"Es gibt offensichtlich zwei Kategorien von Frauen: die Frauen in der Schauma-Shampoo-Welt und man selbst. Die Frauen in der Schauma-Shampoo-Welt erleben nach der Haarwäsche einen herrlichen Tag am See. Die anderen sehen am Flughafen zu, wie die Toten in den Rumpf des Flugzeugs gerollt weden. Selbst in der Pril-Werbung sucht man vergebens eine schwarzhaarige Frau am Spülbecken, die vom Geschirrwaschen samtweiche Hände bekommt und anschliessend ihren Talenten folgt. Das Verrückte ist, dass man selber auch nicht auf die Idee kommt, eine Schauma-Shampoo-Frau sein zu können." (S.30-31)
"Auf die ehrlich an mich selbst gestellte Frage, womit ich am zufriedensten und ruhigsten war, lautet die Antwort: mit mir. Einfach nur mit mir." (S.110)
Mely Kiyak erzählt in ihrem Buch über ihren Weg bzw. ihr Aufwachsen von der Migrantentochter zwischen zwei Kulturen bis zur Autorin, dazwischen ganz viel über das Frausein, über ihre Familie und ihre Rolle in dieser. Ein sehr ehrliches, aufrichtiges, verletzliches, manchmal bedrückendes und dennoch sehr positives Buch. Ich liebte es!
"Wenn dir also jemand mitteilt, dass du etwas Rassistisches gesagt oder getan hast, dann atme gern erst einmal tief ein und aus. Geh einmal um den Block und trink ein Glas Wasser. Arbeite gegen die Abwehrgefühle in dir an. Lenke nicht vom Thema ab, sondern setze dich ehrlich mit der Kritik auseinander." (S.27)
"Farbignorante Aussagen [Ich sehe keine Hautfarben, alle Menschen sind für mich gleich o.ä.] tun so, als gäbe es diese Unterschiede nicht. Und das ist natürlich fatal, denn wie können wir Ungerechtigkeiten erkennen oder sogar abbauen, wenn wir sie bewusst ignorieren? Gar nicht! Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass wir zwar natürlich alle Menschen sind. Wir alle haben die gleichen Rechte und wollen eigentlich gern einfach Individuen sein. Aber wir leben momentan in einer Welt, in der wir anhand unterschiedlicher Kategorien ungleich behandelt werden. Um dagegen kämpfen zu können, müssen wir die Unterschiede wahrnehmen und benennen lernen." (S. 35)
"Rassismuskritisch denken und leben zu lernen, bedeutet, Happyland [Zustand, in dem weisse Menschen leben, bevor sie sich bewusst und aktiv mit Rassismus beschäftigen] so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Sich bewusst zu werden, dass wir alle rassistisch sozialisiert sind und täglich weiterhin werden. Weil wir in eine Welt hineingeboren wurden, in der Rassismus schon lange vor uns da war." (S.43)
"Wir alle müssen verstehen lernen, wie rassistische Sozialisierung in unserem Leben und unserer Gesellschaft wirkt. Wir tun dies allerdings mit verschiedenen Erfahrungen und aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen heraus, je nachdem, ob wir weiss oder BIPoC sind." (S.83)
"Keiner von uns ist frei von Vorurteilen. Wir alle haben sie, weil wir täglich mit Bildern und Erzählungen über bestimmte Gruppen konfrontiert werden. In der Werbung, in Filmen und Serien, in Magazinen. Ein erster Schritt ist, anzuerkennen, dass wir alle Vorurteile haben. Als Zweites müssen wir lernen, sie wahrzunehmen, und uns klarzumachen, dass es tatsächlich VORurteile sind." (S.99)
Auf kompakten 128 Seiten erklärt die Autorin die wichtigsten Begriffe zum Thema Rassismus, dies sehr verständlich formuliert und mit weiterführenden Lesetipps und Übungen ergänzt. Ich habe sehr viel gelernt und finde, dieses Buch sollte eine Pflichtlektüre für alle sein! Herzensempfehlung!
