Bücherregal lädt …
Gittersee
240 Seiten

Eigentlich wollte ich nur ein anderes Buch aus dem Buchladen abholen, aber mir fiel dieses hier Dank des roten Umschlags und guten Klappentexts ins Auge. An der Kasse sagt mir die Buchhändlerin, dass sie die Theaterfassung im Berliner Ensemble gesehen hätte. Eigentlich wäre sie misstrauisch gewesen, weil es von einer jungen Frau aus dem Westen geschrieben wurde. Im Theater hätte sie es dann aber realistisch und bedrückend gefunden. „Ja, so hat sich das damals angefühlt.“

Wenn ich ein Deutschlehrer wäre, würde es sich vermutlich wie ein Sechser im Lotto anfühlen, dieses Buch in die Finger zu bekommen. Es ist so gut geschrieben, manchmal konnte ich es gar nicht glauben oder weglegen. Es gibt so viele Absätze, mit denen sich problemlos eine Doppelstunde füllen ließe.

Rita wollte als Sekretärin arbeiten. Mit eigenem Tisch und eigenen Stempeln. Bestimmt, weil man mit Stempeln alles verbieten kann.

Oder:

Mutters Brief lag auf dem Kopfkissen. Daneben eine rote Rose, sicher einfach von der Hecke geknipst. Beim Berühren fiel gleich ein Blatt aus der Blüte, rutschte zur Seite und landete auf dem Laken. Überhaupt sehr still im Zimmer.

Aber irgendwie auch okay, kein Deutschlehrer zu sein, denn so habe ich den großartigen Text ganz für mich alleine. Wie wichtig hier alles war, was nicht gesagt wurde, und wie respektvoll es sich für mich als Leser anfühlte, dass mir diese ganzen Auslassungen zugetraut wurden, war so wunderbar.

Vielleicht muss ich jetzt auch ins Berliner Ensemble.