Nachdem Emilias Vater sich das Bein gebrochen hat, kehrt sie nach Sizilien zurück, um dort nach den Weinbergen zu sehen, von denen ein Teil zudem nur kümmerlich wächst. Zusammen mit ihrem besten Freund Angelo und ihrem Rivalen Paolo untersucht sie die Gründe dafür – und muss feststellen, dass sie weitaus mehr für sie empfindet, als sie annahm. Doch mit wem soll sie ihre Zeit verbringen? Und mit wem zusammenkommen? Die Entscheidung liegt bei uns Leser:innen …
Als jemand, die Entscheidungsgeschichten mag und Lust auf eine lockere Liebesgeschichte hatte, war „My Italian Lovestory“ ziemlich perfekt dafür. Der Entscheidungspart der Geschichte ist dabei nicht allzu komplex aufgebaut – fünf der fünfundzwanzig Kapitel sind Hauptkapitel, die eine Entscheidung zwischen Angelo und Paolo beinhalten, während jeweils zehn Kapitel je einem Love Interest gewidmet sind. Auf diese Weise bekommen alle Leser:innen immer fünfzehn Kapitel zu lesen, egal, wie sie sich entscheiden, was der Geschichte eine angenehme Länge gegeben hat.
Beim ersten Lesen passierte es mir, dass ich abwechselnd Angelo- und Paolo-Kapitel zu lesen bekam, was zwar erklärte, warum Emilia Gefühle für sie beide entwickelte, dafür aber beiden Handlungssträngen wichtigen Kontext nahm, den ich erst begriff, als ich die Geschichte ein zweites Mal mit gegenteiligen Entscheidungen las. Aus diesem Grund würde ich anderen Leser:innen empfehlen, bei einem Love Interest zu bleiben (und notfalls nachzuschauen, welcher Pfad zu welchem Charakter führt), weil dadurch zwar die Gefühle für den anderen Love Interest nicht ganz so verständlich sind, man dafür aber eine gesamte, süße Liebesgeschichte zu lesen bekommt. Ich habe die Geschichte dafür sogar noch zweimal überflogen, einmal für Angelo und einmal für Paolo, um zu bestätigen, dass sich eine Geschichte, die sich nur auf einen der beiden konzentriert, tatsächlich natürlicher und verständlicher liest.
Das liegt auch daran, dass eine der Entscheidungen unerwarteterweise dazu führt, dass Emilia einen der Love Interests küsst – man sich aber immer noch für den anderen entscheiden kann, ohne, dass der Kuss mit dem ersten Love Interest nochmal angesprochen wird. Deshalb finde ich es besser, nur einem Pfad zu folgen, weil auch so die Logik der Geschichte erhalten bleibt. Meiner Meinung nach lassen sich die beiden Liebesgeschichten nicht gut mischen, doch folgt man nur einem Pfad, bekommt man dafür ein besonders schönes Leseerlebnis, das sich (auf positive Weise) länger anfühlt, als es eigentlich ist. Ich war tatsächlich beeindruckt davon, wie gut es Nina Bilinszki gelang, die beiden Romanzen natürlich zu entwickeln und sich dabei trotzdem kurz zu fassen!
Insgesamt also ein sehr schönes Geschenkbuch für alle, die ein kurzweiliges Leseerlebnis und gleich zwei Liebesgeschichten in einer suchen!
Hannah braucht dringend eine Auszeit und nimmt sich deshalb ein paar Tage frei, die sie in einer einsamen Hütte mitten im Schnee verbringt. Ihr Alltag wird durch das Auftauchen der kleinen Sophie durcheinandergewirbelt: Das Mädchen bringt Hannah dazu, ihr bisheriges Leben infrage zu stellen – und herauszufinden, welches sie wirklich führen will …
Dieser kurze Roman ist wunderschön und gut zu lesen, inspirierend und zum Nachdenken anregend. Während der drei Tage, in denen wir Hannah folgen, kommen ihr viele Erkenntnisse, teils von selbst und teils mit Sophies Hilfe, und sie alle waren auch für mich als Leserin unglaublich bereichernd.
Ich war tatsächlich sehr überrascht darüber, wie viele neue Ideen und Fragestellungen eingebaut wurden und wie erfrischend die bereits bekannten wirkten. Besonders mochte ich die Metapher des Einweckglases, das mit Steinen, Kieseln und Sand gefüllt wird und während des gesamten Romans eine wichtige Rolle spielt, sowie Hannahs Erkenntnis darüber, dass die meisten Produkte dazu da sind, etwas an sich selbst zu verändern. Selbst bei den offensichtlicheren Erkenntnissen (z.B. dass man das, was man gerade tut, genießen sollte, oder dass man seine irrationalen Ängste durch eine direkte Konfrontation überwinden sollte) gefiel es mir, wie Hannahs eigene Gedanken und Gefühle ihnen etwas Einzigartiges verliehen. Es werden sehr viele Themen angesprochen, wie das Staunen, das Wundern und das Genießen, sodass jeder etwas finden wird, das ihn oder sie persönlich betrifft. Ich selbst hatte sehr oft das Verlangen, mir bestimmte Sätze zu markieren, weil ich sie so schön fand! Es ist mühelos die größte Stärke des Romans: Dass man sich so gut in Hannah hineinversetzen kann.
Zu meiner Überraschung kam Sophie vergleichsweise selten vor. Zwar hilft sie Hannah natürlich dabei, ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen und hinterfragt viele Dinge, die Hannah für selbstverständlich hält, aber letztendlich macht Hannah viele Erkenntnisse selbst und wir erfahren gar nicht so viel über Sophie. Ich hatte ihr bezüglich so einige Theorien, weil ihr Auftauchen so surreal erschien, aber tatsächlich bleibt ihre Herkunft offen, sodass man seine eigenen Theorien entwickeln kann.
Auch das Ende selbst wird offen gelassen, was ich sehr passend fand – schließlich kommt es nicht darauf an, ob Hannah ihre neuen Erkenntnisse umsetzen kann, sondern darauf, dass sie es versucht. Insofern hat mich der Roman sehr zufriedengestellt und mich gleichzeitig wunderbar inspiriert, sodass ich ihn mit sehr viel Freude weiterempfehlen kann!