Das Buch erzählt die Geschichte von Seka, der Tochter bosnischer Eltern, die vor dem Krieg in ihrer Heimat in die Schweiz geflohen sind. Die Familie ist traumatisiert und der Vater gewalttätig. Seka versucht, die Geschichte ihrer Familie zu verstehen und sie aufzuschreiben. Als Ausgangspunkt ihrer Nachforschungen dienen ihr Familienfotos. Schnell erkennt sie, dass ihre persönliche Geschichte eng mit der allgemeinen Geschichte verwoben ist. Über Raum und Zeit hinweg sind alle Ereignisse miteinander verknüpft. Seka beginnt, in ihrer Geschichte und in den Archiven zu graben.
- Sie erzählt von dem Bergwerk in Omarska, das im Bosnienkrieg als Gefangenenlager genutzt wurde und von zarten, verzweifelten Liebesbriefen aus dem Lager.
- Sie beleuchtet die Geschichte anderer Bergwerke, wie z.B. Cerro Rico, in dem die Spanier Silber förderten – ein Symbol für die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und die Zerstörung der Natur. Der Bergbau steht in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung von Wissenschaft, Handel und Kriegen.
- Sie thematisiert, wie die Schweiz mit MigrantInnen umgeht, und wie diese versuchen, sich zu integrieren – oder eben oft nicht. Viele wenden sich der Religion zu, insbesondere einem fundamentalistischen Islam. Das Buch übt damit auch Kritik an der bosnischen Community.
- Sie berichtet von einem gewalttätigen Vater, vor dem sich die Familie versteckt.
- Aber vor allem erzählt sie von Seka, einer jungen Seconda in der Schweiz. Zwischen popkulturellen Referenzen und einem Studium in Leipzig sucht Seka, im fleissig und angepasst, Antworten in den Werken von Novalis, W.G. Sebald, Joseph Conrad und der ganzen Garde der Frauenliteratur, die sie alle auch zitiert
Es handelt sich um ein komplexes Thema, das in Montagetechnik dargestellt wird. Dennoch schafft es Mina Hava, authentisch zu bleiben und die Handlungsstränge gekonnt zu verweben. Dies erzeugt einen Sog beim Lesen. Es ist ein tief literarisches Werk, das den Lesern, die sich darauf einlassen, einen frischen Blick auf die Welt ermöglicht und in einer präzisen sowie wunderschönen Sprache verfasst ist. Das Buch hat mich zutiefst beeindruckt und fasziniert zurückgelassen. Ein absolutes Lieblingsbuch!
2023 wurde Christian Haller mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet. In seinem neuen Buch steht der junge Diplombiologe Thyl Osterholz im Zentrum, der sich in den 70er Jahren für ein Praktikum im “Institut für Soziales” bewirbt, wo er rasch Karriere macht. Bald wird ihm die Aufgabe übertragen, internationale Kongresse zu organisieren, die sich mit damalige sozialen und Umweltthemen beschäftigen, die Ölkrise ist ebenso ein Thema wie der Club of Rome. Thyl kommt in Kontakt mit wichtigen Persönlichkeiten (darunter auch reale Menschen wie Erich Fromm). Im Hintergrund tobt währenddessen im Institut ein Machtkampf, aus dem sich Thyl zunächst geschickt heraushält. Doch bald merkt er, dass auch er selbst zum Spielball dieser Auseinandersetzungen wird.
Haller arbeitete lange am Gottlieb-Duttweiler-Institut, und die Parallelen zu seiner eigenen Biografie sind unübersehbar. Die Geschichte enthält sicherlich auch eigene Erfahrungen, so hat Haller wie der Protagonist Thyl ebenfalls Biologie studiert hat.
Das Buch zeichnet ein Bild der 70er Jahre. Gekonnt schildert Haller den Büroalltag mit seinen bösartigen Machtkämpfen und beschreibt die Eitelkeiten und Intrigen detailreich und wenig schmeichelhaft. Die Führungsebene besteht aus lauter eitlen Menschen – ich vermisse jedoch wenigstens eine positive Figur.
Besonders gut gefallen hat mir die Liebesgeschichte zwischen Thyl und Isabelle, die sich im Laufe der Handlung entwickelt. Das Buch lässt sich insgesamt flüssig lesen.