"Station Eleven", wie "Das Licht der letzten Tage" im englischen Original heißt, hat durch unglaublich viele begeisterte Stimmen bereits viel Staub aufgewirbelt. Auch die deutsche Ausgabe ist mit einer Kurzrezension von George R.R. Martin ausgestattet, das kann die Erwartungen doch nur in die Höhe schnellen lassen. Poetischer Schreibstil, interessante Erzählweise, ein Buch, das es so noch nicht gab. All das wird versprochen. Keine Frage: Ein tolles Buch habe ich mit "Das Licht der letzten Tage" tatsächlich gelesen, meine Welt hat es durch seine Großartigkeit allerdings nicht verändert.
Der Einstieg in diese Geschichte erfolgt mit einer Theateraufführung von King Lear. Shakespeare wird bis zum Ende eine wichtige Rolle spielen, genauso wie dieser Abend, der immer wieder auftauchen wird und der Personen einführt, um die es sich später immer wieder drehen wird. Dieser Abend ist allerdings nicht nur durch die Ereignisse bei der Aufführung bedeutend, sondern auch, weil zur gleichen Zeit der Beginn der Epidemie angesetzt werden kann. Die Georgische Grippe hat sich rasend schnell auf der ganzen Welt verbreitet, innerhalb von Stunden gibt es kein Krankenhaus mehr, das nicht unter Quarantäne steht, und man steckt sich schneller an als man ins Auto steigen könnte. Das sowieso nichts mehr nützen würde, weil die Straßen sofort verstopfen oder weil man innerhalb von ein paar Stunden an der Grippe stirbt.
"Das Licht der letzten Tage" ist allerdings nicht nur ein post-apokalyptischer Roman, mindestens die Hälfte der Seiten spielt in der Vergangenheit, die restlichen Seite zeigen die Welt im Jahre 20 nach der Epidemie. Eine nicht lineare Erzählweise ist das, was dieses Buch auszeichnet. Die Autorin springt hier hin und her, mal ins Jahr 20, dann wieder in zum Tag der Apokalypse oder auch noch weiter zurück. Auf den ersten Blick folgt dies keinem deutlichen Muster, bereitet aber ganz viel Lesegenuss, weil sich Beziehungen und Zusammenhänge dadurch ziemlich verknoten und nur langsam auflösen. Das Spekulieren darüber, wer nun was in der neuen Welt macht oder ob überhaupt und was das denn alles mit all den Ereignissen und Beziehungen in der Vergangenheit zu tun hat, haben mir hier am allermeisten Spaß gemacht. Der Schreibstil, der tatsächlich sehr schön ist, trägt natürlich auch dazu bei. Als poetisch würde ich ihn dennoch nicht beschreiben. Natürlich gibt es poetische und schön klingende Sätze, diese herrschen allerdings nicht vor. Viele Abschnitte enthalten auch bloß viele kurze Sätze aneinander, die eher hektisch und abgehackt wirken.
Am ausdrucksstärksten empfand ich hier die Atmosphäre, egal in welcher Zeit sich die Geschichte gerade aufhielt. Die Hilflosigkeit und Leere im Jahre 20, die durch die Fahrende Symphonie, die Konzerte und Shakespeare-Aufführungen gibt, wieder Hoffnung und ein wenig Licht bekommen. Das Leben eines berühmten Schauspielers in der Vergangenheit, der mehrere Leben beeinflusst. Eine Sekte in der neuen Welt, die noch mehr manipuliert. All dies wird eindrücklich beschrieben und bereichert durch einige tiefgängige Charaktere, aber auch andere, zu denen ich bis zum Schluss keinen rechten Zugang finden konnte.
Ein bisschen hält dieses Buch schon, was die vielen begeistern Meinungen versprechen: Es ist in jedem Fall ein besonderes Buch, das meine Erinnerung nicht mehr verlassen wird.
Dieses Buch hat mir ein ziemlich ungewöhnliches und unerwartetes Leseerlebnis bereitet. Fantasy gehört zu meinen liebsten Genres, deshalb habe ich natürlich auch schon viele Bücher in diesem Bereich gelesen. Die Rückkehr der Kriegerin von Susanne Pavlovic ist dabei ein besonders Buch. Der Anfang liest sich zunächst wie eine Episode einer Geschichte, fühlt sich fast wie eine Vorgeschichte zum eigentlichen Buch an. Danach folgt eine weitere Episode mit anderen Charakteren und Schwerpunkten, scheinbar losgelöst von allem davor. Und im nächsten Abschnitt: wieder neue Personen. Nur langsam verbinden sich alle Handlungsstränge zu einer einzigen Geschichte.
