Das Licht der letzten Tage
409 Seiten

"Station Eleven", wie "Das Licht der letzten Tage" im englischen Original heißt, hat durch unglaublich viele begeisterte Stimmen bereits viel Staub aufgewirbelt. Auch die deutsche Ausgabe ist mit einer Kurzrezension von George R.R. Martin ausgestattet, das kann die Erwartungen doch nur in die Höhe schnellen lassen. Poetischer Schreibstil, interessante Erzählweise, ein Buch, das es so noch nicht gab. All das wird versprochen. Keine Frage: Ein tolles Buch habe ich mit "Das Licht der letzten Tage" tatsächlich gelesen, meine Welt hat es durch seine Großartigkeit allerdings nicht verändert.

Der Einstieg in diese Geschichte erfolgt mit einer Theateraufführung von King Lear. Shakespeare wird bis zum Ende eine wichtige Rolle spielen, genauso wie dieser Abend, der immer wieder auftauchen wird und der Personen einführt, um die es sich später immer wieder drehen wird. Dieser Abend ist allerdings nicht nur durch die Ereignisse bei der Aufführung bedeutend, sondern auch, weil zur gleichen Zeit der Beginn der Epidemie angesetzt werden kann. Die Georgische Grippe hat sich rasend schnell auf der ganzen Welt verbreitet, innerhalb von Stunden gibt es kein Krankenhaus mehr, das nicht unter Quarantäne steht, und man steckt sich schneller an als man ins Auto steigen könnte. Das sowieso nichts mehr nützen würde, weil die Straßen sofort verstopfen oder weil man innerhalb von ein paar Stunden an der Grippe stirbt.

"Das Licht der letzten Tage" ist allerdings nicht nur ein post-apokalyptischer Roman, mindestens die Hälfte der Seiten spielt in der Vergangenheit, die restlichen Seite zeigen die Welt im Jahre 20 nach der Epidemie. Eine nicht lineare Erzählweise ist das, was dieses Buch auszeichnet. Die Autorin springt hier hin und her, mal ins Jahr 20, dann wieder in zum Tag der Apokalypse oder auch noch weiter zurück. Auf den ersten Blick folgt dies keinem deutlichen Muster, bereitet aber ganz viel Lesegenuss, weil sich Beziehungen und Zusammenhänge dadurch ziemlich verknoten und nur langsam auflösen. Das Spekulieren darüber, wer nun was in der neuen Welt macht oder ob überhaupt und was das denn alles mit all den Ereignissen und Beziehungen in der Vergangenheit zu tun hat, haben mir hier am allermeisten Spaß gemacht. Der Schreibstil, der tatsächlich sehr schön ist, trägt natürlich auch dazu bei. Als poetisch würde ich ihn dennoch nicht beschreiben. Natürlich gibt es poetische und schön klingende Sätze, diese herrschen allerdings nicht vor. Viele Abschnitte enthalten auch bloß viele kurze Sätze aneinander, die eher hektisch und abgehackt wirken.

Am ausdrucksstärksten empfand ich hier die Atmosphäre, egal in welcher Zeit sich die Geschichte gerade aufhielt. Die Hilflosigkeit und Leere im Jahre 20, die durch die Fahrende Symphonie, die Konzerte und Shakespeare-Aufführungen gibt, wieder Hoffnung und ein wenig Licht bekommen. Das Leben eines berühmten Schauspielers in der Vergangenheit, der mehrere Leben beeinflusst. Eine Sekte in der neuen Welt, die noch mehr manipuliert. All dies wird eindrücklich beschrieben und bereichert durch einige tiefgängige Charaktere, aber auch andere, zu denen ich bis zum Schluss keinen rechten Zugang finden konnte.

Ein bisschen hält dieses Buch schon, was die vielen begeistern Meinungen versprechen: Es ist in jedem Fall ein besonderes Buch, das meine Erinnerung nicht mehr verlassen wird.

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