Know My Name
384 Seiten

Im Januar 2015 wurde eine junge Frau auf dem Campus der Standford University vergewaltigt. Emily Doe, wie sie in den Akten genannt wird, veröffentlichte 2016 über Buzzfeed ihr vor Gericht vorgetragenes Victim Impact Statement - hier im Original, hier die deutsche Übersetzung - was auch über die Grenzen der USA mediale Aufmerksamkeit bekam. Im Herbst 2019 ließ Chanel Miller ihre Anonymität fallen und veröffentlichte die Memoiren Know My Name, in denen sie sich mit dem Missbrauch, dem Gerichtsverfahren und den Auswirkungen auf ihr Leben auseinandersetzt.

"We don’t fight for our own happy endings. We fight to say you can’t. We fight for accountability. We fight to establish precedent. We fight because we pray we’ll be the last ones to feel this kind of pain.”

Mit klarem Blick schildert sie das Geschehen, findet Worte für die Gefühle, mit denen sie sich nach dem Missbrauch konfrontiert sieht, und setzt ihre zutiefst persönliche Geschichte in eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle von Geschlecht und Sexualität. Ihre Geschichte geht unter die Haut, macht traurig und wütend, hat aber auch etwas, was Hoffnung macht. Chanel Miller schreibt in erster Linie für Betroffene, gibt ihnen mit diesem Buch eine Stimme und zeigt, dass sie nicht alleine sind.

Know My Name ist selbstbewusst, unglaublich wichtig, dazu noch gut geschrieben und wird noch für einige Zeit in meinem Kopf nachhallen. Auch, wenn Chanel Miller in erster Linie für Betroffene schreibt, ihnen eine Stimme gibt und aufzeigt, dass sie nicht allein sind, kann ich dieses Buch allen empfehlen, die sich an dieses Thema heranwagen.

The Raven
64 Seiten

Vielleicht ist The Raven eines von Edgar Allan Poes berühmtesten Gedichten. Für mich fühlte es sich beim Lesen mehr wie eine Kurzgeschichte an, die er in Reime verpackt hat. Mir gefiel die Rhythmik, aber es wirkte wegen der vielen Wiederholungen einfach langatmig und als wirklich atmosphärisch oder gar gruselig empfand ich es nicht. Das spricht bei der Kürze leider nicht gerade für sich. Danach landete ich dann auf der von Christopher Lee eingelesenen Fassung - hier zu finden - und die konnte mich schon etwas mehr begeistern. Tatsächlich lohnt sich hier der Griff zur Vertonung sehr.

Feuer und Stein
798 Seiten

Vermutlich hätte ich dem Buch nach dem ersten Viertel ohne großes Zögern eine Fünf-Sterne-Wertung verpasst. Und ich bin auch am Ende noch der Meinung, dass das Buch mich unterhalten hat - an einigen Stellen mehr als an anderen - und das es insgesamt okay war.

Diana Gabaldon macht für meinen Geschmack vieles richtig. Ich mochte ihren Schreibstil und insbesondere die Art, wie sie durch Beschreibungen, sowohl die Landschaft als auch die Atmosphäre greifbar gemacht hat. Auch mit Claire hat sie einen eine Protagonistin gewählt, die mir gerade wegen ihrem zähen Auftreten gefiel. Eingebettet in die Zeitreisen-Thematik war das eigentlich eine ziemlich gute Grundlage, für interessante Entwicklungen. Dass mit Jamie dann ein Gegenüber kam, der - gerade im Kontext zu den anderen Charakteren - doch ein bisschen aus seiner Zeit gefallen zu sein schien, fand ich eigentlich ganz nett.