Krona Karagin, die im Klappentext als Anti-Heldin angepriesen wird, ist die Protagonistin des ersten Kapitels, der „Vorgeschichte“. Sie tut sich mit weiteren sehr speziellen Persönlichkeiten zusammen, um sich ein Erbe zu erstreiten, das hinter mehreren kleinen Abenteuern und Aufgaben versteckt ist. Bei ihr ist ein stiller Eigenbrötler und ein aufgeweckter, aber zu klein geratener Mann, der den Mund unmöglich halten kann und alle mit seinen Geschichten und Ausschweifungen amüsiert. Also mich als Leserin, bei Krona sieht das schon ganz anders aus! Im zweiten Kapitel trifft man dann auf einen mürrischen Zwerg und eine Nomaden-Prinzessin, die auf der Suche nach einen Troll sind und deshalb zufällig aufeinander treffen. Es wäre logisch gemeinsam weiterzuziehen, aber geht das so einfach, wenn sich diese beiden Völker eigentlich bis aufs Blut hassen?
Die Leseerfahrung in diesem Buch war durch die eher Kurzgeschichten-artig gehaltenen Kapitel eine unglaublich interessante. Nicht nur, dass die Handlungsstränge zunächst sehr unabhängig voneinander waren, sondern auch durch die Länge der Kapitel (zum Vergleich: Länger als bei der A Song of Ice and Fire-Reihe). In den letzten Jahren sind meines Gefühls nach Kapitel immer kürzer geworden. Ein paar Seiten lesen und dann fängt schon wieder der nächste Abschnitt an, schön für all die Kapitelleser, und auch ich habe mich recht schnell daran gewöhnt. Vor dem Einschlafen noch schnell das Kapitel beenden? Das funktioniert doch bei vielen neueren Büchern ziemlich gut. Hier allerdings wäre es nur möglich gewesen, wenn die Augen noch mindestens eine Stunde, eher länger, durchgehalten hätten. Die einzelnen Kapitel waren hier jeweils längere Erzählungen ohne Unterbrechungen. Und genau das war angenehm. Keine künstlichen Zäsuren oder Cliffhanger, die Geschichte ging einfach weiter. Und wer sagt denn, dass es ein Kapitelende braucht, um das Buch zur Seite legen zu können, nur weil ich mich daran gewöhnt habe? Dadurch konnte ich diese Geschichte auf ganz andere Weise genießen und ich bin froh drum.
Das Buch selbst, dieser Reihenauftakt, ist natürlich auch durch den Inhalt interessant. Die anfängliche Suche nach dem Erbe entpuppt sich als der Beginn einer epischen und natürlich wichtigen und weltverändernden Quest. Nicht, dass die verschiedenen Personengruppen hier sonderlich darauf vorbereitet wären, aber sie stürzen sich dennoch mit Eifer mitten ins Abenteuer. Die Suche nach einer Lösung oder überhaupt das Vorantreiben der Handlung tritt später in der Geschichte leider etwas in den Hintergrund. Selbstverständlich muss auch noch etwas für den zweiten Band übrig gelassen werden, trotzdem wurde der Fokus hier für meinen Geschmack etwas zu sehr verschoben. Die Rückkehr der Kriegerin ist allerdings sowieso eine Geschichte, die von den Charakteren getragen wird. Die bunte Mischung, der Humor, die Kabbeleien, all das ergibt einen spannenden Mix: mal unglaublich witzig, andere Male nachdenklich, zwischen zwei Personen sogar richtig romantisch und herzzerbrechend.
Die Fantasy-Welt würde ich als spannend, aber unauffällig beschreiben. Es gibt verschiedene Völker (Menschen, Zwerge…), verschiedene Arten von Magiern und alles ist in einem mittelalterlichem Stil gehalten. Nichts, was man noch nie gesehen hätte, aber doch detailliert und liebevoll ausgearbeitet.
Der erste Band der Feuerjäger-Reihe wird Fans von Fantasygeschichten also einiges bieten können und überzeugte mich vor allem durch die chaotischen und abwechslungsreichen Charaktere.