Fungirl ist vulgär, laut, unkonventionell, tolpatschig - und das alles macht sie doch sehr liebenswert. Sie trinkt zuviel, eckt an, hat im Berufsleben Mühe, Fuss zu fassen. sie wohnt mit ihrer Exfreundin und deren Freund zusammen. Und gemeinsam erleben sie so einige abgefahrene Geschichten.
Der Comic ist gespickt mit abgedrehtem Humor und makabren Situationen. Er ist erfrischend, wild, überspitzt und doch sehr menschlich. Ich habe mich sehr gut unterhalten. :)
" 'Was mir immer klar, obwohl ich sonst gar keine Verbindung zu irgendetwas Jüdischem habe, ist, dass trotz allem, was meine Familie geleistet hat, trotz allem, was ich selbst geleistet habe, Hitler heute genauso an meine Tür anklopfen würde wie damals... und diese Tatsache, das habe ich schon immer verstanden, ist das, was mich zum Juden macht.' " (S.23)
Deborah Feldman wuchs in einer ultraorthodoxen chassidischen Gemeinde New Yorks auf, bis sie sich davon befreien und nach Deutschland fliehen konnte. Ihre bewegende Geschichte hielt sie im Buch Unorthodox fest, welche auf Netflix auch als Miniserie verfilmt wurde. In diesem Buch schreibt sie über das Jüdischsein in Deutschland, über Identitätsuche, über ihre Reise nach Israel, über das Judentum in der heutigen Zeit.
Ein schweres Buch, nicht leicht zu folgen (so war es mir zumindest ergangen), spannende Ansätze.
Angela Merkel ist frisch in Rente und mit ihrem Mann Achim und Mops Putin in die Uckermart gezogen. Bald darauf wird der Freiherr Philipp von Baugenwitz tot aufgefunden. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, Angela Merkel hingegen ist sich sicher, dass es Mord war und macht sich daran, den Fall zu lösen.
Manchmal tatsächlich etwas lustig, meist empfand ich den Humor in diesem Buch aber nur als plumpe/billige Blödelei. Wie die Geschichte endet, wollte ich dann aber trotzdem wissen, auch wenn mich die Art des Schreibens zunehmend nervte und langweilte. Einen weiteren Band werde ich mir aber definitiv ersparen.
Kommissar Dupin löst seinen zweiten Fall in der Bretagne.
Wieder macht die Geschichte gross Lust auf eine Reise an den Antlantik, aber nach der Hälfte des Buches verlor ich zunehmend das Interesse an der Geschichte. Ich bin aber auch wirklich nicht so der Krimi-Mensch.
"Also fängt man beim Wetter an, auch wenn man ans Wetter im Grunde gar nicht glaubt. Also an Klima natürlich. An die Klimakrise sowieso, wegen der Kinder. An Meteorologie vielleicht auch. Aber nicht ans Wetter. Zumindest nicht an das Wetter in der Erinnerung. Das Wetter in der Erinnerung ist wie die Musik beim Film, wird alles im Schnitt druntergelegt. wenn man glücklich war, dann schien die Sonne, und wenn Herzen brachen, dann peitschte der Regen, dann Blitze und Donnerkrachen, und wenn man, naja, dann nieselte es eben. Was Niesel bedeutet, ist im Grunde auch jedem klar." (S.11)
"Das ist doch kein Leben, wenn man am Ende sterben muss." (S.143)
Lars, Ende vierzig und angehender Schriftsteller, möchte die Tage zwischen den Jahren dafür nutzen, um Liegengebliebenes der letzten Zeit zu erledigen. Er erstellt sich eine To-do-Liste mit den wichtigsten Punkten. Die Beziehung zu seiner Freundin hängt vom Erfolg seiner abgearbeiteten Liste ab. Doch die Tage verstreichen und plötzlich ist der 31. Dezember. Das Chaos ist vorprogrammiert. :)
Prokrastination vom Feinsten! Die Geschichte hat grossen Unterhaltungswert, ich habe das Buch mit andauerndem Grinsen schnell weggelesen. Auch wenn es gegen Ende etwas an Grossartigkeit verliert (seine Gedanken driften irgendwann zu arg ab): Sehr zu empfehlen!