Dann kommt nach etwa einem Viertel der Punkt, an dem es anfängt zu kippen und der Roman mich langsam verliert. Der Roman scheint über einige Kapitel fast ausschließlich aus Sex-Szenen zu bestehen. Die einen mögen das als romantische Szenen sehen, mir war das eher etwas zu viel des Guten und warf eher die Frage auf, ob Gabaldon damit (zumindest im Bezug auf die Skandalträchtigkeit) das Fifty Shades of Grey der 90er Jahre geschrieben hatte. Die Darstellung von (sexueller) Gewalt war über den gesamten Verlauf des Buches sehr grafisch und es gab viele solcher Szenen. In die Zeit gebettet kann ich das teilweise verstehen. Was mich hier allerdings wirklich fuchsig gemacht hat, ist die Tatsache, dass alle wirklich bedeutenden Ereignisse (und das sind einige) des Plots in einer Verbindung zu sexueller Gewalt stehen. War für meinen Geschmack etwas viel. Als hätte das 18. Jahrhundert keinerlei weitere Möglichkeiten für Plot-Wendungen bereitgehalten. Zuletzt noch eine kleine Sache, die mich stutzig macht: Das Zeitreise-System oder vielmehr, die Vorstellung von Zeit, die damit verknüpft ist. Es entzieht sich (zumindest in meinen Augen) jeglicher Logik. Für den Roman mag das nicht von Bedeutung sein, dafür ist die Zeitreise zu nebensächlich, aber so ganz rund ist es eben nicht.

Der Auftaktband von Diana Gabaldons Outlander-Reihe war okay. Die Reihe werde ich allerdings wohl nicht weiterverfolgen, die Netflix-Serie vielleicht schon eher.

Ich, Eleanor Oliphant
525 Seiten

Wir lernen Eleanor als eigene, ein stückweit schrullige, Person kennen. Sie wohnt allein, hat einen Bürojob, zieht die Gesellschaft von Zimmerpflanzen derer von Menschen vor und flüchtet sich am Wochenende in ihre Alkoholsucht. Sie ist vielleicht einsam, hat sich aber soweit damit arrangiert, dass sie eigentlich ein gutes Leben führt. Bis sie sich Hals über Kopf verknallt.

Eigentlich, so dachte ich, wäre der Verlauf der Geschichte ab diesem Punkt klar; war er aber nur bedingt. Eleanors Geschichte ist nicht das, was man von einem leicht-anmutenden Roman erwartet. Ihre Geschichte trifft dahin, wo es weh tut. Es ist eine Geschichte, die viele Erklärungen liefert, aber genauso viele Fragen aufwirft. Eine, die sich einer Menge Emotionen bedient, ohne in Sentimentalität zu verfallen. Eine, die psychische Probleme thematisiert, ohne diese zu verklären. Eine, die sich auf die Dinge konzentriert, die im Leben wirklich von Bedeutung sind: Liebe, Hoffnung, Vertrauen und vor allem Freundschaft. Aber in erster Linie ist es die Geschichte einer Frau, die sich und die Welt auf eine neue Art kennenlernt.

Gail Honeyman gelingt es, die Balance zwischen einer gewissen Leichtigkeit und dem traurigen Grundton, der mitschwingt, zu finden. Mir gefiel nicht alles, einige Stellen waren mir schlichtweg zu einfach und ich konnte mich nicht voll mit der Erzählperspektive anfreunden, aber ich mochte dieses Buch gerne. Es ist eines, das auf jeden Fall in Erinnerung bleibt, weil die Geschichte, die es erzählt, mehr als außergewöhnlich ist.

Der alte Mann und das Meer
130 Seiten

Tatsächlich mein erstes Werk von Hemingway. Ich mochte sowohl den Charakter des alten Mannes als auch den des Jungen, mir gefiel die Einfachheit der von Hemingway genutzten Sprache und ich mochte, wie anschaulich und plastisch Hemingway das Meer, die Fische und deren Fang dort beschreibt und umschreibt. Es ist eigentlich nicht viel, was Hemingway hier zu erzählen hat, aber am Ende fühlte es sich doch irgendwie mehr an und das gefiel mir gut. Leider hatte es einige Längen, weshalb der Funke nicht ganz überspringen konnte, aber es war durchaus lesenswert.