Letztes Jahr im Winter habe ich die ersten Bücher aus der Clockwork Cologne-Welt gelesen, und zwar die Reihe um Magnus von Susanne Gerdom. Nun, nicht ganz ein Jahr später, aber der Sommer ist leider während der Lektüre so langsam verschwunden, habe ich endlich weiter gelesen und das hätte ich schon viel früher tun sollen! Diesmal las ich die Reihe um Boris und Olga von Selma J. Spieweg, die passend zum Temperaturabfall in unserer Welt im verschneiten und eiskalten Russland spielt. Das Setting ist hier also ein ganz anderes, die Steampunk-Welt erkennt man aber zweifellos wieder und genügend Verbindungen zu Cöln sind selbstverständlich auch vorhanden. Clockwork Cologne ist eine Steampunk-Reihe von Simone Keil, Susanne Gerdom und Selma J. Spieweg. Die drei Autorinnen schreiben jeweils eigene Reihen mit ihren eigenen Figuren, verknüpfen diese allerdings auch immer mal wieder miteinander. Diese Bücher können auch unabhängig voneinander gelesen werden, dennoch hoffe ich, dass es jeden Leser wie mir ergehen wird: Nach der Lektüre eines Buches wollte ich unbedingt noch mehr Abenteuer in dieser Welt erleben.
"Tod dem Zaren" begleitet den älteren Soldaten Boris, der es irgendwie geschafft hat rund 40 Jahre im Krieg zu überleben, und das kleine Mädchen Olga, das ständig „Tod dem Zaren“ schreit, frech und humorvoll durch die Gegend flitzt und sehr ehrenhaft alles stiehlt, was sie in die Finger bekommt. Obwohl sie beide heimatlos sind und in derselben Welt wohnen, könnten diese beiden Personen nicht unterschiedlicher sein. Und doch treffen sie sich immer wieder. Zusammen versuchen sie in der eiskalten Einsamkeit zu überleben, müssen vor Aasgeiern flüchten, die den Krieg ausnutzen, um verlorene Menschen auszubeuten, und treffen plötzlich auf den Zaren selbst. Oder doch nicht?
Die Geschichte wird abwechselnd aus den Sichtweisen von Boris und Olga erzählt, was manchmal unglaublich putzige und witzige Missverständnisse aufdeckt. Kleine Szenen werden nämlich hintereinander aus beiden Perspektiven erzählt. Das klingt erst mal so, als wären es unnötige Wiederholungen, dies hat für mich allerdings den Charme dieser Geschichte ausgemacht. Boris und Olga verstehen sich den Großteil der Geschichte über ganz und gar nicht. Wie denn auch? Boris ist, seit er denken kann, ein Soldat des Zaren und dient ihm treu, Olga hingegen scheint eine Gegnerin des Zaren zu sein. Zudem haben beide viele Momente ihres Lebens einsam verbracht, mussten sich allein durchkämpfen und sind es gar nicht gewohnt Beziehungen zu anderen aufzubauen. Boris‘ Überlebensglück macht ihn bei seinen Kollegen überhaupt nicht beliebt, er wird hingegen sogar gefürchtet, und Olga hatte nicht das Glück mit Liebe aufzuwachsen. Das wirkt sich auch auf die Handlungen der beiden aus. Boris ist ständig ruppig und weiß gar nicht so recht, was er machen soll, wenn es sich nicht um Marschbefehle oder ähnliches handelt; und Olga ist ständig auf der Suche nach ein bisschen Zuneigung und Geborgenheit. Ist so ein eingefleischter Soldat da wirklich das richtige Ziel?
"Tod dem Zaren" ist mal wieder ein Buch, an dem man richtige Charakterstudien durchführen könnte, aber das ist natürlich noch lange nicht alles. Die Handlung und die Steampunk-Elemente sind mindestens genauso spannend. Boris beispielsweise kann man gar nicht mehr wirklich als Menschen bezeichnen, denn er musste sich als „Freiwilliger“ zur Verfügung stellen, um neue Entwicklungen der Quantenmechanik an ihm testen zu lassen. Ein Arm ist nun mechanisch, zudem leuchtet er blau und glücklich ist er damit garantiert nicht. Zudem gibt es Gerüchte über eine Zeitmaschine oder nur die Pläne dafür, die natürlich äußerst begehrt sind. Boris und Olga treffen auf ihrer Reise auf die unglaublichsten Leute und erleben Dinge, die langsam ein großes und spannendes Ganzes ergeben.
Selma J. Spieweg hat mit diesem Reihenauftakt eine Geschichte geschaffen, die eine ganz andere, aber genauso tolle Atmosphäre wie die anderen Clockwork Cologne-Bücher hat. Das Lesen und das Zusammenpuzzeln aller Handlungen und Zusammenhänge haben Spaß gemacht und ich freue mich nun auf den zweiten Band "Die Zeitmaschine des Arabers".
