Houellebecq hat einen ihm eigenen Stil. Es schwingt immer das leicht zynisch-depressive mit, das gefällt mir ganz gut. Die Idee, eine muslimische Partei an die Macht zu bringen und die Identitären zu beleuchten, fand ich schlüssig. Ich war erstaunt, dass man schon damals die IB quasi kannte. Mir sind die erst viel später aufgefallen. Ob Houellebecq besonders feine Fühler hat oder die Bewegung in Frankreich früher tätig war, kann ich nicht beurteilen. Letztlich bleibt zu fragen, ob man wie der Protagonist am Ende den Autoritarismus akzeptiert und sich (glücklich, da es diverse Annehmlichkeiten gibt) fügt oder ob man sich für die "Freiheit" des Laizismus entscheidet. Ich persönlich kann Stand jetzt kein wirkliches Urteil bilden. Dass man eine paneuropäische Lösung, quasi ein neues römisches Reich, hinbekommt, halte ich zwar nur für bedingt möglich; so schnell wie hier aber auf gar keinen Fall. Und antimuslimisch ist das Buch keineswegs, da haben ja diverse laute Stimmen der Medienlandschaft direkt die Rassismuskeule geschwungen.
Ich liebe Murakamis Stil, aber nicht unbedingt den Inhalt. Wie auch schon bei "Die Ermordung des Commendatore" war hier eine sehr komische sexuelle Note dabei, diesmal hauptsächlich auf Erwachsene bezogen, aber es gab auch eine explizite Szene, in der einer der Protagonisten (30) mit einem Teenager verkehrte. Komisch genug, aber Murakami entschied sich, danach oft zu schreiben "Er hatte in sie ejakuliert" oder "Er erinnerte sich, wie ihr junger Körper das Sperma aufnahm". Das sind für mich Momente, die dieses spannende Buch einfach kaputt machen. Denn ansonsten lebt die Geschichte von einer zarten Phantasie und das ist schön. Murakami hat auch ein Talent, kleine und bedeutungsschwere Phrasen zu schreiben; erwähnt soll hier nur "Die Puppe aus Luft" (Puppe im zoologischen Sinne) sein. Teil drei werde ich aber noch lesen.
Dieses Buch hat eine lange Lesegeschichte hinter sich. Einerseits weil ich es auf irgendeine Art genießen wollte, andererseits kam auch einiges dazwischen. So hat es unter anderem ein Chorprobenwochenende und fast alle meine Klinikblöcke mitgemacht. Ein schöner Erinnerungsanker. Die Story an sich hat mir nicht sonderlich zugesagt, es schwingt schon eine Art "Ich bin Prinz Suko aus Avatar... Ehre, Ehre, Ehre" mit. Das Ende war mir etwas zu schnell und ich fand e nicht sonderlich nachvollziehbar, zumindest was den guten Onkel Terukichi angeht. Der ruhige Stil hat das streckenweise wieder ausgeglichen.
Das Gute ist: was dieser Mann sagt, ist nicht wirklich falsch. Das Schlechte: der Stil ist hölzern, die Repetitio ad nauseam und die durchscheinende Arroganz kaum erträglich.
Nichtsdestoweniger sollten deutlich mehr Menschen das lesen
Der dritte Teil der für Deutschland in zwei Teile aufgesplitteten Trilogie (irgendwie haben die deutschen Verleger es mit Murakami. "Die Ermordung des Commendatore", die eigentlich nur ein Buch ist, wurde in zwei Bücher aufgeteilt) ist nicht unbedingt so stark wie der Erste, doch der perfekte Schluss. Das Ende war beinahe schon rührend in seiner romantisch-kitschigen Zusammenführung. Warum es das neue "Romeo und Julia" sein soll, weiß ich nicht. Die Analogie ist nicht logisch zu erschließen, so dünkt es mir.