Das Siebte Kreuz
452 Seiten

"Wir fühlten alle, wie tief und furchtbar die äußeren Mächte in den Mensch hineingreifen können, bis in sein Innerstes, aber wir fühlten auch, dass es im Innersten etwas gab, was unangreifbar war und unverletzbar." (S. 452)

Anna Seghers' Das siebte Kreuz ist ein Teil deutscher Exilliteratur. Erstmals im Jahr 1942 in den USA veröffentlicht, also noch während der Zeit des Nationalsozialismus, erzählt die Autorin die Geschichte von sieben aus einem in Rheinhessen gelegenen Konzentrationslager geflohenen Häftlingen im Jahre 1937.

Zugegeben, ich tat mich anfangs schwer, in diesen Roman reinzukommen. Den Erzählstil empfand ich als etwas sperrig, der fließende Übergang zwischen den Perspektiven machte es teilweise schwer, Seghers Erzählung zu folgen, ohne den Überblick zu verlieren. Es ist ein Wechsel zwischen kühl-distanzierten Landschafts- und Szenenbeschreibungen und sehr poetischen Ausführungen. Die Symbolik, die sich durch ihr Werk zieht, bietet viel Spielraum für Interpretationen. Das, was mich an dem Roman jedoch am stärksten beeindruckt hat, ist, dass Seghers auf die Schwarz-Weiß-Darstellung, derer sich viele der mir bekannten literarischen Werke mit ähnlicher Thematik bedienen, verzichtet. Stattdessen betrachtet sie die Grautöne. Sie gibt dem, was zwischen den Extremen liegt, ein Gesicht, liefert mit ihrer Charakterauswahl einen Querschnitt der damaligen Gesellschaft, und schafft es, das Augenmerk weniger auf die politische Positionierung als auf die moralische Entscheidungen des Einzelnen zu legen.

Ein absolut lesenswertes Buch über die Zeit des Nationalsozialismus.

Hercule Poirot's Christmas
288 Seiten

Der Anfang zog sich wieder etwas, vielleicht gehört das zu Agatha Christie-Krimis einfach dazu, aber die Dynamik, die sich danach auftat, hat den Fall zu einem spannenden Krimi werden lassen. Die Auflösung hat mich persönlich doch sehr überrascht und auch, wenn vielleicht die ein oder andere Sache etwas überkonstruiert war, wirkte es in sich geschlossen und klug gemacht. Auf jeden Fall ein lesenwerter Hercule Poirot-Fall, wenn auch nicht ganz so weihnachtlich wie der Titel vermuten lässt.

Kellerkind
416 Seiten

Interessanter Münchner Krimi mit einem sehr skurrilen Ermittler-Quartett. Nicht durchweg sympathisch, aber immerhin so, dass man gerne am Ball bleibt. Der Inhalt war gut konstruiert, hatte aber seine Längen. Vielleicht hätte ich mir an der ein oder anderen Stelle einen kleinen Twist gewünscht, die Auflösung kam aber doch überraschend. Was mich im Lesefluss etwas gestört hat, war der Wechsel zwischen Lokaldialekt und Hochdeutsch. Gerade in wörtlicher Rede war der abrupte Wechsel verwirrender als mancher (mir) unbekannte Begriff und ließ es etwas abgehackt wirken. Nichtsdestotrotz unterhaltsam, die Reihe um Waechter werde ich im Auge behalten.

Red Rising (Red Rising, #1)
382 Seiten

Es fällt mir tatsächlich wirklich schwer, dieses Buch zu bewerten. Auf der einen Seite gefiel mir die Welt, die Pierce Brown schafft, wirklich gut. Die Brutalität, die in ebenjener und entsprechend im Umgang mit seinen Charakteren steckt, hat mich tatsächlich überrascht. Womit mich Brown allerdings überhaupt nicht überzeugen konnte, waren sein Stil sowie der Plot. Vieles wirkte als hätte Brown gerade das aufgeschrieben, was ihm in den Sinn kam, und sprachlich war es phasenweise - nicht zuletzt der ständigen Wiederholungen geschuldet - einfach zu vulgär. Trotz Ich-Perspektive blieb mir der Hauptcharakter über die gesamte Distanz unglaublich fremd, viele Szenen wirkten inhaltsleer und am Ende blieb zumindest für mich die Frage, worauf der Autor mit diesem Werk abzielt, offen. Auf den Rest der Reihe werde ich wohl verzichten.