Bücherregal lädt …
Wellness
704 Seiten

Am Anfang beobachten Jack und Elizabeth sich nur durch ihr jeweiliges Fenster, ohne Kontakt aufzunehmen. Es scheint, als würden sie sich stets verpassen, sogar gar nicht füreinander geeignet zu sein – Jack ist ein mittelloser Fotograf, Elizabeth eine aus einem reichen Haus stammende Psychologiestudentin. Doch trotzdem werden sie ein Paar, heiraten, bekommen einen Sohn – und stellen irgendwann fest, dass ihre Ehe feststeckt. Sie wissen nicht, warum, oder wie sie ihre Ehe retten könnten. Denn zunächst müssen sie ihre eigenen Probleme bewältigen, die gewaltiger und tiefer sind, als ihr Partner je ahnen könnte …

Die Kurzbeschreibung beschreibt leider nicht mal ansatzweise, worum es in diesem Roman geht, denn er beleuchtet so viele Themen, dass es schwer ist, ihn akkurat zusammenzufassen. Natürlich sind Liebe und Ehe wichtige Themen, aber daneben spielen noch Familiengeschichten, Trauma, der Placebo-Effekt, Lebensverbesserungen und Perfektionismus, der Horror der Kindererziehung, Kunst, Verschwörungstheorien, Denkfehler, nicht-monogame Liebesbeziehungen, Selbstbetrug und noch so viel mehr eine Rolle. Ich war aufrichtig beeindruckt davon, wie viel Nathan Hill in diesen Roman gepackt hat – und noch dazu auf eine Weise, die alle Themen hervorragend miteinander verbindet, sodass sie niemals wie zu viel wirken, sondern wie eine natürliche Erweiterung der bisherigen Themen.

Aber nicht nur das: Das Foreshadowing bezüglich Elizabeths und Jacks Vergangenheiten war meisterhaft umgesetzt. Während des ganzen Romans werden mehrmals schlichte Fakten erwähnt, die ich als Leserin als gegeben annahm, ohne sie weiter zu hinterfragen; ich sah in ihnen schlicht zusätzliche Informationen zu den Hauptcharakteren und in der Regel nicht mehr. Aber dann hat Nathan Hill diese Fakten in einen anderen Kontext gesetzt, sehr viel weiter vertieft und Verbindungen zu anderen, scheinbar nicht zusammenhängenden Informationen geschaffen. Und obwohl er es schaffte, das während des ganzen Romans zu tun und mich immer wieder zu überraschen, rechnete ich trotzdem nie damit, wenn es wieder geschah. Die gesamte Geschichte von Jack und Elizabeth zu erleben, war eine Erfahrung, die mich nachhaltig beeindruckte!

Das machte es leicht, mit beiden Charakteren gleichwertig mitzufiebern, während sie ihre Probleme in verschiedenen Lebensphasen konfrontieren. Ich hatte zunächst befürchtet, dass ich mich nur für einen der beiden interessieren würde, aber letztendlich konnte ich mich mühelos in beide Charaktere hineinversetzen. Wirklich ein großes Lob an Nathan Hill dafür, wie er die Geschichte der beiden beschrieb!

Sogar einige Nebencharaktere bekommen überraschend Tiefe, doch der Fokus liegt definitiv auf Jack und Elizabeth selbst. Das ist vermutlich meine einzige Kritik: Es gibt Handlungsstränge bezüglich der Nebencharaktere, die nicht komplett aufgelöst werden (bzw. bei denen ich mir mehr gewünscht hätte) und auch kurzzeitige Obsessionen, die Elizabeth und Jack haben, die letztendlich keine Rolle für die eigentliche Handlung spielen. Im Vergleich zu der fantastisch konstruierten Handlung ist das aber eine vergleichsweise kleine Kritik, denn ich hatte selten einen Roman, von dem ich so beeindruckt war wie von diesem. Eine Rundum-Empfehlung für alle, die großartig konstruierte Geschichten lieben!

Jenseits des Ozeans
496 Seiten

Arthur und Linus sind miteinander glücklich und freuen sich, ihren sechs Kindern bald ein siebtes vorzustellen, das vielleicht ebenfalls ein permanentes Mitglied ihrer Familie wird. Doch das BBMM hat andere Pläne. Während einer Anhörung verwandelt Arthur sich in einen Phönix und löst bei der nichtmagischen Bevölkerung Angst aus. Jetzt soll eine Inspekteurin ihr Zuhause untersuchen, um zu überprüfen, ob die Kinder in Sicherheit sind. Doch hat diese nicht mit Lucy, Talia, Chauncey, Phee, Sal, Theodore und David gerechnet, die zusammen mit Arthur und Linus entschlossen sind, sich ihr Glück nicht nehmen zu lassen …

Ich war zugegeben zögerlich, als ich von dieser Fortsetzung zu „Mr. Parnassus’ Heim für magisch Begabte“ hörte, weil solche Fortsetzungen für Romane, die als Einzelband gedacht waren, nur selten gut und fast immer unnötig sind. Umso erleichternder war ich, dass „Jenseits des Ozeans“ es schaffte, ein würdiger Nachfolger des ersten Teils zu werden!

Es war so wunderschön, in diese Welt zurückzukehren, dem Wachstum der Kinder zuzusehen und das Ende von Arthurs und Linus’ Geschichte zu erleben. Das langsame Pacing der Geschichte, die schönen Szenen und wichtigen Charaktermomenten genug Zeit lässt, zu atmen, war dabei sehr passend. Zwar könnten es andere Leser:innen eventuell als ZU langsam empfinden, aber für mich war es genau richtig, weil ich die beschriebenen Momente so genoss.

Ob es nun die Anhörung, Davids Einführung, die Inspektion, das großartige Ende oder die vielen Momente dazwischen sind: Arthur zeigt seine großartigen Qualitäten als Vater und Protagonist, während die Geschichte selbst Akzeptanz und Toleranz in den Fokus rückt. Die Art und Weise, wie sowohl Arthur als auch die Kinder sich weiterentwickeln, war einfach großartig. Von den Kindern gefiel mir Sals Entwicklung am meisten, weil er sich für seine eigenen Überzeugungen einsetzte, statt auf die anderer zu hören. Aber auch die anderen Kinder (speziell Lucy und David) konnten ihre Qualitäten zeigen, was mir sehr gefiel. Zu meiner Überraschung rückte dafür Linus, der Protagonist des ersten Bandes, leicht in den Hintergrund; natürlich hatte er immer noch wichtige Szenen, aber der Fokus liegt definitiv auf Arthur und den Kindern.

Zusammengefasst haben wir hier eine cozy Fantasy, bei der man sich einfach wohl fühlt und die eine wunderschöne Fortsetzung zum ersten Teil bildet. Die Charaktere entwickeln sich weiter und bleiben gleichzeitig sympathisch. Eine Empfehlung für alle, die bereits den ersten Teil liebten!