"Die Quersumme von Liebe." Ein herrlicher und ungewöhnlicher Titel, der diesem Buch allerdings leider trotzdem nicht gerecht wird. Er klingt nach einer lockeren Geschichte über die Liebe, vielleicht mit außergewöhnlichen Protagonisten mit einem Gespür für Mathe. Darum geht es auch in einigen Momenten, doch tatsächlich steht etwas ganz anderes im Mittelpunkt. Hier geht es um das Mädchen Luzie, das beim Entsorgen des Papiermülls einen Brief findet, in dem steht, dass ihre Oma vor ein paar Tagen verstorben ist. Ihre Mutter hat allerdings schon vor 10 Jahren behauptet, dass die Großmutter einen Schlaganfall nicht überlebt hatte, wie sollte das nun also möglich sein? Luzie macht sich auf die Suche nach der Wahrheit, was sich bald als schwieriger als gedacht herausstellt, denn sie scheint sich nicht wirklich an ihre eigene Kindheit erinnern zu können.
Katrin Zipse erzählt diese Geschichte aus zwei verschiedenen Sichtweisen, die auf unterschiedlichen Zeitebenen spielen. Da ist natürlich Luzie, die man ab der Entdeckung der Todesanzeige begleitet, wie sie versucht herauszufinden, was wirklich mit ihrer Oma passiert ist und warum ihre Mutter sie damals belogen hat. Luzie stürzt dabei fast in eine richtige Krise: Was ist denn überhaupt noch wahr an dem Leben, an das sie sich erinnert? Wenn ihre Oma schon nicht vor 10 Jahren gestorben ist, sondern erst jetzt, was ist dann mit ihrem verstorbene Vater geschehen?
Der zweite Handlungsstrang ist der von Puma, der einige Zeit später spielt und auf das Geschehen in der Vergangenheit zurückblickt. Puma ist ein Junge, den Luzie im Verlauf ihrer Geschichte kennenlernen wird und mit dem es auch eine zuckersüße Liebesgeschichte gibt. Die Erzählungen aus Pumas Sicht wirken besonders eindringlich, da er mit einem „du“ Luzie direkt anspricht und damit reflektiert, was geschehen ist.
Das Thema von "Die Quersumme von Liebe" ist ein unglaublich schwieriges. Ich kann und möchte hier natürlich nicht viel dazu verraten, damit ihr es beim Lesen selbst erleben könnt. Es fängt zwar noch recht fröhlich an, Luzies Alltag wird beleuchtet und auch der Titel wird erklärt: Luzie rechnet gern, mit irgendwelchen Zahlen, die sie gerade vorfindet. Das Datum des Tages, ein Kennzeichen, die Anzahl der Dinge, die auf dem Tisch liegen. Wenn ihre Rechnung aufgeht, ist das ein gutes Zeichen; wenn nicht, dann wird vielleicht noch was schlimmes geschehen. Das klingt erst mal nach einer Spielerei, es wird allerdings auch schnell deutlich, dass Luzies Leben überhaupt nicht so fröhlich ist. Sie lebt mit ihrem kleineren Bruder bei ihrer Mutter, die ständig bei ihrem Lover ist und auch sonst nicht besonders viel Liebe und Geborgenheit für ihre Kinder übrig hat. Luzie ist deshalb auf sich allein gestellt, wenn sie mal wieder von einer Panikattacke überrascht wird oder wenn ihr Bruder Aaron traurig ist. Deshalb nimmt sie sich die Suche nach der Wahrheit auch erst mal allein vor.
Pumas Erzählungen bieten eine schöne Abwechslung, auch wenn sie zunächst einmal ziemlich verwirren. Da er rückblickend erzählt, weiß man als Leser noch nicht immer, was genau er meint. Zeitgleich liest man Luzies Erlebnisse, sie ist einfach noch nicht so weit wie Puma, aber durch seine Andeutungen weiß man schon, dass bald etwas schlimmes oder wichtiges passieren wird. Ein interessantes Leseerlebnis!
"Die Quersumme von Liebe" ist ein Buch, das mich emotional ganz schön mitgenommen hat. Es erzählt von Personen, die mich aufgeregt und wütend gemacht haben, es erzählt von menschlichen Abgründen, es erzählt von einer Bruder-Schwester-Beziehung, die ans Herz geht. Katrin Zipses Schreibstil ist unglaublich schön zu lesen und auf einem anspruchsvollen Niveau. Dieses Buch erzählt eine Geschichte, die mich überrascht hat.
