ein gesunder Mann?" "Muss ich denn krank sein für Ferien?" fragte der junge Entwerfer zurück. Darauf der Chef: "also dann geh, aber nur eine Woche!" Nach einer Roche kontrollierte Rohner, ob der Angestellte wieder an der Arbeit sass. Mit Jacob Rohner sei er gut gefahren, erzählte Zünd: "er hat mich sogar einmal gelobt!" " (S. 80)
Ein Buch über die Textildynastie Jacob Rohner aus St.Gallen (CH). Aus beruflichem Interesse gelesen. Das Buch gewährt mithilfe von vielen Brief- und Tagebuchausschnitten einen sehr persönlichen, nahen und privaten Einblick in das Leben einer Stickerfamilie und somit in die Ostschweizer Textilgeschichte von 1873 bis 1988.
"Ich habe immer geglaubt, das Leben sei eine Einladung mit Tischkärtchen. Als müsse man sich, schon aus Gründen der Höflichkeit, auf den Stuhl setzen, der einem zugewiesen wird, auch wenn es am anderen Ende des Tisches viel lebhafter zugeht. Ich möchte Ihnen sagen: Das ist ein Irrtum. Es ist eine Einladung mit freier Platzwahl." (S. 207)
"[...]und hörten zu, wie Winston über Fotografie referierte - mit ungewohnt ruhiger Stimme, Platz lassend für Fragen, Platz lassend für eigenes Nachdenken: dass die Fotografie uns stets in der Vergangenheitsform erreiche, sie somit die traurigste aller Künste sei, weil sie von einem Augenblick erzähle, der nie wiederkehrt; "die Malerei sagt, es ist; die Fotografie, es war"; [...]" (S. 127)
"Kein Mensch mag Bärlauch-Pesto", sagte Urs. "Bärlauch isst man nur aus einem Grund: Weil es halt da ist." "Manche Menschen mögen Bärlauch", sagte ich. "Bärlauch ist wie Kaufhausmusik", sagte Urs. "Die gefällt auch keinem. Man hört sie nur, weil sie halt da ist." (S.20)
Durchaus unterhaltsam, seichte Kurzgeschichten. Mehr aber auch nicht.
"Das Schweigen, was Bravsein genannt wurde. Die Angst vor dem Unbekannten, was Fremdeln genannt wurde. Das Zurückhalten von Tränen, was Starksein genannt wurde. Die Angst vor dem Schlafengehen, die Angst, nie mehr aufzuwachen, und die Angst, im Dunkeln das Augenlicht zu verlieren, ohne es zu merken (denn mensch sieht ja nichts). Dies wurde mühsam genannt." (S.29)
Mitreissend, intensiv, provozierend, tief, verletzlich, zart, feinfühlig. Voller Liebe. Reich an Spiel mit der Sprache, erfrischend, oft auch anstrengend.
"Meine Mutter kann sich wirklich gar nicht in andere Menschen hineinversetzen, was sie allerdings auch daran hindert, mir allzu nahezutreten, und das passt nur ausgezeichnet."
Hauptsächliches Thema im dritten Teil der Trilogie: ihre Medikamentensucht und die toxische Beziehung zu ihrem dritten Mann. Auch dieses Buch sehr schön geschrieben in ihrer fragilen Art.