& Zwischen Welten
448 Seiten

Deutschland 2022, eine Erzählung, die sich einzig in E-Mails und Chat-Nachrichten zwischen Theresa, Landwirtin in Brandenburg, und Stefan, Journalist in Hamburg, entwickelt. Die beiden kennen sich aus dem Studium, waren eine WG und sind sich vertraut. Die Kraft der Geschichte liegt aber in den Differenzen zwischen den beiden und in den weit voneinander entfernten Realitäten. Die schonungslose Ehrlichkeit von Theresa und Stefan, das Erzähltempo und die Heftigkeit der Ereignisse führt uns viele hässliche Seiten unserer eigenen Gegenwart vor Augen.

Verschwörung gegen Amerika
434 Seiten

Ein Buch von 2004, das nichts an Dringlichkeit und Aktualität verloren hat. Roth nimmt uns mit auf ein dunkles Gedankenexperiment Anfang der 1940er Jahre. Schauplatz sind die USA, im Zentrum der Geschichte eine jüdische Familie in einfachen Verhältnissen. Die Erzählung führt uns ein paar wenige Jahre durch die amerikanische Geschichte mit dem Unterschied, dass nicht Roosevelt ein drittes Mal Präsident wird, sondern Lindbergh. Dieser verfolgt eine isolationistische Haltung der USA gegenüber einem Kriegseintritt gegen D, It und Jp, ausserdem wird ihm, nicht ungerechtfertigt, eine starke antisemitische Einstellung vorgeworfen. Was Roths Erzählung auch für die heutige Zeit so relevant macht, zeigt sich stark in zwei Aspekten: erstens zeigt er, wie wichtig es ist, dass Politik und Gesellschaft nicht müde werden dürfen, das Überschreiten roter Linien und das Brechen von Tabus immer und auch in der unwichtigsten Kommentarspalte scharf zu kritisieren. Es sind viele kleine Schritte, mit denen die Grenzen hin zu Diskriminierung, Rassismus und Schutz von Minderheiten jeden Tag auszudehnen versucht werden. Zweitens führt uns die Geschichte vor Augen, dass auch das Schweigen von mächtigen Menschen eine Meinungsäusserung darstellt und im schlimmsten Fall zu Gefahr für Leib und Leben führen kann. Eine düstere Geschichte, die uns lehrt, wachsam zu sein, sei es gegenüber Hass oder sei es gegenüber Falschinformation.

Tarlan
220 Seiten

Fariba Vafi schildert in schnörkelloser Sprache das Erwachsenwerden zweier Freundinnen und wie sie die Polizeischule absolvieren. Sie erlaubt durch diese zwei Figuren einen Augenschein auf das Leben im Iran, auf die Realität, der junge Frauen begegnen müssen und zeigt den Graben zwischen strenger Disziplin und der Fantasie darüber, was die Zukunft bringen wird.

Die Knochenuhren
811 Seiten

Mitchell ist ein grossartiger Geschichtenerzähler. Er nimmt den Leser mit auf eine Reise, reiht Geschichten an verschiedensten Orten und in weit auseinanderliegenden Zeitabschnitten aneinander und verknüpft sie miteinander. Die Verbindungen zwischen den so unterschiedlichen Schauplätzen stellen „überzeitliche Geistwesen“ her, die von einem menschlichen Wirt zum nächten wandern und so auf ein Leben von Jahrhunderten oder Jahrtausenden zurückblicken können. Diese fantastische Erzählweise mündet zum Schluss in eine Dystopie in der Zukunft. Schönes Detail ist, dass Mitchell Figuren aus seinen anderen Büchern immer wieder auftauchen lässt.

Der Berg, der Menschen frisst
280 Seiten

Der baskische Journalist Ander Izagirre schaut in seinem Buch über die Minenarbeiter Boliviens, mit Fokus auf die Kinder, die unter Tage arbeiten, tief in die Seele der Andenbewohner. Nebst der Kritik an den sozialen Missständen, schreibt er, wie nebenbei, noch eine kurze Geschichte des Andenstaates. Ausgehend von den reichen Rohstoffen des Cerro Rico in Potosí, dessen Silber das Rückgrat des Spanischen Kolonialismus bildete, über die Zinnvorkommen in Llallagua, die einen bolivianischen Glücksritter namens Simon Patiño zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum fünftreichsten Menschen des Planeten machte, bis hin zur Verstaatlichung der Minen in den 1950er-Jahren und deren erneute Privatisierung in den 1980er-Jahren, ist die Geschichte des Bergbaus eng mit der des Staates verwoben.

Dass man den Gipfel des Cerro Rico in jüngster Vergangenheit stabilisieren musste, damit Erdrutsche nicht die darunterliegende Stadt zerstören und die Rohstoffe des Berges, der mittlerweile mehr einem Schweizer Käse gleicht, weiterhin ausgebeutet werden, trotz unzähliger Gefahren beim Abbau und der gesundheitsschädigenden Staubluft in den Stollen, zeugen von der Verzweiflung der indigenen Bevölkerung.

Die Darstellung eines Staates, der zuerst von europäischen Imperialisten, dann von der eigenen Elite geplündert wurde und seither wegen den Launen des Welt-Rohstoffmarktes immer wieder in prekäre Situationen trudelt, kontrastiert mit der ergreifenden Geschichte der vierzehnjährigen Alicia Quispe, die in der schulfreien Zeit Loren aus den Stollen schiebt, um für die Familie ein wenig Geld zu verdienen. Eine lesenswerte Dokumentation!

Blutbuch
336 Seiten

Ein Buch in neuer Sprache und zeitweise unkonventioneller Form. Trotzdem liest es sich flüssig. Ein Selbstfindungstrip der schreibenden Person, spannend zu verfolgen. Teil 3 hatte seine Längen und Ausschweifungen, im Grossen und Ganze ein sehr gutes Buch.