Ich habe das Buch mit hohen Erwartungen gelesen – wohl zu hohen. Der Beginn ist vielversprechend, mit spannenden Figuren. Doch diese entwickeln sich kaum weiter, die Handlung bietet wenig Überraschendes und nichts wirklich Neues. Die Verstrickungen der Schweiz im Zweiten Weltkrieg sind bekannt, auch wenn es sicher wichtig ist, sie immer wieder zu erzählen. Insgesamt hat mich das Buch jedoch wenig begeistert. Auch sprachlich konnte es mich nicht überzeugen: Die Sprache wirkt zu sehr aufgesetzt. Nach der Lektüre von Dorothee Elmigers Werk habe ich die Klarheit vermisst.
Eine anspruchsvolle, aber lohnende Lektüre. Macht Lust darauf, Joseph Conrads Herz der Finsternis (nochmals) zu lesen. Kommt zur Liste meiner Lieblingsbücher.
Ich fand das Buch ausgesprochen spannend: eine gelungene Mischung aus Science-Fiction, Thriller, historischem Roman und Liebesgeschichte, durchsetzt mit vielen witzigen Momenten. Der Stil ist flott und mitreissend, sodass man schnell in die Handlung hineingezogen wird. Besonders reizvoll sind die Bezüge zu aktuellen Themen wie Umweltschutz oder Migration. Interessant ist auch die Frage, was den Zeitreisenden aus dem 19. Jahrhundert mit der Ich-Erzählerin, die kambodschanische Wurzeln hat, verbindet. Sie sind ja beide Migranten. Und wie so oft bei Geschichten mit Zeitreisen stellt sich am Schluss die Frage, ob die innere Logik aufgeht – also ob Eingriffe in die Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf Gegenwart und Zukunft nachvollziehbar bleiben. Für mich funktioniert das hier sehr gut.
Ein Krimi, der bewusst mit klassischen Erzählformen bricht: Die Geschichte ist im Stil eines Drehbuchs geschrieben, einzelne Szenen werden in kurzen, filmischen Sequenzen geschildert und mit Collagen, Schriftbildern oder typografischen Spielereien kombiniert. Das wirkt ungewohnt, manchmal chaotisch, aber auch erfrischend anders.
Im Zentrum steht eine kurdische Familie, die in die Niederlande geflüchtet ist und unabsichtlich in einen Kunstraub verwickelt wird. Dies hat weitreichende Folgen. Gewalt, Rache und persönliches Leid entfalten sich in einer turbulenten Handlung.
Einzelne Szenen haben mich zum Nachdenken, andere zum Schmunzeln gebracht. Dennoch hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass aus der Geschichte mehr hätte werden können. Einzelne Tippfehler im Buch haben mich zusätzlich gestört.
Wer sich gerne auf literarische Experimente einlässt kann hier fündig werden. Und dann liesse sich durchaus auch eine Vier-Sterne-Wertung rechtfertigen.
Ein Scherbenfund weckt Erinnerungen: Isabels Familie zog 1944 in ein möbliertes Haus – und mit ihr beginnt eine Spurensuche in die verdrängte Vergangenheit der Niederlande. Der historische Teil überzeugt, die Liebesgeschichte weniger. Dennoch: ein lesenswerter Roman über Schuld und Erinnerung.
Ich habe das Buch mit grosser Vorfreude zur Hand genommen. Ausschlaggebend waren mehrere sehr positive Kritiken und eine persönliche Empfehlung. In siebzig kurzen, meist fotografisch illustrierten Reiseepisoden, die der Autor als „Mikroromane“ bezeichnet, werden Erinnerungen, Begegnungen und Eindrücke versammelt. Erzählt werden sie aus der Perspektive eines irischen Alter Egos namens Lorcan. Vielleicht ist es gerade diese Perspektive, die mir diese Texte narzistisch und pathetisch aufgeladen erscheinen lassen. So beispielsweise die Geschichte über die Begegnung mit Gorillas. Ich finde es irritierend, wenn der Silberrücken im Text als „König“ bezeichnet wird und weiter: „Der Silberrücken, der wohl an die zweihundert Kilo schwer im Busch thronte, hörte diesem Grunzen fast nachsichtig zu und sah seinen Besuchern in die Augen, so lange und so tief hinab in ihre Seelen…“ Oder wenn Lorcan von einer Zwölfjährigen die Geschichte von Inês de Castro erzählt wird: „Portugals berühmteste, im 14. Jahrhundert erlittene Liebesgeschichte erst vor wenigen Tagen von Beatriz gehört, der zwölfjährigen Tochter seines Gastgebers in Lissabon. Ohne dabei außer Atem zu geraten, übte Beatriz in ihrem Gi, dem weissen Anzug der Karatekämpfer, zu ihrer Erzählung in langsamen, aber unablässigen Wiederholungen die Schritte, Tritte und Stösse des Kohin, die vorschriftsmässigen Bewegungen von Angriff …“
Der sechzehnjährige Thomas ist ein Aussenseiter. Er hat keine Freunde und wird von seinen gleichaltrigen Mitschülerinnen und Mitschülern ausgelacht und gehänselt. Sie nennen ihn „Klapper“, wegen seiner klapprigen Knochen und Gelenke, die bei Bewegungen Geräusche machen. Die Sommerferien verbringt er zurückgezogen in seinem Zimmer mit Computerspielen und Heavy-Metal-Musik. Nach den Herbstferien verändert sich alles. Eine neue Schülerin kommt in die Klasse. Sie ist ungewöhnlich gross, wird von den anderen „Bär“ genannt und setzt sich ausgerechnet neben Thomas. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft, und sie kommen sich immer näher. Das Buch überzeugt mit zwei liebevoll gezeichneten Hauptfiguren und einer leichten, witzigen und gleichzeitig respektvollen Sprache. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen.