Kommissar Dupin aus Paris wird in die Bretagne versetzt, als in einem kleinen Dorf ein Mord geschieht: Ein 91-jähriger Hotelbesitzer wird erstochen aufgefunden.
Durchaus lesens- (oder in meinem Fall: hörens-)werter Krimi. Gibt Lust, endlich mal in die Bretagne zu fahren. :)
Man stirbt. Man steht morgens auf, macht seine Arbeit und stirbt. Man träumt, man stirbt. Man giesst Blumen, geht einkaufen, schüttelt Decken aus und stirbt. Man liest. Man liebt. Man stirbt. Vögel zwitschern, Narzissen springen mit einem leisen Rascheln auf - was folgt, ist Sterben. Zwecklos, sich damit anzulegen, man stirbt. Man stirbt. Man stirbt. (S.7)
Der Hass braucht nur eine Minute, um seinen Weg ins Herz zu finden, aber Generationen, um diesen Ort wieder zu verlassen. (S.35)
Innerlich wandere ich von einem Entsetzen zum nächsten. Äusserlich bin ich eine Tochter, die jeden Tag ihren Vater besucht. (S.63)
Herr Kiyak, der Vater der Autorin, hat Krebs. Die Tochter begleitet ihn im Kampf gegen die Krankheit, versucht alles, um ihn zu retten. Währenddessen ihr Vater ihr immer wieder Geschichten aus seiner Vergangenheit erzählt.
Ich habe beim Lesen schon lange nicht mehr (wenn überhaupt) so fest geweint, wie bei diesem Buch. Gleichzeitig musste ich auch immer wieder lachen. Wunderbar erzählt, geschrieben. Sehr zu empfehlen!
"Die Menschen glauben, dass Pflanzen nichts wehtut. Aber Wachstum ist generell nur selten frei von Schmerz." (S.23)
"Wir sitzen eine ganze Weile still nebeneinander. Es ist eine gute Stille, wie zwischen zwei Menschen, die einander genug vertrauen, um sich nicht vor dem Schweigen zu fürchten." (S.126)
Philipp wünscht sich nichts sehnlicher als einen Freund. Als Faina aus der Ukraine nach Deutschland in seine Schule kommt, wird sie diesen Freund. "Er macht sie zu seiner Faina". Als Erwachsene verlieren sie sich aus den Augen, bis Faina, verschuldet und schwanger, sich wieder bei ihm meldet. Er nimmt sie auf, sie ziehen das Kind gemeinsam auf. Philipp wird immer obsessiver und gewaltttätig, sie ist ihm ausgeliefert.
Ein packendes, erschütterndes Buch über eine toxische Beziehung, die furchtbar endet. Die Autorin wechselt zwischen der Ichperspektive von Opfer und Täter. Ich konnte das Buch kaum weglegen.
"Meine Mutter starb diesen Sommer. Ein Lied im Radio war nur noch Geräusch und keine Einladung mehr mitzusingen, obwohl keine von uns den Text kannte. Ein Regenguss war nur noch Wetter und keine Gelegenheit mehr, nach draussen zu laufen und barfuss in einer Pfütze zu tanzen. Das klingt vielleich poetisch, aber das ist es nur auf dem Papier."
Billie ist 14 Jahre alt, als ihre Mutter starb. Sie begibt sich dann alleine auf die Suche nach ihrem Vater, von dem sie kaum etwas weiss. Wie die Autorin die liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung beschreibt, hat mir sehr gut gefallen. Die Fantasie der Mutter, wie sie trotz sehr armen Verhältnissen ihrer Tochter doch ein sehr behütetes und warmes Zuhause geben konnte. Die Suche nach ihrem Vater fand ich aber etwas unrealistisch. Ab da hat mein Interesse an der Geschichte auch abgenommen.