Ein immer wiederkehrendes, aber trotzdem nicht langweiliges Thema in der Science Fiction ist die künstliche Intelligenz und wie sie irgendwann die Menschheit überflügeln wird. In "Das Schiff" von Andreas Brandhorst ist etwas ähnliches schon längst geschehen: Intelligente Maschinen haben angefangen sich selbst weiterzuentwickeln und sind dabei immer besser geworden. Nun sind es die nach der großen Flut übrig gebliebenen Menschen, die ohne die Maschinen gar nicht mehr überleben können. Diese können nicht nur ewiges Leben vergeben, sondern haben auch Brüter entwickelt, die den Unsterblichen ihr Leben so bequem wie möglich machen. Bei der Hauptperson Adam jedoch ist die Operation, die Unsterblichkeit verleiht, fehlgeschlagen und er wurde zum Mindtalker ausgebildet. Diese können im Gegensatz zu den unsterblichen Menschen mit ihrem Bewusstsein die komplette Galaxie bereisen. Adam und seine Kollegen werden also losgeschickt, um sich auf die Suche nach dem verschollenen Volk der Muriah zu machen, entdecken dabei allerdings einen alten und mächtigen Feind.
Die Atmosphäre in diesem Buch ist eine ganz andere als in den Büchern, die ich von Andreas Brandhorst bereits gelesen habe: "Das Kosmotop" und "Ikarus". Beide Bücher haben extrem spannend angefangen und sind rasant und mit viel Action zum Ziel gelangt. Spannung und Action gibt es in "Das Schiff" zwar auch, aber insgesamt erschien mir dieser Roman um einiges ruhiger. Hier wird viel beobachtet und nachgedacht, der Leser bekommt Einblicke in viele Gedanken und Leben. Besonders eindringlich wird hier die Kluft zwischen den Mindtalkern und den Unsterblichen erzählt. Adam, der an seinem 30. Geburtstag erfahren musste, dass er nicht mit seiner Familie unendlich lange leben kann, ist ab diesem Moment komplett von seiner ursprünglichen Umgebung abgeschnitten. Was sind schon um die 100 normale Menschenjahre für einen Unsterblichen? Ein einziger, kleiner und unwichtiger Moment. Als Adam, nun ein alter Mann, viele Jahre später seinem unsterblichen Vater begegnet, erkennt dieser seinen Sohn nicht einmal wieder. Eine Unsterbliche taucht allerdings immer wieder bei Adam auf und scheint ihn nicht zu vergessen: Evelyn. Sie offenbart ihm, dass sie zur Gruppe Morgenrot gehört, die den Maschinenintelligenzen und dem Cluster überhaupt nicht vertrauen. Sind sie bloß Revolutionisten? Verschwörungstheoretiker? Adam fängt langsam an darüber nachzudenken, was er im Auftrag der Maschinen tagtäglich im All erledigt.
Als Mindtalker arbeitet Adam für Bartholomäus, eine Maschine, die sich auf Strategie spezialisiert hat. Bartholomäus versichert ihm immer wieder, wie wichtig er sei und wie gut die Maschinen auf seinen sterblichen Körper Acht geben würden. Bartholomäus und andere intelligente Maschinen, die im Roman immer wieder auftauchen, sind ein unglaublich interessanter Aspekt dieses Romans. Verschiedenste Maschinen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Geht das überhaupt? Können intelligente Maschinen, die nicht leben und von denen man nicht annehmen würde, dass sie ein Bewusstsein oder eine Seele hätten, eigene Persönlichkeiten haben? In "Das Schiff" geht das. Die Charakterisierung der Maschinen, was überhaupt künstliche Intelligenz ausmacht und was daraus erwachsen kann, ist ein wichtiger Teil dieser Geschichte. Genau dies führt auch unter anderem dazu, dass es hier etwas ruhiger zugeht, langweilig ist es deshalb aber keinesfalls.
Andreas Brandhorst, der Mann mit dem außergewöhnlich riesigen Vokabular, hat mit "Das Schiff" wieder eine tolle Reise durch das Weltall geschrieben. Wie immer strotzt hier alles nur so vor technologischen Fortschritten und deshalb natürlich auch Fremdwörtern. Nicht immer habe ich genau verstanden, wer jetzt wie und wo oder auf welche Weise herumläuft, dafür waren mir die technischen Details manchmal zu hoch und zu dicht. Meinetwegen hätte die Geschichte viel weniger solcher Erklärungen haben können, denn so wirkte es oft sperrig. Zunächst habe ich mir vorgenommen diese Aspekte einfach zu ignorieren und der Geschichte zu folgen, was auch wunderbar geklappt hat. Später jedoch haben solche detaillierten Erklärungen die Kapitel mitunter ein wenig lang gezogen. Die wichtigste Botschaft ist aber trotzdem diese: Ich musste nicht jede Maschine zu 100% verstehen, um die Geschichte an sich verstehen zu können. Und die war wunderbar. Außergewöhnlich, abwechslungsreich, spannend und nachdenklich, oft auch philosophisch. "Das Schiff" empfehle ich jedem weiter, für den sich eine Geschichte über die Auswirkungen künstlicher Intelligenz interessant anhört.
