"Ich habe an meine Zukunft zu denken versucht und den Versuch gleich wieder abgebrochen. Ich habe an Vergangenes gedacht und mich sofort zurechtgewiesen. Heute nicht. [...] Heute ein wenig Hundeglück auf der Schwelle der Gegenwart. Die Gegenwart ist jetzt ein früher Abend. Sie ist die Sonne, die ins Zimmer strömt, die Insel, die im Gegenlicht sich schwärzt, sie ist der Widerschein der Sonne, der gleissend auf dem Wasser liegt und trichterförmig sich verjüngend auf mich zukommt."
"Es fehlte jeder Fanatismus, er hatte sein Leben nicht hingeworfen, er hatte es abgelegt, zurückgegeben wie den Schlüssel einer Wohnung, aus der man zieht, mit nostalgischen Erinnerungen an die darin verbrachten Jahre vielleicht, doch gleichzeitig bewusst, wie überflüssig diese Schlüssel geworden sind."
"...der Kristof mit dem stolzen Schnurrbart, der hat das auch nie so genau genommen, sagt er, der hat das nur geschätzt, più o meno, mehr oder weniger, der war halt Diskalkulant, frag mich nicht, was das genau heisst, aber was der zusammen diskalkuliert hat, da kam niemand wirklich nach, wie der das machte, das war höhere Matematica."
"Doch nur die Toten gehen verloren, solange man lebt, bleibt man nicht unbemerkt."
Ein Mann begegnet einer Frau und beginnt, ihr zu folgen. Er sieht sie nur immer von hinten, der Grund der Verfolgung ist nicht bekannt. Aus einer Laune heraus wird es ihm total ernst, seine geschäftlichen Verpflichtungen hängt er an den Nagel. In nicht mal 48h wird aus ihm ein verwahrloser Getriebener.
Bärfuss lässt die Lesenden hautnah an der Verfolgung teilhaben. Der Zerfall des Mannes wird beeindruckend bildhaft dargestellt. Mich hat das Buch sofort gepackt und nicht mehr losgelassen, die Spannung verflog nie. Viele Fragen blieben offen, das Buch verstanden habe ich nicht. Ein Grund, es irgendwann wieder zu lesen.
"Es war ihr, als denke sie doppelt, als liefe hinter ihren Gedanken ein zweiter Strom von Gedanken ab, von dem nur dann und wann ein Bild hängenblieb und in ihr Bewusstsein drang, ein dunkles, schummriges Bild, auf dem nicht viel zu erkennen war, ein Raum, Menschen, die Dinge taten oder getan hatten, eine Erwartung oder Erinnerung."
Ab der ersten Seite liegt eine Schwere, eine Melancholie auf der Geschichte, die sich nie verzieht und hartnäckig an der Protagonistin kleben bleibt. Stamms Schreibstil liest sich flüssig und geht einem nahe, der melancholische Schleier umgibt einem schnell selbst.
"Das privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich, das zu jener Zeit, als Heinrich mehrmals amtliche Post aus der Heimat bekam, in Kraft und massgebend war, nennt neben Ehebruch, unnatürlicher Wollust, Unfähigkeit zum Beischlaf, ausschweifender oder verschwenderischer Lebensart, unheilbarer und ekelhafter Krankheit inkl. Wahnsinn oder Blödsinn im $187 noch einen weiteren zur Scheidungs-Klage berechtigten Grund [...]"
Schöne Sprache (halt Markus Werner), aber auch sehr wirr, ich habe den Faden mehrfach verloren und irgendwann nicht mehr zurückgefunden.
"Aber warum singst oder redest du beim Teigkneten nie?" "Weisst du das nicht?", entgegnete sie erstaunt. "Singen oder reden beim Kneten macht das Brot bitter." Wirklich, ist das wahr? Hast du das ausprobiert?" "Nein, ich weiss es von meiner Mutter. Reden kann vieles verderben, was wir erst später merken."
Geschichtlich gesehen sehr interessant, sprachlich jedoch nicht überzeugend, langatmig, holprig.
"Ich gebe Ihnen gern und väterlich einen Satz mit auf den Lebensweg, den ich irgendwo aufgeschnappt habe und sinngemäss zitieren kann: Wenn du einen Riesen siehst, so frage dich zuerst, ob es sich nicht um den Schatten eines Zwergen handelt."