Der 76 jährige Martin bekommt bei einem Arztbesuch die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er wird nur noch wenige Wochen zu leben haben. Das Buch begleitet ihn durch seine letzten Wochen, in denen er sich besonders um seine 30 Jahre jüngere Frau und seinen 6 jährigen Sohn sorgt. Was soll er seinem Sohn hinterlassen? Er schreibt ihm auf Anraten seiner Frau hin einen Brief, schreibt darin über die Liebe, den Glauben, die Arbeit und Herkunft. Er geht mit dem Sohn wandern, legt mit ihm einen Kompost an. Und er erfährt, dass seine Frau ihn betrügt.
Das Buch hat mich vor allem selber über den Tod nachdenken lassen. Wie würde ich nach einer solchen Diagnose meine letzten Wochen ausfüllen wollen, was wäre mir wichtig?
"Trotz seiner blauen Hautfarbe ist Papa Schlumpf eigentlich der prototypische alte weisse Mann, denkt Rischer, er berät, erklärt, lobt, straft, hat immer Recht, seine Herrschaft wirkt ganz natürlich, bleibt stets unhinterfragt, Oberschlumpf wird er ja auch nicht umsonst genannt [...]." (S.48)
Nora sitzt in der Kinderwunschpraxis, als sie über einen rassistischen Vorfall, der an ihrer Universität stattgefunden hat, informiert wird. Sie fragt sich, ob ihr Seminar gemeint ist, ob sie sich rassistisch verhalten hatte. Sie fragt sich, ob und wenn ja, wie sie sich entschuldigen soll, aus welchen Motiven heraus.
Amüsant, temporeich, originell geschrieben. Beeindruckend, wie sie den grundsätzlich schnell erzählte Plot auf 200 Seiten ausdehnen konnte, ohne dass das Buch langatmig wurde. Oder zumindest bis kurz vor Schluss ist ihr das gut gelungen.
"Du sollst wissen, wer ich gewesen bin. Damit du niemals die Erleichterung fühlst, von der ich so oft heimlich träumte: von einem Toten angeschwiegen zu werden. Ich möchte dir für immer die Möglichkeit nehmen, nicht zu wissen, wer ich war." (S.19)
Öziri schreibt mit Vatermal eine berührende, bedrückende Familiengeschichte über einen abwesenden Vater, die Alkoholsucht der Mutter, über die Schwester, die irgendwann abhaut, über Fremdenfeindlichkeit, die Angst vor dem Ausländeramt und die Jugendjahre des Protagonisten im Ruhrgebiet.
In einer wunderschönen, eingängigen Sprache geschrieben. Sehr zu empfehlen!
Das Theaterstück erzählt von einem Gerichtsfall. Eine bekannte TV-Moderatorin klagt einen ehemaligen Kollegen und erfolgreichen Geschäftsmann, mit dem sie über längere Zeit eine Affäre hatte, an, sie vergewaltigt zu haben. Es steht Aussage gegen Aussage. Sie sagt. Er sagt.
Der Autor unterlegt sein Stück mit vielen sachlichen und fachlichen Informationen. Er zeigt auf, mit welchen Hürden Frauen* konfrontiert werden, entschliessen sie sich, einen Vergewaltigungsfall anzuzeigen.
Ein mitreissendes Buch, welches mir sehr nahe ging. Stark erzählt durch die Dialoge. Fein gezeichnete Personen. Das Ende lässt einem mit vielen Fragezeichen zurück. Es erschüttert mich immer wieder zu lesen, wie viel Opfer sexueller Gewalt über sich ergehen lassen müssen, wenn sie den Schritt einer Anzeige machen.