Neil Gaiman gehört zu meinen absoluten Lieblingen, weil seine Geschichten einfach immer etwas Besonderes sind, das ich so vorher noch nie gelesen habe. Doch sein laut Goodreads meistgelesenes Buch "American Gods" habe ich jahrelang ignoriert. Ich hatte es zwar schon vor längerer Zeit erworben, aber es hat nie laut nach mir gerufen. Der Klappentext klang interessant, aber mehr auch nicht. Tatsächlich ist das Buch natürlich viel mehr als nur interessant, es hatte zwar zwischendurch einige Längen, aber selbst dann war es unglaublich facettenreich und spannend.
Zu Beginn von "American Gods" ist der Protagonist Shadow noch im Gefängnis und büßt seine letzten Tage ab. Er freut sich unglaublich darauf, seine Frau Laura nach drei Jahren wiederzusehen, doch genau da fangen seine Probleme und Schicksalsschläge schon an: Ein paar Tage vor seiner offiziellen Entlassung erreicht ihn die Nachricht, dass Laura einen tödlichen Autounfall hatte. Er darf früher gehen, um bei der Beerdigung dabei sein zu können. Auf dem Flug dorthin sitzt er neben einem alten Mann, der sich als Mr. Wednesday vorstellt und komischerweise alles über Shadows Leben weiß. Dieser ist natürlich irritiert, als Wednesday ihm auch noch einen Job anbietet, und flieht vor ihm. Doch natürlich . . . Wednesday findet ihn sofort wieder. Und hier geht’s los mit den kreativsten phantastischen Elementen aus Gaimans Feder.
Dieses Buch hat die Atmosphäre eines Roadtrips, ohne dass ich mir lange Zeit klar darüber war, wohin es denn überhaupt gehen soll. Und das war auch vollkommen egal, denn „Der Weg ist das Ziel“ passt einfach haargenau auf diese Geschichte, die so voller Facetten, Details und natürlich fast unglaublicher und krasser Ereignisse ist. Shadow trifft hier auf die ungeheuerlichsten Personen und Orte, wovon natürlich alles charakterisiert und somit doch irgendwie greifbar wird. Einige Längen entstehen dadurch, dass manche Details einfach tiefer als nötig beschrieben werden. Die schiere Größe hat es mir über lange Strecken fast unmöglich gemacht zu beurteilen, was hier wichtiger ist als anderes oder wo überhaupt irgendwelche Zusammenhänge sind. Doch immerhin, Gaimans traumhafter Schreibstil lässt sich in jedem Satz erkennen.
In "American Gods" geht es selbstverständlich tatsächlich um Götter. Was passiert mit all den Göttern der vielen verschiedenen Menschen, die nach Amerika gewandert sind, die zunächst noch fest an sie geglaubt haben, aber in diesem neuen und riesigen Land so viel anderes vorgefunden haben? Neil Gaiman kritisiert die Gesellschaft in den USA, manchmal klischeehaft, aber immer mit seiner eigenen besonderen Würze und den außergewöhnlichsten übernatürlichen Elementen. Er schafft es dabei immer wieder, dass ich beim Lesen gleichzeitig „Was zum …!?“ dachte, ihm die Beschreibungen und Ereignisse aber trotzdem genau so abnahm.
"American Gods" ist damit ein Buch, das Geduld fordert und in das man sich einfach fallen lassen sollte, egal was kommt. Neil Gaiman fasst es in diesem Roman selbst ziemlich gut zusammen:
"Fiction allows us to slide into these other heads, these other places, and look out through other eyes. And then in the tale we stop before we die, or we die vicariously and unharmed, and in the world beyond the tale we turn the page or close the book, and we resume our lives."
Eine Geschichte, die es wert war, dass sie mich so viele Tage lang begleitet hat.
