Nile sieht einer rosigen Zukunft mit Ben, ihrem zukünftigen Ehemann, entgegen, der sich endlich von seiner Frau scheiden lässt, um Nile heiraten zu können. Doch beim Einkaufen verschwindet Ben plötzlich spurlos und niemand scheint zu wissen, was mit ihm geschehen ist. Nile ist fest entschlossen, ihn zu finden und wendet sich schließlich sogar an Bens zukünftige Exfrau Flo - ihre ärgste Feindin ...
"Atme!" war eine interessante Leseerfahrung, die gut gezeigt hat, wie sehr die Autorin sich bis zu "Schweig!" weiterentwickelt hat. Denn obwohl ich den Thriller durchaus solide fand, hat man gemerkt, dass Judith Merchant noch dabei war, ihren Stil und ihren Charakteraufbau zu vervollkommnen.
So ist bei Nile sehr schnell klar, dass sie eine unzuverlässige Erzählerin ist, die sehr schnell und ohne Beweise die Schlüsse zieht, die ihr am besten gefallen, so unwahrscheinlich sie auch sein mögen; andere Charaktere stechen nicht besonders hervor.
Die Handlung war dafür gut strukturiert und die Twists zwar teils vorhersehbar, aber trotzdem gut eingebaut.
Allerdings hat mich der Schreibstil ein wenig gestört. Er besteht in der Regel aus sehr kurzen oder sehr langen Sätzen, die zwar Niles wirre Gedanken gut wiedergeben, aber nicht immer schön zu lesen waren.
Trotz meiner Kritik bin ich froh, dass ich den Thriller gelesen habe, weil er sehr gut aufzeigt, dass Judith Merchant später in "Schweig!" aus ihren Fehlern gelernt und dadurch einen hervorragenden Thriller geschrieben hat; hätte sie mit "Atme!" nicht erst mal ihre Fähigkeiten üben können, hätten wir niemals "Schweig!" bekommen. Als Thriller an sich ist "Atme!" ganz okay, doch als Meilenstein auf dem Weg der Autorin, sich zu bessern, absolut unverzichtbar!
Hannah braucht dringend eine Auszeit und nimmt sich deshalb ein paar Tage frei, die sie in einer einsamen Hütte mitten im Schnee verbringt. Ihr Alltag wird durch das Auftauchen der kleinen Sophie durcheinandergewirbelt: Das Mädchen bringt Hannah dazu, ihr bisheriges Leben infrage zu stellen – und herauszufinden, welches sie wirklich führen will …
Dieser kurze Roman ist wunderschön und gut zu lesen, inspirierend und zum Nachdenken anregend. Während der drei Tage, in denen wir Hannah folgen, kommen ihr viele Erkenntnisse, teils von selbst und teils mit Sophies Hilfe, und sie alle waren auch für mich als Leserin unglaublich bereichernd.
Ich war tatsächlich sehr überrascht darüber, wie viele neue Ideen und Fragestellungen eingebaut wurden und wie erfrischend die bereits bekannten wirkten. Besonders mochte ich die Metapher des Einweckglases, das mit Steinen, Kieseln und Sand gefüllt wird und während des gesamten Romans eine wichtige Rolle spielt, sowie Hannahs Erkenntnis darüber, dass die meisten Produkte dazu da sind, etwas an sich selbst zu verändern. Selbst bei den offensichtlicheren Erkenntnissen (z.B. dass man das, was man gerade tut, genießen sollte, oder dass man seine irrationalen Ängste durch eine direkte Konfrontation überwinden sollte) gefiel es mir, wie Hannahs eigene Gedanken und Gefühle ihnen etwas Einzigartiges verliehen. Es werden sehr viele Themen angesprochen, wie das Staunen, das Wundern und das Genießen, sodass jeder etwas finden wird, das ihn oder sie persönlich betrifft. Ich selbst hatte sehr oft das Verlangen, mir bestimmte Sätze zu markieren, weil ich sie so schön fand! Es ist mühelos die größte Stärke des Romans: Dass man sich so gut in Hannah hineinversetzen kann.
Zu meiner Überraschung kam Sophie vergleichsweise selten vor. Zwar hilft sie Hannah natürlich dabei, ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen und hinterfragt viele Dinge, die Hannah für selbstverständlich hält, aber letztendlich macht Hannah viele Erkenntnisse selbst und wir erfahren gar nicht so viel über Sophie. Ich hatte ihr bezüglich so einige Theorien, weil ihr Auftauchen so surreal erschien, aber tatsächlich bleibt ihre Herkunft offen, sodass man seine eigenen Theorien entwickeln kann.
Auch das Ende selbst wird offen gelassen, was ich sehr passend fand – schließlich kommt es nicht darauf an, ob Hannah ihre neuen Erkenntnisse umsetzen kann, sondern darauf, dass sie es versucht. Insofern hat mich der Roman sehr zufriedengestellt und mich gleichzeitig wunderbar inspiriert, sodass ich ihn mit sehr viel Freude weiterempfehlen kann!