In diesem Buch, ausgezeichnet mit dem Prix Femina 2022, erzählt Claudie Hunzinger im Stile des Nature Writings von einem älteren Paar, das abgeschieden in einem Wald lebt. Sophie, eine Schriftstellerin, und Grieg, ihr Lebensgefährte, verbringen ihre Tage inmitten von Büchern und Natur, zurückgezogen von der modernen Gesellschaft.
Eines Abends taucht eine kleine, verletzte Hündin auf, die den Namen Yes bekommt. Yes bringt Änderungen in den gewohnten Alltag und wird zum Auslöser für Erinnerungen, Gedanken und Gespräche über das Älterwerden, das Schreiben, die Literatur und die Welt im Wandel.
Der Roman thematisiert den Zustand einer bedrohten Welt und erzählt von der Zerstörungskraft und Gewalttätigkeit des Menschen, die im Roman stets präsent sind, zwar nicht offen, aber immer bedrohlich im Hintergrund. Und trotzdem finden sich immer wieder Momente des Glücks in der Natur, in der Literatur, im Schreiben aber auch im Zusammenleben zwischen Sophie, Grieg und Yes.
Einerseits hat mich das Buch vor allem sprachlich überzeugt. Andererseits hatte ich etwas Mühe mit dieser Rückzugs-Geschichte, in der Trost nicht von den Menschen draussen kommt, sondern einzig in der Literatur oder in der Beziehung zu einem kleinen Hund zu finden ist - und selten vielleicht auch beim Lebensgefährten.
Richard Powers, Pulitzerpreisträger, hat mit Das grosse Spiel einen Roman geschrieben, der mich tief beeindruckt und beschäftigt hat. Immer wieder musste ich etwas nachschlagen, weil ich es genauer wissen wollte. Es geht um die grossen Fragen unserer Zeit: um den Menschen, der die Natur (hier vor allem die Ozeane) zerstört, der mit der Künstlichen Intelligenz aber auch etwas geschaffen hat, von dem wir noch nicht wissen, wohin es uns führen wird. Es ist ein Werk über das Werden und Vergehen, das Staunen und Ehrfurcht auslöst.
Die philosophischen Fragen haben mich gepackt, ebenso die poetischen Beschreibungen der Ozeane und das Nachdenken über die Künstliche Intelligenz. Man erfährt aber auch viel über die Entwicklung der Tech-Branche oder über die Geschichte der Ozeanographie.
Am Ende legt man das Buch besorgt (vor allem in Bezug auf die aktuellen politischen Strömungen in den USA), aber auch mit Hoffnung zur Seite. Das grosse Spiel zählt zu meinen absoluten Lieblingsbüchern.
Ich bin der Geschichte gerne gefolgt, der Stil hat mich überzeugt. Den Kern der Geschichte habe ich jedoch nicht ganz herauschälen können. Müsste ich vielleicht ein zweites Mal lesen?
Charlotte tritt die Stelle als Assistentin bei dem angesehenen Verleger Ugo Maise an. Schnell zeigt sich: Er überschreitet Grenzen, kontrolliert sie und stellt übergriffige Anforderungen. Zunächst erfüllt Charlotte fast alles, erst am Schluss findet sie ihren eigenen Weg. Das Thema ist aktuell: Wo verlaufen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben? Wie viel bin ich bereit zu geben für Karriere und Anerkennung. Wo bleiben meine eigenen Träume? Typisch für einen Coming-of-Age-Roman. Dazu passt die Erzählweise: Die auktoriale Erzählerin unterbricht immer wieder den Fluss der Geschichte, schaut in die Zukunft, kommentiert, und kehrt dann mit einem „Zurück zur Geschichte“ wieder zum Geschehen zurück. Dadurch entsteht eine gewisse ironische Distanz und gleichzeitig Vertrautheit. Das Buch liest sich leicht, die Sprache ist nah an der Alltagssprache. Das macht es leicht zugänglich, aber für mich bleibt die Geschichte an der Oberfläche. Die Nebenfiguren, der Vater, die Mutter, der Freund, bleiben skizzenhaft. Insgesamt bleibt der Eindruck eines locker geschriebenen, leicht lesbaren Romans, der aktuelle Themen aufgreift, aber nicht in die Tiefe geht.