Wenn ihr sehen könntet, wie verwirrt ich gerade vorm Rechner sitze und versuche einen ersten Satz zu tippen, könntet ihr euch vielleicht vorstellen, wie schwer mir diese Bewertung fällt — wozu natürlich auch der erste Satz gehört, aber das habe ich ja jetzt geschickt gelöst, höhö. Auf "Nacht ohne Sterne" habe ich gefühlt schon seit Monaten hingefiebert, obwohl ich vorher noch nie etwas von Gesa Schwartz gelesen hatte. Dennoch klang der Klappentext schon so phantastisch, dass ich es kaum abwarten konnte. Meine Vorfreude wurde viele Seiten lang auch bestätigt, denn den Schreibstil der Autorin kann ich nur mit wunderschön beschreiben. Einer, in den man sich fallen lassen kann, einer, der vor Bildhaftigkeit nur so strotzt. Jedoch auch einer, in den man sich nicht immer und zu jeder Zeit fallen lassen kann, denn mitunter lesen sich die verschnörkelten Sätze recht sperrig. Und damit sind wir auch schon bei meinem Problem: Wie kann ich nur erklären, warum ich etwas gleichzeitig wunderschön und sperrig fand?
Die Geschichte von "Nacht ohne Sterne" beginnt an einem regnerischen Tag in New York. Die Protagonistin Naya ist gerade mit einem neuen Schwung Bücher auf dem Weg ins Antiquariat ihres Vaters, als sie einigen Askari begegnet, die gerade einem Kobold auflauern. Askari sind die Lichtelfen in diesem Buch, auch Nayas verstorbene Mutter war eine, was Naya zu einem Halbling macht. Sie gehört damit weder richtig in die Welt der Askari noch in die der Menschen, kann nicht wirklich zaubern, aber doch übernatürliche Dinge wahrnehmen. Das Reich der Lichtelfen bleibt ihr erst recht verwehrt, vom Reich der Dunkelelfen, die hier Bharassar heißen, ganz zu schweigen. Beide Elfenrassen sind seit jeher verfeindet, doch als sie Vidar begegnet, der so gar nicht zu den Geschichten über die bösen Dunkelelfen zu passen scheint, steht sie plötzlich zwischen den Fronten.
Dieses Setting klingt zunächst mal nach Urban Fantasy, es verwandelt sich allerdings recht schnell zu High Fantasy, da sich Naya immer mehr in den Reichen der Askari und Bharassar aufhalten wird. Und diese Welten, die Gesa Schwartz da erschaffen hat, sind unglaublich kreativ und was vollkommen neues, obwohl ich ja sonst auch so viel High Fantasy lese. Die Autorin spielt hier mit ihrem verschnörkelten und detaillierten Schreibstil, vieles in den neuen Welten erscheint wie im Traum oder nur dann, wenn die handelnden Personen sich vorstellen können, dass es existiert. Und genau so kommt das dann natürlich auch in den Köpfen der Leser an. Da die Sprache in diesem Buch sehr bildgewaltig ist, fiel es mir bis zu einem gewissen Punkt ziemlich leicht mich in diese Bilder fallen zu lassen, sie zuzulassen. Andere Leser in der Leserunde zu "Nacht ohne Sterne" hingegen hatten von Beginn an Schwierigkeiten. Zum Glück sind Geschmäcker verschieden, dachte ich mir dann, bis mich genau das eben auch eingeholt hat. Ich gehöre zu den (Phantastik-)Lesern, die sich gern vorstellen können, wie etwas funktioniert. Dazu muss man mir das gar nicht zu 100% aufdröseln, damit ich etwas logisch finde, doch hier hat mich Gesa Schwartz leider ab ungefähr der Mitte des Buches abgehängt. Viele Situationen fühlten sich zwar immer noch traumhaft schön an, waren für mich aber so abgehoben, dass ich teilweise überhaupt nicht mehr sagen konnte, was da abging — mal ganz flapsig gesagt. Schöne Worte bleiben zwar immer noch schöne Worte, aber es ist schade, wenn die Bildgewalt nicht immer zuverlässig da ist.
Die Geschichte selbst, die natürlich davon beeinflusst wurde, dass mir die traumartigen Konstrukte zu viel wurden, ist aber dennoch eine herausragende. Zu keinem Zeitpunkt des Buches hätte ich sagen können, wohin und auf welchen Wegen die Handlung vorangetrieben wird. Etwas, das ich zu Beginn als Grundproblem benannt hätte, wurde zum Beispiel schon recht früh aufgelöst und danach ging es erst so richtig los. "Nacht ohne Sterne" beschreibt eine vollkommen neue Welt, die von komplexen, aber nicht ganz so neuartigen Problemen geplagt wird. Naya ist eine starke Protagonistin, die manchmal zwar in Selbstmitleid aufgeht und klischeehaft handelt, den Leser aber dennoch zielstrebig und rasant durch die Geschichte führt, sodass es nie langweilig wird.
Auf den zweiten Teil der "Imperium der Drachen"-Reihe von Bernd Perplies, "Kampf um Aidranon", musste man nicht mal ein Jahr warten und trotzdem war das zu lange. "Das Blut des Schwarzen Löwen" war schon so ein spannender Auftakt, dass ich am liebsten sofort weitergelesen hätte. Direkt in den ersten Kapiteln habe ich gemerkt: Das hier ist sogar noch besser als der einführende Band.
Die Geschichte schließt nahtlos an das Ende des ersten Bandes an (Achtung, Spoiler für Band 1): König Iurias Agathon ist tot und Iolan, der gerade erst erfahren hat, dass jener sein Vater war, tritt die Thronfolge an. Ob er dafür bereit ist, scheint vollkommen egal zu sein, seine Berater können ihm in allen Angelegenheiten helfen und versuchen mit allen Mitteln den neuen König auf ihre Seite zu ziehen. Da ist nicht nur seine Mutter, die sofort die Chance ergreift, um wieder mehr Macht haben zu können, sondern auch Urghaskar, ein Quano und der neue Erztheurg von Aidranon, der seine ganz eigenen Ziele zu verfolgen scheint. Auch bei Iolans Ziehbruder geht es ähnlich rasant und spannend weiter: Markos entkommt zwar der Sklaverei, aber die Kriege im Reich gehen immer noch weiter und er soll nun als Kriegsheld die Armeen motivieren.
Wie gewohnt wechseln die Handlungsstränge zwischen Iolan und Markos hin und her. "Kampf um Aidranon" war dabei derart spannend, dass ich mir jedes Mal gewünscht habe, möglichst lange bei einer Perspektive zu bleiben, um zu erfahren, wie es weitergeht. Gleichzeitig wollte ich aber genauso zur anderen Sichtweise zurück, weil es dort ebenso eindrucksvoll und fesselnd zuging. Ein ganz schöner Teufelskreis war das, der nur durchbrochen werden konnte, indem man einfach schnell weiter gelesen hat. Politische Intrigen waren bereits in Band 1 schon ein sehr präsentes Thema, hier wird das Ganze auf die Spitze getrieben. Iolan ist bereits ein wenig erwachsener geworden und reagiert nicht mehr ganz so naiv auf Empfehlungen oder auf neue Ratgeber. Trotzdem befindet er sich aufgrund seiner Unerfahrenheit auf einem wackeligen Thron und muss auch auf seine Berater hören. Es ist unglaublich faszinierend zu lesen, wie Iolan nach und nach die manipulativen Menschen um sich herum einzuschätzen lernt. In diesem Buch waren so viele Intrigen am Gange, dass es schnell nervenaufreibend wurde. Einige Szenen waren witzig, andere haben wütend gemacht oder waren sogar zum Haareraufen. So viele intrigante Persönlichkeiten auf einem Haufen, die meisten davon sogar noch äußerst intelligent. Eine explosive Mischung!
Auch die Abenteuer von Markos sind gewohnt spannend und er selbst ist ein unglaublich sympathischer und intelligenter Charakter. Zusammen im Trupp mit dem amüsanten Barden Frittjelf haben seine Szenen unglaublich viel Freude bereitet, da sie wieder ziemlich verrückte Abenteuer erlebt haben.
Einigen Wesen der Welt von Yeos wird in diesem Buch mehr Aufmerksamkeit gewidmet, sodass man sie näher kennenlernen kann. Da wären nicht nur die Drachen, die Iolan aufgrund seines Fluches unbedingt näher kennenlernen will, sondern auch noch die Quano, die geheimnisvollen Magier in dieser Welt. Wir lernen hier einige Quano näher kennen, erfahren etwas über ihre Religion und ihre Zauberkräfte und auch einige persönliche Dinge. Genau diese näheren Betrachtungen haben mir hier besonders gut gefallen.
"Kampf um Aidranon" beendet den ersten Zyklus der "Imperium der Drachen"-Saga. Zusammen mit "Das Blut des Schwarzen Löwen" ist dieses Buch Teil des Zweiteilers Aufstieg. Die an das römische Reich angelehnte Welt Yeos und die Charaktere werden weiter ausgearbeitet und durch Bernd Perplies Schreibstil vor dem inneren Auge zum Leben erweckt. Ich hoffe, dass ich irgendwann mit weiteren spannenden Zweiteilern noch mehr Zeit in Yeos verbringen darf.